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Fünftes Kapitel.

 

Der Wind blies scharf aus Nord und Ost,
Blies durch die off'ne Thür;
Da sagt' der Hausherr zu dem Weib:
»Geh', schließ' die Thüre mir.«

»Ich hab' viel Arbeit, wie du siehst!«
Die Hausfrau darauf spricht;
»»Sollt' hundert Jahr' sie offen steh'n,
»»Schließ' ich sie sicher nicht!««

Altes Lied.

 

Wir können nur hoffen, daß der freundliche Leser den letzten Theil des vorigen Kapitels nicht sehr langweilig gefunden hat; wie dem aber auch sei, so kann seine Ungeduld kaum so groß gewesen sein, wie die des jungen Mordaunt Mertoun, der – während Blitz auf Blitz folgte, und der Wind, von einem Punkte der Windrose zum andern laufend, mit der Gewalt eines Orkanes wehte, und der Regen in Strömen herabfloß – unablässig an die Thür von Harfra donnerte, rief und schrie, und dabei nicht begriff, wie man einem Fremden bei so furchtbarem Wetter den Eintritt versagen könne. Als er endlich fand, daß sowohl Lärmen als Schreien unnütz waren, trat er so weit von der Vorderseite des Hauses zurück, daß er die Schornsteine gehörig betrachten konnte, und sah nun zu seinem großen Schrecken, daß kein Rauch aus denselben aufstieg, obgleich es nahe an Mittag war, damals der Essensstunde auf diesen Inseln.

Jetzt verwandelte sich Mordaunts zornige Ungeduld in Theilnahme und Besorgniß, denn seit langer Zeit an die verschwenderische Gastfreiheit der shetländischen Inseln gewöhnt, vermuthete er, daß irgend ein großes und unerklärbares Unglück die Familie getroffen habe, und suchte nun einen Platz, von wo aus er gewaltsam in das Haus eindringen könne, um sowohl über die Lage der Bewohner in's Klare zu kommen, als auch für sich selbst ein Obdach zu erhalten. Seine jetzige Besorgniß war indeß eben so unnütz, als sein früherer Ungestüm. Triptolemus und seine Schwester hatten den ganzen Lärm sehr gut gehört, und sich bereits sehr heftig darüber herumgestritten, ob es rathsam sei, die Thüre zu öffnen oder nicht.

Mrs. Baby war, wie wir sie oben geschildert haben, keine Freundin von der Ausübung der Gastfreundschaft. Auf ihrem Pachthofe zu Cauldshouthers, in den Mearns, war sie der Schrecken aller herumziehenden Handwerker, Hausirer, Zigeuner, alter Bettler u. s. w. gewesen; auch konnte Keiner, wie sie sich dessen rühmte, selbst nicht der Verschlagenste, behaupten, je den Ton ihrer Klinke gehört zu haben. Auf Shetland, wo die neuen Ansiedler mit der ungemeinen Ehrlichkeit und Einfalt aller Stände noch nicht bekannt waren, vereinigten sich Argwohn und Furcht bei ihnen mit der Begierde, zu sparen, zu dem Wunsche, alle wandernden Gäste von zweideutigem Charakter ausschließen zu können; der zweite dieser Beweggründe hatte sogar auf Triptolemus selbst Einfluß, der weder argwöhnisch, noch geizig war, aber doch wußte, daß es wenig gute Menschen, noch weniger tüchtige Pächter gebe, und der den gehörigen Antheil von der Weisheit erhalten hatte, welche die Selbsterhaltung als das erste Gesetz der Natur darstellt. Diese Winke mögen zur Erläuterung des folgenden Gespräches dienen, welches zwischen Bruder und Schwester stattfand.

»Der Himmel gebe seinen Segen,« sagte Triptolemus, als er in seinem alten Schulexemplar des Virgils blätterte; »aber das ist 'mal wieder ein Tag, um Gerste zu säen. Wohl sagte der weise Mantuaner: ventis surgentibus. Und dann das Heulen der Berge, und dann die lang' wiederhallenden Küsten – aber wo sind die Wälder, Baby? Sage mir, wo finde ich nemorum murmur, Schwester Baby, hier in unserm neuen Wohnsitze?«

»Was hast du wieder für dummes Zeug vor?« antwortete Baby, indem sie ihren Kopf aus einem finstern Loche in der Küche hervorsteckte, wo sie irgend ein häusliches Geschäft verrichtet hatte.

Ihr Bruder, der sich mehr aus Gewohnheit, als absichtlich, an sie gewendet hatte, erblickte kaum ihre spitze, rothe Nase, ihre blinkenden, grauen Augen und die übrigen scharfen Züge, welche dazu gehörten, und von den Backen der fliegenden Haube beschattet wurden, die zu beiden Seiten ihres lauernden Gesichts herabhingen, als er auch schon bedachte, daß seine Frage ihr doch nicht sehr angenehm sein würde, und es deßwegen für räthlicher hielt, sich lieber einer zweiten Fluth von Scheltworten auszusetzen, ehe er das vorige Gespräch wieder anfinge.

»Nun, Mr. Yellowley,« sagte Baby, indem sie in die Mitte des Zimmers trat, »weßhalb schreit Ihr denn nach mir, da ich noch dazu mitten in meinen häuslichen Geschäften bin?«

»Je nun, um gar nichts, Baby; ich sagte nur bei mir, daß wir zwar das Meer und den Wind und hinlänglichen Regen hätten, aber wo ist das Holz? Wo ist das Holz, Baby, das sage mir einmal?«

»Das Holz?« antwortete Baby, – »nähme ich das Holz nicht besser in Acht, als du, Bruder, so würde es in der Nähe des Ortes bald kein Holz weiter geben, als den Klotz, den du als Kopf auf deinen eigenen Schultern trägst. Wenn du an das Treibholz denkst, das die Leute gestern brachten, so sind zwölf Loth davon heute früh darauf gegangen, deine Suppe zu kochen, obgleich ich meine, daß ein haushälterischer Mann, wenn er einmal Frühstück haben mußte, wohl Drammock Mehl, mit kaltem Wasser eingerührt. essen könnte, anstatt Mehl und Feuerung an einem und demselben Morgen zu gebrauchen.«

»Das heißt, Baby,« sagte Triptolemus, der nach seiner Art zuweilen trocken scherzhaft zu sein pflegte, »wenn wir Feuer haben, dürfen wir nicht essen, und wenn wir zu essen haben, dürfen wir kein Feuer anmachen, da dieß zu große Segnungen sind, um sie an einem Tage zu genießen. Nun, es freut mich doch, daß du nicht willst, daß wir vor Kälte und Hunger unico contextu umkommen sollen. – Aber, dir die Wahrheit zu gestehen, konnte ich in meinem ganzen Leben das rohe Hafermehl, mit kaltem Wasser eingerührt, nicht leiden. Du magst es nun Drammock oder Crowdie nennen, oder wie du sonst willst, meine Nahrung muß Feuer und Wasser zugleich erdulden.«

»Desto alberner von dir,« sagte Baby. »Kannst du nicht deine Suppe Sonntags kochen, und sie am Montag kalt essen, da du doch so lecker bist? Wahrhaftig, es gibt Manchen, der ganz anders aussieht, als du, und doch alle Finger nach so einem Teller Suppe lecken würde.«

»Gott behüt' uns, Schwester!« erwiderte Triptolemus. »Auf diese Weise wäre mein Feld bestellt – ich kann den Pflug ausspannen, und mich ruhig hinlegen, den Todesstreich zu erwarten. Wir haben in diesem Hause so viel, daß ganz Shetland ein Jahr davon Mehl essen könnte, und du gönnst mir, der ich über alles Dieß Rechenschaft zu geben habe, nicht einmal einen Teller voll warmer Suppe!«

»Still! halte deine alberne, geschwätzige Zunge,« sagte Baby, indem sie sich furchtsam im Zimmer umsah; »wahrhaftig, du bist gerade der Rechte, um davon zu sprechen, was wir im Hause haben, und ganz dazu geschickt, die Aufsicht darüber zu führen. – Horch', so wahr ich lebe, ich höre Jemand an die Außenthüre klopfen.«

»So geh' und öffne sie, Baby,« erwiderte ihr Bruder, der froh war, Etwas gefunden zu haben, um dieser Unterhaltung ein Ende zu machen.

»Geh' und öffne sie?« – wiederholte Baby, halb böse, halb erschrocken und halb schadenfroh, ihren Bruder so übersehen zu können. – »Geh' und öffne sie, sagst du? Soll ich die Räuber hereinlassen, daß sie uns Alles wegnehmen, was wir im Hause haben?«

»Räuber?« wiederholte Triptolemus ebenfalls, »wahrhaftig, es gibt hier eben so viele Räuber, als es um Weihnachten Lämmer gibt. Ich wiederhole dir, was ich dir schon hundert Mal gesagt habe, hier gibt es keine Hochländer, die uns beunruhigen könnten. Dieß ist ein Land, in welchem Ruhe und Ehrlichkeit herrschen. O fortunati nimium

»Und was soll dir Sanct Ninian nützen, Tolemus?« sagte seine Schwester, welche seine Citation für die Anrufung eines Heiligen hielt. »Uebrigens gibt es hier eben so böse Leute, wie die Hochländer; ich sah gestern sechs oder sieben so verdächtig aussehende Kerle bei unserer Wohnung vorüberschleichen, wie ich sie nur je von Lochnaben herüberkommen sah, sonderbare Werkzeuge hatten sie in den Händen, Wallfischmesser nannten sie sie, aber sie sahen den Hirschfängern so ähnlich, wie ein Ei dem andern. Ehrliche Leute führen so Etwas nicht.«

Mordaunts Klopfen und Rufen ließ sich jetzt zwischen jedem Windstoße ganz deutlich vernehmen. Bruder und Schwester sahen sich in großer Bestürzung und Furcht an. »Wenn sie von dem Silber Etwas gehört haben,« sagte Baby, indem ihre rothe Nase vor Schrecken blau wurde, »so sind wir verlorene Leute.«

»Und wer spricht jetzt, wo er ganz still sein sollte?« sagte Triptolemus. »Geh' sogleich an das Schiebfenster, und sieh wie Viele ihrer sind, während ich die alte spanische Entenflinte lade; – geh', als ob du auf frischgelegten Eiern gingest.«

Baby schlich an das Fenster und berichtete, daß sie nur einen jungen Menschen sähe, der aber lärmte und schrie, als ob er toll wäre. Wie Viele noch im Hinterhalte lägen, könne sie nicht sagen.

»Im Hinterhalte? – Dummes Zeug!« sagte Triptolemus, indem er den Ladestock der Flinte, den er mit zitternder Hand ergriffen hatte, weglegte. »Ich stehe dafür, daß Keine zu sehen und zu hören sind; das ist irgend ein armer Schelm, den der Sturm überfallen hat, und der jetzt bei uns ein Obdach und etwas Erquickung sucht. Oeffne die Thüre, Baby; du thust ein christliches Werk.«

»Thut Er aber ein christliches Werk, so zum Fenster hereinzukommen?« – sagte Baby, und stieß einen kläglichen Schrei aus, als Mordaunt Mertoun, der ein Fenster eingeschlagen hatte, in das Zimmer hereinsprang, wie ein Flußgott triefend. Triptolemus legte in der größten Angst die Flinte an, die er noch nicht geladen hatte, als der Fremde ausrief: »Halt! halt! – Was soll das heißen, daß Ihr bei einem Wetter, wie dieses, Eure Thüre zuriegelt, und Eure Flinte auf die Leute anlegt, als ob es Seehunde wären?«

»Und wer seid Ihr, Freund, und was wollt Ihr?« sagte Triptolemus, indem er sein Gewehr absetzte.

»Was ich will?« sagte Mordaunt; »alles Mögliche! Essen, Trinken und Feuer, ein Bett für die Nacht, und morgen einen Klepper, mich nach Jarlshof zu bringen.«

»Und du sagst, es gebe keine Räuber oder Freibeuter hier?« sagte Baby höhnisch zu dem Landwirth. »Hörtest du je einen unbehoseten Kerl von Lochnaben freier heraussagen, was er wolle und verlange? Ohne Umstände, Freund,« fügte sie hinzu, indem sie sich an Mordaunt wendete; »zieht Euer Schild ein und geht Euer Wege. Dieß Haus gehört dem Verwalter Sr. Herrlichkeit, und ist keine Herberge hier für Vetter oder Freibeuter.«

Mordaunt lachte ihr in's Gesicht. »Aus dem Hause gehen,« sagte er, »und in solchem Wetter? Wofür haltet Ihr mich? Denkt Ihr, ich bin eine Solandsgans oder ein Kormoran, weil ich mich dadurch, daß Ihr in die Hände schlagt und wie eine Besessene schreit, aus dem Hause und wieder in das Wetter hinaus treiben lassen soll?«

»Und so wollt Ihr wirklich, junger Mann,« sagte Triptolemus ganz ernsthaft, » nolens volens, d. h. wir mögen wollen oder nicht, in unserem Hause bleiben?«

»Wollen?« sagte Mordaunt, »welches Recht habt Ihr, hier irgend Etwas zu wollen? Hört Ihr nicht den Donner? Hört Ihr nicht den Regen? Seht Ihr nicht den Blitz? Und wißt Ihr nicht, daß dieß, ich weiß nicht auf wie viele Meilen in der Runde, das einzige Haus ist? Hört einmal, mein guter Herr, und Ihr, gute Frau, das mag wohl schottischer Spaß sein, aber ich versichere euch, daß er shetländischen Ohren sehr schlecht klingt. Das Feuer habt ihr auch ausgehen lassen, und meine Zähne klappern mir vor Kälte im Munde. Aber das will ich bald in Ordnung bringen.«

Mit diesen Worten ergriff er die Feuerzange, scharrte die glühende Asche auf dem Herde zusammen, brachte den Torf, welcher, nach der Berechnung der Wirthin, den Wärmestoff noch mehrere Stunden in sich behalten sollte, ohne ihn von sich zu geben, in helle Gluth, warf dann die Augen umher, erblickte in einem Winkel den Vorrath von Treibholz, den Mrs. Baby in Unzen zu verbrauchen gedachte, und schleppte davon sogleich zwei oder drei Blöcke auf den Herd, der sich einer so ungewohnten Zubuße erfreute und sogleich zum Schornsteine Rauchwolken aufsteigen ließ, wie man sie seit vielen Tagen in Harfra nicht gesehen hatte.

Während der ungebetene Gast sich benahm, als ob er zu Hause sei, trieb Baby den Verwalter fortdauernd an, den Ueberlästigen aus dem Hause zu werfen. Hierzu fühlte indeß Triptolemus weder Muth noch sonderliche Neigung; auch schienen die Umstände keineswegs einen günstigen Ausgang mit dem jungen Fremden zu versprechen. Die muskelhaften Glieder und der schöne Körperbau Mordaunts traten in seinem einfachen Matrosen-Anzuge doppelt vortheilhaft hervor, und sein dunkles, blitzendes Auge, sein schön geformter Kopf, seine belebten Gesichtszüge, sein dichtgelocktes, dunkles Haar, seine kühnen, freien Blicke bildeten einen auffallenden Gegensatz zu dem Wirthe, dem er sich aufgedrungen hatte. Triptolemus war ein kurzer, plumper, entenbeiniger Schüler der Ceres, dessen aufgestülpte und an der Spitze mit Kupfer bedeckte Nase etwas von einem gelegentlichen Verkehr mit Bachus anzudeuten schien. – Zwischen Leuten von so ungleichem Bau und von so ungleicher Stärke schien der Vortheil im Falle eines Kampfes zu sichtbar auf einer Seite zu sein, und der Unterschied von zwanzig und fünfundvierzig Jahren war dem Schwächeren keineswegs günstig. Ueberdieß war der Verwalter im Grunde ein ehrlicher, gutmüthiger Mensch, der sich bald überzeugte, daß sein Gast keine andere Absicht hatte, als bei dem Sturme ein Obdach zu suchen. Es würde daher, ungeachtet der Anreizungen seiner Schwester, sein letzter Schritt gewesen sein, einem Jünglinge, dessen Aeußeres so sehr für ihn einnahm, ein so vernünftiges und in der Nothwendigkeit so vollkommen begründetes Verlangen nicht zu gestatten, und er besann sich nur, wie er auf die beste Art die Miene eines gastfreien Wirthes – statt des rauhen Vertheidigers seiner Burg gegen einen unbefugten Zuspruch – annehmen sollte, als Baby, welche vor Erstaunen über des Fremden unerhörte Ungezwungenheit in Betragen und Rede ganz starr dagestanden hatte, jetzt auf einmal das Wort nahm. »Wahrhaftig, Bursche,« sagte sie zu Mordaunt, »du bist nichts weniger als blöde, daß du ein solches Feuer anzündest, und noch dazu vom besten Holze; dir ist der Torf nicht einmal gut genug; es muß gutes Eichenholz sein.«

»Ihr seid wohlfeil dazu gekommen, Frau,« sagte Mordaunt auf muntere Weise, »und Ihr solltet dem Feuer nicht entziehen wollen, was das Wasser Euch umsonst gibt. Diese guten Eichen-Rippen thaten ihren letzten Dienst auf der Erde und dem Ocean, als sie nicht länger unter den braven Leuten zusammenhalten konnten, mit denen das Boot bemannt war.«

»Das ist wahr, ja,« sagte das Weib etwas weicher, »das muß auf dem Meere ein furchtbares Wetter sein. Setzt Euch nieder und wärmt Euch, da das Holz nun doch brennt.«

»Ja, ja,« sagte Triptolemus, »es ist ein Vergnügen, solch' ein helles Feuer zu sehen. Seit ich von Couldacres fort bin, hab' ich dergleichen nicht gesehen.«

»Und sollst es auch sobald nicht wiedersehen,« sagte Baby, »wenn nicht das Haus in Brand geräth, oder eine Kohlengrube entdeckt wird.«

»Und warum sollte nicht eine Kohlengrube entdeckt werden?« sagte der Verwalter triumphirend. »Ich sage, warum sollte nicht eine Kohlengrube entdeckt werden, in Shetland so gut, als in Fife, da der Kämmerling jetzt einen umsichtigen und besonnenen Mann an Ort und Stelle hat, die nöthigen Nachforschungen anzustellen? Beides sind ja Fischerplätze, denke ich.«

»Ich muß dir nur sagen, Triptolemus Yellowley,« antwortete seine Schwester, welche ihre triftigen Gründe hatte, vor ihres Bruders falschen Speculationen besorgt zu sein, »wenn du dem Lord so viele von den schönen Sachen versprichst, so werden wir wahrhaftig nicht lange hier hausen, sondern uns bald wieder auf und davon machen müssen. Wenn dir Jemand von einer Goldgrube sagt, so weiß ich wohl, wer ihm ohne Weiteres versprechen würde, daß er vor Jahresablauf die baaren Portugaleser in der Tasche sollte klimpern hören.«

»Und warum sollte ich das nicht?« sagte Triptolemus. »Dir ist wahrscheinlich nie in deinen Kopf gekommen, daß es auf Orkney eine Gegend gibt, die Ophir, oder so ungefähr, heißt, und warum könnte nicht Salomo, der weise König der Juden, seine Schiffe und Diener dahin geschickt haben, um vier hundert und fünfzig Talente hineinzubringen? Ich denke doch, daß er es am besten wußte, wohin er zu gehen oder zu senden hatte, und ich hoffe doch, du glaubst an die Bibel, Baby?«

Baby wurde durch die Berufung auf die heilige Schrift, so mal à propos sie auch sein mochte, zum Stillschweigen gebracht, und antwortete ein verächtliches »Hm!« der Ungläubigkeit oder des Zornes, während ihr Bruder, zu Mordaunt gewendet, fortfuhr: »Ja, Ihr sollt nur sehen, welche Veränderung, selbst in einem so wenig bedachten Lande, wie dem unsrigen, baares Geld hervorbringen wird. Ihr habt gewiß nichts von Kupfer oder Eisenstein gehört auf diesen Inseln?« Mordaunt sagte, man hätte ihm erzählt, es gäbe Kupfer in der Nähe der Klippen von Königsburgh. »Ja, und Kupferschaum findet man auch auf dem Loch Swana, junger Mann. Aber der Jüngste von euch hält sich gewiß für eben so klug, als ein Mann, wie ich bin!«

Baby, welche die ganze Zeit über den Jüngling sehr aufmerksam und genau betrachtet hatte, trat jetzt auf eine für ihren Bruder ganz unerwartete Weise auf seine Seite. »Es wäre besser, Mr. Yellowley, Ihr brächtet dem jungen Manne trockene Kleider, und machtet Anstalt, ihm etwas zu essen zu geben, als daß Ihr hier sitzt und ihm Eure langen Erzählungen einblast, als ob das Wetter nicht ohne Euch windig genug wäre! und vielleicht möchte der Bursche wohl etwas bland oder so etwas trinken, wenn Ihr ihm etwas anbötet.«

Während Triptolemus ganz verwundert über diese Zumuthung dastand, und indem er erwog, aus welcher Gegend er kam, antwortete Mordaunt: daß er sehr gern trockene Kleider annehmen, aber lieber noch erst etwas essen als trinken möchte.

Triptolemus führte ihn also in ein anderes Zimmer, gab ihm die Kleider, und ließ ihn allein, um sie anzulegen, während er selbst nach der Küche zurückkehrte, und sich den ungewöhnlichen Anfall von Gastfreundschaft bei seiner Schwester durchaus nicht zu erklären wußte. »Sie muß ihrem Ende nahe sein,« sagte er; »und obgleich ich in diesem Falle der Erbe ihres mütterlichen Vermögens werde, so thut es mir doch leid; denn sie hat das Haus sehr gut in Ordnung gehalten – den Gurt zwar zuweilen etwas sehr straff angezogen, aber der Sattel sitzt um so fester.«

Als Triptolemus in die Küche kam, fand er seine Ahnungen bestätigt, denn seine Schwester war eben in der gewagten Handlung begriffen, in den Topf eine geräucherte Gans zu stecken, welche mit mehreren anderen ihres Geschlechts schon lange in dem großen Schornsteine gehangen hatte. Dabei murmelte sie zugleich vor sich hin: »Sie muß doch über lang oder kurz einmal gegessen werden, warum sollte sie also der arme Mensch nicht verzehren?«

»Was ist das, Schwester?« sagte Triptolemus, »du hast den Backteller und den Topf zugleich am Feuer? Was ist denn heute für ein Tag?«

»Gerade ein solcher, wie ihn die Israeliten bei den Fleischtöpfen Aegyptens hatten, Bruder Triptolemus; aber du weißt nicht, wen du an diesem gesegneten Tage in deinem Hause siehst.«

»Nein, gewiß, das weiß ich nicht,« sagte Triptolemus; »eben so wenig, als ich ein Pferd kennen würde, das ich nie vorher gesehen hätte. Ich würde den Burschen für einen Hausirer halten, aber er hat sehr gute Sitten und keinen Waarenpack bei sich.«

»Du weißt aber auch wahrhaftig so wenig, wie dein eigenes Rindvieh,« eiferte ihm Baby entgegen, »wenn du ihn nicht kennst. Kennst du Tronda Dronsdaughter nicht?«

»Tronda Dronsdaughter?« wiederholte Triptolemus; »die muß ich doch wohl kennen, wenn ich ihr täglich zwei Pfennige schottisch dafür bezahle, daß sie hier im Hause arbeitet? Und dabei arbeitet sie, als ob sie sich an der Arbeit die Finger verbrennte. Wahrhaftig, ich wollte lieber einem schottischen Mädchen einen Grot englisches Silbergeld geben.«

»Und das ist das erste kluge Wort, was du an diesem gesegneten Morgen gesprochen hast. Nun, Tronda kennt diesen Burschen wohl, und hat mir oft von ihm erzählt. Man nennt seinen Vater den stillen Mann von Sumburgh, und man sagt, er sei sehr boshaft.«

»Still, still – dummes Zeug, dummes Zeug! Mit solchen Albernheiten sind die Leute gleich bei der Hand, wenn sie einmal arbeiten sollen – da sind sie entweder über die Zange geschritten, oder sie haben Jemanden begegnet, mit dem es nicht richtig zugeht, oder sie haben das Boot gegen die Sonne gekehrt, und dann kann den Tag über nichts gethan werden.«

»Schon gut, schon gut, Bruder; du denkst, nur du bist so klug, weil du in St. Andrews Latein sprechen gelernt hast,« sagte Baby. »Kannst du mir aber bei aller deiner Weisheit sagen, was der Bursch um den Hals hat?«

»Ein Barcelona-Halstuch, so naß wie ein Handtuch, und ich habe ihm eben eins von meinen eigenen Halstüchern gegeben.«

»Ein seidenes Barcelonatuch!" sagte Baby, indem sie ihre Stimme erhob, und sie dann plötzlich wieder sinken ließ, als fürchte sie, behorcht zu werden; »ich sage, eine goldene Kette.«

»Eine goldene Kette!« sagte Triptolemus.

»Allerdings, mein Freund, und wie gefällt dir das? Die Leute sagen hier, wie Tronda erzählt, der Zwerg-König hätte sie seinem Vater, dem stillen Manne von Sumburgh, gegeben.«

»Entweder sprich vernünftig, oder sei die stille Frau,« sagte Triptolemus. »Das Ergebniß von diesem Allen ist also, daß dieser Bursche des Fremden Sohn ist, und daß du ihm die Gans gibst, die bis zu Michaelis aufbewahrt werden sollte.«

»Je nun, Bruder, wir müssen doch etwas um Gotteswillen thun, uns Freunde zu machen, und der Bursche,« fügte Baby hinzu (denn auch sie war nicht ganz über die Vorurtheile ihres Geschlechts für äußere Bildung erhaben), hat gar ein hübsches Gesicht.«

»Du würdest manches andere hübsche Gesicht,« sagte Triptolemus, »ungetröstet vor deiner Thüre haben vorübergehen lassen – wäre nicht die goldene Kette!«

»Ohne Zweifel! Ohne Zweifel!« erwiderte Barbara; »du wirst doch nicht haben wollen, daß ich unser Erworbenes jedem Bettler oder Landstreicher an den Hals werfen soll, der an einem regnichten Tage zufällig zu unserer Thüre kommt? Dieser Bursche hat aber einen guten Namen im ganzen Lande umher, und Tronda sagt, er würde eine Tochter des reichen Udallers Magnus Troil heirathen, und der Hochzeittag sott festgesetzt werden, sobald er eins von den beiden Mädchen gewählt hat – denk' dir das, und so würde es so viel werth sein, wie unser guter Name, und vielleicht gar unsere Ruhe, wenn wir ihn nicht ordentlich bewirthen wollten, obgleich wir ihn nicht eingeladen haben.«

»Der beste Grund,« sagte Triptolemus, »Jemanden in das Haus zu lassen, ist, wenn man es nicht wagt, ihm zu sagen, daß er weiter gehen soll. Da wir indeß hier einen Mann von Stande vor uns haben, so soll er doch auch wissen, mit wem er in meiner Person zu thun hat.« Und so ging er an die Thür und rief: » Heus tibi, Dave

» Adsum!« antwortete der Jüngling, indem er in das Zimmer trat.

»Hm!« sagte der gelehrte Triptolemus, »also in Humanioribus nicht ganz unbewandert, wie ich sehe. Ich will ihm indeß weiter auf den Zahn fühlen. – Versteht Ihr etwas vom Landbau, junger Mann?«

»Nein, Sir, das nicht, ich habe nur das Meer pflügen und auf den Klippen ernten gelernt.«

»Das Meer pflügen?« sagte Triptolemus. »Das ist eine Furche, die der Egge wenig bedarf, und was Eure Ernte auf den Klippen betrifft, so glaube ich, Ihr meint die jungen Möven, oder wie Ihr sie nennt; das ist aber eine Art Einsammlung, welche der Voigt gesetzlich verbieten sollte, denn nirgends kann sich ein ehrlicher Mensch leichter den Hals brechen. Ich gestehe, ich kann mir das Vergnügen nicht denken, das es macht, zwischen Himmel und Erde an einem Seile zu schweben. Was mich betrifft, so würde ich es eben so gern sehen, wenn das andere Ende des Seiles am Galgen befestigt wäre; dann wäre ich wenigstens vor dem Herabfallen sicher.«

»Nun, Ihr solltet es nur einmal versuchen,« erwiderte Mordaunt. »Glaubt mir, die Welt hat wenig so großartige Empfindungen, als wenn man so in freier Luft zwischen der hochemporragenden Klippe und dem tosenden Ocean schwebt, wenn das Seil, an dem Ihr hängt, kaum dicker als ein Seidenfaden erscheint, und der Stein, auf welchem Ihr mit einem Fuße ruht, nur gerade so breit ist, daß eine Möve darauf sitzen könnte. Alles Dieß in dem vollen Vertrauen zu wissen und zu fühlen, daß die Behendigkeit Eurer Glieder und die Besonnenheit Eures Kopfes Euch eben so unverletzt wieder aus dieser Lage bringen, als ob Ihr die Flügel eines Falken hättet – das heißt beinahe, von der Erde, die Euer Fuß berührt, unabhängig sein.«

Triptolemus schüttelte den Kopf über diese enthusiastische Beschreibung eines Zeitvertreibs, der so wenig Reiz für ihn hatte, und seine Schwester, welche das blitzende Auge und die stolze Haltung des jungen Abenteurers dabei bemerkte, beantwortete sie mit dem freudigen Ausrufe: »Wahrhaftig, Bursch, du bist ein braver Junge!«

»Ein braver Junge!« wiederholte Yellowley, »ich sage, eine brave Gans, so in der Luft herumzuflattern und zu fliegen, wenn er auf der terra firma ruhig bleiben könnte. – Aber nun kommt, hier ist eine Gans, die uns besser zu Statten kommen soll, wenn sie gut gekocht ist. Gib uns Teller und Salz; – indeß, sie wird schon salzig genug sein, – es ist ein schöner Bissen; aber ich denke, die Shetländer sind die einzigen Leute in der Welt, die sich solchen Gefahren aussetzen, um Gänse zu fangen, und sie nachher, wenn es ihnen gelungen ist, zu kochen.«

»Allerdings,« sagte seine Schwester (und das war das Einzige, worin sie an diesem Tage gleicher Meinung waren), »es würde einer Hausfrau in Angus oder auf den Mearns sonderbar vorkommen, wenn man ihr beföhle, eine Gans zu kochen, so lange es noch Bratspieße in der Welt gibt. Aber, was ist denn das wieder?« setzte sie hinzu, indem sie mit großem Unwillen nach der Thür blickte. »Wahrhaftig, die Thüren dürfen nur offen sein, so kommen die Hunde herein; – und wer machte denn Dem die Thür auf?«

»Ich that's,« sagte Mordaunt. »Ihr werdet doch nicht wollen, daß ein armer Teufel in einem Wetter, wie dieses, dastehen und an Eure tauben Thüren schlagen soll? – Doch hier ist etwas, das Feuer zu schüren,« fügte er hinzu, indem er den eichenen Riegel auszog, mit dem die Thüre gesperrt gewesen war, und auf den Herd warf, von dem ihn Jungfrau Baby jedoch sogleich in großer Wuth fortriß, indem sie in die Worte ausbrach: »Es ist Treibholz, wie es weniges gibt, und er geht damit um, als ob es ein Kienspan wäre! – Und wer seid Ihr denn, wenn's Euch gefällig ist?« setzte sie hinzu, indem sie sich zu dem Fremden wendete; »wahrhaftig ein Bettelkerl, wie mir nur je Einer vor die Augen gekommen.«

»Ich bin ein Jagger, Eurer Ladyschaft zu Befehl,« – erwiderte der ungebetene Gast, ein kleiner, stämmiger, gemein aussehender Mann, der in der That auch das demüthige Ansehen eines Hausirers hatte, die man auf diesen Inseln Jagger nennt – »und ich reiste nie an einem böseren Tage, oder sehnte mich nie mehr, unter Dach und Fach zu kommen. Dem Himmel sei Dank für das Feuer und das Obdach!«

Indem er so sprach, zog er einen Schemel zum Feuer, und setzte sich ohne alle weiteren Umstände nieder. Mrs. Baby sah wild aus, wie ein grauer Falke, und dachte so eben daran, wie sie ihren Unwillen etwas kräftiger als mit Worten auslassen wollte, wozu der siedende Topf einen trefflichen Fingerzeig zu geben schien, als eine alte, halb verhungerte Dienerin – die oben erwähnte Tronda – die Theilnehmerin ihrer häuslichen Sorgen, welche bis jetzt in einem entfernten Winkel des Hauses gesteckt hatte, in das Zimmer hinkte, und in Ausrufungen ausbrach, welche eine neue Ursache zur Unruhe zu verkünden schienen.

»Ach Master,« und »Ach Mistreß!« waren die einzigen Laute, welche sie für einige Zeit hervorbringen konnte, und denen sie dann noch die abgebrochenen Worte hinzufügte: »Das Beste im Hause! Das Beste im Hause! Jetzt Alles auf den Tisch, und Alles wird noch zu wenig sein? Die alte Norna von Fitful-Head kommt, die schrecklichste Frau auf all' den Inseln!«

»Wo kann sie herumgeirrt sein?« – sagte Mordaunt, scheinbar nicht ohne Theilnahme an dem Erstaunen, wenn auch nicht an dem Schrecken der alten Magd – »doch die Frage ist überflüssig: Je schlechter das Wetter, desto sicherer ist sie auf der Landstraße zu finden.«

»Was für eine Landstreicherin ist das nun wieder?« rief die verzweifelte Baby aus, welche das schnelle Aufeinanderfolgen der Gäste beinahe um den Verstand gebracht hatte. »Ich will indeß ihrem Umherwandern bald ein Ziel setzen, dafür steh' ich, wenn mein Bruder nur noch einen Funken Mannesentschlossenheit hat, oder es nur noch ein Halseisen in Scalloway gibt.«

»Das Eisen, das die halten soll, hat nie den Ambos gesehen,« sagte die alte Magd. »Sie kommt – sie kommt – um Gotteswillen sprecht freundlich und milde mit ihr, oder wir bekommen nicht einen Haspel Garn glatt.«

Während sie so sprach, trat eine Frau in das Zimmer, so groß, daß ihre Mütze beinahe oben an die Thüre reichte; sie machte, als sie eintrat, das Zeichen des Kreuzes, und sprach mit feierlicher Stimme: »Der Segen Gottes und des heiligen Ronald sei mit der offenen Thür, und ihr und mein Fluch ruhe auf dem Geizigen!«

»Und wer seid Ihr, daß Ihr in anderer Leute Hause so laut Euern Fluch und Segen aussprecht! Was ist das für ein Land, wo die Leute nicht eine Viertelstunde ruhig sitzen, und dem Himmel dienen, und ihre wenige Habe zusammenhalten können, ohne daß Landstreicher und Landläufer nach einander kommen, wie eine Flucht wilder Gänse, um zu betteln und Einen zu plagen?«

Diese Rede konnte, wie der verständige Leser bald errathen wird, von niemand Anderem, als von Mrs. Baby, kommen; welche Wirkung sie aber auf die zuletzt eingetretene Fremde machen mußte, kann nur ein Gegenstand der Vermuthung sein, denn die alte Magd und Mordaunt wandten sich zu gleicher Zeit an die Angesprochene, dem Ausbruche ihres Unwillens zuvorzukommen, und während Jene ihr einige Worte auf Norwegisch mit vermittelndem Tone sagte, sprach Mordaunt auf Englisch zu ihr: »Es sind Fremde, Norna, die weder deinen Namen, noch dein Wesen kennen, auch sind sie unbekannt mit den Gebräuchen dieses Landes, und wir müssen sie also wegen ihrer mangelnden Gastfreundlichkeit entschuldigen.«

»Ich weiß von keiner mangelnden Gastfreundlichkeit, junger Mann,« sagte Triptolemus. » Miseris succurrere disco – die Gans, welche bis zu Michaelis im Schornsteine räuchern sollte, kocht jetzt für Euch im Topfe; doch, hätten wir zwanzig Gänse, so sehe ich, würden wir Mägen für sie finden, sie bis auf die letzte Feder zu verzehren. Allein das muß besser werden.«

»Was muß besser werden, schmutziger Sclav?« sagte die fremde Norna, indem sie sich zu ihm mit einem Tone wendete, der ihn in Bestürzung setzte: »Was muß besser werden? Bringe, wenn du willst, deine neugestalteten Pflugeisen, deine Spaten und Eggen her, ändere die Werkzeuge unserer Väter, von der Pflugschaar bis zur Mäusefalle, aber wisse, aber wisse, daß du in einem Lande bist, das einst von den blondhaarigen Kämpen des Nordens erobert wurde, und laß uns wenigstens ihre Gastfreundschaft, damit man sehe, daß wir von einem Geschlechte abstammen, das edel und großmüthig war. Ich sage dir, hüte dich – so lange Norna noch von der Spitze von Fitful-Head auf das unermeßliche Gewässer hinausschaut, ist noch Etwas da, was an die einstige Kraft erinnert. Haben gleich die Männer von Thule aufgehört, Kämpen zu sein, und den Raben ein Mahl zu bereiten, so haben doch die Weiber die Künste nicht vergessen, die ihre Ahnfrauen zu Königinnen und Prophetinnen erhoben.«

Die Frau, welche diese sonderbaren Worte sprach, war eben so ausgezeichnet durch ihr Aeußeres, als hochstrebend in ihren Ansprüchen und hochtönend in ihrer Sprache. Wohl würde sie auf der Bühne, so weit Züge, Stimme und Gestalt dazu nöthig waren, die Bonduca oder Boadicea der Britten, oder die weise Velleda, Aurinia oder andere begeisterte Seherinnen haben darstellen können, welche einen Stamm der alten Gothen in den Kampf führten. Ihre Züge waren edel und wohlgebildet, und würden sogar für schön haben gelten können, hätten sie nicht durch die Runzeln, welche die Zeit ihnen eingedrückt, und durch die strenge Witterung des Landes, der sie sich beständig aussetzte, gelitten. Das Alter, vielleicht auch der Kummer, hatten das Feuer eines dunkelbraunen Auges, dessen Farbe sich beinahe dem Schwarz näherte, sehr gemildert, und den Theil ihres Haares, welcher unter der Mütze hervorblickte, und bei der Gewalt des Sturmes wild umherflog, mit Schnee bestreut. Ihr von Wasser triefendes Oberkleid war von einem groben, dunkelfarbigen Zeuge, Wadmaral genannt, welches damals auf den shetländischen Inseln, so wie auch in Island und Norwegen, sehr in Gebrauch war. Als sie aber diesen Mantel von den Schultern zurückwarf, wurde ein kurzes Wamms von dunkelblauem Sammt, mit Figuren bedruckt, sichtbar; die Unterweste, welche dazu gehörte, war von hochrother Farbe, mit abgetragener silberner Stickerei, ihr Gürtel war mit silbernen Zierrathen benäht, welche die Gestalt der Himmelszeichen hatten, und ihre blaue Schürze, mit ähnlichen Zeichen gestickt, bedeckte einen Rock von hochrothem Tuche. Starke, dicke Schuhe von dem halbgegerbten Leder des Landes waren mit Riemen, wie die der römischen Kothurne, über ihren scharlachrothen Strümpfen befestigt. Sie trug in dem Gürtel eine sonderbar aussehende Waffe, welche entweder für ein Opfermesser oder für einen Dolch gelten konnte, je nachdem die Einbildungskraft des Beschauers die Trägerin derselben für eine Priesterin, oder für eine Zauberin ansah. In der Hand hielt sie einen, auf allen vier Seiten gleichen, eckigen Stab, mit eingegrabenen römischen Schriftzügen und Bildern, einen der tragbaren und immerwährenden Kalender, dessen sich die alten Bewohner Scandinaviens bedienten, der aber in den Augen der Abergläubigen sehr leicht für einen Zauberstab gelten konnte.

Dieß waren das Aeußere, die Züge und der Anzug Norna's von Fitful-Head, welche viele von den Eingeborenen mit Aufmerksamkeit, Viele mit Furcht, und fast Alle mit einer Art Verehrung betrachteten. Selbst minder auffallende Gründe des Argwohns würden sie in jedem andern Theile von Schottland der Untersuchung jener grausamen Richter ausgesetzt haben, welche damals oft mit der Machtvollkommenheit des Staatsrathes bekleidet waren, um alle Die, welche der Hexerei oder Zauberei angeklagt waren, verfolgen, foltern und endlich den Flammen überliefern zu lassen. Ein Aberglaube dieser Art geht indeß zwei Perioden durch, ehe er gänzlich verschwindet. Die, welche in dem Besitze übernatürlicher Kräfte gehalten werden, verehrt man in den früheren Zeiten der menschlichen Gesellschaft. Sobald Religion und Kenntnisse sich weiter ausbreiten, werden sie erst gehaßt und verabscheut, dann aber als Betrüger angesehen! – Schottland stand schon in der zweiten Periode; die Furcht vor der Hexerei war groß, und der Haß gegen Die, welche man deßwegen in Verdacht hatte, tief gewurzelt. Shetland war dagegen noch eine kleine Welt für sich, in welcher unter der niedrigen und roheren Klasse von dem alten norwegischen Aberglauben gerade das übriggeblieben war, was die ursprüngliche Verehrung vor allen Denen bestärkt, welche eine übernatürliche Kenntniß und Macht über die Elemente zu besitzen behaupten, eine Verehrung, welche einen Haupttheil des alten scandinavischen Glaubenssystems ausmachte. Wenn die Eingeborenen von Thule auch zugaben, daß ein Theil der Zauberer seine Wunder vermittelst seines Bundes mit dem Satan verrichtete, so hatten sie doch den frommen Glauben, daß Andere mit Geistern einer verschiedenen und weniger gehässigen Klasse verbunden wären – nämlich mit den alten Zwergen, welche in Shetland den Namen Trows oder Drows führten, den neuern Feen und so weiter.

Unter Denen, von welchen man glaubte, daß sie mit körperlosen Geistern im Bunde wären, stand diese Norna (welche von einer Familie abstammte, die schon lange im Besitze solcher Gaben zu sein behauptete) so hoch oben an, daß der Name, den sie führte, und welcher eine der Schicksalschwestern bedeutet, die den Faden des menschlichen Lebens spinnen, ihr zur Ehre ihrer übernatürlichen Gaben beigelegt worden war. In diesen Zeiten regte sich nur der Zweifel, ob diese Gaben auch durch rechtmäßige Mittel erlangt worden wären; gewiß ist es aber, daß sie ihre Rolle mit einem so großen Selbstvertrauen und so ausgezeichneter Würde in Blick und Geberde spielte, und zu gleicher Zeit eine solche Kraft der Sprache und einen so großen Nachdruck in allen ihren Handlungen an den Tag legte, daß selbst der größte Zweifler der Wahrheit ihrer Begeisterung nicht mißtraut haben würde, wenn er sich auch ein Lächeln über die daraus entspringenden Ansprüche erlaubt hätte.


 


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