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Elftes Kapitel.

Mein Herr, sag' ich, ist solcher Künste voll,
(Doch alle Kunst erfahrt Ihr nicht von mir,
Obgleich ich selber oft ihm hab' geholfen)
Daß er den Boden, wo wir eben reiten,
Bis zur Stadt Canterbury wir gelangen,
Was unten ist, nach oben kehren kann
Und ganz und gar mit Gold und Silber pflastern.

Erzählungen von Canterbury.

Der Schmied begann seine Erzählung mit folgenden Worten:

»Ich war zum Grobschmied erzogen und verstand mein Handwerk so gut, als irgend ein schwarzfingriger Geselle mit rusigem Angesicht und lederner Schürze, der in dieser edlen Zunft zu finden war. Doch ich wurde dessen überdrüssig, Hammermelodien auf eisernem Ambos anzustimmen, und ging in die Welt, wo ich mit einem berühmten und sehr geschickten Gaukler bekannt wurde, dessen Finger für Taschenspielerkünste zu steif geworden waren und der den Beistand eines Lehrlings in seinen edlen Geheimnissen wünschte. Ich diente ihm sechs Jahre, bis ich Meister meiner Kunst wurde, und ich fordere Euer Gnaden zum Zeugen auf, da Euer Urtheil nicht zu bestreiten ist, ob ich meine Künste nicht ziemlich gut zu machen wußte?«

»Vortrefflich,« sagte Tressilian; »aber faßt Euch kurz.«

»Nicht lange nachdem ich in Eurer Gegenwart in Sir Hugh Robsart's Hause meine Künste gezeigt hatte,« fuhr der Künstler fort, »betrat ich als Schauspieler die Bühne und wetteiferte mit den besten von ihnen, die im rothen Ochsen, im Globus, in der Fortuna, oder anderswo spielten; doch ich weiß nicht, wie es zuging, es waren in dem Jahre so viele Aepfel gewachsen, daß die Buben auf der Zweipfennigsgallerie niemals mehr als einen Biß von jedem nahmen, und mit dem Uebrigen nach dem ersten besten Schauspieler warfen, der gerade auf der Bühne war. So wurde ich des Dinges überdrüssig, gab meinen Antheil an der Gesellschaft auf, verschenkte mein Rappier an einen Kameraden – meine Kothurnen an die Garderobe und wendete dem Theater den Rücken.«

»Gut, mein Freund,« sagte Tressilian, »und welches Gewerbe ergrifft Ihr dann?«

»Ich wurde halb Gehülfe, halb Diener eines Mannes, der mit großer Geschicklichkeit und wenig Aufwand die Arzneiwissenschaft ausübte.«

»Mit andern Worten,« sagte Tressilian, »Ihr wurdet der Hanswurst eines Quacksalbers.«

»Etwas mehr doch, will ich hoffen, mein guter Herr Tressilian,« versetzte der Künstler, »und doch, um die Wahrheit zu sagen, war unsere Praxis von etwas abenteuerlicher Art; denn die Heilkunde, die ich bei meinen früheren Studien zur Behandlung der Pferde erlernte, wurde von uns häufig auf unsere menschlichen Patienten angewendet. Doch die Keime aller Krankheiten sind die nämlichen, und wenn Terpentin, Theer, Pech und Rindstalg, mit Gelbwurz, Mastix und Knoblauch vermischt ein Pferd heilen, welches von einem Nagel verletzt war, so sehe ich nicht ein, warum nicht dasselbe Mittel einem Menschen helfen sollte, der mit einem Schwerte verwundet ist. Doch die Praxis und Geschicklichkeit meines Herrn übertraf bei Weitem die meinige, und er ließ sich auf weit gefährlichere Kuren ein. Er wagte sich nicht blos an kühne physikalische Experimente, sondern zeigte sich auch als einen Adepten in der Sterndeuterei, und wußte den Leuten auf Verlangen das Horoscop zu stellen. Er verstand sich meisterhaft auf die Zubereitung von Hausmitteln und war ein gelehrter Chemiker – machte verschiedene Versuche das Quecksilber gerinnen zu machen und glaubte dem Stein der Weisen auf der Spur zu sein. Ich besitze über diesen Gegenstand noch eine Schrift von ihm, und wenn Ihr sie versteht, mein edler Herr, so könnt Ihr mehr, als irgend Jemand, der sie las, und selbst mehr als der, der sie schrieb.«

Hiermit übergab er Tressilian eine Pergamentrolle, welche oben und unten, sowie am Rande mit den Zeichen der sieben Planeten versehen, sowie mit geheimen Figuren und griechischen und hebräischen Sätzen untermischt war. In der Mitte befanden sich einige lateinische Verse von einem cabalistischen Verfasser, welche so schön geschrieben waren, daß Tressilian sie selbst bei dem trüben Lichte lesen konnte. Die Worte des Originals lauteten folgendermaßen:

Si fixum solvas, faciasque volare solutum,
Et volucrem figas, facient te vivere tutum,
Si pariat ventum, valet aura ponderi centum:
Ventus ubi vult spirat – Capiat qui capere potest.

(Lösest das Feste Du auf, und läßt das Gelöste verfliegen,
Festigest das Flüssige wieder, mag sicher Dein Leben verfließen,
Wenn es der Wind Dir verschafft, so gilt es Dir hundert Pfund Geldes –
Bläst doch der Wind, wohin er nur will – wer kann, mag's begreifen.)

»Ich versichere Euch,« sagte Tressilian, »Alles, was ich von diesem Kauderwelsch verstehe, ist, daß die letzten Worte zu bedeuten scheinen: Fasse es, wer es fassen kann.«

»Das ist der Grundsatz,« sagte der Schmied, wonach mein würdiger Freund und Meister, der Doctor Doboobie, zu handeln pflegte, bis er, von seiner eigenen Einbildungskraft bethört und aufgeblasen, bei seinen tiefen chemischen Kenntnissen sein Geld zu verschwenden anfing, indem er sich jetzt selbst betrog, wie er früher Andere betrogen hatte. Er entdeckte oder erbaute dieses geheime Laboratorium hier, in welchem er sich vor seinen Patienten und Schülern verschloß, die indessen seine häufigen, langen und geheimnißvollen Abwesenheiten von seiner gewöhnlichen Wohnung zu Farringdon seinen Fortschritten in den geheimen Wissenschaften und seinem Umgange mit der Geisterwelt zuschrieben. Auch mich versuchte er zu hintergehen. Obgleich ich ihm nicht widersprach, sah er doch ein, daß ich zuviel von seinen Geheimnissen wisse, um mich noch länger als seinen Gefährten um sich haben zu können. Sein Name wurde immer berühmter, oder vielmehr berüchtigter, so daß Viele von denen, die sich zu ihm wandten, ihn für einen Zauberer hielten. Und so groß war die Meinung von den ihm zugeschriebenen Fortschritten in den geheimen Wissenschaften, daß selbst Männer, zu mächtig, um hier genannt zu werden, für zu gefahrvolle Zwecke, als daß sie hier erwähnt werden dürften, ihn in Anspruch nahmen. Manche verwünschten und bedrohten ihn und gaben mir, dem unschuldigen Gehülfen bei seinen Studien, den Schimpfnamen Teufelsbote, und so oft ich mich auf der Straße blicken ließ, wurde mir ein Hagel von Steinen zu Theil. Endlich verschwand mein Meister plötzlich, indem er gegen mich vorgab, daß er sein Laboratorium an diesem Orte besuchen wolle und mir verbot ihn binnen zwei Tagen zu stören. Als die Zeit verstrichen war, wurde ich ängstlich und begab mich in dieses Gewölbe, wo ich die Feuer erloschen und die Geräthschaften in Unordnung fand. Der gelehrte Doboobius, wie er sich zu nennen pflegte, hatte mir einen Brief zurückgelassen, worin er mich benachrichtigte, daß wir uns niemals wiedersehen würden, mir seinen chemischen Apparat und das Pergament vermachte, welches ich Euch soeben eingehändigt habe, und mir rieth, dem Geheimniß sorgfältig nachzuforschen, welches darin enthalten sei, da mich dasselbe unfehlbar zur Entdeckung des großen Geheimnisses führen würde.«

»Und folgtest Du diesem weisen Rathe?« fragte Tressilian.

»Nein, würdiger Herr,« versetzte der Schmied. »Da ich von Natur vorsichtig und argwöhnisch bin und wußte, mit wem ich es zu thun hatte, so durchsuchte ich Alles so sorgfältig, ehe ich auch nur wagte, das Feuer anzuzünden, bis ich endlich ein kleines mit Pulver gefülltes Faß entdeckte, welches wahrscheinlich zu dem Zweck sorgfältig unter dem Herde versteckt war, daß, wenn ich das große Werk der Verwandlung der Metalle beginnen würde, eine Explosion erfolgen sollte, um das Gewölbe nebst Allem, was darin war, in Trümmer auseinanderzusprengen, und ich unter denselben meinen Tod und mein Grab finden sollte. Dies heilte mich gänzlich von meinem Glauben an Alchymie, und gern wäre ich zu meinem Hammer und Ambos zurückgekehrt; doch wer würde dem Teufelsboten ein Pferd zum Beschlagen gebracht haben? Inzwischen hatte ich die Zuneigung meines ehrlichen Flibbertigibbet gewonnen, als er mit seinem Lehrer, dem weisen Erasmus Holiday, zu Farringdon war, indem ich ihn einige Geheimnisse lehrte, woran Knaben seines Alters Gefallen finden. Nach langer Berathung kamen wir darin überein, da ich auf gewöhnliche Weise keine Arbeit erhalten konnte, daß ich versuchen solle, ob ich unter diesen unwissenden Bauern vielleicht Beschäftigung finden könnte, indem ich ihre thörichte Furcht benutzte; und durch Flibbertigibbets Bemühung, welcher meinen Ruhm überall verbreitete, hat es mir nicht an Kunden gefehlt. Doch es ist zu große Gefahr damit verbunden und ich fürchte, daß man mich endlich als einen Zauberer verhaften wird, so daß ich jetzt nur eine Gelegenheit suche, dieses Gewerbe zu verlassen, wenn ich einen würdigen Mann finde, der mich vor der Wuth des Volkes schützt, wenn sie mich wieder erkennen sollten.«

»Und bist Du vollkommen mit den Wegen in dieser Gegend bekannt?« fragte Tressilian.

»Ich würde mich auch um Mitternacht überall zurechtfinden können,« antwortete Schmied Wayland.

»Du hast aber wohl kein Pferd?« fragte Tressilian.

»Ich bitte um Verzeihung,« versetzte Wayland; »ich habe einen so guten Klepper, wie nur je ein Pächter einen ritt. Ich vergaß zu sagen, daß dies der beste Theil dessen ist, was der Doctor mir vermachte, außer ein paar ärztlichen Geheimnissen, die ich mir ohne sein Wissen und gegen seinen Willen aneignete.«

»Nun, so wasche Dich und stutze Deinen Bart,« sagte Tressilian, »putze Deinen Anzug so gut heraus, wie Du kannst, lege diese phantastische Bekleidung ab, und wenn Du verschwiegen und treu sein willst, so kannst Du mich eine Zeitlang begleiten, bis Deine Streiche vergessen sind. Ich glaube, Du besitzest Muth und Geschicklichkeit, und mir fehlt es nicht an Mitteln, Dich für Beides zu belohnen.«

Schmied Wayland nahm den Vorschlag begierig an und betheuerte seinem neuen Herrn seine Ergebenheit. In wenigen Minuten hatte er sein Aeußeres so verändert, indem er seine Kleidung vertauscht, seinen Bart und Haar abgeschnitten, daß Tressilian die Bemerkung nicht unterdrücken konnte, er würde kaum eines Beschützers bedürfen, da ihn wahrscheinlich keiner von seinen alten Bekannten wiedererkennen würde.

»Meine Schuldner würden mir kein Geld zahlen,« sagte Wayland kopfschüttelnd; »doch meine Gläubiger jeder Art würden nicht so leicht zu verblenden sein, und in Wahrheit, ich halte mich nicht anders für sicher, als unter dem Schutze eines Edelmannes von Geburt und Rang, wie Ew. Gnaden.«

Mit diesen Worten führte er ihn zur Höhle hinaus und rief laut nach Hobgoblin, welcher einen Augenblick später mit Sattel und Zaum herbeikam, worauf Wayland die Fallthüre sorgfältig verschloß und bedeckte, mit der Bemerkung, daß ihm diese unterirdische Wohnung im Fall der Noth wieder zum Aufenthalt dienen könne; überdies sei auch der zurückgelassene Apparat von einigem Werthe. Auf sein Pfeifen kam ein Pferd herbeigelaufen, welches ruhig auf der Weide grasete und an dies Signal gewöhnt war. Während er es zur Reise aufzäumte, zog Tressilian den Gurt seines Pferdes fester an und in wenigen Minuten waren Beide zum Aufsitzen bereit. In diesem Augenblicke näherte sich Sludge, um Abschied von ihnen zu nehmen.

»So wollt Ihr mich denn verlassen, mein alter Spielkamerad,« sagte der Knabe, »und unser Versteckspielen mit den hasenfüßigen Bärenhäutern ist vorbei, welche ich hieher brachte, um ihre breithufigen Mähren von dem Teufel und seinem Gesellen beschlagen zu lassen?«

»So ist es,« sagte Schmied Wayland, »die besten Freunde müssen sich trennen, Flibbertigibbet. Du, mein Junge, bist das einzige Wesen im Thale Whitehorse, welches ich mit Bedauern verlasse.«

»Nun, ich sage Dir nicht Lebewohl,« sagte Dickie Sludge, »denn ich denke, Du wirst auch bei jenen Festlichkeiten sein. Wenn Magister Holiday mich nicht mitnimmt, so werde ich, beim Licht des Tages, welches man in jener dunklen Höhle nicht sieht, allein dorthin wandern!«

»Wohl gesprochen,« sagte Wayland; »aber ich bitte Dich, nicht unbesonnen zu handeln.«

»Nun werdet Ihr ein Kind aus mir machen wollen, und mir von der Gefahr vorschwatzen, ohne ein Gängelband dorthin zu gehen. Doch ehe Ihr Euch noch eine Meile von diesem Stein entfernt habt, sollt Ihr durch ein sicheres Zeichen erfahren, daß ich mehr von einem Kobold an mir habe, als Ihr glaubt, und ich will es so einrichten, daß Ihr aus meinem Streiche Vortheil ziehen könnt, wenn Ihr ihn gehörig benutzt.«

»Was meinst Du damit, Knabe?« fragte Tressilian; doch Flibbertigibbet antwortete nur mit Grinsen und Geberden, sagte Beiden Lebewohl, und indem er sie ermahnte, den Ort so schnell als möglich zu verlassen, gab er ihnen das Beispiel, indem er mit derselben ungewöhnlichen Schnelligkeit heimwärts eilte, wodurch er Tressilians Bemühen, ihn einzuholen, vereitelt hatte.

»Es ist vergebens, ihn zu verfolgen,« sagte Schmied Wayland; »denn wenn Ew. Gnaden nicht vielleicht in der Lerchenjagd erfahren ist, so würdet Ihr ihn nimmer einholen – und überdies, was würde es helfen? Wir wollen lieber seinem Rathe folgen und so rasch als möglich von dannen eilen.«

Darauf bestiegen sie ihre Pferde und setzten ihren Weg mit raschen Schritten fort, sobald Tressilian seinem Führer erklärt hatte, nach welcher Richtung er reisen wolle.

Nachdem sie beinahe eine Meile fortgetrabt waren, machte Tressilian gegen seinen Begleiter die Bemerkung, daß sein Pferd viel lebhafter sei, als da er am Morgen ausgeritten.

»Merkt Ihr das?« sagte Schmied Wayland lächelnd. »Das kommt von einem geheimen Mittel, welches ich angewendet. Ich habe unter eine Handvoll Hafer Etwas gemischt, was Ew. Gnaden wenigstens auf sechs Stunden die Mühe ersparen wird, Euer Pferd anzuspornen. Nein, ich habe die Arzneiwissenschaft nicht umsonst studirt.«

»Hoffentlich wird Euer Mittel meinem Pferde nichts schaden,« sagte Tressilian.

»Nicht mehr als die Milch der Stute, womit es aufgesäugt ist,« antwortete der Künstler, und fuhr fort, ausführlich von der Vortrefflichkeit seines Receptes zu reden, als er durch eine Explosion unterbrochen wurde, die so laut und furchtbar war, als hätte man die Mine unter dem Wall einer belagerten Stadt gesprengt. Die Pferde stutzten und die Reiter waren gleich erstaunt. Sie wendeten sich nach der Gegend um, woher der Knall kam, und sahen, wie sich gerade über der Stelle, die sie eben verlassen hatten, eine dunkle Rauchsäule in die klare blaue Atmosphäre erhob.

»Meine Wohnung ist zertrümmert,« sagte Wayland, der sogleich die Veranlassung der Explosion errieth; »ich war ein Thor, die freundliche Absicht des Doctors gegen meine Wohnung in Gegenwart jenes boshaften Koboldes zu erwähnen – ich hätte ahnen können, daß er großes Verlangen tragen würde, einen so auserlesenen Streich auszuführen. Doch laßt uns eilen, der Knall wird das Landvolk zu der Stelle hinführen.«

Hierauf spornte er sein Pferd an, Tressilian that ein Gleiches und so ritten sie rasch weiter.

»Dies war also das Zeichen, welches uns der Zwerg verhieß,« sagte Tressilian. »Wären wir länger an der Stelle geblieben, so hätte es ein Zeichen der Rache für uns werden können.«

»Er würde uns gewarnt haben,« sagte der Schmied; »ich bemerkte, wie er sich mehrmals umblickte, um zu sehen, ob wir auch fort wären – er richtet gern Unheil an, ist aber von Natur nicht boshaft. Es würde eine lange Geschichte geben, wollte ich Ew. Gnaden erzählen, wie ich zuerst mit ihm bekannt wurde, und wie viele Streiche er mir spielte. Auch erwies er mir manche Gefälligkeit, besonders dadurch, daß er mir Kunden zuführte; denn es machte ihm große Freude, sie zitternd und bebend hinter dem Gebüsch sitzen zu sehen, wenn sie meinen Hammerschlag hörten. Ich glaube, als die Natur eine doppelte Masse Gehirn in seinen mißgestalteten Kopf legte, ertheilte sie ihm das Vermögen, sich über das Ungemach der Leute zu freuen, während sie ihnen das Vergnügen verlieh, über seine Häßlichkeit zu lachen.«

»Ihr habt Recht,« sagte Tressilian. »Die, welche sich durch eigenthümliche Gestalt von der Gesellschaft ausgeschlossen sehen, wenn sie auch nicht die Menschheit im Allgemeinen hassen, sind wenigstens nicht abgeneigt, sich über ihr Mißgeschick und Elend zu freuen.«

»Aber Flibbertigibbet,« antwortete Wayland, »hat Eigenschaften an sich, die seine boshaften Streiche wieder gut machen; denn er ist eben so treu, wenn er sich einmal an Jemand angeschlossen hat, als er hinterlistig und schadenfroh gegen Fremde ist; und wie ich schon vorhin sagte, habe ich Proben genug davon gehabt.«

Tressilian setzte die Unterhaltung nicht weiter fort, und sie ritten ohne weitere Abenteuer auf Devonshire zu, bis sie in einem Gasthause in der Stadt Marlborough abstiegen, welche Stadt später dadurch berühmt geworden ist, daß sie dem größten General, den, mit Ausnahme eines Einzigen, Britannien je hervorgebracht hat, den Titel verlieh. Hier erhielten die Reisenden ein Beispiel von der Wahrheit zweier alten Sprüchwörter, nämlich, daß üble Gerüchte sich schnell verbreiten, und daß Horcher selten etwas Gutes von sich selber hören.

Als sie abstiegen, war im Hofe des Wirthshauses ein großer Auflauf, so daß sie lange keines Hausknechts oder Burschen habhaft werden konnten, um ihnen die Pferde abzunehmen. Alles war von einer Nachricht voll, die von Mund zu Munde ging, ohne daß sie eine Zeitlang den Inhalt derselben erfahren konnten; bis sich endlich fand, daß der Gegenstand sie näher anging, als sie vermutheten.

»Was es gibt, Herr?« antwortete endlich der Oberkellner auf Tressilians wiederholte Frage, – »nun, ich weiß es selber kaum. Eben kam ein Reiter hier durch mit der Nachricht, der Teufel habe den Schmied Wayland, wie man ihn nannte, heute früh, drei Meilen von hier, im Thale von Whitehorse in Berkshire in Feuer und Flammen und einer Dampfsäule geholt und seinen Wohnplatz in der Nähe der großen Steine so aufgewühlt, als ob er zur Saat umgegraben wäre.«

»Schade um ihn,« sagte ein alter Pachter, »jener Schmied Wayland – mag er nun des Teufels Bruder oder Schwager gewesen sein, gleichviel – verstand sich sehr gut auf Pferdekrankheiten, und es ist zu fürchten, daß die Würmerkrankheit bei den Pferden um sich greifen wird, wenn ihm nicht der Satan Zeit gelassen hat, sein Geheimniß einem Andern anzuvertrauen.«

»Da habt Ihr Recht, Gevatter Grimesby,« erwiderte der Stallknecht, »ich brachte auch einmal ein Pferd zum Schmied Wayland, denn er übertraf alle Hufschmiede in der ganzen Gegend.«

»Habt Ihr ihn gesehen?« fragte Frau Elsbeth Kranich, die Gebieterin des Hauses, welche geruhte, den Eigenthümer desselben, ein winziges, hinkendes Männchen, Ehemann zu nennen, dessen lahmer Gang, langer Hals, dem Pantoffel unterthan, zu dem berühmten, altenglischen Liede Veranlassung soll gegeben haben: Die Dame und ihr lahmer, zahmer Kranich.

Die Frage seiner Frau nachzirpend, fragte auch er den Stallknecht: »Johann, hast Du wirklich den Teufel gesehen, frage ich, Johann?«

»Und wenn ich ihn nun gesehen hätte, Herr Kranich?« erwiderte der Hausknecht; denn er zollte seinem Herrn gleich der übrigen Dienerschaft eben so wenig Respect wie seine Gebieterin.

»Nun, Johann,« fuhr der friedfertige Herr Kranich fort, »wenn Du den Teufel gesehen hast, so möchte ich wissen, wie er denn eigentlich aussieht.«

»Das wirst Du einst erfahren,« fiel seine Ehehälfte ein, »wenn Du Dich nicht besserst, Dich bloß um das bekümmerst, was Dich nicht angeht, und immer auf eitles Geschwätz hören willst. – Aber wissen möchte ich es doch auch, Johann, wie der Kerl aussah.«

»Das kann ich Euch wirklich nicht sagen, Frau,« antwortete der Stallknecht mit mehr Respect; »denn ihn hat noch Niemand zu Gesicht bekommen.«

»Und wie wurde denn Dein Pferd geheilt, wenn Du ihn nicht zu Gesichte bekamst?« fragte Gevatter Grimesby.

»Nun, ich ließ mir von dem Schulmeister die Krankheit des Pferdes aufschreiben und der häßlichste Junge, den man nur je aus Lindenholzwurzel als Spielzeug für Kinder schnitzen konnte, führte mich dorthin.«

»Und wie war's? heilte er das Pferd, Johann?« fragten alle Umstehenden zugleich.

»Ja, wie es zuging, kann ich nicht sagen,« antwortete der Stallknecht; »nur so viel weiß ich, daß ich mir ein Herz faßte und so viel wie eine Erbse groß von dem Mittel in den Mund steckte und daß es wie Hirschhorn und Sevenholz mit Weinessig vermischt, schmeckte; aber noch nie hat Hirschhorn und Sevenholz so schnell geholfen, und ich fürchte, wenn der Teufel den Schmied Wayland geholt hat, so werden die Würmer bei Pferden und Rindvieh überhand nehmen.«

Der Künstlerstolz, der gewiß keinen geringern Einfluß ausübt, als jeder andere Stolz, wirkte jetzt so mächtig auf Schmied Wayland, daß er, trotz der offenbaren Gefahr, erkannt zu werden, sich nicht enthalten konnte, bei dem Lobe seiner Geschicklichkeit Tressilian zuzuwinken und ihn geheimnißvoll anzulächeln. Inzwischen wurde das Gespräch fortgesetzt.

»Und wenn dem auch so wäre,« sagte ein ernster Mann in schwarzer Kleidung, der Gefährte des Gevatter Grimesby, »wir wollen lieber unter dem Uebel erliegen, welches Gott uns sendet, als den Teufel zum Arzt nehmen.«

»Sehr wahr,« sagte Frau Kranich, »und es wundert mich, daß Johann seine Seele daran wagte, um sein Pferd heilen zu lassen.«

»Kann sein,« erwiderte der Stallknecht; »aber es war das Leibpferd meines Herrn, und wäre es das Eurige gewesen, wurdet Ihr mich scheel genug darum angesehen haben, hätte ich mich vor dem Teufel gefürchtet und das arme Thier in der Noth gelassen. Für das Uebrige mögen die Geistlichen sorgen. Jeder bleibe bei seinem Handwerk, sagt das Sprüchwort, der Pfaffe beim Meßbuch und der Stallknecht beim Striegel.«

»Das gestehe ich,« sagte Frau Kranich, »der Johann spricht wie ein guter Christ und treuer Diener, der Leib und Seele im Dienste seines Herrn daransetzt. Uebrigens hat der Teufel ihn zur rechten Zeit geholt, denn heute Morgen war ein Gerichtsdiener da, um den alten Gevatter Pinniewinks, den Hexenprüfer, abzuholen, um sich mit ihm in das Thal von Whitehorse zu begeben, den Schmied Wayland zu verhaften und ihn auf die Probe zu stellen. Ich half Pinniewinks seine Zangen und Pfriemen schärfen, da sah ich bei ihm den Verhaftsbefehl, welchen der Friedensrichter Blindass (blinder Esel) ausgefertigt hatte.«

»Pah! wie würde der Teufel über Blindass, seinen Verhaftsbefehl, über den Gerichtsdiener und Hexenprüfer gelacht haben!« rief Frau Crank, die alte papistische Wäscherin; »Schmied Wayland würde Pinniewinks Pfriemen so wenig in seinem Fleische gefühlt haben, wie ein Kragen von Kammertuch das heiße Glätteisen spürt. Aber sagt, Ihr guten Leute, hat Euch der Teufel je Eure Schmiede und Handwerker so vor der Nase weggeholt, als noch die guten Aebte von Abingdon im Besitze ihrer Rechte waren? – Bei der gebenedeiten Jungfrau, nein! – Vor ihren heiligen Kerzen, ihrem Weihwasser, ihren Reliquien und andern Dingen mußte selbst Beelzebub weichen. Da laßt nur so einen ketzerischen Pfarrer herkommen und es mit ihnen aufnehmen; unsere Geistlichen waren doch andere Leute.«

»Ganz recht, Frau Crank,« fiel der Stallknecht ein, »das sagte Simpkins von Simonburn auch, als der Pfaff sein Weib küßte: es ist doch ein frommer leutseliger Herr, sagte er.«

»Schweig, Du lästerlicher Wurm,« rief Frau Crank, »es schickt sich nicht für einen ketzerischen Buben, wie Du, sich in unsere Unterhaltung zu mischen, besonders wenn die Rede von der katholischen Geistlichkeit ist.«

»Freilich nicht,« erwiderte der Ritter von der Haferkiste; »und da Ihr jetzt selber nicht mehr ein Gegenstand ihrer Unterhaltung seid, wie es in Euren jungen Jahren der Fall gewesen sein mag, so halte ich es für das Beste, diese Sache auf sich beruhen zu lassen.«

Dieser beißende Ausfall setzte Frau Crank's Zunge gegen den Stallknecht gewaltig in Bewegung und Tressilian eilte mit seinem Diener in's Haus.

Kaum waren sie dort in ein besonderes Zimmer getreten, wohin der gute Herr Kranich sie in höchsteigener Person führte, und hatten den würdigen und dienstfertigen Wirth abgeschickt, um ihnen Wein und Erfrischungen zu bringen, als Schmied Wayland seinem Selbstgefühl Luft zu machen begann.

»Ihr seht, mein Herr,« sagte er zu Tressilian, »daß ich nicht zu viel gesagt habe, als ich Euch versicherte, daß ich im vollen Besitze des großen Geheimnisses der Thierarzneikunst sei. Diese Stallknechte, die in solchen Fällen die besten Richter sind, wissen, welchen Werth sie meinen Arzneien beizulegen haben. Ich fordere Euch zum Zeugen auf, würdiger Herr Tressilian, daß nichts als die Stimme der Verleumdung und die Hand der boshaften Gewalt mich aus einem Orte vertrieb, wo ich einen nützlichen und ehrenvollen Wirkungskreis hatte.«

»Ich bezeuge es Dir, mein Freund,« versetzte Tressilian, »verspare aber das Vergnügen Dir zuzuhören auf eine Zeit, wo wir sicherer sind, wenn Du es nicht zu Deinem Rufe für wesentlich nöthig hältst, gleich Deiner letzten Wohnung eine Luftfahrt zu machen; denn, wie Du hörtest, halten Dich selbst Deine besten Freunde für einen Hexenmeister.«

»Der Himmel vergebe es denen,« sagte der Künstler, »welche mühsam erlernte Geschicklichkeit mit gottlosen Zauberkünsten verwechseln! Ich halte mich versichert, daß ein Mann eben so geschickt, oder noch geschickter sein kann, als der beste Wundarzt, der je mit Pferdefleisch zu thun hatte, ohne etwas Anderes, als ein gewöhnlicher Mensch, oder wenigstens ohne ein Hexenmeister zu sein.«

»Verhüte Gott!« sagte Tressilian. »Aber schweig' für jetzt, denn hier kommt der Wirth mit einem Diener oder dergleichen.«

Jedermann in dem Wirthshause, Frau Crank mit eingeschlossen, war durch die Geschichte des Schmied Wayland so aufgeregt, und durch die neuen verschiedenartigen Berichte, welche von allen Seiten darüber einliefen, daß der Wirth bei allem Bestreben, seine Gäste prompt zu bedienen, nicht im Stande war, einen andern Diener seines Hauses zum Beistand zu erhalten, als einen kleinen Schenkjungen von etwa zwölf Jahren, welcher Simson hieß.

»Ich wollte,« sagte er, sich entschuldigend, zu seinen Gästen, indem er eine Flasche mit Sect auf den Tisch niedersetzte und versprach, daß das Essen sogleich folgen solle – »ich wollte der Teufel hätte meine Frau und mein ganzes Hausgesinde geholt, anstatt des Schmied Wayland, der nach Allem, was man von ihm hört, einer solchen Auszeichnung von Seiten des Teufels viel weniger würdig war.«

»Ich stimme Eurer Meinung bei, guter Mann,« versetzte Wayland, »und ich will darauf ein Glas mit Euch trinken.«

»Nicht, daß ich irgend Jemand rechtfertigen will, der mit dem Teufel zu thun hat,« sagte der Wirth, nachdem er Wayland mit einem vollen Glase Sect Bescheid gethan hatte, »sondern ich sage – habt Ihr jemals besseren Sect getrunken, meine Herren, – sondern ich sage, es wäre besser für einen Mann, mit einem Dutzend solcher Betrüger und Schurken zu thun zu haben, wie dieser Schmied Wayland ist, als mit einem eingefleischten Teufel, welcher Haus und Hof, Tisch und Bett in Beschlag nimmt.«

Die Erzählung des armen Mannes von seinen Leiden wurde hier durch die kreischende Stimme seiner Ehehälfte unterbrochen, welche ihm von der Küche aus zurief, worauf er sich sogleich bei seinen Gästen entschuldigte und forthumpelte. Sobald er fort war, sprach Schmied Wayland in allen möglichen Kunstausdrücken, die seine Muttersprache darbot, seinen Unwillen über den erbärmlichen Wicht aus, der den Kopf unter die Schürze seines Weibes stecke. Dabei bemerkte er, daß, wäre es nicht der Pferde wegen, welche Ruhe und Futter bedürften, er Herrn Tressilian rathen würde, lieber eine Station weiter zu reiten, als einem solchen schwachköpfigen, thörichten Pantoffelhelden, wie Gevatter Kranich, eine Zeche zu bezahlen.

Die Ankunft einer großen Schüssel mit gut zubereiteten Kalbsfüßen und Schinken milderte einigermaßen die Strenge des Künstlers, die dann vollends beim Anblicke eines Kapaunen verschwand, der so vortrefflich gebraten war, daß, wie Wayland sich ausdrückte, das Fett auf ihm stand, wie der Maienthau auf der Lilie. So wurden Gevatter Kranich und seine Ehehälfte in seinen Augen unverdrossene, gefällige und liebe Leute.

Nach der Sitte jener Zeit saßen Herr und Diener an einem Tische, und der Letztere bemerkte mit Bedauern, wie wenig Aufmerksamkeit Tressilian der Mahlzeit zollte. Er erinnerte sich freilich, welchen Schmerz ihm die Erwähnung des Mädchens verursacht hatte, in deren Gesellschaft er ihn zuerst gesehen; doch da er sich fürchtete, einen so zarten Gegenstand wieder zu berühren, so versuchte er seine Enthaltsamkeit einer andern Ursache zuzuschreiben.

»Diese Speisen sind vielleicht zu derb für Euch, würdiger Herr,« sagte Wayland, während von dem Kapaunen ein Stück nach dem andern bei seinen Anstrengungen verschwand; »doch hättet Ihr so lange, wie ich, in jener Höhle gewohnt, welche Flibbertigibbet in die obern Regionen versetzt hat, an einem Orte, wo ich kaum wagte, meine Speisen zu kochen, damit der Rauch nicht von Außen gesehen werde, so würdet Ihr diesem schönen Kapaunen eifriger zusprechen.«

»Es ist mir lieb, wenn es Dir schmeckt, Freund,« sagte Tressilian; »dennoch aber beeile Dich, wenn Du kannst, denn dieser Ort ist keineswegs sicher für Dich, und meine Geschäfte fordern Eile.«

Als sie demnach ihren Pferden nicht mehr Ruhe gegönnt hatten, als durchaus nöthig war, setzten sie ihre Reise fort, und gelangten noch bis Bradford, wo sie übernachteten.

Am nächsten Morgen waren sie wieder in aller Frühe im Sattel und ritten ohne weitere Abenteuer durch die Grafschaften Wiltshire und Somerset. Um Mittag des dritten Tages, nachdem Tressilian Cumnor verlassen hatte, kamen sie auf Sir Hugh Robsarts Wohnsitze an, welcher Lidcote Hall hieß, und an der Grenze von Devonshire lag.



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