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Neuntes Kapitel.

An öder Straße fand er eine Hütte,
Wo Niemand sonst auf sumpf'gem Boden weilt;
Hier rauchet seine Ess', und hier entblößt
Er seinen sehn'gen Arm, von frühem Schlag
Erwarmt der Ambos, tönend durch die Oede,
Des Stahles Funken sprühen ringsumher,
Wenn er des Rosses Eisenschuh gestaltet.

Gay's Trivia.

Sowohl der Reisende selbst, als auch Giles Gosling fanden es gerathen, daß Tressilian, um von Niemand in der Nachbarschaft von Cumnor, der etwa früher als gewöhnlich sein Lager verließe, gesehen zu werden, einen ihm eigens bezeichneten Nebenweg einschlüge, der ihn endlich auf die Landstraße nach Marlborough führen würde.

Doch dergleichen Anweisungen sind gleich jedem anderen Rathe weit leichter zu geben als zu befolgen; sei es nun die Verwickelung der sich kreuzenden Pfade, die Dunkelheit der Nacht, Tressilian's gänzliche Unbekanntschaft mit der Gegend, oder die trüben, niederschlagenden Gedanken, worin versunken er dahinritt, kurz seine Reise ging so langsam vor sich, daß er sich bei anbrechendem Tage noch in dem Thale von Whitehorse befand – denkwürdig wegen der Niederlage der Dänen in früheren Zeiten.

Hier bemerkte er, daß sein Pferd an einem Vorderfuß ein Eisen verloren hatte – ein Umstand, der seine Reise zu unterbrechen drohte, falls dasselbe lahm werden sollte. Er erkundigte sich daher bei den wenigen früh an ihr Tagewerk gehenden Bauern nach der Wohnung eines Hufschmieds, erhielt aber nur kurze und wenig befriedigende Antworten. Damit sein Reisegefährte so wenig als möglich von diesem Unfall leiden möge, stieg Tressilian ab und führte sein Pferd auf einen kleinen Weiler zu, wo er einen solchen Künstler, wie er ihn für den Augenblick brauchte, zu finden oder wenigstens zu erfragen hoffte. Auf einem tiefen schmutzigen Nebenwege gelangte er endlich in das Dörfchen, welches nur aus fünf oder sechs ärmlichen Hütten bestand, vor deren Thüren ein paar Leute, von eben so ärmlichem Aeußeren wie ihre Wohnungen, ihr Tagewerk begannen. Eine dieser Hütten schien ihm ansehnlicher, als die übrigen, und die alte Frau, welche die Thürschwelle kehrte, war etwas weniger ärmlich in ihrem Aeußeren, als ihre Nachbarn. An sie richtete Tressilian die oft wiederholte Frage, ob nicht ein Hufschmied in der Gegend sei, oder wenigstens ein Ort, wo er seinem Pferde Futter geben lassen könne? Die Frau blickte ihm mit einem seltsamen Ausdrucke in's Gesicht und erwiderte: »Einen Schmied? ja gewiß gibt es hier einen Schmied. – Was wollt Ihr von ihm?«

»Er soll mein Pferd beschlagen, gute Frau,« antwortete ihr Tressilian; »Ihr seht, daß es am Vorderfuße ein Hufeisen verloren hat.«

»Herr Holiday!« rief die Frau, ohne ihm unmittelbar zu antworten; »Herr Erasmus Holiday, seid so gut und kommt heraus, mit dem Herrn da zu reden.«

» Favete linguis!« (Haltet die Zunge im Zaum!) antwortete eine Stimme von Innen; »ich kann jetzt nicht herauskommen, Frau Sludge, ich bin gerade bei dem süßesten Bissen meiner Morgenstudien.«

»Ei, so kommt doch nur, Herr Holiday; hier ist ein Mann, der zum Schmied Wayland will und ich mag ihm nicht den Weg zum Teufel zeigen – sein Pferd hat ein Hufeisen verloren.«

» Quid mihi cum caballo?« (Was habe ich mit dem Pferde zu thun?) versetzte der gelehrte Mann von Innen; »ich glaube, es ist nur ein weiser Mann hier im Distrikt und nur er versteht ein Pferd zu beschlagen!«

Und heraus trat ein ehrlicher Pädagog, denn als solchen bezeichnete ihn seine Kleidung. Es war eine lange, hagere, gekrümmte Gestalt, mit dünnen schwarzgrauen Haaren. Seine Züge hatten den Anstrich der zur Gewohnheit gewordenen Autorität, die vermuthlich Dionysius einst von dem Throne auf den Schulmeistersitz verpflanzte und allen seinen Kollegen als Erbtheil hinterließ. Sein langes schwarzes Gewand war in der Mitte mit einem Gürtel versehen, an dem statt eines Messers, oder einer Waffe, ein ledernes Gefäß mit Federn und Dinte hing. Sein Bakel steckte auf der anderen Seite, gleich dem hölzernen Schwert des Hanswursts, und in der Hand hielt er das zerlesene Buch, worin er so eifrig studirt hatte.

Als er Tressilian erblickte, dessen Aeußeres er besser als die Landleute zu würdigen wußte, zog der Schulmeister die Mütze ab und redete ihn mit den Worten an: » Salve, domine. Intelligisne linguam latinam?« (Guten Morgen, mein Herr. Versteht Ihr Latein?)

Tressilian bot alle seine Gelehrsamkeit auf, um ihm zu erwidern: » Linguae latinae haud penitus ignarus, venia tua, domine eruditissime, vernaculam libentius loquor.« (Ich bin der lateinischen Sprache nicht ganz unkundig, gelehrter Herr, mit Eurer Erlaubniß rede ich aber lieber meine Muttersprache.)

Die lateinische Antwort machte auf den Schulmeister fast denselben Eindruck, den das Freimaurerzeichen auf die Brüder von der Kelle hervorbringen soll. Er fühlte sich sogleich zu dem gelehrten Reisenden hingezogen, hörte mit großem Ernst die Geschichte des ermüdeten Pferdes und des verlorenen Hufeisens an und erwiderte in feierlichem Tone: »Es mag als ein einfaches Ding erscheinen, ehrenwerther Herr, Euch zu sagen, daß eine kleine Meile von dieser tuguria der beste faber ferrarius, der geschickteste Hufschmied wohnt, der je ein Pferd beschlug. Wenn ich nun dies sagte, so würdet Ihr Euch gewiß für compos voti, oder, wie das gemeine Volk sagt, für einen gemachten Mann halten.«

»Wenigstens würde ich eine einfache Antwort auf eine einfache Frage erhalten haben,« sagte Tressilian, »was in dieser Gegend schwer zu erlangen scheint.«

»Einem sündigen Wesen den Weg zum Schmied Wayland zu zeigen,« rief die alte Frau, »hieße ebensoviel, als es dem bösen Feind zuführen.«

»Still, Frau Sludge,« sagte der Pädagog; » pauca verba, Frau Sludge, seht nach dem Weizenbrei; curetur jentaculum, Frau Sludge; dieser Herr da ist keiner von Euren Gevattern!« Dann wendete er sich zu Tressilian, und fuhr in seinem hochtrabenden Tone fort: »So würdet Ihr Euch also, mein ehrenwerther Herr, für terque quaterque felix halten, wenn ich Euch die Wohnung dieses Schmieds bezeichnete?«

»Das wäre für jetzt Alles, was ich bedürfte, mein Herr,« versetzte Tressilian – »ein Pferd, mich schnell vom Fleck und aus dem Bereich Eurer Gelehrsamkeit zu bringen.« Die letzten Worte sprach er halblaut vor sich hin.

» O caeca mens mortalium!« (Wie blind ist doch der Mensch!) rief der gelehrte Mann; »mit Recht sang Junius Juvenalis: › numinibus vota exaudita malignis.‹« (Die Götter erhören die Wünsche der Sterblichen ihnen zur Strafe.)

»Hochgelahrter Herr Magister,« sprach Tressilian, »Eure Gelehrsamkeit übersteigt mein geringes Wissen so sehr, daß Ihr mich entschuldigen müßt, wenn ich anderswo Nachweisung zu erhalten suche, die ich besser verstehe.«

»Da haben wir's wieder,« entgegnete der Pädagog; »wie gerne fliehet man vor dem, der uns belehren will! Sehr wahr sagt Quintilian –«

»Ich bitte Euch, laßt jetzt Quintilian ruhen, und antwortet mir auf gut Englisch, wenn Eure Gelehrsamkeit sich so weit herablassen kann, ob hier ein Ort ist, wo mein Pferd Futter bekommen kann und ich Gelegenheit finde, es beschlagen zu lassen?«

»Diese Gefälligkeit kann ich Euch leicht erweisen, mein Herr,« versetzte der Schulmeister, »Euch zu sagen, daß, obgleich hier in unserm armen Dörfchen ( nostra paupera regna) kein eigentliches Hospitium ist, wie mein Namensbruder Erasmus sich ausdrückt, ich dennoch, da Ihr in den schönen Wissenschaften bewandert seid, oder doch wenigstens einen Anstrich davon gehabt, mich gemeinschaftlich mit dieser alten Frau dafür interessiren will, Euch eine Schüssel Weizenbrei – eine gesunde Speise, wofür ich keinen lateinischen Ausdruck habe finden können – vorzusetzen, Eurem Pferde ein Plätzchen im Kuhstall anzuweisen und ihm ein Bund gutes Heu vorzuwerfen, wovon die gute Frau Sludge einen so großen Vorrath hat, daß man wohl von ihrer Kuh sagen kann, foenum habet in cornu (sie hat Heu auf dem Horn), und wenn es Euch gefällig ist, mir das Vergnügen Eurer Gesellschaft zu gewähren, so soll Euch die Mahlzeit ne semissem quidem (keinen Heller) kosten, so sehr ist mir Frau Sludge für die Mühe verbunden, welche ich bei ihrem hoffnungsvollen Erben Dickie angewendet habe, um ihm die Elemente des Lateinischen beizubringen.«

»Ja, Gott vergelt's Euch, Herr Erasmus,« sagte die gute alte Frau, »und gebe, daß der kleine Dickie durch sein Latein gebessert werde! – Und im Uebrigen, wenn der Herr hier bleiben will, so soll das Frühstück auf dem Tische sein, sobald man nur ein Tischtuch umkehren kann, und für Alles, was Pferd und Mann verzehren, werde ich keinen Heller fordern.«

Den Zustand seines Pferdes erwägend, sah Tressilian keinen andern Ausweg, als die so gelehrt ausgesprochene und so gastlich bestätigte Einladung anzunehmen und es dem Zufall zu überlassen, ob der gute Pädagog, nachdem er alle andern Arten der Unterhaltung erschöpft, sich vielleicht herablassen werde, ihm zu sagen, wo er den Schmied finden könne, von dem man gesprochen. Er trat demnach in die Hütte, setzte sich mit dem gelehrten Magister Erasmus zu Tische, aß mit von seinem Weizenbrei und hörte seinem gelehrten Berichte von sich selber eine gute halbe Stunde zu, ehe er ihn dahin bringen konnte, von einem andern Gegenstande zu reden.

Der Leser wird uns gewiß entschuldigen, wenn wir diesem gelehrten Manne nicht bei allen Einzelnheiten folgen, die er Tressilian mittheilte, und wozu die folgende Skizze hinreichen wird.

Er war zu Hogsnorton geboren, wo der Sage nach die Schweine auf der Orgel spielen, ein Sprichwort, welches er allegorisch deutete, und auf die Heerde des Epicur bezog, zu welcher Horaz sich selber bekennt.

Seinen Namen Erasmus leitete er zum Theil von seinem Vater ab, welcher der Sohn einer berühmten Wäscherin gewesen, die jenen großen Gelehrten während seines Aufenthaltes zu Oxford mit weißer Wäsche versehen – eine Aufgabe von einiger Schwierigkeit, da er nur im Besitze von zwei Hemden gewesen, eins, wie sie sagte, um das andere damit zu waschen. Die Ueberbleibsel von einem derselben waren, wie sich Magister Holiday rühmte, noch in seinen Händen, da seine Großmutter es zur Ausgleichung ihrer Rechnung zurückbehalten hatte. Er glaubte indeß diesen Namen einem erhabenen und wichtigen Umstand zu danken, nämlich dem, daß seine Mutter die geheime Vorahnung gehabt, dieser Taufnahme würde wie ein heilbringender Genius ihr Söhnlein einst zum Nebenbuhler des großen Gelehrten von Rotterdam machen. Sein Zuname veranlaßte den Schulmeister zu einer ähnlichen ausführlichen Erörterung. Er war zu dem Glauben geneigt, daß er den Familiennamen Holiday (Feiertag) führe, wie lucus a non lucendo, weil er in seiner Schule nur wenig Feiertage gestatte. »Daher,« fuhr er fort, »heißt auch der Schulmeister im classischen Latein Ludimagister, weil er seinen Schulknaben das Spielen nicht erlaubt.« Und doch glaubte er von der andern Seite, sein Name lasse sich noch auf andere Weise deuten und auf seine außerordentliche Kunst beziehen, Prunkfeste, Mohrentänze, Maitagsfestlichkeiten und ähnliche Volksbelustigungen anzuordnen, wofür er, wie er Tressilian versicherte, den hellsten und erfindungsreichsten Kopf im ganzen Lande besitze. Durch dieses Talent sei er schon vielen hohen Personen, sowohl auf dem Lande als bei Hofe, ja selbst dem edlen Grafen von Leicester bekannt geworden. – »Und obgleich er mich bei der Menge seiner Staatsgeschäfte zu vergessen scheint,« fuhr er fort, »so bin ich doch versichert, daß, wenn er irgend einen hübschen Zeitvertreib zur Unterhaltung Ihrer Majestät der Königin anzuordnen hat, Pferde und Menschen auf die Beine müssen, um die bescheidene Hütte Erasmus Holiday's aufzusuchen. Parvo contentus (mit Wenigem zufrieden) lehre ich hier indessen meine Schüler decliniren und conjugiren, ehrenwerther Herr, und vertreibe mir mit Hülfe der Musen die Zeit. Auch habe ich mich stets in meinem Briefwechsel mit auswärtigen Gelehrten Erasmus ab die fausto unterschrieben, und die dem Gelehrten unter diesem Titel gebührende Ehre genossen. Als Beispiel führe ich den gelehrten Diedrichus Buckershockius an, der mir unter jenem Namen seine gelehrte Abhandlung über den Buchstaben Tau widmete. Kurz, mein Herr, ich bin ein glücklicher, ausgezeichneter Mann.«

»Ich wünsche, daß Ihr das noch lange sein möget, mein Herr,« sagte der Reisende; »aber erlaubt mir, in Eurer Lieblingssprache zu fragen: Quid hoc ad Iphicli boves? (Was hat das mit den Ochsen des Iphiclus zu thun?) Was hat das Alles mit dem Beschlagen meines Pferdes zu schaffen?«

» Festina lente!« (Eile mit Weile), sprach der gelehrte Mann, »jetzt werden wir auf diesen Punkt zu sprechen kommen. Ihr müßt wissen, daß vor zwei oder drei Jahren ein Mann in diese Gegend kam, der sich Doctor Doboobie nannte, obgleich er sich vielleicht nicht mit Recht Magister artium schreiben mochte, es müßte denn zu Gunsten seines hungrigen Magens gewesen sein. Oder, wenn er auch wirklich einen gradum erhalten, so hatte er denselben unter dem Vorsitze des Teufels bekommen, denn er war, was man im gemeinen Leben einen Zauberer oder Hexenmeister nennt, oder dergleichen etwas. Nun, mein guter Herr, ich sehe Ihr werdet ungeduldig; wenn man aber bei einer Erzählung nicht seinen eigenen Weg gehen darf, wer steht uns dafür, daß man den Eurigen trifft?«

»So geht immerhin Euren Weg, mein gelehrter Herr,« antwortete Tressilian, »nur laßt uns etwas schneller eilen, denn meine Zeit ist mir kurz zugemessen.«

»Gut, mein Herr,« fuhr Erasmus Holiday in seiner unerträglichen Breite fort, »ich will eben nicht sagen, daß dieser Demetrius (denn so schrieb er sich in fremden Ländern) ein wirklicher Beschwörer ist, doch so viel ist gewiß, daß er sich für ein Mitglied des geheimen Ordens der Rosenkreuzer, für einen Schüler Geber's ausgab ( ex nomine, cujus venit verbum vernaculum gibberish). Er heilte Wunden, indem er statt des Schadens die Waffe salbte, die sie verursacht hatte – weissagte aus der Hand – entdeckte gestohlenes Gut – sammelte männlichen Farrenkrautsaamen, wodurch die Menschen unsichtbar werden – behauptete einige Fortschritte zur Entdeckung eines Universalelixirs gemacht zu haben, und gab vor, gutes Blei in schlechtes Silber verwandeln zu können.«

»Mit andern Worten,« sagte Tressilian, »er war ein Quacksalber und gemeiner Betrüger; doch was hat dies Alles mit meinem Pferde und seinem verlorenen Hufeisen zu thun?«

»Mit Eurer Erlaubniß, würdiger Herr,« versetzte der umständliche Gelehrte, »das sollt Ihr sogleich erfahren – patientia also, mein Verehrter, ein Wort, welches Marcus Tullius durch difficilium rerum perpessio erklärt. Dieser Demetrius Doboobie wäre, nachdem er eine Zeitlang in der Umgegend sein Wesen getrieben, sich inter magnates, oder unter den Großen des Landes einen Ruf zu erwerben, ohne Zweifel zu hohen Ehren gelangt, wenn nicht, wie die Sage geht, (denn ich behaupte nichts, was ich nicht gewiß weiß,) der Teufel in einer finstern Nacht sein Recht behauptet hätte, und mit Demetrius, von welchem man seitdem kein Wort mehr vernommen, auf und davon gefahren wäre. Jetzt kommt die medulla, das wirkliche Mark der Erzählung. Dieser Doctor Doboobie hatte einen Diener, einen armen Teufel, den er gebrauchte, seinen Ofen in Ordnung zu halten, ihn gehörig zu heizen – Tränke zu bereiten, Kreise zu ziehen, seine Patienten zu beschwatzen et sic de caeteris. – Als nun, Hochgeehrter, der Doctor auf eine so seltsame Weise verschwunden war, daß die ganze Umgegend in Schrecken gerieth, dachte der arme Hanswurst mit Maro, Uno avulso non deficit alter (ist Einer fort, sogleich tritt ein Anderer an die Stelle), und wie ein Handwerksgeselle sich in der Werkstatt seines Meisters niederläßt, wenn dieser stirbt oder sich von den Geschäften zurückzieht, so übernahm auch dieser Wayland das gefahrvolle Gewerbe seines verstorbenen Meisters. Obgleich aber, mein verehrter Herr, die Welt immer geneigt ist, den Ansprüchen unwürdiger Leute Gehör zu geben, die im Grunde nur saltimbanqui und charlatani sind, wenn sie sich gleich das Ansehen geschickter Doktoren der Medicin geben, so waren doch die Ansprüche dieses armen Hanswursts, dieses Wayland, zu ungegründet, um Eingang zu finden, und kein Bauer war so tölpisch und dumm, der ihm nicht in seiner eigenen bäurischen Sprache mit den Worten des Persius zu antworten bereit gewesen wäre:

Diluis Helleborum, certo compescere puncto
Nescius Examen? vetat hoc natura medendi.

welches ich umschreibend so wiedergegeben habe:

Du willst zur Arzenei den Nießwurz mischen,
Und weißt nicht wie viel Gran dazu gehören?
Das ist der Kunst der Medicin zuwider.

Uebrigens hielt der böse Ruf des Meisters, sein seltsames zweifelhaftes Ende, oder sein plötzliches Verschwinden, mit Ausnahme einiger Wagehälse, Jedermann ab, bei seinem Diener Rath oder Hülfe zu suchen, so daß der arme Wurm anfangs beinahe verhungert wäre. Aber der Teufel, der ihm seit dem Tode des Demetrius oder Doboobie gedient, gab ihm bald einen neuen Nahrungszweig an die Hand. Dieser Kerl versteht entweder durch Eingebung des Teufels, oder weil er früher Anleitung dazu bekam, besser als irgend Jemand zwischen hier und Island Pferde zu beschlagen, und so gab er seine Behandlung der zweibeinigen unbefiederten Wesen, Menschen genannt, auf, und widmet sich ausschließlich dem Beschlagen der Pferde.«

»Und wo wohnt er denn diese ganze Zeit über?« fragte Tressilian. »Und versteht er gut Pferde zu beschlagen? Zeigt mir sogleich seine Wohnung!«

Diese Unterbrechung mißfiel dem Magister, welcher ausrief: » O caeca mens hominum! obgleich ich diese Worte schon früher angeführt habe. Aber ich wollte, die Classiker lieferten mir eine Sentenz, kräftig genug, um Diejenigen zurückzuhalten, welche in ihr Verderben eilen. Ich bitte Euch, hört erst die Bedingungen dieses Mannes,« fuhr er fort, »ehe Ihr so bereitwillig seid, Euch in diese Gefahr zu stürzen.«

»Er nimmt kein Geld für seine Arbeit,« sagte die Frau, welche dabei stand, fast entzückt über die schönen Worte und gelehrten Redensarten, die den Lippen ihres hochgelahrten Hausgenossen, des Magister Holiday entströmten. Doch diese Unterbrechung mißfiel dem Gelehrten nicht weniger als die des Reisenden.

»Still, Frau Sludge,« sagte er, »Ihr wißt sehr gut, wo ihr hingehört. Sufflamina, (still) Frau Sludge, und gestattet mir, diese Sache unserm würdigen Gaste auseinanderzusetzen. – Herr,« sagte er, Tressilian wieder anredend, »diese alte Frau sagt die Wahrheit, obgleich in ihrer rohen Redeweise; denn gewiß, dieser faber ferrarius oder Hufschmied nimmt von Niemand Geld.«

»Und das ist ein sicheres Zeichen, daß er es mit dem Satan zu thun hat,« sagte Frau Sludge, »da kein guter Christ den Lohn für seine Arbeit ausschlagen würde.«

»Die alte Frau hat es wieder getroffen,« sagte der Pädagog, » rem acu tetigit. – Dieser Wayland nimmt in der That kein Geld und zeigt sich auch Niemandem.«

»Und versteht dieser Wahnsinnige, denn dafür muß ich ihn halten, Etwas von seinem Handwerk?« fragte der Reisende.

»O Herr, darin müssen wir dem Teufel Gerechtigkeit widerfahren lassen – Mulciber selbst mit allen seinen Cyclopen könnte es kaum besser machen. Aber gewiß würde es wenig klug gehandelt sein, Rath oder Beistand von einem Manne anzunehmen, der nur zu offenbar mit dem Urheber alles Bösen im Bunde steht.«

»Ich muß es darauf ankommen lassen, guter Herr Holiday,« sagte Tressilian aufstehend, »und da nun mein Pferd jetzt sein Futter muß gefressen haben, so danke ich jetzt für Eure gute Bewirthung, und bitte Euch, mir den Wohnort dieses Mannes zu zeigen, damit ich in den Stand gesetzt werde, meine Reise fortzusetzen.«

»Ja, ja, zeigt ihm den Weg, Herr Erasmus,« sagte die alte Frau, welche vielleicht ihr Haus von dem Gaste zu befreien wünschte; »er muß gehen, da ihn der Teufel treibt.«

» Do manus,« sagte der Magister, »ich gebe nach, indem ich die Welt zum Zeugen auffordere, daß ich diesen geehrten Herrn von all dem Unheil in Kenntniß setzte, welches seiner Seele droht, wenn er zu jenen Genossen des Satans geht; auch will ich unsern Gast nicht selber begleiten, sondern lieber meinen Zögling mit ihm schicken. Ricarde, adsis, nebulo!« (Komm her, Richard, Du Taugenichts!)

»Mit Erlaubniß, daraus wird nichts,« fiel die Frau ein; »Ihr mögt immerhin Eure eigene Seele daran setzen; doch mein Junge soll sich mit einer solchen Botschaft nicht befassen; und es wundert mich von Euch, Herr Doctor, daß Ihr von dem kleinen Dickie einen solchen Dienst verlangt.«

»Nein, gute Frau Sludge,« antwortete der Präceptor, » Ricardus soll nur bis auf jene Anhöhe mitgehen, und dem Fremden die Behausung des Schmied Wayland mit dem Finger zeigen, – glaubt nicht, daß ihm ein Unglück begegnen wird, er hat diesen Morgen ein Kapitel in der Septuaginta gelesen, und seine Lection aus dem griechischen Testamente hergesagt.«

»Und ich,« fiel die Mutter ein, »habe ihm eine Esche in's Wamsfutter genäht, seitdem der böse Mensch seine Kunst an Menschen und Vieh hier zu Lande ausübt.«

»Und da ich ihn ohnedies in Verdacht habe, daß er oft zum Zeitvertreib jenen Beschwörer besucht, so kann er sich auch diesmal in seine Nähe wagen, um diesem Fremdling einen Dienst zu erweisen. Ergo, heus Ricarde! adsis quaeso, mi discipule!«

Der so liebreich herbeigerufene Zögling humpelte endlich in's Zimmer, – ein seltsamer, zwergartiger, unansehnlicher Bube, der bei seiner verkrüppelten Gestalt kaum zwölf oder dreizehn Jahre alt zu sein schien, obgleich er wahrscheinlich älter war. Sein rothes Haar hing struppig über sein sonneverbranntes Gesicht herab, in dem eine breitgedrückte Nase, ein langes Kinn, und zwei beinahe schielende, durchdringende graue Augen sich zeigten. Man konnte den kleinen Mann unmöglich anblicken, ohne einen Hang zum Lachen zu empfinden, besonders wenn Frau Sludge ihn trotz seinem Sträuben und Sperren an ihre Brust drückte, küßte und ihre kostbarste Perle der Schönheit nannte.

» Ricarde,« sprach sein Lehrer, »Du mußt sogleich den Herrn da bis auf jene Anhöhe begleiten, und ihm den Weg zu Schmied Waylands Werkstatt zeigen.«

»Ein schönes Morgengeschäft,« sagte der Knabe in viel besserer Sprache, als Tressilian erwartet hatte; »und wer weiß, ob nicht der Teufel mit mir auf und davon fliegt, ehe ich zurückkomme?«

»Gott steh' uns bei!« rief Frau Sludge, »Ihr hättet es doch besser bedenken sollen, Herr Magister, ehe Ihr meinem lieben Jungen einen solchen Auftrag gebt. Und daß Ihr's nur wißt, ich füttere und kleide Euch nicht um solcher Dinge willen.«

» Nugae (Unsinn), gute Frau Sludge,« antwortete der Präceptor; »ich versichere Euch, der Satan, wenn er anders dabei im Spiele ist, soll keinen Faden seines Kleides berühren; denn Dickie kann trotz dem Besten sein Paternoster beten und den bösen Feind von sich abwehren. – Eumenides Stygiumque nefas.«

»Ja, und ich habe ihm einen Zweig von einer Bergesche in den Kragen seines Wamses genäht,« sagte die gute alte Frau, »was mehr helfen wird, als Eure geistliche Gelehrsamkeit; doch bei alledem ist es unrecht, den Teufel oder seinen Genossen aufzusuchen.«

»Mein guter Junge,« sagte Tressilian, der an Dickie's Grinsen bemerkte, daß er mehr nach seinem eigenen Sinne, als den Lehren Anderer zu handeln pflegte, »ich will Dir ein Silberstück geben, wenn Du mich zu der Schmiede jenes Mannes führen willst.«

Der Knabe drückte durch einen Seitenblick seine Zustimmung aus, während er zu gleicher Zeit ausrief: »Ich soll Euch zu Schmied Wayland führen? Wie? sagte ich Euch nicht, daß der Teufel mit mir auf und davon fliegen könnte, gerade wie der Habicht dort (bei diesen Worten sah er zum Fenster hinaus) mit einem von den Küchlein der Großmutter davonfliegt?«

»Der Habicht!« schrie die alte Frau, und eilte, alles Andere vergessend, zur Rettung ihrer Küchlein hinaus, so schnell ihre alten Beine sie zu tragen vermochten.

»Nun vorwärts,« sagte der Knabe zu Tressilian, »nehmt schnell Euren Hut, führt das Pferd hinaus und denkt an das versprochene Silberstück.«

»Warte doch!« rief der Präceptor. » Sufflamina Ricarde!«

»Wartet selbst,« sagte Dickie, »und bedenkt Euch, wie Ihr es gegen meine Großmutter entschuldigen wollt, daß Ihr mich mit Extrapost zum Teufel schickt.«

Der Lehrer, welcher die Verantwortlichkeit fühlte, welche er auf sich lud, sprang plötzlich auf, um ihn zu ergreifen und seine Entfernung zu verhindern; doch Dickie entschlüpfte ihm unter den Händen, stürzte zur Hütte hinaus, und eilte auf eine nahe Anhöhe, während der Präceptor, aus Erfahrung wohl wissend, daß sein Zögling ihm an Schnellfüßigkeit überlegen war, zu den honigsüßesten Beinamen, die sich nur im lateinischen Wörterbuch finden, seine Zuflucht nahm, um ihn zur Rückkehr zu bewegen. Aber der Bube hatte für sein mi anime! corculum meum! und all dergleichen classische Liebkosungen nur taube Ohren, sprang auf der Anhöhe herum, wie ein Kobold beim Mondlicht, und winkte seinem neuen Bekannten Tressilian fortwährend zu, ihm zu folgen.

Der Reisende verlor keine Zeit, sein Pferd herauszuführen und seinen koboldartigen Führer einzuholen, nachdem er vorher dem armen verlassenen Lehrer einen kleinen Beweis seiner Dankbarkeit für die ihm gewährte Unterhaltung aufgedrungen hatte, was seine Furcht vor der Rückkehr der Großmutter etwas verminderte. Wahrscheinlich fand diese bald darauf statt, denn Tressilian und sein Führer hatten sich noch nicht weit entfernt, als ihnen eine kreischende Weiberstimme, mit Herrn Erasmus Holiday's classischen Scheltworten untermischt, in die Ohren tönte. Aber Dickie Sludge, eben so taub gegen die Aeußerungen großmütterlicher Zärtlichkeit, als gegen die schulmeisterliche Autorität, hüpfte lustig vor Tressilian her, indem er ausrief: »Wenn sie sich heißer geschrieen haben, mögen sie den Honigtopf auslecken, denn die Waben habe ich gestern Abend verzehrt.«



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