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Drittes Kapitel.

Nein, ich halt' Stand – das Spiel werd' ausgespielt,
Die muntre Wette hält mich nicht zurück;
Was ich in frohem Muth gesagt, behaupt' ich
Auch wenn ich nüchtern bin, sonst traut mir nimmer.

Der Spieltisch.

»Und wie befindet sich Euer Neffe, mein guter Wirth?« sagte Tressilian, als Giles Gosling am Morgen nach dem im letzten Kapitel beschriebenen Gelage im Gastzimmer erschien. »Ist er wohl, und will er bei seiner Wette beharren?«

»Er ist schon seit zwei Stunden auf, mein Herr, und hat, ich weiß nicht, welche Taugenichtse von alten Kameraden besucht; jetzt ist er zurück und in diesem Augenblick mit seinem Frühstück beschäftigt, welches aus frischgelegten Eiern und Muskateller besteht. Und was seine Wette betrifft, so rathe ich Euch als Freund, sich so wenig als möglich mit alledem zu thun zu machen, was Michel in Vorschlag bringt. Dagegen rathe ich Euch ein warmes Frühstück einzunehmen, welches die Stimmung Eures Magens wieder herstellen wird, und laßt meinen Neffen und Herrn Goldthred über ihre Wette raisonniren wie sie wollen.«

»Es scheint mir, mein guter Wirth,« sagte Tressilian, »als wüßtet Ihr nicht recht, was Ihr von diesem Euren Vetter sagen sollt, und daß Ihr ihn weder tadeln noch loben könnt, ohne daß Euer Gewissen Euch zwickt.«

»Ihr habt wahr gesprochen, Herr Tressilian,« versetzte Giles Gosling. »Die natürliche Zuneigung flüstert mir in's Ohr: Giles, Giles, warum willst Du deinem eigenen Neffen seinen guten Namen rauben? Willst Du Deiner Schwester Sohn schmähen, Giles Gosling? willst Du Dein eigenes Nest verlästern, Dein eigenes Blut entehren? – Und dann kommt die Gerechtigkeit und sagt: Hier ist ein würdiger Gast, wie nur je einer in den hübschen Schwarzen Bären kam; Einer, der nie gegen eine Rechnung etwas einzuwenden hatte, (ich sage es Euch ins Gesicht, Herr Tressilian, das thatet Ihr nie – auch hattet Ihr keine Ursache dazu,) Einer, der, so weit ich beurtheilen kann, nicht weiß warum er kam oder wann er wieder geht; und willst Du als Gastwirth, der diese dreißig Jahre im Flecken Cumnor Schoß und Steuer gezahlt hat und in diesem Augenblick Gemeindevorsteher ist, willst Du diesen Gast aller Gäste, diesen Mann aller Männer, diesen sechsfach gereiften Krug von einem Reisenden (wie ich mich ausdrücken könnte) in die Netze Deines Neffen fallen lassen, der als ein Prahler und verzweifelter Kerl bekannt ist, als Karten- und Würfelspieler, als Professor der sieben verdammlichen Künste, wenn je ein Mann darin einen Grad erlangte? – Nein, beim Himmel! ich könnte wohl ein Auge zuthun und ihn einen solchen kleinen Schmetterling fangen lassen, wie Goldthred ist, aber Du, mein Gast, sollst vorher gewarnt und gerüstet sein, wenn Du den Rath Deines redlichen Wirthes anhören willst.«

»Nun, guter Wirth, Dein Rath soll nicht vergebens ausgesprochen sein,« versetzte Tressilian; »indeß muß ich meinen Antheil an der Wette haben, da ich einmal deßhalb mein Wort gegeben. Aber ertheile mir einigen Rath, wenn ich bitten darf. – Dieser Foster, wer oder was ist er, und warum macht er ein so großes Geheimniß aus seiner Hausgenossin?«

»Ich kann nur wenig zu dem hinzufügen, was Ihr gestern Abend gehört habt,« versetzte Gosling. »Er war einer von Königin Maria's Papisten und ist jetzt einer von Königin Elisabeths Protestanten. Er war ein Anhänger des Abts von Abingdon und lebt jetzt als Herr jenes Landhauses. Kurz, er war arm und ist jetzt reich. Die Leute reden von Privatzimmern in diesem alten Gebäude, schön genug für die Königin, Gott segne sie. Einige meinen, er habe einen Schatz im Obstgarten gefunden, Andere, er habe sich um Geld dem Teufel verkauft, und noch Andere, daß er den Abt um das Kirchengeräth betrogen, welches zur Zeit der Reformation in dem alten Schlosse versteckt worden. Reich aber ist er, und Gott und sein Gewissen, und der Teufel noch vielleicht außerdem, wissen allein, wie er dazu gekommen ist. Er hat eine mürrische Weise, allen Umgang mit den Leuten des Orts abzubrechen, als ob er ein seltsames Geheimniß zu bewahren habe, oder glaube, er sei aus anderm Stoffe gemacht, als wir. Ich halte es für wahrscheinlich, daß mein Neffe mit ihm in Streit gerathen wird, wenn er seine Bekanntschaft mit ihm geltend machen will, und ich fürchte, mein würdiger Herr Tressilian, daß Ihr noch immer daran denkt, in meines Neffen Gesellschaft dorthin zu gehen.«

Tressilian antwortete ihm wieder, daß er mit großer Vorsicht zu Werke gehen werde, und er seinetwegen keine Furcht hegen dürfe; kurz er gab ihm alle die gewöhnlichen Versicherungen, womit die, welche zu einer raschen Handlung entschlossen sind, den Rath ihrer Freunde zurückzuweisen pflegen.

Inzwischen nahm der Reisende die Einladung des Wirthes an und hatte eben sein treffliches Frühstück beendigt, welches die hübsche Cäcilie ihm und Gosling servirt hatte, als Michael Lambourne, der Held des vorigen Abends, in's Zimmer trat. Seine Toilette hatte ihn offenbar einige Mühe gekostet, denn seine Kleider, von denen verschieden, welche er auf der Reise getragen hatte, waren nach der neuesten Mode und mit der größten Sorgfalt angelegt, damit seine Person sich vortheilhaft darstellen möge.

»Meiner Treu, Onkel,« sagte der Eintretende, »Ihr machtet einen nassen Abend daraus, und ich fühle, daß ein trockner Morgen darauf folgt. Ich will Euch gern mit einem Glase süßen Weines Bescheid thun. – Ei, meine hübsche Cousine Cäcilie! ich verließ Dich als Kind in der Wiege, und da stehst Du in Deinem sammetnen Leibchen, als ein so zierliches Mädchen, wie Englands Sonne nur je beschienen. Erkenne Deine Freunde und Verwandten, Cäcilie, und komme hieher, Kind, daß ich Dich küsse und Dir meinen Segen gebe.«

»Bemühe Dich nicht um Cäcilien, Vetter,« sagte Giles Gosling, »sondern laß sie in Gottes Namen ihren Weg gehen; denn obgleich Deine Mutter ihres Vaters Schwester war, so sollt Ihr mir doch nicht zu vertraut mit einander werden.«

»Ei, Onkel,« versetzte Lambourne, »meinst Du, ich sei ein Treuloser und würde den Mitgliedern meines eigenen Hauses etwas zu Leide thun?«

»Ich rede nicht in böser Absicht, Michel,« antwortete sein Onkel, »sondern aus bloßer Vorsicht. Du glänzest ja wahrhaftig wie eine Schlange, wenn sie im Frühling ihre alte Haut abgeworfen hat; doch bei alledem sollst Du mir nicht in mein Eden kriechen. Ich will meine Eva schon bewachen, Michel, und so gib Dich zufrieden. – Aber wie stattlich Du aussiehst, Bursche! Wenn man Dich ansieht und mit Herrn Tressilian vergleicht, in seinem dunkelfarbigen Reitanzuge, sollte man nicht glauben, Du wärest der wahre Edelmann und er der Schenkjunge?«

»Wahrhaftig, Onkel,« versetzte Lambourne, »das kann nur Einer von Eurer ländlichen Erziehung sagen, der es nicht besser versteht. Ich sage und kehre mich nicht daran, wer es hört, es liegt etwas in dem wahren Adel, was nur sehr wenige Leute erreichen, die nicht in dem Geheimniß geboren und erzogen sind. Ich weiß nicht, worin es liegt; denn wenn ich auch ebenso verwegen in ein Wirthshaus eintreten, die Aufwärter und Kellner ebenso laut tadeln, ebenso kräftig eine Gesundheit trinken, ebenso wacker fluchen und mein Gold ebenso frei umherwerfen kann wie nur Einer von denen mit den klingenden Sporen und den weißen Federn um mich her – so soll mich doch der Henker holen, wenn ich den eigentlichen Anstand wegbekommen kann, womit es geschehen muß, obgleich ich es hundertmal versucht habe. Der Wirth setzt mich zu unterst an die Tafel, legt mir zuletzt vor und der Kellner sagt: Komm schon, Freund, – ohne einen weitern Zusatz der Ehrerbietung und Achtung. Doch mag es zum Henker sein, durch Mühe überwindet man Alles. Besitze ich doch Adel genug, um Tony Feuerbrand einen Possen zu spielen, und das ist vor der Hand hinreichend.«

»Ihr bleibt also bei Eurem Vorsatze, Euren alten Bekannten zu besuchen?« fragte Tressilian den Abenteurer.

»Ja, Herr,« versetzte Lambourne; »wenn der Einsatz gemacht ist, muß das Spiel gespielt werden; das ist das Gesetz der Spieler in der ganzen Welt. Wenn mich mein Gedächtniß nicht trügt, – denn ich tauchte es etwas zu tief in die Sectflasche – so habt Ihr auch an meinem Unternehmen Antheil, mein Herr.«

»Ich beabsichtige, Euch bei Eurem Abenteuer zu begleiten,« sagte Tressilian, »wenn Ihr es mir erlauben wollt. Meinen Antheil an der Wette habe ich bereits in die Hände unseres würdigen Wirthes niedergelegt.«

»Das hat er,« antwortete Giles Gosling, »in so schönen Harry-Nobles, als nur je ein munterer Bursche in Sect umsetzte. So wünsche ich Euch Glück zu Eurem Unternehmen, da Ihr es doch durchaus mit Tony Foster aufnehmen wollt; doch meiner Treu, es wäre besser, wenn Ihr noch einen Trunk zu Euch nähmt, ehe Ihr Euch auf den Weg macht, denn Euer Empfang dort in der Halle dürfte ziemlich trocken ausfallen; und wenn Ihr in Gefahr kommt, hütet Euch zum kalten Stahl zu greifen, sondern schickt nach mir, dem Gemeindevorsteher Giles Gosling, und mir möchte es vielleicht gelingen, doch etwas aus Tony herauszubringen, so stolz er auch ist.«

Der Neffe gehorchte pflichtschuldigst dem Winke seines Onkels, that noch einen zweiten und tieferen Zug aus der Flasche, indem er die Bemerkung machte, daß sein Verstand nie so aufgeweckt sei, als wenn er einen guten Morgentrunk gethan. Dann machten sich Beide zusammen auf den Weg zu Anton Fosters Wohnung.

Das Dorf Cumnor liegt sehr angenehm auf einem Hügel, und in einem anstoßenden Parke befand sich das alte Herrenhaus, worin zur Zeit Anton Foster wohnte, und dessen Ruinen noch jetzt vorhanden sein mögen. Der Park war damals voll von großen Bäumen, besonders von alten und mächtigen Eichen, die ihre Riesenarme über die hohe Parkmauer hinausstreckten und so dem Orte ein schwermüthiges, abgeschlossenes und klösterliches Ansehen verliehen. Der Eingang in den Park ging durch einen altmodischen Thorweg in der äußeren Mauer, welcher mit zwei ungeheuren Thorflügeln von Eichenholz versehen war, dicht mit Nägeln beschlagen, gleich dem Thore einer alten Stadt.

»Da kommen wir schön an,« sagte Michael Lambourne, indem er den Thorweg und das Thor anblickte, »wenn uns dieser Kerl in seiner argwöhnischen Laune den Eintritt ganz und gar verweigern sollte, was wahrscheinlich ist, wenn der Besuch dieses winzigen Burschen von einem Krämer in seinem Gebiete ihn sollte beunruhigt haben. Aber nein,« setzte er hinzu, indem er an den ungeheuren Thorflügel stieß, welcher sogleich nachgab, »das Thor steht einladend offen; und hier sind wir auf dem verbotenen Boden ohne weiteres Hinderniß, als den trägen Widerstand einer schweren eichenen Thür, die sich in rostigen Angeln dreht.«

Sie standen jetzt in einem Gange, von den beschriebenen alten Bäumen überschattet, und früher von hohen Hecken von Eibenbäumen und Stechpalmen eingefaßt. Doch da man diese in vielen Jahren nicht beschnitten hatte, so waren sie zu großen Büschen oder vielmehr zu Zwergbäumen aufgeschossen und hatten sich jetzt in dunklen und schwermüthigen Gruppen über den Weg verbreitet, den sie einst vor der Sonne geschützt hatten. Der Gang selber war mit Gras bewachsen und an einigen Stellen von Haufen Buschholz unterbrochen, welches man von den im benachbarten Park gefällten Bäumen abgehauen und hier zum Trocknen aufgehäuft hatte. Die regelmäßigen Gänge, welche den Hauptweg an verschiedenen Punkten durchkreuzten, waren auf gleiche Weise von Haufen Buschwerk und Brennholz und an andern Stellen von Unterholz und Dornsträuchen gehemmt und unterbrochen. Außer der allgemeinen Wirkung der Verlassenheit, welche sich so mächtig aufdrängt, wenn wir die Einrichtungen der Menschen durch Vernachlässigung zerstört und verwüstet sehen, und beobachten, wie die Zeichen des socialen Lebens nach und nach durch den Einfluß der Vegetation ausgelöscht werden, verbreiteten die großen Bäume und ihre weitschattenden Zweige eine Dunkelheit über die Scene, selbst wenn die Sonne am höchsten stand, und machten einen verhältnißmäßigen Eindruck auf die Gemüther der Besuchenden. Dies fühlte selbst Michael Lambourne, so wenig er auch gewohnt war, Eindrücke aufzunehmen, die sich nicht unmittelbar an seine Leidenschaften wendeten.

»Dies Gehölz ist so dunkel wie ein Wolfsrachen,« sagte er zu Tressilian, als sie langsam mit einander den einsamen und unterbrochenen Weg dahin gingen und gerade die Fronte des klösterlichen alten Gebäudes erblickten, mit seinen Spitzfenstern, seinen Mauern von Ziegelsteinen, mit Epheu und Schlingkraut bewachsen, und seinen verschlungenen Schornsteinen von festem Mauerwerk. »Und doch,« fuhr Lambourne fort, »ist es auch wohlgethan von Foster; denn da er keinen Besuch wünscht, so ist es recht, diesen Ort in solchem Zustande zu erhalten, der Niemand verlocken wird, sein Gebiet zu betreten. Doch wäre er noch derselbe Anton, den ich einst kannte, so würden diese stämmigen Eichen längst das Eigenthum eines ehrlichen Holzhändlers geworden sein, und der Park hier würde um Mitternacht lichter ausgesehen haben, als jetzt um Mittag, während Foster in irgend einer Höhle im Bezirke von Whitefriars das daraus gelöste Geld verspielt hätte.«

»War er damals ein solcher Taugenichts?« fragte Tressilian.

»Das war er gleich uns Andern,« antwortete Lambourne; »Keiner gab dem Andern etwas nach. Was mir aber am wenigsten an Tony gefiel, war, daß er, wie man zu sagen pflegt, über jeden Tropfen murrte, der an seiner Mühle vorbeilief. Ich weiß, daß er allein solche Weinkrüge geleert hat, an die ich mich nicht mit Hülfe des besten Zechers in Berkshire würde gewagt haben, – das und eine Neigung zum Aberglauben, welche ihm angeboren war, machte ihn der Gesellschaft eines guten Burschen unwürdig. Und jetzt hat er sich hier in eine Höhle begeben, welche gerade für einen so schlauen Fuchs paßt, wie er ist.«

»Darf ich fragen, Herr Lambourne,« sagte Tressilian, »da die Laune Eures alten Kameraden so wenig zu Eurer eigenen paßt, warum Ihr so begierig seid, die Bekanntschaft mit ihm zu erneuern?«

»Und darf ich dagegen fragen, Herr Tressilian,« sagte Lambourne, »warum Ihr Euch so begierig gezeigt habt, mich bei diesem Unternehmen zu begleiten?«

»Ich habe Euch meinen Beweggrund schon gesagt,« antwortete Tressilian, »als ich an der Wette Theil nahm, – es war bloße Neugierde.«

»Ja, so geht's!« entgegnete Lambourne. »Seht, so denkt Ihr gebildeten und klugen Herren uns behandeln zu können, die wir von der freien Anwendung unsers Verstandes leben! Hätte ich Eure Frage so beantwortet, daß ich gesagt, es sei bloße Neugierde, die mich antreibe, meinen alten Kameraden Anton Foster zu besuchen, so stehe ich dafür, Ihr hättet sie als eine Ausflucht und als zu meinem Handwerke gehörig betrachtet. Doch mir muß wohl jede Antwort genügen, wie es scheint.«

»Und warum sollte nicht bloße Neugierde ein hinlänglicher Beweggrund sein, diesen Spaziergang mit Euch zu machen?« fragte Tressilian.

»O seid ruhig, mein Herr,« versetzte Lambourne; »Ihr könnt mir nicht so leicht etwas weiß machen, wie Ihr denkt; denn ich habe zu lange unter den aufgeregten Geistern unserer Zeit gelebt, um Spreu für Korn zu verschlingen. Ihr seid ein Edelmann von Geburt und Erziehung – Euer Benehmen beweist es – von höflichen Sitten und gutem Rufe – Eure Manieren zeigen es, und mein Onkel behauptet es; und doch schließt Ihr Euch einer Art von Taugenichts an, wie die Leute mich nennen; und während Ihr mich als solchen kennt, begleitet Ihr mich bei einem Besuche, der einem Manne zugedacht ist, dem Ihr fremd seid, und Alles aus bloßer Neugierde? Wenn man diese Entschuldigung genau abwiegt, möchte sie doch um einige Scrupel zu leicht in's Gewicht fallen.«

»Und wäre auch Euer Verdacht begründet,« sagte Tressilian, »so habt Ihr mir kein Vertrauen gezeigt, um das meinige zu verdienen, oder mich dazu aufzufordern.«

»O, wenn das Alles ist,« sagte Lambourne; »meine Beweggründe liegen über dem Wasser. So lange dieses Gold aushält,« – fuhr er fort, indem er seine Börse hervorzog, in die Luft warf und im Niederfallen wieder auffing, – »soll es mir Vergnügen erkaufen, und wenn es zu Ende ist, muß ich mehr haben. Wenn nun diese geheimnißvolle Dame des Schlosses – diese Dulcinea des Tony Feuerbrand – so bewundernswürdig ist, wie die Leute sagen, so ist es leicht möglich, daß sie mir meine Nobles in Groten umschmelzen hilft; und wenn Anton dagegen ein so reicher Filz ist, wie das Gerücht aus ihm macht, so kann er vielleicht den Stein der Weisen an mir probiren und meine Groten wieder in schöne Rosenobles verwandeln.«

»In der That ein trefflicher Vorsatz,« sagte Tressilian; »doch sehe ich noch keine Möglichkeit, denselben auszuführen.«

»Vielleicht nicht heute oder morgen,« antwortete Lambourne. »Ich werde nicht eher den alten Schlaukopf fangen können, als bis ich meine Schlingen gehörig gelegt habe. Doch weiß ich diesen Morgen etwas mehr von seinen Angelegenheiten, als ich am letzten Abend wußte, und ich will meine Kenntniß so anwenden, daß er sie für noch vollkommener halten soll, als sie wirklich ist. – So viel kann ich Euch sagen, erwartete ich nicht Vergnügen oder Vortheil, oder Beides, so würde ich keinen Schritt auf dieses Gebiet gethan haben; denn ich versichere Euch, ich halte unsern Besuch nicht für gänzlich gefahrlos. Doch wir sind einmal hier und müssen uns so gut aus der Affaire ziehen, wie wir können.«

Während er so redete, waren sie in einen großen Obstgarten getreten, welcher das Haus von zwei Seiten umgab, obgleich die Bäume, von der Sorgfalt der Menschen verlassen, zu viele Aeste getrieben hatten, mit Moos bewachsen waren und wenig Früchte zu tragen schienen. Die, welche früher als Spalierbäume gezogen waren, hatten jetzt ihre natürliche Höhe erreicht und zeigten sich in grotesken Formen, wegen der früher angenommenen Richtung ihrer Zweige. Der größere Theil des Bodens, wo früher Blumenbeete gewesen waren, lag gleichfalls öde da, außer einigen wenigen Stücken, welche umgegraben und mit gewöhnlichen Küchengewächsen bepflanzt waren. Einige Statuen, welche den Garten in den Tagen seines Glanzes geziert hatten, waren jetzt von ihren Fußgestellen heruntergeworfen und in Stücke zerbrochen, während ein großes Sommerhaus, welches eine Fronte von festem Mauerwerk hatte, mit Schnitzwerk versehen, welches das Leben und die Thaten Simsons vorstellte, in demselben traurigen Zustande war.

Eben waren sie durch diesen vernachlässigten Garten gegangen und befanden sich nur wenige Schritte von der Thür des Hauses, als Lambourne zu reden aufhörte; ein Umstand, der Tressilian sehr angenehm war, da ihm dies die Verlegenheit ersparte, das offene Geständniß zu erwiedern, welches ihm sein Gefährte von seinen Gesinnungen und der Absicht gemacht hatte, weshalb er hiehergekommen. Lambourne klopfte laut und kühn an die ungeheure Thür des Hauses, indem er zugleich die Bemerkung machte, daß er schon eine weniger starke vor einem Gefängniß gesehen habe. Erst als sie mehr als einmal geklopft hatten, kam ein alter Diener mit saurem Gesichte und beobachtete sie durch ein kleines viereckiges Loch in der Thür, welches mit eisernen Stangen wohl verwahrt war, und fragte nach ihrem Begehr.

»Wir müssen sogleich mit Herrn Foster in dringenden Staatsangelegenheiten reden,« antwortete Michael Lambourne ohne Zögern.

»Es dürfte Euch schwer werden, diese Antwort zu rechtfertigen,« sagte Tressilian leise zu seinem Begleiter, indem der Diener ging, seinem Herrn die Botschaft zu überbringen.

»Pah,« versetzte der Abenteurer; »kein Soldat würde weiter gehen, wollte er stets bedenken, wann und wie er davonkommen wird. Laßt uns einmal Eintritt erhalten haben, so wird Alles gut genug gehen.«

In kurzer Zeit kehrte der Diener wieder, schob mit sorgsamer Hand Stangen und Riegel zurück und öffnete das Thor, worauf sie durch einen gewölbten Gang in einen viereckigen, von Gebäuden umgebenen Hof eintraten. Dem Thorwege gegenüber befand sich noch eine Thür, welche der Diener auf gleiche Weise öffnete und sie in ein mit Stein gepflastertes Sprachzimmer führte, worin sich nur wenig Hausgeräth befand, und dieses noch dazu nach der ältesten und unförmlichsten Mode. Die Fenster waren hoch und weit, und reichten beinahe an die Decke des Zimmers, welche aus schwarzem Eichenholz bestand. Die Fensterscheiben hatten die Form von verschobenen Vierecken und wurden durch die Höhe der umliegenden Gebäude verdunkelt. Da sie dicht mit religiösen Gegenständen und Scenen aus der Bibel bemalt waren und zwei starke Pfeiler durch jedes Fenster gingen, so ließen sie nach Verhältniß ihrer Größe bei weitem nicht genug Licht herein, und das, welches eindrang, nahm die dunkle und trübe Färbung des bemalten Glases an.

Tressilian und sein Führer hatten Zeit genug, alle diese Einzelnheiten zu beobachten, denn sie mußten eine ziemliche Zeit in diesem Zimmer warten, bis endlich der gegenwärtige Herr des Hauses eintrat. Obgleich Tressilian darauf vorbereitet war, eine widerwärtige und unangenehme Person zu sehen, so übertraf doch Anton Fosters Häßlichkeit bei weitem seine Vermuthung. Er war von mittlerer Statur, stark gebaut, aber so plump, daß er fast unförmlich zu nennen war, und beinahe das Ansehen eines Koboldes hatte. Sein Haar, welches man damals, wie gegenwärtig, sehr zierlich und sauber ordnete, anstatt sorgfältig gereinigt und in kurze Locken gekräuselt, oder aufgerichtet zu sein, wie es auf alten Gemälden vorgestellt wird, und wie es die feinen Herren unserer Tage noch tragen, hing in Elfenknoten nachlässig unter einer Pelzmütze hervor, schien unbekannt mit dem Kamm und verbreitete sich über seine runzlige Stirn und um sein seltsames und widerwärtiges Gesicht. Seine lebhaften schwarzen Augen lagen tief unter seinen breiten, überhängenden Brauen, und da sie gewöhnlich auf den Boden gerichtet waren, schienen sie selber über ihren natürlichen Ausdruck beschämt zu sein und ihn der Beobachtung der Menschen verbergen zu wollen. Zu Zeiten aber, wo er mehr bemüht war, Andere zu beobachten, erhob er sie plötzlich und richtete sie scharf auf die, mit denen er sich unterhielt. Dann schienen sie zugleich heftigere Leidenschaften und die Geisteskraft anzudeuten, welche willkürlich die mächtigen in ihm vorgehenden Gefühle zu unterdrücken und zu verbergen vermochte. Die Züge, diesen Augen und dieser Gestalt entsprechend, waren unregelmäßig und so markirt, daß sie sich dem Gedächtnisse dessen auf immer einprägten, der sie einmal gesehen hatte. Kurz, Tressilian konnte nicht umhin, sich einzugestehen, daß der Anton Foster, welcher jetzt vor ihnen stand, dem äußern Ansehen nach die letzte Person sei, der er einen unerwarteten und unerwünschten Besuch würde aufgedrungen haben. Sein Anzug bestand in einem Wams von röthlichem Leder, wie es die vornehmeren Landleute trugen, mit einem Gürtel von Büffelleder, worin an der rechten Seite ein langes Messer oder Stilet und an der andern ein Hirschfänger steckte. Er erhob seine Augen und richtete einen scharfen durchdringenden Blick auf die Angekommenen, dann schlug er sie nieder, als zählte er seine Schritte, während er langsam in die Mitte des Zimmers ging, und sagte mit leiser, unterdrückter Stimme: »Darf ich bitten, meine Herren, mir die Veranlassung Eures Besuches mitzutheilen?«

Er wendete sich an Tressilian, als erwarte er die Antwort von ihm. So richtig war Lambourne's Bemerkung, daß vornehmere Erziehung und Rang auch durch die Verkleidung eines gemeinen Anzuges hindurchscheine. Doch Michael antwortete ihm mit der unbefangenen Vertraulichkeit eines alten Freundes und in einem Tone, worin sich nicht der geringste Zweifel an einem herzlichen Empfange zu erkennen gab.

»Ha! mein lieber Freund und Spielkamerad, Tony Foster!« rief er, indem er die widerstrebende Hand ergriff und sie mit solchem Nachdrucke schüttelte, daß er die kräftige Gestalt der Person, die er anredete, beinahe zum Taumeln brachte, – »wie geht es Euch seit so vielen langen Jahren? – Was? habt Ihr Euren Freund und Spielkameraden Michael Lambourne ganz vergessen?«

»Michael Lambourne!« sagte Foster, indem er ihn einen Augenblick ansah, dann seine Augen niederschlug und hierauf ohne viele Umstände seine Hand von ihm losmachte, »seid Ihr Michael Lambourne?«

»Ja, so gewiß, wie Ihr Anton Foster seid,« versetzte Lambourne.

»Es ist gut!« antwortete sein finsterer Wirth; »und was erwartet Michael Lambourne von seinem Besuche bei mir?«

» Voto a Dios,« versetzte Lambourne, »ich erwartete einen besseren Empfang, als mir wahrscheinlich wird zu Theil werden.«

»Was? Du Galgenvogel – Du Kerkerratte – Du Freund des Henkers und seiner Gesellen,« entgegnete Foster, »kannst Du von irgend Jemand gefällige Aufnahme erwarten, dessen Hals außer dem Bereiche des Henkers von Tyburn ist?«

»Es mag sein, wie Ihr sagt,« versetzte Lambourne; »und gesetzt, ich gebe es zu, um mich nicht mit Euch zu streiten; so würde meine Gesellschaft doch immer noch gut genug sein für meinen alten Freund Anton Feuerbrand, obgleich er gegenwärtig auf unbegreifliche Weise Herr von Cumnor-Place geworden ist.«

»Hört, Michael Lambourne,« sagte Foster; »Ihr seid jetzt ein Spieler und lebt von der Berechnung des Zufalls – rechnet es mir als übertriebene Gutmüthigkeit an, wenn ich Euch in diesem Augenblicke nicht aus jenem Fenster in den Schloßgraben werfe.«

»Zwanzig gegen Eins, daß Ihr es nicht thut,« antwortete der rüstige Soldat.

»Und warum nicht, wenn ich fragen darf?« fragte Anton Foster, indem er seine Zähne zusammenbiß und seine Lippen schloß, wie Einer, welcher eine heftige innere Bewegung zu unterdrücken versucht.

»Weil Ihr um Euer Leben nicht wagen werdet, einen Finger an mich zu legen,« sagte Lambourne kalt. »Ich bin jünger und stärker als Ihr, und habe eine doppelte Portion von dem Fechtteufel in mir – obgleich vielleicht nicht so viel von dem unterminirenden Teufel, der einen unterirdischen Weg zur Erreichung seines Vorhabens findet – welcher Schlingen unter der Leute Kopfkissen verbirgt und Rattengift in ihre Suppe wirft, wie das Schauspiel sagt.«

Foster blickte ihn scharf an, drehte sich dann um und ging zweimal im Zimmer auf und ab, mit demselben festen und bedächtigen Schritte, mit dem er eingetreten war. Dann kam er plötzlich zurück, streckte Michael Lambourne die Hand hin und sagte: »Sei nicht aufgebracht gegen mich, guter Michel. Ich wollte nur erproben, ob Du etwas von Deiner alten und ehrenvollen Biederkeit verloren hättest, welche Deine Neider lästige Unverschämtheit nannten.«

»Sie mögen es nennen, wie sie wollen,« sagte Michael Lambourne, »es ist die Bequemlichkeit, die wir mit uns durch's Leben nehmen müssen. – Gift und Dolch! ich sage Dir, Mann, mein eigener Vorrath von Dreistigkeit war zu gering, um etwas Rechtes damit anfangen zu können, daher nahm ich in jedem Hafen, wo ich auf meiner Lebensreise landete, eine oder zwei Tonnen ein, und warf über Bord, was mir noch von Bescheidenheit und Bedenklichkeit übrig war, um der bessern Ladung Platz zu machen.«

»Nein, nein,« versetzte Foster, »in Betreff der Bescheidenheit und Bedenklichkeit segeltest Du leicht genug ab. – Doch, wer ist dieser Herr, ehrlicher Michel? – Ist er ein Corinther – ein Beutelschneider wie Du?«

»Ich bitte Dich, lerne Herrn Tressilian kennen, plumper Foster,« versetzte Lambourne, indem er seinen Begleiter auf die Frage seines Freundes vorstellte; »lerne ihn kennen und ehre ihn, denn er ist ein Edelmann von manchen bewunderungswürdigen Eigenschaften; und obgleich er nicht mein Geschäft treibt, so viel ich weiß, so hegt er doch gebührende Achtung und Bewunderung für Künstler unserer Classe. Er wird auch zu seiner Zeit dahin kommen, was selten fehlt; doch bis jetzt ist er noch ein Neophyt, ein Proselyt, der die Gesellschaft von ausgelernten Künstlern unseres Faches aufsucht, wie ein angehender Fechter in die Schulen der Meister geht, um zu sehen, wie die Lehrer eine Finte ausführen.«

»Wenn das seine Eigenschaft ist, so muß ich Euch bitten, ehrlicher Michel, mir in ein anderes Zimmer zu folgen, denn was ich Dir zu sagen habe, ist nur für Dein Ohr. – Inzwischen bitte ich Euch, mein Herr, uns in diesem Zimmer zu erwarten, und es nicht zu verlassen, denn es sind Personen in diesem Hause, welche beim Anblick eines Fremden erschrecken würden.«

Tressilian willigte ein, und die beiden würdigen Männer verließen das Zimmer zusammen, worin er allein blieb, um ihre Rückkehr zu erwarten.



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