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Achtes Kapitel.

Wirthin. Anhören will ich Euch, Herr Fanton,
Und wenigstens, was Ihr mir sagt, verschweigen.

Die lustigen Weiber von Windsor.

Es wird nöthig sein, zu den Vorfällen zurückzukehren, welche Tressilians plötzliches Verschwinden aus dem Gasthofe zum Schwarzen Bären zu Cumnor begleiteten, oder vielmehr dasselbe veranlaßten. Man wird sich erinnern, daß dieser Herr nach dem Streite mit Varney in Giles Goslings Haus zurückkehrte, wo er sich auf seinem Zimmer einschloß, Feder, Dinte und Papier forderte, und den Wunsch aussprach, den Tag über allein zu bleiben. Am Abend erschien er wieder im Gastzimmer, wo Michael Lambourne, der ihn, eingedenk des Versprechens, welches er seinem alten Freunde und Kameraden Foster gegeben, seit seiner Rückkehr genau bewacht hatte, die Bekanntschaft mit ihm zu erneuern wünschte, und die Hoffnung aussprach, er werde sich nicht unfreundlich des Antheils erinnern, den er an dem Streite genommen, der an jenem Morgen stattgefunden.

Doch Tressilian wies seine Annäherung fest, obgleich mit Höflichkeit zurück. »Herr Lambourne,« sagte er, »ich glaube, ich habe Euch die Zeit hinlänglich bezahlt, die Ihr meinetwegen aufgewendet habt. Bei Eurer verstellten Rauhheit habt Ihr Verstand genug, mich zu verstehen, wenn ich offen heraus sage, daß, da der Zweck unserer dermaligen Bekanntschaft erfüllt ist, wir in's Künftige einander fremd sein müssen.«

» Voto!« sagte Lambourne, indem er mit der einen Hand seinen Schnurrbart drehte und mit der andern nach seinem Schwerte griff; »wenn ich wüßte, daß diese Behandlung Beleidigung gegen mich sein sollte –«

»Ihr würdet sie ohne Zweifel mit Gelassenheit hinnehmen,« versetzte Tressilian, »wie Ihr doch auf jeden Fall thun müßt. Ihr kennt zu gut den Abstand zwischen uns, um mich zu genauer Erklärung aufzufordern. – Guten Abend.«

Mit diesen Worten wendete er seinem früheren Gefährten den Rücken und ließ sich mit dem Wirthe in ein Gespräch ein. Michael Lambourne fühlte sich sehr aufgelegt, Händel anzufangen; doch seine Wuth starb in einigen unzusammenhängenden Flüchen und Ausrufungen hin, und er erlag unwillkürlich unter dem Uebergewicht, welches höhere Geister über Personen von seinen Sitten und Eigenschaften auszuüben pflegen. Er blieb daher mürrisch und schweigend in einem Winkel des Zimmers, widmete die größte Aufmerksamkeit jeder Bewegung seines ehemaligen Gefährten, dem er jetzt selber Rache schwur, und welche er durch die Ausführung von Varney's Befehlen zu befriedigen hoffte. Nach dem Abendessen begab sich Tressilian gleich den Uebrigen auf sein Schlafzimmer.

Er war noch nicht lange im Bette gewesen, als die schwermüthigen Gedanken, welche bei ihm die Stelle der Ruhe vertraten, plötzlich durch das Knarren der Thür, welche sich um ihre Angel drehte, unterbrochen wurden, und ein Licht in's Zimmer schien. Tressilian, welcher so tapfer war wie Stahl, sprang von seinem Bette auf und hatte schon sein Schwert ergriffen, als er durch eine Stimme verhindert wurde, es zu ziehen, die ihm zurief: »Seid nicht zu rasch mit Eurem Schwerte, Herr Tressilian. Ich bin es, Euer Wirth, Giles Gosling.« Zugleich öffnete er seine Blendlaterne, und der ehrliche Giles Gosling stand in höchst eigener Gestalt vor seinem erstaunten Gaste.

»Was soll diese Mummerei, Herr Wirth?« fragte Tressilian. »Habt Ihr wieder, wie gestern, beim Abendessen des Guten zu viel gethan, und Euer Zimmer verfehlt? Oder ist es bei Euch Sitte, zur Mitternachtsstunde in den Schlafzimmern Eurer Gäste Maskerade zu spielen?«

»Herr Tressilian,« versetzte der Wirth, »ich weiß so gut wie irgend ein Gastwirth in ganz England Zeit und Ort für jedes Ding zu unterscheiden. Aber da hat mein Schurke von Neffe Euch so scharf bewacht, wie die Katze die Maus. Ihr habt mit Jemand da drüben Händel gehabt, oder wohl gar gefochten, und es ahnt mir Unheil bei dieser Sache.«

»Ei, Alter, Du bist ein Thor,« entgegnete Tressilian. »Dein Neffe ist mir zu gemein, als daß ich auf ihn zürnen sollte, und wie kommst Du auf den Einfall, daß ich mit Jemand sollte Händel gehabt haben?«

»Ja, Herr,« versetzte der Wirth, »ich sah einen rothen Fleck an Eurem Kinnbacken, was so bestimmt auf vorgefallene Händel deutet, wie die Verbindung des Mars und Saturn auf Unglück. – Und als Ihr zurückkamet, war die Schnalle Eures Schwertgürtels verschoben und Euer Schritt rasch und hastig, – lauter Dinge, die darauf hindeuten, daß Eure Hand kürzlich ihre Bekanntschaft mit Eurem Schwertgriff erneuert hat.«

»Gut denn, mein redlicher Wirth,« sagte Tressilian, »warum hat der Umstand, daß ich genöthigt gewesen, mein Schwert zu ziehen, Dich noch so spät in der Nacht genöthigt, Dein warmes Bett zu verlassen? Du siehst ja, die Gefahr ist vorüber.«

»Mit Erlaubniß, das gerade möchte ich bezweifeln. Anton Foster ist ein gefährlicher Mann, und hat einen hohen Beschützer am Hofe, der ihm schon oftmals bei verwickelten Händeln durchgeholfen hat. Wenn diese beiden Kameraden ihre alte Bekanntschaft erneuern und ein gemeinschaftliches Spiel spielen, so wünschte ich nicht, mein ehrenwerther Gast, daß es auf Eure Kosten geschähe. Ich kann Euch sagen, Michel Lambourne hat sich beim Hausknecht genau erkundigt, welchen Weg Ihr einschlagen werdet. Nun besinnt Euch, ob Ihr nichts gesagt oder gethan habt, weshalb sie Euch unterwegs auflauern und Leid anthun könnten.«

»Du bist ein ehrlicher Mann, Freund Gosling,« sagte Tressilian nach einem augenblicklichen Bedenken; »ich will aufrichtig mit Dir reden. Wenn die Bosheit dieser Leute gegen mich gerichtet ist – was ich nicht bestreiten will – so sind sie Werkzeuge eines mächtigern Bösewichts, als sie selber sind.«

»Ihr meint den Herrn Richard Varney, nicht wahr?« fragte der Wirth; »er war gestern in Cumnor Place und ritt nicht so verkappt hier durch, daß ihn nicht Jemand sollte erkannt haben, der es mir wieder sagte.«

»Ja, den meine ich, Herr Wirth.«

»Dann seid um Gottes willen auf Eurer Hut, würdiger Herr Tressilian,« entgegnete der ehrliche Gosling. »Dieser Varney ist der Beschützer und Patron des Anton Foster, der von ihm und durch seine Vermittelung das Schloß und den Park in Pacht bekommen hat. Varney erhielt einen großen Theil der Ländereien der Abtei Abingdon, unter andern Cumnor Place, von seinem Gebieter, dem Grafen von Leicester. Man sagt, er vermöge Alles über ihn, obgleich ich den Grafen für einen zu ehrenhaften Cavalier halte, als daß er ihn auf die Art gebrauchen sollte, wie die Leute von ihm sagen. – Und dann vermag der Graf Alles (das heißt Alles, was recht und schicklich ist) bei der Königin – Gott segne sie! – So seht Ihr also, wen Ihr Euch zum Feinde gemacht habt.«

»Nun, es ist geschehen, und ich kann der Sache nicht abhelfen,« antwortete Tressilian.

»Ei, zum Henker! da muß auf irgend eine Art geholfen werden,« sagte der Wirth. »Richard Varney wird theils wegen seines Einflusses bei dem Grafen, theils wegen vieler alten und drückenden Ansprüche des ehemaligen Abts von den hiesigen Einwohnern so gefürchtet, daß sie es kaum wagen, seinen Namen zu nennen, viel weniger noch ihm in den Weg zu treten, wie Ihr aus der gestrigen Unterhaltung möget geschlossen haben. Die Leute reden über Tony Foster wie es ihnen einfällt, doch kein Wort über Richard Varney, obgleich sie Alle glauben, daß er in das Geheimniß rücksichtlich des hübschen Mädchens dort eingeweiht sei. Vielleicht aber wißt Ihr mehr von der Dame als ich; denn die Weiber, wenn sie auch keine Schwerter tragen, geben doch oft Veranlassung, daß manche Klinge ihre rindslederne Scheide mit einer Scheide von Fleisch und Blut vertauscht.«

»Allerdings weiß ich mehr von dieser armen unglücklichen Dame, als Du, mein gütiger Wirth; und in diesem Augenblick bin ich so von Freunden und gutem Rath verlassen, daß ich Dich gern zum Vertrauten machen und Dir den ganzen Hergang der Sache erzählen will, um so mehr, da ich nach Beendigung meiner Erzählung eine Gefälligkeit von Dir zu erbitten habe.«

»Mein guter Herr Tressilian,« sagte Gosling, »ich bin nur ein schlichter Gastwirth, wenig geeignet, einem Herrn, wie Ihr, meinen Rath zu ertheilen. Doch so wahr ich mich durch richtiges Maß und billige Rechnungen gut durch die Welt geschlagen habe, bin ich ein ehrlicher Mann; und als solcher, wenn auch vielleicht nicht im Stande, Euch beizustehen, bin ich wenigstens nicht fähig, Euer Vertrauen zu mißbrauchen. Redet daher offen heraus, als wenn ich Euer Vater wäre, und haltet Euch wenigstens versichert, daß meine Neugierde – ich will meinen Antheil, der zu meinem Geschäft gehört, keineswegs verleugnen – mit einem gehörigen Grade von Verschwiegenheit verbunden ist.«

»Ich zweifle nicht daran, Herr Wirth,« antwortete Tressilian, und während sein Zuhörer sich in gespannter Erwartung befand, dachte er einen Augenblick nach, wie er seine Erzählung beginnen solle. »Damit mein Bericht verständlich sei,« sagte er endlich, »muß ich etwas zurückgehen. Ihr habt gewiß von der Schlacht bei Stoke gehört, mein guter Wirth, und vielleicht auch von dem alten Sir Roger Robsart, der in dem Treffen für König Heinrich den Siebenten, den Großvater der Königin, tapfer focht, und den Grafen von Lincoln, Lord Geraldin und seine rauhen Irländer, sowie die Flamänder schlug, welche die Herzogin von Burgund herübergesendet hatte?«

»Ich erinnere mich des Einen und des Andern,« sagte Giles Gosling, »die Geschichte wird jede Woche ein Dutzend Mal unten auf meiner Bierbank gesungen. – Sir Roger Robsart von Devon – o ja, das ist der, von dem die Bänkelsänger noch bis zu dieser Stunde singen:

Er war die Blum' auf Stoke's blut'gem Feld,
Wo Martin Schwarz erschlagen lag;
Doch wie ein Fels stand da der kühne Held,
An dem sich Sturm und Woge brach.

Ja, und dann erzählte mir auch mein Großvater von Martin Schwarz, sowie von den wackern Deutschen, die er commandirte, mit ihren aufgeschlitzten Wämsern und zierlichen Beinkleidern, an den Knieen mit Bändern besetzt. Es gibt auch ein Lied von Martin Schwarz, wenn ich mich nur desselben vollständig erinnern könnte:

Martin Schwarz und seine Mannen
Ritten in die Schlacht,
Martin Schwarz und seine Mannen
Siegten überall.«

»Ja, mein guter Wirth,« entgegnete Tressilian, »man sprach noch lange von jenem Tage; doch wenn Ihr so laut singt, werdet Ihr mehr Zuhörer bekommen, denen ich meine Erzählung nicht anvertrauen möchte.«

»Ich bitte um Verzeihung, mein ehrenwerther Gast,« sagte der Wirth, »ich hatte mich vergessen. Wenn uns lustigen alten Rittern vom Zapfen ein altes Volkslied vorkommt, so läuft es gleich mit unserer Besonnenheit davon.«

»Nun, mein guter Wirth, mein Großvater war gleich andern Männern von Cornwall dem Hause York ergeben und nahm sich der Sache jenes Simnel an, der sich Graf von Warwick nannte; sowie in der Folge viele Bewohner der Grafschaft sich zur Partei des Perkin Warbeck schlugen, der den Titel eines Herzogs von York angenommen. Mein Großvater ging zu Simnels Fahnen und wurde tapfer fechtend in der Schlacht bei Stoke gefangen genommen, wo die meisten Anführer jenes unglücklichen Heeres in ihren Harnischen erschlagen wurden. Der gute Ritter, dem er sich ergab, Sir Roger Robsart, beschützte ihn vor der unmittelbaren Rache des Königs und entließ ihn ohne Lösegeld. Er war aber nicht im Stande, andere Strafen seiner Unbesonnenheit von ihm abzuwenden, namentlich die hohen Geldbußen, wodurch Heinrich seine Feinde zu schwächen suchte, und die ihn in Armuth stürzten; der gute Ritter that, was er konnte, die Leiden meines Großvaters zu mildern; und die Freundschaft ward so innig, daß mein Vater als der vertrauteste Freund des jetzt lebenden Sir Hugh Robsart, des einzigen Sohnes von Sir Roger, des Erben seiner Rechtschaffenheit, Großmuth und Gastfreiheit, wenn auch nicht seiner kriegerischen Talente, auferzogen wurde.«

»Ich habe oft von dem guten Sir Hugh Robsart reden hören,« fiel der Gastwirth ein. »Sein Jäger und getreuer Diener, Will Badger, hat in diesem Hause wohl hundertmal von ihm geredet. – Er ist ein munterer Ritter, der die Gastfreiheit geliebt und offene Tafel gehalten, mehr als es heutiges Tages Sitte ist, wo man die Wämser so stark mit Gold besetzt, daß man ein Dutzend rüstiger Burschen ein Jahr lang mit Rindfleisch und Bier füttern und sie einen Abend in der Woche in's Bierhaus schicken könnte, um dem Gastwirth auch etwas zu gönnen.«

»Wenn Ihr Will Badger kennt, Herr Wirth,« sagte Tressilian, »so wißt Ihr genug von Sir Hugh Robsart; ich habe daher nur noch hinzuzusetzen, daß seine Gastfreiheit sein Vermögen etwas schmälerte, was von geringerer Bedeutung ist, da er nur eine Tochter hat, die es einst von ihm erbt. Hier beginnt mein Antheil an der Erzählung. Als mein Vater vor mehreren Jahren starb, wollte der gute Sir Hugh mich zum beständigen Gesellschafter haben. Es gab freilich eine Zeit, wo ich fühlte, daß des Ritters außerordentliche Neigung zur Jagd mich von Studien abhielt, die mir einst von größerem Nutzen sein könnten; doch bald bedauerte ich die Zeit nicht mehr, die ich aus Dankbarkeit und angestammter Freundschaft diesen ländlichen Beschäftigungen widmete. Die große Schönheit der Miß Emma Robsart, wie sie aus einem Kinde eine Jungfrau wurde, konnte mir nicht entgehen, da ich beständig in ihrer Gesellschaft war – kurz, ich liebte sie, mein guter Wirth, und ihr Vater bemerkte es.«

»Und trat gewiß Eurer Liebe in den Weg?« sagte der Wirth; »so geht es fast immer in solchen Fällen, und daß es auch Euch so ergangen, schließe ich aus dem schweren Seufzer, den Ihr so eben ausgestoßen.«

»Mein Fall war ein anderer, guter Wirth. Sir Hugh Robsart billigte meine Bewerbung; doch seine Tochter blieb kalt bei meiner Leidenschaft.«

»Sie war von beiden Feinden der gefährlichste,« sagte der Wirth. »Ich fürchte, Eure Bewerbung wurde kalt zurückgewiesen.«

»Sie schenkte mir indeß ihre Achtung,« versetzte Tressilian, »und schien nicht abgeneigt, mich hoffen zu lassen, daß dieselbe einst zu einer wärmeren Neigung heranreifen werde. Vermöge der Vermittelung ihres Vaters wurde ein Ehe-Contract zwischen uns aufgesetzt, die Erfüllung desselben aber auf ihr dringendes Bitten noch ein Jahr verschoben. Während dieser Zeit erschien Richard Varney in unserer Gegend, und eine entfernte Verwandtschaft mit Sir Hugh Robsart benutzend, brachte er einen großen Theil der Zeit in seiner Gesellschaft zu, bis er endlich fast mit zur Familie zu gehören schien.«

»Das konnte dem Orte wenig Glück bedeuten, den er mit seiner Gegenwart beehrte,« sagte Gosling.

»Nein, beim Kreuz!« versetzte Tressilian. »Mißverständnisse und Kummer folgten seiner Gegenwart, und zwar auf so seltsame Weise, daß ich noch diesen Augenblick die Abstufungen seines Fortschrittes in dieser Familie nicht angeben kann. Eine Zeitlang nahm Emma Robsart die Aufmerksamkeiten dieses Varney mit der Gleichgültigkeit gewöhnlicher Höflichkeit auf; dann folgte eine Periode, wo sie ihn mit Widerwillen, ja mit Abscheu betrachtete, und dann schien plötzlich eine genauere Bekanntschaft zu beginnen. Varney hörte auf, sich anmaßend und zudringlich gegen sie zu betragen, und Emma dagegen schien ihren früher schlecht verhaltenen Widerwillen gegen ihn abzulegen. Sie schienen mehr geheime Unterredungen mit einander zu haben, als mir lieb war, und ich begann zu argwöhnen, daß sie geheime Zusammenkünfte an Orten hielten, wo sie freier, als in unserer Gegenwart, mit einander reden konnten. Mehrere Umstände, die mir damals nicht auffielen – denn ich hielt ihr Herz für so offen wie ihr engelgleiches Angesicht – sind mir später in's Gedächtniß zurückgekehrt und haben mich von ihrem geheimen Verständniß überzeugt. Es ist unnöthig, weiter darauf einzugehen, da die Thatsachen ihre Richtigkeit seitdem nur zu deutlich bewiesen haben. Sie verschwand aus dem Hause ihres Vaters. Varney entfernte sich zu gleicher Zeit – und heute habe ich sie als seine Buhlerin im Hause seines niederträchtigen Anhängers Foster gesehen, wo er sie vermummt vermöge eines geheimen Einganges besuchte.«

»Und dies ist also die Veranlassung Eures Streites? Mich dünkt, Ihr hättet überzeugt sein sollen, daß diese Dame Eure Dazwischenkunft weder wünsche noch verdiene.«

»Mein guter Wirth,« antwortete Tressilian, »mein Vater – denn als solchen muß ich Sir Hugh Robsart stets betrachten – sitzt zu Hause und verzehrt sich in Kummer; oder wenn er so weit wieder hergestellt ist, sucht er vergeblich bei seiner Lieblingsbeschäftigung, der Jagd, zu vergessen, daß er eine Tochter hatte – eine Erinnerung, die beständig tief erschütternd bei ihm wiederkehrt. Ich konnte den Gedanken nicht ertragen, daß er so im Elend, und Emma so in der Sünde fortleben sollte – ich suchte sie auf und hegte die Hoffnung, sie zur Rückkehr in ihre Familie zu bewegen. Ich fand sie, und wenn mir entweder mein Versuch nicht gelingt, oder ich die Fruchtlosigkeit desselben einsehe, so ist es meine Absicht, mich nach Virginien einzuschiffen.«

»Seid nicht zu rasch, mein guter Herr,« entgegnete Giles Gosling, »und bereitet Euch nicht selber den Untergang, weil ein Weib – kurz gesagt – ein Weib ist, und ihre Liebhaber wie ihre Bänder wechselt, ohne einen andern Grund, als ihre Laune. Doch ehe wir weiter über diesen Gegenstand reden, muß ich Euch fragen, welcher Argwohn Euch so sicher zu dem Aufenthalt oder vielmehr zu dem Versteck der Dame geführt hat?«

»Der letztere Ausdruck ist der passendste, Herr Wirth,« antwortete Tressilian; »was nun Eure Frage betrifft, so führte mich die Nachricht in diese Gegend, daß Varney beträchtliche Ländereien erhalten habe, welche früher den Mönchen von Abingdon zugehört, und Eures Neffen Besuch bei seinem alten Kameraden Foster gab mir völlige Gewißheit darüber.«

»Und wozu seid Ihr jetzt entschlossen, verehrter Herr? – Entschuldigt, daß ich diese Frage so geradezu an Euch richte.«

»Ich bin entschlossen, Herr Wirth,« sagte Tressilian, »morgen meinen Besuch auf dem Schlosse zu wiederholen, um genauere Nachricht von ihr zu erhalten, als mir bis jetzt möglich war. Ihr Charakter müßte sich gänzlich verwandelt haben, wenn meine Worte keinen Eindruck auf sie machen sollten.«

»Mit Eurer Erlaubniß, Herr Tressilian,« sagte der Wirth, »diesen Weg könnt Ihr nicht einschlagen. Die Dame hat ja schon, wenn ich Euch recht verstanden habe, Eure Vermittelung in dieser Sache abgelehnt.«

»Das ist nur zu wahr,« entgegnete Tressilian, »ich kann es nicht leugnen.«

»Nun, welches Recht oder welches Interesse habt Ihr demnach, ihr gegen ihren Willen Eure Vermittelung aufzudringen, so entehrend auch ihre Neigung für sie selbst und ihre Angehörigen sein mag? Irre ich nicht, so werden Die, unter deren Schutz sie sich begab, wenig Anstand nehmen, Eure Dazwischenkunft zurückzuweisen, und wäret Ihr auch ihr Vater oder Bruder; und vollends als verschmähter Liebhaber setzt Ihr Euch der Gefahr aus, mit Schimpf und Schande aus dem Hause geworfen zu werden. Ihr könnt keine Obrigkeit zur Hülfe und Unterstützung auffordern, würdet nach einem Schatten im Wasser jagen, und ihn – verzeiht mir meine Freimüthigkeit – doch nicht erhaschen können.«

»Ich will mich an den Grafen von Leicester wenden,« sagte Tressilian, »und mich über die Niederträchtigkeit seines Günstlings bei ihm beschweren. – Er begünstigt die strenge Secte der Puritaner – und wagt schon um seines eigenen guten Namens willen nicht, meine Klage zurückzuweisen, selbst wenn die Grundsätze von Ehre und Großmuth, die ihm der Ruf beilegt, ihm gänzlich fremd sein sollten. – Sonst wende ich mich an die Königin selbst.«

»Sollte Leicester,« sagte der Wirth, »geneigt sein, seinen Günstling in Schutz zu nehmen, (denn er hält, wie man sagt, große Dinge auf ihn,) so möchte eine Klage, an die Königin selbst gerichtet, sie Beide zur Vernunft bringen. Ihre Majestät ist streng in solchen Dingen, und wird (wär's nicht Hochverrath, so zu sprechen) eher einem Dutzend Hofleuten verzeihen, wenn sie sich in sie verliebten, als einem Einzigen, der einem andern Frauenzimmer den Vorzug gäbe. Also Muth, mein werther Herr. Denn wenn Ihr eine Bittschrift an den Stufen des Thrones niederlegt, und die Geschichte des Euch widerfahrenen Unrechts hinzufügt, so würde der begünstigte Graf lieber in die Themse springen, wo sie am vollsten und tiefsten ist, als Varney in einem Handel dieser Art Beistand leisten wollen. Um aber diesen Plan mit einiger Aussicht auf Erfolg zu beginnen, müßt Ihr mit aller Förmlichkeit zu Werke gehen, und ohne Euch hier lange mit dem Stallmeister eines Mitgliedes des Geheimenraths herumzuschlagen, und Euch den Dolchen seiner Helfershelfer auszusetzen, solltet Ihr nach Devonshire reisen, eine Bittschrift für Sir Hugh Robsart aufsetzen lassen, und Euch so viel Freunde als möglich machen, um Eure Sache bei Hofe zu unterstützen.«

»Ihr habt sehr klug geredet, Herr Wirth,« sagte Tressilian; »ich will Euren Rath befolgen und Euch morgen in aller Frühe verlassen.«

»Nein, Herr, verlaßt mich noch diese Nacht, ehe der Morgen anbricht,« versetzte der Wirth. »Ich betete nie inbrünstiger für die Ankunft eines Fremden, als mich nach Eurer Abreise verlangt. Mein Neffe ist höchst wahrscheinlich für den Galgen bestimmt, doch möchte ich nicht, daß die Ermordung eines ehrenwerthen Gastes aus meinem Hause der Grund dazu wäre. Reitet lieber sicher im Dunkeln, sagt das Sprüchwort, als am Tage mit einem Mörder an Eurer Seite. – Kommt, Herr, ich treibe Euch zu Eurer eignen Sicherheit zur Reise an. Euer Pferd und Alles ist in Bereitschaft – und hier ist Eure Rechnung.«

»Sie beläuft sich auf etwas weniger, als eine Rosenoble,« sagte Tressilian, indem er dem Wirthe ein Goldstück hinreichte; »gebt das Uebrige Eurer Tochter, der hübschen Cäcilie, und den Dienstboten des Hauses.«

»Sie sollen Euer Geschenk erhalten, mein Herr,« sagte Gosling; »und meine Tochter sollte Euch zum Dank einen Kuß geben; doch zu dieser Stunde können sie nicht im Thorwege stehen und Euch abreisen sehen.«

»Gestattet Eurer Tochter keinen zu vertrauten Umgang mit Euren Gästen, mein guter Wirth,« sagte Tressilian.

»Nein, mein Herr, da will ich schon aufpassen; doch es wundert mich nicht, daß Ihr auf alle Männer eifersüchtig seid. – Darf ich fragen, mit welcher Miene Euch gestern die schöne Dame in Cumnor Place empfangen hat?«

»Ich gestehe,« sagte Tressilian, »sie war ärgerlich und verwirrt, so daß ich wenig Hoffnung habe, sie sei von ihrer unglücklichen Täuschung erwacht.«

»In diesem Falle sehe ich nicht ein, mein Herr, warum Ihr den Ritter einer Dame spielen wollt, die nichts von Euch will, und Euch die Rache des Günstlings eines Günstlings zuziehen, welcher ein so gefährliches Ungeheuer ist, wie nur je einem irrenden Ritter begegnete.«

»Ihr thut mir Unrecht – großes Unrecht,« sagte Tressilian; »ich wünsche nicht, daß Emma je wieder an mich denken möge. Wenn ich sie nur ihrem Vater wieder gegeben habe, so ist Alles vorüber und beendet, was ich in Europa – ja vielleicht in der Welt zu thun habe.«

»Ein weiserer Entschluß wäre es, einen Becher Sect zu trinken und sie zu vergessen,« sagte der Wirth. »Doch Andere sehen dies mit andern Augen an, und in dieser Hinsicht ist ein großer Unterschied zwischen einem jungen Cavalier und einem alten Gastwirth. Ich habe Mitleid mit Euch, Herr Tressilian, aber ich sehe nicht ein, wie ich Euch helfen kann.«

»Auf diese Weise, mein guter Wirth,« versetzte Tressilian. »Gebt genau Acht auf Alles, was zu Cumnor Place vorgeht, was Ihr ohne Verdacht zu erregen erfahren könnt, da Alle ihre Neuigkeiten zu Eurer Bierbank tragen. Seid so gut Eure Nachrichten der Person, aber keiner andern schriftlich mitzutheilen, die Euch diesen Ring vorzeigt. Betrachtet ihn, er ist von Werth und soll dann Euch gehören.«

»Nein, Herr, ich verlange keine Belohnung,« sagte der Wirth; »doch es scheint mir unvorsichtig von einem Gastwirth, mich auf eine so gefährliche und geheimnißvolle Sache einzulassen. – Ich habe kein Interesse daran.«

»Ihr und jeder Vater im Lande, der seine Tochter vor den Schlingen der Schande, der Sünde und des Elends schützen will, hat daran ein größeres Interesse, als an irgend Etwas auf Erden.«

»Wohl, mein Herr,« sagte der Wirth, »das ist wacker gesprochen, und ich bedaure von ganzem Herzen den biedern alten Edelmann, der sein Vermögen an eine seinem Lande Ehre bringende Gastfreiheit gesetzt hat, und sich jetzt seiner Tochter, welche die Stütze seines Alters hätte sein sollen, durch diesen Habicht von Varney beraubt sieht. Und obgleich Euer Antheil in dieser Sache Gefahr bringt, so will ich doch mit Euch ein Tollkopf sein, und Euch in Eurem rechtlichen Versuch, dem alten Manne seine Tochter wieder in's Haus zu schaffen, dadurch behilflich sein, daß ich Euch treuen Bericht erstatte. Da ich Euch aber treu sein soll, so bitte ich Euch denn auch, es ebenfalls gegen mich zu sein, und unser Geheimniß zu bewahren; denn es würde dem guten Rufe des Schwarzen Bären schaden, wenn es hieße: der Wirth befaßt sich mit dergleichen Dingen. Varney hat Einfluß genug bei der Justiz, um mir mein schönes Schild von seinem Pfosten herunter zu nehmen, auf dem es so stattlich prangt, mein Schenkrecht einzuziehen, und mich gänzlich zu Grunde zu richten.«

»Zweifle nicht an meiner Verschwiegenheit, mein guter Wirth,« sagte Tressilian; »überdies werde ich Dir für Deinen Dienst sehr verbunden sein. Bedenke aber, daß der Ring hier ein sicheres Merkzeichen ist. – Und nun, lebe wohl, denn Du selber ertheiltest mir den guten Rath, so kurze Zeit als möglich hier zu verweilen.«

»So folgt mir denn, Herr Gast,« sagte der Wirth, »und tretet so leise auf, als hättet Ihr Eier statt der Dielen unter den Füßen. – Niemand darf wissen, wohin oder wie Ihr abgereist seid.«

Mit Hülfe seiner trüben Laterne führte er Tressilian, sobald derselbe zu seiner Abreise bereit war, durch einen langen verwickelten Gang, welcher in einen äußeren Hof führte und von dort zu einem entfernten Stalle, wohin er bereits das Pferd seines Gastes gebracht hatte. Dann half er ihm seinen kleinen Mantelsack, der seine Reisebedürfnisse enthielt, an den Sattel befestigen, öffnete eine Hinterpforte, und mit einem herzlichen Händedruck und dem wiederholten Versprechen, auf die Vorgänge in Cumnor Place ein wachsames Auge zu haben, ließ er seinen Gast seine einsame Reise antreten.



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