Autorenseite

 << zurück weiter >> 

Anzeige. Gutenberg Edition 16. Alle Werke aus dem Projekt Gutenberg-DE. Mit zusätzlichen E-Books. Eine einmalige Bibliothek. +++ Information und Bestellung in unserem Shop +++

Fünftes Kapitel.

– Ein Mann war's, in der Welt
Wie in dem Kompaß der Pilot erfahren.
Auf seinen Vortheil deutet' stets die Nadel;
Der war sein Leitstern, und die Segel richtet'
Er nach dem Wind' der Leidenschaften Anderer.

Der Betrüger, eine Tragödie.

Anton Foster zankte noch mit seiner schönen Hausgenossin, welche alle seine Bitten, sich auf ihr Zimmer zurückzuziehen, mit Verachtung zurückwies, als man am Haupteingange des Hauses ein Pfeifen vernahm.

»Da kommen wir schön an,« sagte Foster; »das ist das Signal Eures Lords, und was ich über die Unordnung sagen soll, welche in seinem Haushalte vorgefallen ist, weiß ich nicht. Ein Mißgeschick folgt jenem Schurken Lambourne auf den Fersen, und er ist wider alle Vermuthung dem Galgen entlaufen, um zurückzukehren und mir Verderben zu bringen!«

»Still, Herr,« sagte die Dame; »und öffnet Eurem Herrn die Pforte. – Mein theurer Lord!« rief sie, indem sie auf den Eingang des Zimmers zueilte; dann aber setzte sie mit dem Ausdrucke fehlgeschlagener Hoffnung hinzu: »Puh! es ist nur Richard Varney.«

»Ja, Madame,« sagte Varney, welcher eintrat und die Dame mit respectvoller Unterwürfigkeit grüßte, welche sie mit einer sorglosen Mischung von Nachlässigkeit und Mißvergnügen erwiderte, »es ist nur Richard Varney; doch selbst die erste graue Wolke sollte angenehm sein, wenn sie sich im Osten erhebt, weil sie die Ankunft der gesegneten Sonne verkündet.«

»Wie! kommt Mylord heute Abend hierher?« sagte die Dame in freudiger, aber zitternder Bewegung, und Anton Foster wiederholte die Frage. Varney erwiderte der Dame, daß sein Herr die Absicht habe sie zu besuchen, und er würde noch einige Complimente hinzugesetzt haben, wenn sie nicht auf die Thür des Sprachzimmers zugeeilt wäre und gerufen hätte: »Jeannette – Jeannette – komm sogleich in mein Ankleidezimmer.« Dann wendete sie sich wieder zu Varney um und fragte, ob Mylord ihm keine weiteren Aufträge an sie ertheilt habe?

»Diesen Brief, verehrte Dame,« sagte er, indem er ein kleines, mit scharlachrother Seide umwickeltes Packet aus dem Busen zog, »nebst einem Geschenk an die Königin seiner Liebe.«

Mit eiliger Hast war die Dame bemüht, das seidne Band abzulösen, welches das kleine Packet umgab, und da es ihr nicht gelang den festen Knoten zu lösen, so rief sie wieder laut nach Jeannetten: »Bringe ein Messer – eine Scheere – irgend etwas, womit man diesen neidischen Knoten lösen kann.«

»Wird nicht mein armer Dolch dazu dienen können, verehrte Dame?« sagte Varney, indem er ihr einen kleinen Dolch von vortrefflicher Arbeit darreichte, welcher an seinem Schwertgürtel von türkischem Leder hing.

»Nein, Herr,« versetzte die Dame, das dargebotene Instrument zurückweisend; »ein stählerner Dolch soll meinen Liebesknoten nicht zerschneiden.«

»Er hat indeß schon manchen zerschnitten,« sagte Anton Foster halb beiseit, indem er Varney anblickte. Jetzt war der Knoten ohne andere Hülfe, als vermöge der zierlichen und geschickten Finger Jeannettens, der Tochter Anton Foster's, aufgelöst, welche auf den wiederholten Ruf ihrer Gebieterin rasch herbeigeeilt war. Ein Halsband von orientalischen Perlen, welches einen parfümirten Brief begleitete, wurde jetzt hastig aus dem Packet hervorgezogen. Die Dame übergab das Erstere nach einem flüchtigen Blicke der Obhut ihrer Dienerin, während sie den Inhalt des Letzteren las, oder vielmehr verschlang.

»Gewiß, Mylady,« sagte Jeannette, indem sie das Perlenhalsband mit Bewunderung betrachtete, »die Töchter von Tyrus trugen keine schöneren Halsbänder, als dieses. – Und dann der Sinnspruch: ›Für einen Hals, der noch schöner ist;‹ – jede Perle ist ein Rittergut werth.«

»Jedes Wort auf diesem theuren Blatte ist so viel werth, wie die ganze Schnur, liebes Mädchen. – Aber komm in mein Ankleidezimmer, Mädchen; wir müssen mit meinem Anzuge eilen, denn Mylord kommt heute Abend hieher. – Er wünscht, daß ich freundlich gegen Euch sei, Herr Varney, und für mich ist sein Wunsch Befehl – ich bitte Euch diesen Abend mit uns in meinem Zimmer zu speisen, und auch Euch, Herr Foster. Ertheilt Befehl, daß Alles in Bereitschaft sei, und daß gehörige Vorbereitungen zu Mylords Aufnahme gemacht werden.« – Mit diesen Worten verließ sie das Zimmer.

»Sie hält schon die Nase hoch,« sagte Varney, »und ist karg mit der Gunst ihrer Gegenwart, als wäre sie bereits die Theilnehmerin seiner Würde. – Nun, es ist klug, sich vorher die Rolle einzuüben, für welche das Glück uns bestimmt – der junge Adler muß zur Sonne aufblicken, ehe er sich ihr mit kräftigem Flügel entgegenschwingt.«

»Wenn sie sich dadurch vor dem Schwindlichwerden schützen kann, daß sie den Kopf hoch hält,« sagte Foster, »so stehe ich Euch dafür, daß die Dame ihren Kamm nicht senken wird. Sie wird bald nicht mehr auf meine Pfeife hören, Herr Varney. Ich versichere Euch, sie achtet mich schon sehr wenig.«

»Es ist Dein eigener Fehler, Du mürrischer, unachtsamer Kumpan,« antwortete Varney; »Du verstehst sie auf keine andere Weise nach Deinem Willen zu lenken, als durch offenbare Gewalt, – kannst Du ihr diesen Aufenthalt nicht durch Musik und Spiel angenehm machen? Kannst Du ihr die Umgegend nicht schrecklich vorstellen durch Erzählungen von Kobolden? Du wohnst hier am Kirchhofe und hast nicht einmal Witz genug, einen Geist heraufzubeschwören, um Deine Frauenzimmer in Ordnung zu erhalten?«

»Redet nicht so, Herr Varney,« sagte Foster; »die Lebendigen fürchte ich nicht, doch treibe ich keinen Scherz mit meinen todten Nachbarn auf dem Kirchhofe. Ich versichere Euch, es ist Muth erforderlich, um so in der Nähe desselben zu wohnen; der würdige Herr Holdforth, der Nachmittagsprediger zu St. Antholine, hatte große Furcht, als er mich das letzte Mal besuchte.«

»Halt' Deinen abergläubischen Mund!« antwortete Varney; »und da Du vom Besuchen redest, so sage mir, Du arglistiger Schuft, wie kam es, daß ich Tressilian dort an der Hinterpforte traf?«

»Tressilian?« antwortete Foster, »was weiß ich von Tressilian? – Ich hörte seinen Namen nie.«

»Nun, Kerl, es war dieselbe walisische Steindohle, welcher Sir Hugo Robsart seine hübsche Emma bestimmte; und der hirnverbrannte Narr ist hieher gekommen, sich nach seinem schönen Flüchtling umzusehen. Wir müssen ihn aus dem Wege schaffen, denn er glaubt beleidigt zu sein und ist kein so geduldiger Feigling, um den Schimpf auf sich sitzen zu lassen. Glücklicherweise weiß er nichts von Mylord, sondern glaubt es allein mit mir zu thun zu haben. Aber wie, in des Teufels Namen, kam er hieher?«

»Nun, mit Michel Lambourne, wenn Ihr es denn ja wissen müßt,« antwortete Foster.

»Und wer ist Michel Lambourne,« fragte Varney. »Beim Himmel! es wäre das Beste, du stecktest einen Busch vor Deiner Thür auf, um jeden Landstreicher, der vorbeikommt, einzuladen, um das zu sehen, was Du selbst vor der Sonne und der freien Luft geheim halten solltest.«

»Ja, ja, dies ist die Art eines Hofmannes, mir einen Dienst zu vergelten, den ich Euch geleistet habe, Herr Varney,« versetzte Foster. »Hast Du mich nicht beauftragt, Dir einen Burschen zu suchen, der ein gutes Schwert und ein weites Gewissen habe? Und war ich nicht eifrig beschäftigt, einen passenden Mann zu suchen – denn Gott sei Dank, ich habe keine Bekanntschaft unter solchem Gesindel – als dieser lange Bursche, der alle Eigenschaften eines wahrhaften Schurken besitzt, wie Du Dir nur einen wünschen kannst, hierherkam, als hätte der Himmel es so gewollt, um in seiner unverschämten Zudringlichkeit mit mir Bekanntschaft zu machen. Ich gewährte ihm seine Bitte, da ich glaubte Euch einen Gefallen damit zu thun – und nun sehe ich, welchen Dank ich dafür einernte, daß ich mich so weit herabließ, mich mit ihm zu unterreden!«

»Und brachte dieser Kerl,« sagte Varney, »der Dir in Allem völlig gleicht, und dem vermuthlich nur Deine gegenwärtige Heuchelei fehlt, die so dünne über Deinem harten Herzen liegt, wie Goldlack auf rostigem Eisen – brachte er, sage ich, diesen scheinheiligen, seufzenden Tressilian in seinem Gefolge mit?«

»Beim Himmel! sie kamen zusammen,« sagte Foster; »und Tressilian – um die reine Wahrheit zu sagen – hatte eine kurze Unterredung mit unserm hübschen Püppchen, während ich allein mit Lambourne sprach.«

»Unvorsichtiger Schurke! wir sind Beide verloren,« sagte Varney. »Sie hat in letzter Zeit manchen sehnsüchtigen Blick auf die Hallen ihres Vaters zurückgeworfen, sobald ihr gräflicher Geliebter sie allein ließ. Sollte dieser fromme Narr sie zu ihrem alten Nest zurücklocken, so wären wir Beide verloren.«

»Fürchtet das nicht, mein Herr,« versetzte Anton Foster; »sie ist nicht in der Stimmung auf seine Lockung zu hören, denn sie schrie auf bei seinem Anblick, als hätte eine Natter sie gestochen.«

»Das ist gut. – Kannst Du nicht von Deiner Tochter herausbringen, was zwischen ihnen vorgegangen ist, guter Foster?«

»Ich sage Euch offen heraus, Herr Varney,« sagte Foster, »meine Tochter soll nicht in unsere Pläne eingeweiht werden, noch unsere Wege wandeln. Das paßt ganz gut für mich, der ich meine Uebelthaten zu bereuen weiß; doch will ich nicht, daß die Seele meines Kindes der Gefahr ausgesetzt werde, weder Euch noch Mylord zu Gefallen. Ich selber kann wohl zwischen Schlingen und Fallgruben hindurchgehen, weil ich Klugheit genug besitze, doch soll sich das arme Kind nicht unter dieselben wagen.«

»Ei, Du argwöhnischer Schurke, es wäre mir ebenso zuwider wie Dir, wenn Dein kindisches Mädchen in meine Pläne verwickelt werden, oder am Arme ihres Vaters zur Hölle gehen sollte. Aber könntest Du nicht indirekt etwas von ihr herausbringen?«

»Das that ich auch, Herr Varney,« antwortete Foster; »und sie sagte, ihre Lady habe aufgeschrieen, als sie von der Krankheit ihres Vaters gehört.«

»Gut!« versetzte Varney; »das ist ein Wink, den man benutzen muß. Doch dieser Tressilian muß aus der Gegend fortgeschafft werden – ich würde Niemand damit belästigt haben, denn ich hasse ihn wie tödtliches Gift – seine Gegenwart ist Schierling für mich – heute würde ich mich von ihm befreit haben, wäre nicht mein Fuß ausgeglitten – und, um die Wahrheit zu sagen, wäre nicht Dein Kamerad da mir zu Hülfe gekommen und hätte seine Hand zurückgehalten, so würde ich jetzt wissen, ob Ihr und ich den Weg des Himmels oder der Hölle gewandelt sind.«

»Und Ihr könnt so von einer solchen Gefahr reden?« sagte Foster; »Ihr habt ein hartes Herz, Herr Varney – denn wenn ich nicht hoffte noch viele Jahre zu leben und zu dem großen Werke der Besserung Zeit zu haben, so würde ich nicht auf Euren Wegen fortwandeln.«

»O, Du sollst leben so lange wie Methusalem,« sagte Varney, »und so viel Reichthum anhäufen wie Salomon, und Du sollst so demüthig bereuen, daß Deine Reue bekannter werden soll, als Deine Schurkerei – und das ist viel gesagt. Aber bei alledem muß Tressilian beobachtet werden. Dein schurkischer Kamerad ist gegangen ihm nachzuspüren. Unser Glück steht dabei auf dem Spiel, Anton Foster.«

»Ja, ja,« sagte Foster mürrisch, »so geht es, wenn man sich mit einem Manne verbindet, der nicht einmal so viel aus der heiligen Schrift weiß, daß der Arbeiter seines Lohnes werth ist. Ich muß wie gewöhnlich alle Mühe und Gefahr auf mich nehmen.«

»Gefahr? und worin besteht denn die große Gefahr, ich bitte Euch? Dieser Kerl wird wieder auf Eure Besitzung oder in Euer Haus kommen, und wenn Ihr ihn für einen Räuber oder einen Wilddieb haltet, ist es nicht sehr natürlich, daß Ihr ihn mit kaltem Stahl oder mit heißem Blei bewillkommnet? Ein Kettenhund reißt diejenigen nieder, welche seiner Hütte zu nahe kommen, und wer wird ihn tadeln?«

»Ja, ich habe bei Euch das Geschäft und den Lohn eines Kettenhundes,« sagte Foster. »Hier habt Ihr ein hübsches Freigut aus dieser alten abergläubischen Stiftung gemacht, Herr Varney, und ich habe nur eine ärmliche Pachtung unter Euch und bin von Ew. Gnaden abhängig.«

»Ja, und Du möchtest Dein Pachtgut gern in ein Lehngut umwandeln – das kann vielleicht geschehen, Anton Foster, wenn Du gute Dienste dafür leistest. – Aber dadurch allein, guter Anton, daß Du Mylords hübschem Papagei einige Zimmer in diesem alten Hause einräumst, daß Du Thüren und Fenster verschließest, um ihn nicht entfliehen zu lassen, kannst Du es nicht verdienen. Bedenke der reine Ertrag der Besitzung nebst den Zehnten ist auf 79 Pfund, 5 Schilling und 5½ Pfennig berechnet, außer dem Werthe des Holzes. Du mußt verständig sein; durch große und geheime Dienste kannst Du Dir dieses und noch etwas Besseres verdienen. – Und nun laß Deinen Diener kommen, um mir die Stiefel auszuziehen. – Laß uns ein Mittagessen besorgen und einen Becher von Deinem besten Wein. – Ich muß diese Sangdrossel in hübschem, unzerknittertem Anzuge und in heiterer Laune besuchen.«

Sie trennten sich und kamen zum Mittagessen, welches damals gerade um zwölf Uhr stattfand, wieder zusammen. Varney war wie ein Hofmann der damaligen Zeit gekleidet, und selbst Anton Foster's Aeußere hatte gewonnen, so viel es seine Unförmlichkeit zuließ.

Diese Veränderung entging Varney nicht. Als das Mahl beendet, das Tischtuch weggenommen war und sie sich allein mit einander unterhalten konnten, sagte Varney, indem er seinen Wirth anblickte:

»Du siehst ja so geputzt aus wie ein Goldfink, Anton. Es scheint, als wolltest Du einen lustigen Tanz pfeifen; doch mit Deiner Erlaubniß, dann würdest Du aus der Versammlung der frommen Böttcher, der herzensreinen Weber und der heiligen Bäcker von Abingdon ausgestoßen werden, welche ihre Oefen kalt werden lassen, während ihre Köpfe heiß werden.«

»Euch im wahren Sinne zu antworten, Herr Varney,« sagte Foster, »entschuldigt das Gleichniß, hieße geheiligte und kostbare Dinge vor die Säue werfen. Darum will ich in der Sprache der Welt zu Dir reden, welche der König der Welt Dich zu verstehen und in nicht geringem Maße Vortheil daraus zu ziehen gelehrt hat.«

»Sage, was Du willst, ehrlicher Tony,« versetzte Varney; »denn magst Du nun nach Deinem widersinnigen Glauben oder nach Deiner schurkischen Handlungsweise reden, so wird es auf jeden Fall dazu dienen, diesen Becher Alicantwein zu würzen. Deine Unterhaltung ist erfrischend und pikant, und übertrifft Caviar, Rindszunge und alle andere Reizmittel, welche den Geschmack des guten Getränkes erhöhen.«

»Nun, so sagt mir,« fuhr Anton Foster fort, »ist unser guter Lord und Herr nicht besser bedient und sein Vorzimmer passender mit anständigen, gottesfürchtigen Männern angefüllt, welche ganz still nach seinem Willen handeln, ihren Vortheil wahrnehmen und zwar ohne allen weltlichen Scandal, denn daß es von solchen Wüstlingen und Schurken bedient werde, wie Tidesly, Killigrew und dieser Schuft Lambourne, den ich habe für Euch aufsuchen müssen, und Andere dergleichen, welche den Galgen im Gesicht und den Mord in ihrer rechten Hand tragen, – welche friedlichen Leuten ein Schrecken und für Mylords Dienst ein Scandal sind?«

»O, gebt Euch zufrieden, guter Herr Anton Foster,« antwortete Varney, »wer auf alle Arten der Jagd ausgeht, muß alle Arten von Falken haben, kurz- und langgeflügelte. Der Weg, den Mylord geht, ist kein leichter, und er muß auf allen Punkten mit zuverlässigen Dienern versehen sein, um jede Art des Dienstes zu thun. Er muß gewandte Hofleute haben, wie mich, um im Audienzzimmer zu streiten und die Hand an's Schwert zu legen, wenn Jemand verächtlich von Mylord redet –«

»Ja,« sagte Foster, »und einer schönen Dame ein Wort von ihm in's Ohr zu flüstern, wenn er sich ihr selber nicht nähern kann.«

»Dann,« fuhr Varney fort, ohne dem Anscheine nach auf die Unterbrechung zu achten, »muß er seine Rechtsgelehrten haben – erfahrne und scharfsinnige Schanzgräber – in allen Winkelzügen des Rechts bewandert, um seine Contracte nebst Präliminarien und Clauseln aufzusetzen, und ihm aus Kirchengütern und Gemeindeländereien so viel Freiheiten und Monopole als möglich zu ziehen. – Dann braucht er Aerzte, welche einen Becher oder eine Kraftbrühe zu würzen verstehen. – Und er muß seine Cabalisten haben, wie Dee und Allan, um den Teufel heraufzubeschwören. – Und er muß Raufbolde haben, die mit dem heraufbeschworenen Teufel kämpfen würden, wenn er am wildesten ist! – Und vor Allem, ohne Präjudiz für Andere, muß er solche gottesfürchtige, unschuldige puritanische Seelen haben, wie Du, ehrlicher Anton, um dem Satan zu trotzen und zu gleicher Zeit sein Werk zu thun.«

»Ihr wollt doch nicht damit sagen, Herr Varney,« sagte Foster, »daß unser guter Lord und Herr, von dem ich glaube, daß er mit allen möglichen edlen Eigenschaften ausgestattet ist, zu seiner Erhöhung sich solcher niedrigen und sündigen Mittel bedienen sollte, als worauf Ihr anspielt?«

»Still, Mann,« sagte Varney, »sich' mich nicht mit so trauriger Stirne an – Du fängst mich nicht – auch bin ich nicht in Deiner Gewalt, wie Dein schwaches Gehirn sich einbilden mag, weil ich Dir offen und frei die Maschinen, die Springfedern, die Schrauben, das Tauwerk und die Hebebäume nenne, wodurch sich große Männer in aufgeregten Zeiten erheben. – Sagst Du, unser guter Lord sei mit allen möglichen edlen Eigenschaften ausgestattet? – Amen, ich gebe es zu – um so mehr aber hat er Leute nöthig, welche in seinem Dienste alle Gewissensscrupeln beseitigen und die, weil sie wissen, daß sein Fall sie zerschmettern wird, Blut und Gehirn, Leib und Seele auf's Spiel setzen müssen, um ihn aufrecht zu erhalten. Und dies sage ich Dir, weil es mir gleichgültig ist, wer es weiß.«

»Ihr redet die Wahrheit, Herr Varney,« sagte Anton Foster; »das Haupt einer Partei gleicht einem Boote auf den Wellen, welches sich nicht selber hebt, sondern von der Fluth gehoben wird, auf der es treibt.«

»Du redest in Bildern, ehrlicher Anton,« versetzte Varney; »dieses sammetne Wams hat ein Orakel aus Dir gemacht – Du sollst nach Oxford, um dort Magister der freien Künste zu werden. – Und hast Du mittlerweile alle die Sachen in Ordnung gebracht, die Dir von London gesendet wurden, und die westlichen Zimmer so ausschmücken lassen, daß sie Mylord gefallen werden?«

»Sie sind gut genug für einen König an seinem Hochzeitstage,« sagte Anton; »und ich kann Euch versichern, daß Lady Emma drüben in denselben sitzt, als wenn sie die Königin von Saba wäre.«

»Desto besser, guter Anton,« antwortete Varney, »da müssen wir auf ihre Gunst unser künftiges Glück bauen.«

»Dann bauen wir auf Sand,« sagte Anton Foster; »denn gesetzt, sie segelt in der ganzen Würde ihres Lords zu Hofe, wie sollte sie da noch einen Blick auf mich zurückwerfen, der ich gleichsam ihr Kerkermeister bin, um sie hier wider ihren Willen zurückzuhalten, der ich sie wie eine Raupe an einer alten Mauer behandle, da sie doch gern ein bunter Schmetterling in einem Hofgarten wäre?«

»Fürchte ihr Mißfallen nicht, Mann,« sagte Varney, »ich will ihr beweisen, daß Alles, was Du in dieser Sache gethan hast, sowohl für Mylord als für sie von Nutzen gewesen ist; und wenn sie die Eierschale abwirft und allein geht, soll sie eingestehen müssen, daß wir ihre Größe ausgeheckt haben.«

»Seht Euch vor, Herr Varney,« sagte Foster, »Ihr möchtet Euch in dieser Sache schmählich verrechnen. Es wurde Euch diesen Morgen nur ein sehr frostiger Empfang von ihr zu Theil, und mich dünkt, sie sieht Euch, sowie auch mich, mit sehr ungünstigen Blicken an.«

»Ihr verkennt sie, Foster, – Ihr verkennt sie gänzlich. An mich ist sie mit allen Banden geknüpft, da ich ihr die Mittel verschafft habe, ihre Liebe und ihren Ehrgeiz zu befriedigen. Wer war es, der die unbekannte Emma Robsart, die Tochter eines verarmten, kindischen alten Ritters, – die bestimmte Braut eines mondsüchtigen, träumerischen Schwärmers wie Edmund Tressilian, ihrem niedrigen Geschick enthob und ihr die Aussicht auf das glänzendste Geschick in England, vielleicht in Europa eröffnete? Ich war es, Mann – wie ich Dir schon oft erzählt habe – der die Gelegenheit zu ihren geheimen Zusammenkünften fand. – Ich bewachte das Gehölz, während er dem Wilde auf der Spur war; – ich werde noch heute von ihrer Familie für ihren Entführer gehalten, und wäre ich in ihrer Nachbarschaft, würde ich gewiß festern Stoff, als holländische Leinwand tragen, damit meine Rippen nicht mit spanischem Stahl Bekanntschaft machen möchten. Wer überbrachte ihre Briefe? – Ich. Wer unterhielt den alten Ritter und Tressilian? – Ich. Wer entwarf den Plan zu ihrer Flucht? – Ich war es. Kurz, ich war es, der dieses hübsche Veilchen in seinem einsamen Winkel pflückte und an das stolzeste Baret in Britannien steckte.«

»Ja, Herr Varney,« sagte Foster; »aber vielleicht glaubt sie, wenn es bei Euch gestanden, würdet Ihr die Blume so leicht an das Baret gesteckt haben, daß der erste Wind der veränderlichen Leidenschaft das arme Veilchen auf das freie Feld hinausgetrieben hätte.«

»Sie sollte bedenken,« sagte Varney lächelnd, »daß die Treue, die ich meinem Herrn und Gebieter schuldig war, mir anfangs nicht gestattete, zur Verheirathung zu rathen – und doch rieth ich dazu, als ich sah, daß sie sich nicht ohne das Sacrament – oder die Ceremonie – wie nennst Du es, Anton? – zufrieden geben würde.«

»Doch hegt sie noch einen Groll anderer Art gegen Euch,« sagte Foster; »und ich sage es Euch, damit Ihr Euch bei Zeiten vorsehen könnt. – Sie möchte nicht gern ihren Glanz in dieser dunklen Laterne eines alten klösterlichen Hauses verbergen, sondern als Gräfin unter Gräfinnen glänzen.«

»Sehr natürlich, sehr recht,« antwortete Varney; »doch was habe ich damit zu thun? – Sie mag durch Horn oder durch Kristall scheinen, wie mein Herr es will, ich habe nichts dagegen zu sagen.«

»Sie glaubt, daß Ihr ein Ruder auf jeder Seite des Boots habt, Herr Varney,« versetzte Foster, »und daß Ihr es forttreiben könnt oder nicht, wie es Euch gefällt. Mit einem Wort, sie schreibt die Verborgenheit, worin sie gehalten wird, den geheimen Rathschlägen, die Ihr Mylord ertheilt, und meiner strengen Befolgung meines Auftrages zu – und so liebt sie uns Beide, wie ein Verurtheilter seinen Richter und seinen Kerkermeister liebt.«

»Sie muß besser von uns denken, ehe sie diesen Ort verläßt, Anton,« antwortete Varney. »Wenn ich aus wichtigen Gründen angerathen habe, daß sie eine Zeitlang hier bleibe, so kann ich auch anrathen, daß sie in dem vollen Glanz ihrer Würde an's Licht gezogen werde; doch da ich Mylords Person so nahe bin, müßte ich ja toll sein, wenn ich es thäte, so lange sie meine Feindin ist. Stelle ihr dies bei Gelegenheit vor, Anton, und überlaß es mir, Dich in ihrer Gegenwart zu rühmen und Dich in ihrer guten Meinung zu erheben. Eine Hand wäscht die andere – ist ein in der ganzen Welt gültiges Sprichwort. – Die Dame muß ihre Freunde kennen und zu dem Bewußtsein gebracht werden, welche Macht wir haben, wenn wir ihre Feinde sind. Inzwischen bewache sie genau, aber mit so vielem anscheinenden Respect, als Deine rauhe Natur nur immer gestattet. Dein mürrischer Blick und Deine Bullenbeißerlaune ist eine herrliche Gabe. Du solltest Gott dafür danken und Mylord ebenfalls; denn wenn irgend etwas Rauhes oder Hartes geschehen muß, thust Du es, als ob es vermöge Deiner mürrischen Natur geschähe, und nicht auf Befehl, und so entgeht Mylord dem Tadel. – Aber horch – es klopft Jemand an die Pforte. Sieh zum Fenster hinaus – laß Niemand herein – es wäre schlimm, wenn wir diesen Abend gestört würden.«

»Es ist der, von dem wir vor Mittag sprachen,« sagte Foster, als er aus dem Fenster gesehen hatte, »es ist Michael Lambourne.«

»Laßt ihn auf alle Fälle ein,« sagte der Hofmann, »er bringt uns Nachricht von seinem Gaste. Es ist wichtig für uns zu wissen, was Edmund Tressilian vornimmt. Laß ihn herein, sage ich, aber bringe ihn nicht hierher – ich werde sogleich zu Euch in die Bibliothek des Abtes kommen.«

Foster verließ das Zimmer und der Hofmann, welcher zurückblieb, ging mehrmals in tiefen Gedanken und mit untergeschlagenen Armen in dem Sprachzimmer auf und ab, bis er endlich seine Gedanken in gebrochenen Worten aussprach, die wir etwas weiter ausgeführt und in genauere Verbindung gesetzt haben, damit sein Selbstgespräch dem Leser verständlich werde.

»Es ist wahr,« sagte er, indem er plötzlich stillstand und seine rechte Hand auf den Tisch stützte, an dem er gesessen hatte, »dieser Kerl hat die ganze Tiefe meiner Furcht ergründet, und ich war nicht im Stande sie vor ihm zu verbergen. Sie liebt mich nicht – ich wollte, es wäre ebenso wahr, daß ich sie nicht liebe. – Wie unsinnig war ich, sie für mich selber gewinnen zu wollen, da die Klugheit mir rieth, ein treuer Werber für meinen Herrn zu sein! – Und diese unglückliche Verirrung hat mich mehr von ihr abhängig gemacht, als ein weiser Mann es von dem besten Stück farbigen Fleisches einer Tochter Eva's zu sein wünschen kann. Seit der Stunde, wo meine Klugheit einen so gefährlichen Fehltritt gethan, kann ich sie nicht ohne eine seltsame Mischung von Furcht, Haß und Zärtlichkeit ansehen, so daß ich nicht weiß, ob ich sie lieber besitzen oder zu Grunde richten möchte, wenn es in meiner Macht stände. Doch sie darf diesen Ort nicht verlassen, bis ich weiß, wie wir mit einander stehen. Mylords Interesse – und so weit auch das meinige – denn wenn er sinkt, falle ich mit ihm – fordert Verheimlichung seiner Heirath – und überdies will ich ihr nicht meinen Arm leihen, um zu ihrem Prachtsitze hinaufzusteigen, damit sie mir den Fuß auf den Nacken setze, wenn sie sicher ihren Platz eingenommen hat. Ich muß ein Interesse bei ihr erregen, entweder durch Liebe oder durch Furcht – und wer weiß, ob mir nicht die süßeste Rache wegen ihrer früheren Verachtung zu Theil wird? – Das wäre in der That ein Meisterstück hofmännischer Kunst! – Wenn ich nur erst ihr Rathgeber bin – wenn sie mir auch nur ein Geheimniß anvertraut hat, und beträfe es auch nur den Raub eines Hänflingsnestes, dann, schöne Gräfin, bist Du mein.« Er ging wieder schweigend im Zimmer auf und ab, stand still, füllte und trank einen Becher Wein, als wollte er dadurch seine Gemüthsbewegung besänftigen, und murmelte bei sich selber: »Jetzt gilt es ein unerschütterliches Herz und eine offene faltenlose Stirne!« Mit diesen Worten verließ er das Zimmer.



 << zurück weiter >>