Autorenseite

 << zurück weiter >> 

Anzeige. Gutenberg Edition 16. Alle Werke aus dem Projekt Gutenberg-DE. Mit zusätzlichen E-Books. Eine einmalige Bibliothek. +++ Information und Bestellung in unserem Shop +++

Die Pianoforte-Etuden ihren Zwecken nach geordnet.

Vielen Lernenden würden die Flügel sinken, wenn sie die Massen von Etudencompositionen aufgeschichtet sähen. Die folgende Tabelle soll ihnen das Auffinden des Aehnlichen erleichtern. Wenn wir darin bis auf die über hundert Jahre alten Exercicen von Bach Exercices. Oeuv. 1. 6 Livraisons. Sodann Exercices. Oeuv. 2. zurückgehen und zu deren sorgfältigstem Studium rathen, so haben wir Grund dazu; denn nehmen wir das aus, was wir durch Erweiterung des Umfangs unseres Instrumentes an Mitteln, wie durch die schönere Ausbildung des Toncharakters an Effecten gewonnen haben, so kannte er das Clavier in seinem ganzen Reichthum. Und wie er Alles gleich gigantisch anlegte, so componirte er nicht etwa 24 Etuden für die bekannten Tonarten, sondern für jede einzelne gleich ein ganzes Heft. Wie viel Clementi Gradus ad Parnassum ou l'art de Jouer le Pianoforte démontré par des Exercices dans le style sévère et dans le style élégant. 3 Volumes. und Cramer Etudes ou 42 exercices doigtés dans les différents Tons. 2 Livraisons. aus ihm schöpften, wird Niemand in Abrede stellen. Von da bis Moscheles Studien f. d. Pfte. zur höheren Vollendung bereits ausgebildeter Clavierspieler. W. 70. 2 Hefte. trat eine Pause ein. Vielleicht daß es der Einfluß Beethoven's war, der, allem Mechanischen feind, mehr zum rein-poetischen Schaffen aufforderte. In Moscheles und noch in höherem Grad in Chopin 12 grandes Etudes. Oe. 12. 2 Livraisons. waltet daher neben dem technischen Interesse auch das phantastische. Hinter diesen Fünf, die am größten hervorragen, stehen am originellsten L. Berger 12 Etudes Oe. 12.. und C. Weyse 8 Etudes. Oe. 51.. Ries 8 Exercices. Oe. 31. und Humme Etudes. Oe. 125. haben ihren eigentlichen Styl klarer in freien Compositionen niedergelegt, als gerade in Etuden. Als solid und tüchtig müssen Grund 12 grandes Etudes. Oe. 21. und Keßler Etudes. 4 Livraisons. Oe. 20 genannt werden, auch A. Schmitt Etudes. Oe. 16. 2 Parties. Derselbe Componist hat noch eine Menge Hefte herausgegeben, die wir nicht einzeln aufzählen., dessen einfache Klarheit jungen Herzen wohlthun muß. Kalkbrenner 24 Etudes. Oe. 20. 2 Livraisons.,Czerny Eine zahllose Menge sehr nützlicher Unterrichtsstücke. und Herz Exercices et Pré1udes. Oe. 21. lieferten keine Riesenwerke, aber Schätzenswerthes wegen ihrer Instrumentkenntniß. Potter Etudes. Oe. 19. und Hiller 24 Etudes. Oe. 15 dürfen ihres romantischen Geistes wegen nicht übergangen werden, auch die zarte Szymanowska 12 Etudes. 2 Livraisons. nicht und der freundliche C. Mayer 6 Etudes. Oe. 31.. Bertini Etudes caractéristiques. Oe. 66. täuscht, aber anmuthig. Wer Schwierigstes will, findet es in den Paganini-Etuden Etudes und 6 Etudes de Concert d'après des Caprices de Paganini des Unterzeichneten. –

Schnelligkeit und Leichtigkeit (lockeres Fortbewegen der Finger, zarter Anschlag). Rechte Hand. Clementi Nr. 52. – Cramer 12, 23, 27* Die mit einem * bezeichneten Nummern haben überdem einen poetischen Charakter., 36*. – Moscheles 1. – Chopin 4*. 5* (spielt nur auf Obertasten), 8*. – Grund 1. – Keßler 1, ähnlich Bertini 1. – Szymanowska l. – Potter 3, 16. – Hiller 2*, 22*. – C. Mayer 6. – Kalkbrenner 4. – Paganini-Etuden II. 5.

Insbesondere: Uebungen für den 4ten und 5ten Finger. Clementi 19, 22, 47. – Cramer 3, 28. – L. Berger 7*. – Potter 15*. – Bertini 12.

Linke Hand. Clementi 87. – Cramer 9. – Chopin 12*. – Berger 6*. – Keßler 16, 4, 6. – Hiller 18. – A. Schmitt 6, Heft II. 16.

Für beide Hände. Bach Heft I. Allemande, V. Préambule. – Clementi 2, 7, 16, 28. 36. – Ries 3. – Hummel 1. – Keßler 9, 14. – Szymanowska 4, 8 (besonders nützlich). – Potter 5, 20. – Hiller 17*. – Kalkbrenner 1. – Herz 13. – Bertini 3. – Schmitt Heft II. 1.

Schnelligkeit und Kraft (schwerer Anschlag im raschen Zeitmaaße, mehr melodischer Vortrag der einzelnen Noten u. s. w.).

Rechte Hand. Clementi 48. – Cramer 1. – Bertini 21.

Linke Hand. Cramer 16.

Für beide Hände. Bach Heft I. Courante, II. Allemande, III. Gigue, V. Courante. – Clementi 44. – Cramer 38. – Moscheles 14. – Hummel 12. – Keßler 10. – Hiller 13. – Paganini-Etuden Heft I. 1. Anmerkung. In verschiedenen schwierigen Gegenbewegungen, wie im ganzen Charakter, sind sich folgende sehr ähnlich: Clementi 72. – Cramer 4*. – Moscheles 17. – Ries 1. – Grund 6. – Paganini-Etuden Heft II. 6.

Gebundenes Spiel (ein- und mehrstimmig). Vergleiche auch Liegenbleiben einzelner Finger Hieher sind auch die verschiedenen Fugen in Bach, Clementi u. A. zu rechnen.. Bach Heft II. Courante, III. Phantasie*. – Clementi 29, 33 Canon (Meisterstück), 52, 71, 79, 86, 100 (letztere vier sind sich sehr ähnlich). – Cramer 30. – Moscheles 9*, 20. – Berger 10. – Szymanowska 7. – Hiller 9. Die beiden letzten namentlich für die linke Hand. – A. Schmitt Heft II. 22.

Staccato (vergleiche auch schnelles Hintereinanderanschlagen derselben Finger, und Octavengänge). Hiller 1, 15.

Legato in der einen und Staccato in der andern Hand. Cramer 31*. – Keßler 18, 22. – Hiller 4.

Melodie und Begleitung in der einen Hand zugleich (vergleiche auch die nächste Rubrik). Clementi 91. – Cramer 5, 41. – Moscheles 5*. – Potter 2*. – Hiller 3*. Die letzten drei sehen sich ganz gleich. – Chopin 3*, 6*. – Berger 4*, 11*. – Weyse 6*. – Hummel 11. – Hiller 5*, 10, 16. – Szymanowska 4. – C. Mayer 3, 5. – A. Schmitt 2. – Bertini 6, 9. – Paganini-Etuden II. 2.

Liegenbleiben einzelner Finger, während andere anschlagen (vergleiche auch Triller mit Nebennoten). Clementi 1, 3, 27, 35, 86, 99. – Cramer 20, 25*. – Weyse 2*. – Potter 11*. – Hiller 21. – Kalkbrenner 13. – Schmitt Heft II. 8.

Stilles Ablösen der Finger auf derselben Taste. Clementi 46, 96*. – Hummel 24* (besonders schön). – Hiller 19.

Vollgriffigkeit, schneller Accordenwechsel. Moscheles 2*. – Chopin 11*. – Ries 2. – Grund 8. – Keßler 3, 15. – Szymanowska 5. – Potter 22. – Hiller 1, 11*. – A. Schmitt 11. – Kalkbrenner 14. – Paganini-Etuden II. 4, 6.

Spannungen. Rechte Hand. Clementi 30*, 36. – Cramer 21. – Chopin 1*. – Berger 1*. – Weyse 7. – Hiller 20. – Bertini 11. – Schmitt Heft II. 6.

Linke Hand. Clementi 81. – Chopin 9*. – Keßler 20. – Hiller 7. – Bertini 19. – Schmitt II. 7.

In beiden Händen. Cramer 40. – Moscheles 11. – Chopin 11*. – Hummel 5, 17. – Potter 17 (der vorigen sehr ähnlich), 14. – Szymanowska 5. – Hiller 6, 23. – Kalkbrenner 8.

Sprünge (vergleiche auch die nächste Rubrik). Clementi 76. – Moscheles 16 (besonderer Art). – Weyse 7. – Hummel 5. – Grund 10*, ihr ähnlich Ries 4. – Keßler 3, 12, 19. – Szymanowska 3, 9. – Potter 6, 23 (besonderer Art), 24. – Hiller 8.

Ineinandergreifen der Finger und Ueberschlagen der Hände. Bach Heft I. Gigue*, V. Menuett*. – Clementi 53. – Cramer 33, 34, 37. – Ries 2. – Weyse 5. – Hummel 21. – Keßler 5, 7, 13. – Potter 9. – Hiller 16*, 22. – Kalkbrenner 9, 22. – Herz 7, 19. – Bertini 10. – Paganini-Etuden II. 6.

Schnelles Anschlagen derselben Finger (vergleiche auch Staccato und Octavengänge). Clementi 1, 27, 55. – Moscheles 8*. – Weyse 1*. – Potter 12*. – Keßler 2, 15*. – C. Mayer 2. Werk 40, 2*. – Hiller 5*. – Kalkbrenner 14. – Bertini 7, 18, 24, 25. – A. Schmitt II. 25.

Octavengänge. Clementi 65, 21. – Hummel 8. – Grund 2 (ihr im Rhythmus sehr ähnlich: Hummel 18). – Keßler 8. – Szymanowska 12. – Potter 18. – Hiller 1, 5, 24. – Bertini 4.

Wechsel der Finger und Hände auf derselben Taste. Clementi 30, 34. – Moscheles 19, 22. – Chopin 7* (doppelgriffig). – Berger 5*. – Hummel 20. – Grund 5. – C. Mayer Werk 40, 1. – Keßler 2. – Herz 2. – Bertini 20. – Paganini-Etuden I. 5.

Vorschläge. Clementi 77, 97. – Hummel 2*.

Doppelschläge. Clementi 11, 37. – Keßler 24. – Kalkbrenner 10. – Szymanowska 11. – Potter 4.

Pralltriller. Bach Heft I. Prelude. – Clementi 66. – Hummel 13. – Grund 5. – Szymanowska 2. – Hiller 9.

Kurzer Triller mit Nachschlag. Moscheles 7*, 10*. – Potter 8. – Hiller 35*. – Paganini-Etuden II. 3.

Langer Triller. Rechte Hand. Clementi 50. – Keßler 22. – Schmitt Heft II. 3. – Linke Hand. Berger 3*. – Potter 9. – Bertini 13.

Triller mit Begleitung anderer Stimmen in einer Hand zugleich. Clementi 25. – Cramer 11. – Potter 13. – Kalkbrenner 14, 23. – A. Schmitt II. 10.

Sextentriller. Kettentriller. Clementi 68, 88.

Doppelterzen und Sexten. Clementi 88. – Cramer 19, 35. – Moscheles 13*. – Hummel 3. – Keßler 23 (der vorigen sehr ähnlich). – Grund 12. – Potter 10. – Kalkbrenner 20 und 21. – Bertini 4. – Paganini-Etuden I. – A. Schmitt Heft II. 11.

Drei- und vierstimmige Uebungen in einer Hand. Clementi 23. – Potter 15*. – Hiller 19.

Chromatische Tonleiter mit begleitenden Tönen. Moscheles 3. – Chopin 2.

Schwierige Accentuation, Tacteintheilung und Rhythmus. Bach Heft VI. Gigue. – Clementi 83, 94, 95 (Quintolen-Uebung. S. auch Hiller 23*). – Moscheles 8*, 18*. – Chopin 10*. – Ries 5. – Hiller 2, 10, 16. – Kalkbrenner 17. Anmerkung. Aehnliche Figuren und Rhythmen sind durchgeführt A) Hummel 10. – Grund 4. – Potter 7. – Bertini 14. – B) Hummel 19. – Weyse 7. – Potter 24. – C) Cramer 37. – Grund 11. – Keßler 11. – D) Weyse 1*. – Hiller 14. – Kalkbrenner 5.

Adagio mit Verzierungen. Moscheles 4*. – Hummel 16, 22. – Grund 9. – C. Mayer 4.

Uebungen für die linke Hand allein. Berger 9. – Ein besonderes Heft Etuden von Greulich (Werk 19, bei Peters).

*

Variationen für Pianoforte.

Erster Gang.

I. Rochlitz, Einleitung und Variat. über ein Originalthema. W. 7. – F. Deppe, Variat. über ein Thema v. Rossini. – C. Krebs, Einleitung und Variat. über ein Thema v. Auber. W. 41. – Leopoldine Blahetka, Variat. über ein Thema v. Haydn. W. 28. – H. Herz, große Variat. über ein Thema v. Bellini. W. 82. – Chr. Rummel. Phantasie und Variat. über ein Thema v. Donizetti. W. 80. – St. Heller, Einleitung und Variat. über ein Thema v. Herold. W. 6. – I. N. Droling, brillante Variat. über ein Thema v. Auber (zu 4 Händen). W. 34.

Der die ersten Variationen ersonnen (doch am Ende wieder Bach), war gewiß kein übler Mann. Symphonieen kann man nicht täglich schreiben und hören, und so gerieth denn die Phantasie auf so anmuthige Spiele, aus denen der Beethoven'sche Genius sogar idealische Kunstgebilde hervorgerufen. Die eigentliche Glanzepoche der Variationen neigt sich aber offenbar ihrem Ende zu und macht dem Capriccio Platz. – Ruhe jene in Frieden! Denn gewiß ist in keinem Genre unsrer Kunst mehr Stümperhaftes zu Tag gefördert worden – und wird es auch noch. Von der Armseligkeit, wie sie hier aus dem Grunde blüht, von dieser Gemeinheit, die sich gar nicht mehr schämt, hat man kaum einen Begriff. Sonst gab's doch wenigstens gute langweilige deutsche Thema's, jetzt muß man aber die abgedroschensten italienischen in fünf bis sechs wässerigen Zersetzungen nach einander hinterschlucken. Und die Besten sind noch die, die's dabei bewenden lassen. Kommen sie nun aber erst aus der Provinz, die Müller, die Mayer und wie sie heißen! Zehn Variationen, doppelte Reprisen. Und auch das ginge noch. Aber dann das Minore und das Finale im ?tel Tact – hu! Kein Wort sollte man verlieren und Ritz Ratz in den Ofen! Solchen mittelmäßigen Schofel (das treffende Wort) in einzelnen Anzeigen, wie andere selige Zeitungen, unsern Lesern vorzustellen, halten wir sie und uns für zu gut. Ausgezeichnet-Schlechtes, Echt-Schülerhaftes soll indeß manchmal erwähnt werden; im Durchschnitt wird aber, bis auf diesen ersten Gang, in späteren nur der besseren Erscheinungen gedacht.

Zu den letzteren gehören nun die Variationen des Herrn Rochlitz gewiß nicht und sähe aus ihnen nicht ein guter Wille, ein sichtliches Bemühen und dabei ein niedergedrücktes Wesen, das gern etwas in die Höhe möchte, heraus, so wären sie kaum einer Aufmunterung werth. Mich schlagen solche Compositionen förmlich nieder. Der junge Musiker will einmal drucken lassen; man räth's ihm ab; es hilft nichts. Sagt man ihm, er solle erst auf die hohe Schule von Salamanca gehen und noch studiren, so hat man einen Todfeind mehr. Sie sind oft selbst überzeugt, daß ihre Sachen nichts taugen. Und dennoch soll's gedruckt werden. Sieht man Talent, so läßt sich nützen. Fehlen aber sogar die ersten Schulkenntnisse, so kann man nicht anders als still sein und sie ihrem Schicksal überlassen.

Was Hrn. Deppe anlangt, so ist auch er auf dem besten Weg, nicht auf die Nachwelt zu kommen. Keine einzige bessere Regung, kein Funken Geist; leere Czerny'sche Nachklingelei; nur die vierte Variation hebt sich etwas. Eine gewisse Routine und Leichtigkeit, aber die der niedrigsten Sphäre, hält allein ab, das Heft nicht ganz und gar zu verwerfen.

Besonderer Art sind die Veränderungen des Hrn. C. Krebs. Auf den ersten Anblick für's Auge nehmen sie sich recht gut aus. Im Grunde ist's aber lahmes Zeug, mit dem man, da es noch großprahlerisch verblüffen will, gar kein Erbarmen haben kann. Schon auf der zweiten Seite kommt man dahinter, so aus puren hohlen Phrasen ist es zusammengesetzt, aus Stückchen von Auber, Lafont, Kalkbrenner, sogar Spohr, – so ohne allen Grund brillant, ohne allen Grund gerade so und nicht anders. Herz und Lafont haben dasselbe Thema componirt. Da lerne er französische Manieren, coquettes Wesen, will er einmal damit entzücken. Doppelt traurig ist es, dies alles sagen zu müssen, da man gar nicht leugnen kann, daß sie von einem talentvollen, satz- und fingerfixen Componisten gemacht sind, der noch dazu das Instrument sehr gut kennt.

Auch an den Variationen des Fräulein Blahetka wollen wir so rasch wie möglich vorbei. Sie ist eine treffliche Clavierspielerin und reizend. Zu einem St. Simon für weibliche Composition kann sie mich nicht machen.

Aber was ist mit unserm vortrefflichen Henri Herz vorgegangen? Ordentlich als ob er krank den Kopf senkte, als ob er gar nicht mehr so unschuldig und liebenswürdig hüpfen und springen könnte, als ob er die Launen und Untreue der Welt erfahren! Denn wahrhaftig, als Variationist erreicht ihn so leicht Niemand, und er sich selbst nicht einmal wieder. Tausend und aber tausend vergnügte Stunden dankt ihm die Welt und von schönen Lippen hörte ich, nur Herz dürfe sie küssen, wollte er. »Die Jahre vergehn.« Einen Satz finde ich aber auch hier bewährt, daß man sich manche Modegenies, über deren schädlichen hemmenden Einfluß man übrigens durchaus im Klaren war, später, wenn sie selbst hinter sich zurückbleiben und nun eine Lücke entsteht, die Talentschwächere nur schlecht zu füllen versuchen. sehr oft zurückwünscht. So fingen die Kritiker erst Rossini recht herauszustreichen an. als Bellini aufstand; so wird man diesen erheben, da Caraffa und die Andern ihn nicht zu ersetzen vermögen. So mit Auber, Herold, Halevy. – Zu den Variationen! Sie sind von Herz, stehen aber, wie gesagt, gegen die älteren frischen und erfindungsreichen bei Weitem ab. Das Thema ist aus den Puritanern, der erste Theil voll Gesang auf Tonica und Dominante basirt, der zweite Theil aber so steril, daß freilich nichts Paradiesisches daraus zu schaffen. Daß er S. 13 Syst. 4 T. 5 und darauf noch einmal das Ges verdoppelt, war auch nicht nöthig. Herz'isch bleiben sie jedenfalls und müssen gefallen.

Als einen diesem Pariser verwandten Geist gibt sich unverhohlen auch Hr. Rummel. Was ihm an französischer Finesse abgeht, ersetzt er aber durch eine ihm natürliche deutsche Gutmüthig- und Gemüthlichkeit, weshalb er mir immer wohlgefallen. Die Einleitung zu seinen neusten Variationen, den Satz des Themas von Donizetti (das sich in Franzilla Pixis zum großen Liebessang gestaltete) muß man sehr loben. Die Variationen (die zweite ausgenommen) und das Finale sind gewöhnlichst.

In denen von Stephen Heller kann man Anzeichen eines gebornen Musikers gewahren. Das Thema ist das bekannte Lied des Zampa (nebenbei gesagt, zehnmal weniger forcirt und mehr originell als das Meyerbeer'sche: l'or n'est qu'une chimère) und durch ein leichtes frivoles Allegro eingeleitet, wie es hier recht ist. Thema. Steht im Original Tact 7 die kleine None? Das schwächliche Ding paßt nicht zu Zampa. Die Variationen sehen sich zu ähnlich und fließen zu leise nach dem verwegenen Räuberlied. Dagegen hat das Finale Humor und konnte immerhin noch mehr toben und wüsten. Das Thema, sein Gegenstand dünkt uns einer größern charakteristischen Behandlung werth, was sich der talentvolle Componist zu einer spätern Aufgabe mache.

Die vierhändigen Variationen von Hrn. Droling sind auf ein sehr pikantes, allerliebstes Thema aus dem Maskenball ebenso allerliebst gebaut, dazu federleicht, völlig anspruchslos, sehr zu empfehlen, weil sie eben nichts anderes sein und scheinen wollen. Bleibe der Componist in diesem ihm angewiesenen Kreise und erhalte er sich diese musikalische kindliche Frische, die man an den früheren kleinen Werken von Czerny so sehr loben mußte.

*

Zweiter Gang.

I. N. Endter, Einleitung, Variat. und Finale über das Mantellied. – Em. Prudent. große Variat. über ein Thema v. Meyerbeer. W. 2. – C. Haslinger, Einleitung, Variat. und Rondo mit Begleitung des Orchesters. W. 1. – I. Benedict, Einleitung und Variat. überein Thema v. Bellini. W. 16. – H. Elkamp, Phantasie und Variat. W. 15. – F. X. Chwatal. Einleitung und Variat. über ein Thema v. Strauß. W. 23. – H. W. Stolpe, Einleitung. Variat. und Finale über ein russisches Thema (zu 4 Händen). W. 37. – L. Farrenc, Variat. über ein russisches Thema. W. 17. – Sig. Thalberg, Variat. über zwei russische Themas. W. 17.

Das Wort »Gang« ist nicht ohne Feinsinn gewählt; nur denke man dabei nicht an Schmausetafeln, Gallerieen, sondern an ordentliche Waffengänge. Die Kritik stellt sich gleichsam der Productivität entgegen: Thörichten, Eingebildeten schlägt sie die Waffe aus der Hand; Willige schont, bildet sie; Muthigen tritt sie rüstig freundlich gegenüber; vor Starken senkt sie die Degenspitze, salutirt sie. Zu den Willigen gehört der oben zuerst aufgeführte Componist. Schon an der Wahl des Themas erkennt man seinen Mann. Je mehr Erinnerungen sich an dieses knüpfen, je beziehungsvoller, tiefsinniger werden die Gedanken darüber ausfallen. Das allgemeine prosaische Mantellied kann aber schwerlich zu Außerordentlichem begeistern, und dürfte es nicht einmal, da eben auch Variationen ein Ganzes bilden sollen, das seinen Mittelpunkt im Thema hat (daher man dies manchmal in die Mitte oder auch zum Schluß setzen könnte). Daran denken freilich die Wenigsten; die Meisten ziehen die bequeme, im Grund sinnlose Art, sogenannte brillante mit soliden Variationen abwechseln zu lassen, vor. So vermisse ich auch in den Veränderungen des Hrn. Endter irgend Beziehung, Bedeutung, Idee. Gleich die Einleitung. Wie fällt da alles auseinander! Eine Weile lang Viertel, dann 32stel, dann Triolen, dann Achtel, dann wieder Triolen! Und dennoch wird das B dur nicht einmal harmonisch gut eingeleitet. Man weiß nicht, wozu das alles, wo es hinaus soll. Das Thema, wie gesagt, weder poetisch noch sonst etwas, taugt aber auch formell nichts. Der erste Theil hat nur vier Tacte, die sich wiederholen; der zweite aber sechs krumme Tacte; noch dazu schließen beide Theile einerlei. Auf so dürrem Boden läßt sich schlecht ackern. Einige Variationen haben mir dennoch, eines Anstrichs von Solidität halber, wohlgefallen, so die erste, zweite und vierte. Die Polonaisenartige steht etwas geschmacklos mitten drin und müßte in zweiten Auflagen durchaus heraus. Mit der Gelinek'schen Art zu variiren aber, d. i. eine der Hände zum Thema in Tonleitern auf- und abfahren zu lassen, verschone man uns gänzlich; solches darf man heut zu Tage nicht mehr drucken lassen. Im Einzelnen wollten wir dem Componisten noch Bogen voll bemerken. Nehme er dies Wenige im aufmunternden Sinn: vor Allem aber zerstückle er sich nicht in so kleiner Arbeit und in einem Genre, worin ihn Tausende überholen.

Hrn. Emil Prudent halte ich für einen jungen Franzosen, der sich Meyerbeer zum Götzen auserlesen. Große Erfindungen sind seine Variationen gewiß nicht: doch verrathen sie einen geschickten Spieler (man verspreche die Worte nicht), der Alltägliches recht einnehmend auszudrücken versteht. Auch hier würde ein glückliches Thema glücklichere Gedanken geweckt haben; der fatale Stimmengang in der Melodie und im Baß (T. 3 des Themas) mußte somit leider in allen Variationen wiederkehren. Das Fleckchen Fuge im letzten Satz ist lustig genug.

Die Variationen des Hrn. Haslinger haben den Haupttitel » Voyage sur le Rhin«, so daß ich schon auf eine ganze Bilderkarte mit den Ueberschriften »Mayence, Cologne« u. s. w. aufsah. Nichts von dem, wenn man auch vielleicht in die Einleitung die Abfahrt, in die einzelnen Variationen die verschiedenen Stationen legen könnte. Viel poetischer schwebt nur im Allgemeinen über dem ganzen Heft ein munterer Rheinweincharakter, und die grünen Gläser klingen und schwarze Kellnerinaugen sehen von Weitem. Eine Musik, die froh ist und macht, auf der man fortschaukelt, ohne viel zu fragen warum oder wohin. Der Titel scheint also durchaus nicht überflüssig. Im Einzelnen steht mir allerdings Vieles nicht an, gewisse Czerny'sche Läufer, Bellini'sche schwächliche Ausweichungen; aber der Grundton bleibt frisch und rein; die Variationen bilden ein Ganzes, erreichen das, was sie wollen. Und das ist eben Talent. Gleich die Einleitung hat Leben und führt ein; die Spannung geschieht fast unmerklich. Das Thema, ein brillanter Edur-Marsch von Stöber, wird vom ganzen Orchester fortissimo gespielt, eine neue, schickliche Art. Nur drei leicht-wechselnde schillernde Variationen folgen. Alles wohlberechnet. Statt eines langweiligen falsch-sentimentalen Adagio ist eine ziemlich durchaus interessante Cadenz von zwei Seiten eingeschaltet, in der ein kurzer, dem Componisten angehöriger Gedanke aus der Einleitung (S. 4 T. 4) weiter, aber noch immer etwas undeutlich ausgeführt wird; erst im Rondo hellt er sich zum klaren Gesang auf und bekömmt da sogar etwas Phantastisches. Der Schluß ist kurz und feurig.

In ein ziemlich gleiches Fach sind die Variationen von Benedict zu stellen, nur daß, was bei dem Vorigen natürlich, fast bewußtlos kömmt, bei diesem durch Verstand und Kunst getrieben ist. Aber fang' er's noch so scharfsinnig an, er wird sich dennoch weder beim Publicum, noch beim Künstler geltend machen können, eben weil er beiden genügen möchte. Dieses leidige Schwanken, dieses »Allen gefallen wollen« kann nie zu etwas Rechtem führen. Indessen würde nur ein Unbilliger die vielen schönen Seiten dieser Variationen verkennen wollen. Die dritte ist geradezu vortrefflich, die zwei vorangehenden glänzend, mit Geschmack, mit Esprit gemacht. Dann schließt er aber matt, mit einem Rondo, als wollt' er dem großen Herz den Vorrang ablaufen. Nach so vielem Guten beleidigt das doppelt und nun soll Jemand nach Lust loben, wie man es seiner Fähigkeiten und Kenntnisse halber gern möchte! Die Zeiten, wo man über eine zuckerige Figur, einen schmachtenden Vorhalt, einen Es dur-Läufer über die Claviatur weg in Staunen gerieth, sind vorbei; jetzt will man Gedanken, innern Zusammenhang, poetische Ganzheit, alles in frischer Phantasie gebadet. Das Andere flackert einen Augenblick auf und vergeht. Hr. Benedict weiß das längst. Thäte er auch darnach!

Jetzt zu einem komisch-originellen Stück von Hrn. Heinrich Elkamp, einer Variationsphantasie ohne Thema. Schlüssel ohne Bart, Räthsel ohne Auflösung, Paganini ohne Violine, ein Stück für sich, – eine Ruine, wenn man will, für die kein Kritiker eine Regel aufstellen kann, – beinahe nur Betrachtungen über die H moll- und D dur-Tonleiter. Manchmal scheint zwar das irrsinnige Glöckchenrondo von Paganini, manchmal der Hexentanz aus Faust von Spohr durchzuklingen. Deutlich kömmt aber nichts zum Vorschein; die kleinen Flämmchen verlöschen vollends, stockfinster ist es ringsum. Ermesse hiernach Jeder, ob die Variationen nicht romantisch und interessant seien, und ziehe sich sein Theil heraus. Nie aber dachte ich lebhafter an jene Donauweibchenstücke, die man als Kind auf den Theatern mit so freudigen Schauern sieht, an jene Scenen, wo der neugierige Schildknappe gern hinter die Schliche seines Rittermannes kommen möchte und schon durch's Schlüsselloch alle romantische Herrlichkeiten genießend von unsichtbaren Händen greulich zerbläut, auf die grüne Wiese zurückgeschickt wird, wo er wiederum hüten muß das Roß seines edlen Herrn. Wer dunkel componirt, wird auch dunkle Recensionen verstehen ...

Und wenn nun der Vorhang über den romantischen Spuk herabgefallen war und die bekannten Nachbarkindergesichter überall vorguckten und man so sicher und fest dazwischen saß, so war's nur wenig von dem Wohlbehagen verschieden, das nach den obigen Variationen die des F. X. Chwatal in mir erweckten, so fröhlich, rührig und guter Dinge spielen sie von einer zur andern fort, nicht zurückhaltend und vornehmthuend, eher etwas bäuerisch, aber zart und derb zugleich. Gehe der Verfasser nur immer mit der Zeit fort; ihr Schlechtes kann ihm nichts anhaben und vom guten Fremden läßt sich immer für's Eigene nützen.

Beinahe dasselbe möchte man Hrn. Stolpe zurufen, wenn er überhaupt brilliren und sich einen europäischen Ruf machen wollte. Lieber wirkt er im kleinen häuslichen Cirkel, und thut es da vollständig. Seine Variationen gehören der ältern Zeit an, müssen aber in jeder als anspruchslos, gemüthlich, dabei bildend für Anfänger geschätzt werden. Lehrern, die sich fleißige Schüler erhalten wollen, sind sie sehr zu empfehlen. Gleich vornherein klang mir das Thema wie ein alter Bekannter, bis ich es als dasselbe russische erkannte, das Ries im Rondo seines jugendlichen Es dur-Concerts benutzte.

Legte mir ein junger Componist Variationen wie die von L. Farrenc vor, so würde ich ihn sehr darum loben, der günstigen Anlagen, der schönen Ausbildung halber, wovon sie überall Zeugniß geben Zeitig genug erfuhr ich den Stand des Verfassers, der Verfasserin nämlich, die die Gemahlin des bekannten Musikhändlers in Paris, und bin verstimmt, daß sie schwerlich etwas von diesen aufmunternden Zeilen erfährt. Kleine, saubere, scharfe Studien sind es, vielleicht noch unter den Augen des Lehrers vollführt, aber so sicher im Umriß, so verständig in der Ausführung, so fertig mit einem Worte, daß man sie lieb gewinnen muß, um so mehr, als über sie ein ganz leiser romantischer Duft fortschwebt. Themas, die Nachahmungen zulassen, eignen sich bekanntlich am besten zum Variiren und so benutzt denn dies die Componistin zu allerhand netten kanonischen Spielen. Sogar eine Fuge gelingt ihr bis aus die, d. h. mit Umkehrungen, Engführungen, Vergrößerungen – und dies Alles leicht und gesangreich. Nur den Schluß hätt' ich in ebenso stiller Weise gewünscht, als ich vermuthet, daß es nach dem Vorhergehenden kommen würde.

Und da wir einmal im Lobesstrome stehen, so sei noch der sehr hübschen neuen Variationen von Thalberg gedacht, der vorzüglichsten gelungensten Composition, die mir bis jetzt von ihm vorgekommen. Zwei schöne russische Themas nahm er sich: das erste steht in den vor Kurzem in diesen Blättern abgedruckten »Bildern aus Moskau« – die Bitte eines Kindes an die Mutier, voll wahrhaft rührenden Ausdrucks. Das andere ist das neue Volkslied, vom Oberst Alexis von Lwoff componirt und im ganzen russischen Reich statt des God save the king eingeführt, ein männlicher, ruhig feuriger Gesang. Der Gedanke, zwei Themas auf einmal zu verändern, ist nicht neu, doch selten gebraucht und gewiß lobenswerth, zumal wenn sie in irgend einer Beziehung zu einander stehen wie hier, – wenn letzteres auch weniger im ästhetischen Sinn, als ihres gleichen nationalen Ursprunges halber. Daß Hr. Thalberg das erste Thema mit Vorliebe behandelte, scheint mir natürlich: überhaupt schrieb er aber mit Liebe, in guter Stunde, und so entstand eine phantasie- und wirkungsvollste Einleitung, hinter der das Lied des Kindes reizend und verklärt wie ein Engelskopf hervortaucht. Ebenso zart und bedeutsam schmiegen sich ihm zwei Veränderungen an, die man auch im musikalischen Satz, im Fluß der Stimmen, in der ganzen Abrundung gelungen nennen kann. Den Contrast zu diesem innigen Idyll bildet das glänzende Volkslied, in das im spätern Laufe das erste Thema eingewirkt wird. Der Schluß ist von der kurzen Art, daß das Publicum erst einige Secunden lauschen wird, ob nicht noch mehr komme, bis es dann in ein stürmisches Halloh ausbrechen muß, – äußerst dankbar, brillant, ja vornehm. Als strenger Kritiker wünscht' ich nur zwei kleine Stellen anders oder heraus, die Modulation auf S. 8 T. 2, wo man statt nach A- nach Fis moll zu kommen hofft, wie mir auch der Durchgang durch D dur und H moll nach G moll etwas gezwungen scheint; sodann mißfällt mir der viert- und drittletzte Tact auf S. 17, wo ich klarere und weichere Stimmen möchte. Im Uebrigen wünschen wir dem großen Virtuosen, wie wir ihn auf jeder Seite wiederfinden. Glück zu dieser Bahn, auf der er bedachtsam und reinste Ziele im Auge, immer fortschreiten wolle!

*

Dritter Gang.

G. A. Osborne, Variat. über ein Thema von Donizetti. W. 16. – I. Nowakowsky, brillante Variat. über ein Originalthema. W. 12. – Fr. Kalkbrenner. Variat. über ein Thema von Bellini. W. 131. – C. Schunke, große Bravourvariat. über ein Thema von Halevy. W. 32. – Th. Döhler, Phantasie und Bravourvariat. über ein Thema von Donizetti. W. 17. – Carl Mayer, neue Variat. über ein Thema von Auber. W. 31. – Derselbe, große brillante Variat. über ein russisches Thema. W. 32. – Ludwig Schunke, Concertvariat. über ein Thema von Fr. Schubert. W. 14. – Fr. Chopin, Variat. über ein Thema aus Ludovic von Herold und Halevy. W. 12.

Die beste Recension über die meisten obiger Variationen las der Leser so eben im Motto. Schwarze Röcke, seidne Strümpfe,
Weiße, höfliche Manschetten,
Sanfte Reden, Embrassiren –
Ach wenn sie nur Herzen hätten!
H. Heine.
Sie gehören sämmtlich dem Salon oder dem Concertsaal an und halten sich, das letzte Heft ausgenommen, von aller poetischen Sphäre weit entfernt. Denn auch in diesem Genre muß Chopin der Preis zuerkannt werden. Jenem großen Schauspieler gleich, der auch als Lattenträger über das Theater gehend vom Publicum jubelnd empfangen wurde, kann er seinen hohen Geist in keiner Lage verleugnen was ihn umgibt, nimmt von ihm an und fügt sich, noch so spröde, seiner Meisterhand. Im Uebrigen versteht sich, daß die Variationen, zu seinen Originalwerken genommen, in keinen Anschlag gebracht werden können.

Was die Concertvariationen vom seligen Ludwig Schunke anlangt, so muß man sie den glänzendsten Clavierstücken der neusten Zeit beizählen, mit denen er, wäre er am Leben geblieben, allerwärts Aufsehen erregt haben würde. Der seltene, sinnende Virtuos am Clavier sieht überall durch. Instrumentneues, Schwerübendes, Scharfcombinirtes findet man auf jeder Seite. An Idee stehen sie freilich gegen seine andern Arbeiten zurück und er kannte meine Ansicht gar wohl, nach der es mir immer unpassend geschienen, so herzinnige Themas, als den Fr. Scbubert'schen Sehnsuchtswalzer, zu so Heldenstücken zu verarbeiten. Jedenfalls überragen sie im musikalischen Satz die meisten der neueren Bravoursachen. Vor Allem geistreich muß das Finale, eine Polonaise im patentesten Styl, ausgezeichnet werden, und spielt Jemand die dritte Variation wie er, so wird man ihn gewiß einen Meister im Treffen nennen.

Mehr geschmackvoll, aber wenig geist- und erfindungsreich, haben die großen Variationen von Carl Mayer ganz gleiche Bestimmung, Zuschnitt, Charakter als die vorigen. Das Thema ist dasselbe russische Volkslied, das Thalberg in seinem Werk 17 variirt hat, und so glänzend bordirt, daß es sich schon vor der Kaiserin, der es gewidmet ist, hören lassen kann. Manches sticht mir zu süßlich gegen das markvolle Thema ab, wie es mich auch wundert, daß Mayer, der sonst so vorsichtig im Maaßhalten ist, sich überhaupt nicht kürzer gefaßt hat. Dies bezieht sich namentlich auf die 5te ziemlich vier Seiten lange Andante-Variation. Das Glück eines Concertstückes hängt an halben Minuten; eine zu viel und irgend Jemand fängt zu husten an und weg ist der Enthusiasmus. Zu wenig geht eher. Wenn vielleicht Pedanten die im reinen Des dur gesetzte Einleitung ausstechen sollten, da doch das Ganze in F dur spielt und schließt, so beweist eben das Stück, daß man schon in verschiedenen Tonarten ein Stück anfangen und endigen und dennoch sehr schön componiren könne. Eine Ausnahme soll es allerdings bleiben, aber nur kein Verbot. – Auf gefährliche Neuerungen, große Schwierigkeiten stößt man übrigens durchaus nicht im Heft: es schmiegt und schmeichelt sich Alles an die Finger an. Ursprünglich sind die Variationen mit Orchesterbegleitung gedacht; doch fehlen die gestochenen Stimmen, was wegen des letzten Satzes, der durch die Instrumentation viel gewinnen wird, zu bedauern ist. – Die Variationen über ein bekanntes Thema der Auber'schen Braut stellen sich von selbst weit unter die vorigen. Es läßt sich nichts darüber sagen, als daß sie sich durch ein lebhaftes Colorit vor vielen Salonvariationen Anderer hervorheben.

Vielleicht erinnert sich der Leser einer scharfen, nur gar zu richtigen Kritik über ein Clavierconcert von Hrn. Döhler. Variationen sieht man schon mit milderen Augen an. Hr. Rellstab bedient sich bei solchen Concertstücken meisthin der schlauen Wendung »Mozart und Beethoven haben zwar bessere Werke geschrieben, indessen« – indessen sind es eben brillante Variationen über ein Thema von Donizetti und man weiß Alles im Voraus. Sobald nur der Componist und das Publicum solche Dinge für das erklären, was sie sind, so läßt man es passiren. Sobald es sich aber etwa breit machen will, so soll sich dem kanonenschwer entgegengestellt werden. Nichtsnützig ist es nun gar, wenn selbst musikalische Zeitungen über solche, wie sie sie nennen, »freundliche« Talente, als Kalkbrenner, Bertini etc., der Welt die Augen öffnen wollen. Durch Glas läßt sich schon sehen; da brauchen wir keinen langweiligen Erklärer. Piff! Paff! Bis auf's kleinste »und« kennen wir sie und ihre Finger. Wer würde Hrn. Döhler verargen, daß er sich größten Beifall erspielen will; er scheint ein bedeutender Virtuos, bringt manches Neue und stets Gutklingendes, notirt alles sehr fleißig, hat rhythmischen Sinn, schreibt im Verhältniß zur claviergemäßen Schwierigkeit dankbar. Dies ist alles schätzenswerth. »Beethoven und Mozart haben zwar« – Vgl. oben. Aufrichtige Elogen mach' ich ihm aber wegen der Solostelle der linken Hand auf S. 2, mit dem darauf folgenden wirklich prächtig rauschenden Fortissimo und der echt-claviergemäßen Begleitung. Sehr effectvoll ist ebenso die dritte Variation und lobenswerth wegen der strengen Durchführung der Melodie, welche Andere, hätte sie sich nicht schnell gefügt, vielleicht hätten fallen lassen. Aber mit zwei Verzierungen möchten uns die Componisten nicht mehr wüthend machen: sie stehen unten in der Anmerkung

Dies Notenbild ist eine Fußnote. Aus technischen Gründen im Text wiedergegeben. Re

und sind nach und nach so zu Gemeinheiten geworden, daß man's wirklich nicht mehr hören kann. Todfeindschaft Allen, die sie noch einmal drucken lassen. Wünscht man von uns andere Zierrathen an Cadenzstellen, so stehen wir mit Tausenden bereit.

Die Bravourvariationen von Carl Schunke sind den Eleven des Pariser Conservatoirs gewidmet, ein Umstand, der vorweg für sie einnimmt, da man sich auf etwas Technisch- wie Aesthetisch-Bildendes vorbereitet. Was den ersten Punkt betrifft, so sind sie unleugbar sehr sorgsam, gewissenhaft im äußerlichen Vortrage, in der Declamation u. s. w. bezeichnet, handrecht und nützlich von einem durchgebildeten Spieler und Lehrer gesetzt. Was aber im Uebrigen, so blühen sie vom neusten geschmacklosen Geschmack so hohl pathetisch, so gemeinfrivol über, daß man sie kaum zweimal hintereinander sich denken mag. Der gut-pädagogischen Eigenschaften halber muß man das mit wahrer Betrübniß gestehen, um so mehr, da der Componist gegen sein bisheriges Streben, das nur auf leichteste Modearbeit hinausging, hier einen Anlauf gemacht hat, dem man gern ein besseres Schicksal gönnte. Spiele und studire sie also, wer, Herz und Kopf auf dem rechten Fleck, seinen Fingern Bewegung und interessantere Uebung geben will. Die Virtuosen werfen es Beethoven oft genug vor, daß er ohne Berücksichtigung der Mechanik des Instruments schriebe, und spielen uns seine Compositionen dennoch; so wollen wir auch dankbar sein, und manchmal der Virtuosen instrumentgemäßere Passagen, wenn auch ohne Beethoven'schen Geistesbeisatz, zur bessern Beherrschung jener einüben. Beiläufig noch eine Anmerkung zu dem facilité, das in neueren Compositionen so oft zu finden ist. Abgesehen davon, daß ein echter Gedanke überhaupt gar keine Veränderung verträgt, so scheinen mir in Stücken, in denen einmal Schwierigkeiten überwunden werden sollen, solche Erleichterungen unnöthigen Platz wegzunehmen, – des andern Umstandes noch zu erwähnen, daß auch weniger fertige Schüler, haben sie nur einen Funken Ehrgeiz, niemals die leichtere Variante wählen, sondern gerade auf das Schwerere wie erpicht werden. Also wozu das? Verändert aber der Componist in der Art, wie z. B. Hr. Schunke S. 19, wo, statt daß ursprünglich die Töne in einem brillanten Gang in die Höhe, sie in der Variante mit faden Triolen in die Tiefe gehen, so ist mir das eine unbegreifliche Herabsetzung seiner eignen Ideen. Genug – und führe sich Jeder die Bemerkung nach Gefallen aus.

Die Variationen von Kalkbrenner können auf eine lange Besprechung wohl keinen Anspruch haben. Sie sind leicht, ansprechend u. s. w., im Grunde recht arm.

Ebenso schnell können wir über die Hrn. Nowakowski und Osborne weggehen. Der eine ist ein Pole mit, der andere ein Schwede ohne Compositionstalent. Beide kennen ihr Instrument. Das Thema des Polen muß man hübsch finden, das von Osborne gewählte aus Anna Bolena sehr lahm. Hr. Nowakowski kann es zu etwas bringen, wenn er mehr studirt, als Hr. Osborne.

Zwei Dinge auf der Welt sind sehr schwer, einmal, sich einen Ruhm zu gründen, sodann ihn sich zu erhalten. Gepriesen seien aber die Meister – von Beethoven bis zu Strauß, jeder in seiner Weise!

*

Phantasieen, Capricen etc. für Pianoforte.

Erster Zug.

C. Schnabel. Erinnerungen an Mad. Schröder-Devrient. Phantasie über Motive aus Opern von Bellini. W. 14. – Amadeus Mereaux, große Phantasie über ein Thema von Halevy. W. 42. – I. A. Ladurner. Phantasie. Fuge und Sonate über ein Thema von Händel. – Sigismund Thalberg. Phantasie über ein Thema aus den Hugenotten. W. 20.

Die secondaire Art der Composition, über Thema's Dritter zu phantasiren, nimmt auf eine traurige Weise überhand und steckt sich, wie bekannt, unter den schönen Namen, mit dessen Bedeutung sie so wenig gemein hat. Namentlich versenkte sich Hr. Schnabel in ein ganzes Meer von Phantasielosigkeit und hat es mit seinem Potpourri durchaus bei uns verscherzt. Wär' ich Mad. Schröder, der diese Erinnerungen dedicirt sind, wie einen Pizarro wollte ich den Componisten mit meinem Pistolenblick durchbohren. Vieles vergebe ich einem Deutschen, – Geschmacklosigkeit, Unordnung, seine Theorieen, sogar Faulheit, nie aber solch' geflissentliches Nachäffen der feuchten italienischen Sentimentalität, wie es sich hier zeigt. Schon zu viel der Worte! –

Zwischen die Parteien Herz und Chopin in Paris hat sich die einer romantisirenden Salonmusik eingeschlichen, in der sich auch Hr. Amadeus Mereaux, und mit Glück ergeht. Sie trägt ihren Paß zu deutlich an der Stirn, als daß man über sie im Unklaren sein könne: er heißt: »von Allem etwas wo möglich«. Indeß ist Hr. Mereaux nicht ohne eigenes Talent und würde sich unter einer schärferen Scheere zu etwas bilden haben können. In seiner »großen« Phantasie findet man zwar nicht mehr als eine Einleitung, die nicht viel taugt, dann aber ordentliche sehr brillante Variationen über einen Marsch aus der Jüdin, der, auch in der Tonart, etwas an den Alexandermarsch erinnert. Hier und da versucht er sich auch gelehrter, nie aber länger, um nicht noch dem Gähnen des Zuhörers zuvorzukommen. Die erste Variation klingt sehr gut. Im ersten Theil der dritten, ist gegen allen Rhythmus ein Tact zu viel.

Besäße Hr. Ladurner nur ein Viertel von der Tournüre des Vorigen und er würde so rasch in's Publicum gelangen, als er seines Fleißes halber nur verdienen mag. Bei vielen Vorzügen, die diese Phantasie vor vielen andern auszeichnen, ermangelt sie aber auch jeder und aller Grazie, entbehrt sie durchaus der feineren Bildung, die man selbst bei rohen Talenten stellenweise antrifft. Gegen frühere Zeiten genommen, hat unsre Musik so sehr an Biegsamkeit des Organs, an Gewandtheit im Ausdruck, an Vielartigkeit der Nüancirung gewonnen, daß man eine so harte Originalität in ihrer Schwerfälligkeit gar nicht mehr gewohnt ist. Daß man über ein Thema von Händel nicht so leichthin faseln dürfe, als über eines von Bellini, versteht sich. Unser Componist kennt auch die Höhe seines Vorwurfes, behandelt ihn sorgsam, würdig, mit aller Liebe, deren eine schroffere Natur nur fähig ist. Hierin liegt so viel Lob für ihn, daß ihn der oben ausgesprochene Tadel nirgends abhalten möge, im gleichen Sinn, aber mit gewählteren Mitteln, fortzuarbeiten. Sehe ich recht, so ist der Verfasser in Kenntniß des Vorhandenen nicht viel über Beethoven und vielleicht noch gar nicht bis zu ihm gedrungen. Findet er in sich selbst einen Lohn für seine Arbeit, so wünschen wir ihm Glück dazu; von der Mitwelt erwarte er aber so wenig einen, als für ein lateinisches Gedicht. Wer nicht auf der Höhe der Gegenwart steht, wird sich meistens über die Wirkung seiner Leistung, oft auch über diese selbst, in Irrthum befinden. Stände Hr. Ladurner aber oben, wie würde er über die vielen jungen lachenden Gesichter erschrecken, die auf nichts mehr als auf Zöpfe erpicht sind, als z. B. auf das unaufhörliche Hinüberschlagen der rechten Hand über die linke, eine lange Melodie im Baß vorzutragen (vgl. die sogenannte Todtenpolonaise, das Trio), auf die altmodischen Harpeggio's in den tiefsten Baßregionen, auf die Doppelschläge und Mehres. Wo man ihm aber nichts anhaben kann, und wo er so kräftig Händel'sch arbeitet, daß sich das junge Volk respectvoll zurückziehen wird, ist in der Fuge, wenn ich auch für meinen Theil zu ihrer Länge mehr Aufbau und Steigerung wünschte. Leid thut es mir, daß dem Componisten die Tenormelodie auf S. 3 (da, wo sich das Thema zum erstenmal zeigt) späterhin gänzlich entfallen ist; sie hätte namentlich in der Sonate, die aber nur aus einem Satz besteht, als ein zweites Thema gut eingeschaltet werden und dem Ganzen ein blühenderes Colorit geben können. Mit Antheil sehen wir immerhin den weiteren Leistungen des Componisten entgegen.

»Glücklich aber sind die zu preisen, die ihre Geburt sogleich über die untern Stufen der Menschheit hinaus hebt: die durch jene Verhältnisse, in welchen sich manche gute Menschen die ganze Zeit ihres Lebens abängstigen, nicht durchzugehen, auch nicht einmal darin als Gäste zu verweilen brauchen.« Also Goethe, und nie fiel mir diese Stelle aus Wilhelm Meister lebhafter ein, als jetzt beim Uebergang vom vorigen Componisten zum zuletztgenannten. Wie ist der Herr seiner Sprache und Gedanken, wie benimmt der sich weltmännisch: noch mehr, wie schließt, verschlingt und löst er so leicht die Fäden, daß es gar nicht wie Absicht aussieht. Weder überspannend noch abmattend zieht er die Zuhörerschaft, wohin er nur will: er hat den leisesten Pulsschlag des Publicums belauscht, wie selten Einer, erregt es und beruhigt es wieder; kurz der allgemeine Enthusiasmus über Thalberg's Hugenottenphantasie in Paris und anderwärts ist ganz in der Ordnung. Die günstige Form, deren er sich in ähnlichen seiner neueren Compositionen bedient, gebraucht er auch hier. Eine kurze Einleitung mit Vorklängen an künftige Thema's, dann diese selbst mit einer Veränderung, in der sich schon Laute aus dem zweiten Thema einfinden, dann Verbindung der zwei Thema's, und endlich ein kurzer herausfordernder Schluß. Es würde schwer sein. Einem, der sich nicht mit eignem Aug' und Ohr davon überzeugt, über die Art, wie Thalberg das Instrument behandelt, einen Begriff zu geben, von der Ueberkleidung der Melodie durch neu gefundene Accompagnements; von den seltenen Pedaleffecten, vom Durchgreifen einzelner Klänge durch die Massen, so daß man oft verschiedene Stimmen zu hören glaubt u. s. w. So bilden sich unsere bedeutendsten jungen Claviercomponisten, jeder gleichsam seine besondere Instrumentation: für die freilich, die im Clavier nichts sehen als eine Maschine, eine Spieluhr von auf- und niederrollenden kleinen Tönen, sind diese Sachen nicht. Die andern aber werden sich an der Vielseitigkeit des Instruments erfreuen, das im einzelnen Klang so dürftig, in der Combination sich so ungeahnt reich zu zeigen vermag.

*

Zweiter Zug.

Chr. Rummel, Erinnerung an Sabine Heinefetter. W. 70. – Joh. Ruckgaber. Erinnerung an Bellini. W. 35. – Ernst Köhler, Erinnerung an Bellini. W. 54. – H. Herz, dramatische Phantasie über den berühmten protestantischen Choral aus den Hugenotten. W. 89. – C. G. Kulenkamp, die Jagd, ein humoristisches Tongemälde zu 4 Händen. W. 49.

Eine sehr kurze Recension machte bekanntlich Voltaire, indem er, eben um eine befragt, in einem ihm vorgelegten Buch am Wort Fin den letzten Buchstaben wegstrich. Es bleibt dahin gestellt, ob das I, das Florestan auf die Rummel'sche Erinnerung geschrieben, nicht noch eine kürzere sei, wenn es anders nicht die Zahl, sondern einen lateinischen Buchstaben bedeutet. Jedenfalls ist die Composition ein passables Gelegenheitsstück mit den bekannten Reimen »Herz – Schmerz«, eine Apotheose, wenn nicht entzückend, doch in einer Entzückung über die Landsmännin entstanden. Würde einmal die Wahrheit verboten, so müßte man die Erinnerung den bessern Werken beizählen.

Letzteres gilt auch von Hrn. Ruckgaber's Souvenir. Viele (z. B. wir und ich) denken selten an Bellini und dann ist so ein Aufrütteln gut. An der Stelle der Original-Verleger litte ich aber so ein Honigaussaugen aus Bellini's Opern durchaus nicht: wahrhaftig, das Beste wird herausgezogen.

Sonderbar ist es, daß obige Erinnerungen, auch die von Hrn. Köhler, sämmtlich aus Es dur gehen und ein Beitrag sind zur Charakteristik der Tonleiter; ebenso sonderbar, daß sie alle einerlei, nämlich höchst glänzend anfangen und nur die Ruckgaber'sche in leise pp verhaucht, während die andern ordentlich wie die Sinfonia eroica schließen. Hrn. Köhler's Phantasie zeichnet sich aber überdies durch eine organischere Form vor den andern rühmlichst aus und verräth überall solide Studien und Gedanken. Von einem Orchester, was dazu gehört, gut begleitet und mit Feuer und Liebe gespielt, was auch dazu gehört, wird sie überall applaudirt werden. Wie gesagt, es ist zu wünschen, daß erste deutsche Componisten sich auf diese Weise an und in italienischen Componisten zu verewigen fortfahren.

Mozart, mit seligem Auge dem Allegri'schen Miserere zuhörend, mag kaum mit mehr Spannung gelauscht haben, als unser verehrter Herz der ersten Aufführung der Hugenotten. Ihr Schelme, mochte er bei sich denken, man müßte kein Musiker sein, um nicht trotz aller Eigenthumsrechte Anderer sich das Beste und Beklatschteste einzuzeichnen hinter die Ohren, – und noch spät Mitternacht setzte er sich hin und brütete und schrieb. Der Titel ist übrigens eine offenbare, jedoch dem Käufer vortheilhafte Täuschung: anstatt einer dramatischen Phantasie über » le célèbre Choral protestant intercalé par Giac. Meyerbeer dans les Huguenots« erhält man, außer diesem, der nur einmal wie hineingeplumpt kömmt, eine Scene mit Chor, echt Meyerbeerisch, nämlich unecht, eine Arie mit wirklich schönen Stellen, eine Bohemienne, über die sich nichts sagen läßt, und ein sehr hübsches Air de Ballet. Wir selbst sind noch nicht so tief in die Hugenotten gedrungen, um mit Sicherheit sagen zu können, was Herz'en, was Meyerbeer'n angehöre; indessen getrauten wir es uns. Daß übrigens alles mit Geschick, oft Geist aneinander gefädelt ist, kann man versichern. Apropos, was bedeuten denn die kleinen hübschen Kästchen □ über einzelnen Noten? vielleicht einen leisen Druck, ein graziöses Aufheben der Hände? Im Stuttgarter Universallexicon fehlt das Kästchen gewiß. Wir machen darauf aufmerksam.

Ueber die vierhändige »Jagd« des Hrn. Kulenkamp kann man keine neuen Gedanken aufbringen, da der Inhalt auf einer sehr saubern Vignette und in einem Programm ausführlich zu sehen und zu lesen ist. Da findet man z. B. »11. Ein Hase springt auf; Fehlschüsse. 12. Spöttische Bemerkungen. 13. Fade Entschuldigungen« u. s. w. Der Componist fürchtet selbst in einem an die Redaction gerichteten Schreiben, »daß solche bemerkte Details Anlaß zu Spötteleien geben könnten, daß er aber solche Kleinigkeiten der wahrheitsgemäßern Darstellung halber nicht übergehen hätte dürfen« u. s. w. Im ersten Punkt hat er ganz, im zweiten nur halb Recht. Zwischen wirklicher Gemeinheit und Shakspeare'scher ist noch ein Unterschied. Was soll ich es verschweigen, die Jagd hat mich total verstimmt. Wenn ein Componist Jahre lang mühsam arbeitet, vierzig Stücke schreibt mit lobenswerthem Eifer und endlich auf ein Thema fällt, das schon gar keine poetische Regung aufkommen lassen kann, und wenn er es noch dazu so trocken und witzlos wie möglich behandelt, so kann das einen theilnehmenden Beschauer nur traurig machen. Das ist kein Ton aus freier Brust: so klingt kein Jagdhorn; kurz die Musik lebt nicht. »Sage mir, wo du wohnst, so will ich dir sagen, wie du componirst«, meinte Florestan bei einer frühem Composition von Hrn. Kulenkamp. Florestan hat Recht, und Rellstab auch, wenn er sinnbildlich genug einmal ausrief: »einen Hasen können sie todtschießen, unsere Componisten, – aber einen Löwen erwürgen, nicht«.

Dritter Zug.

J. Rosenhain. Erinnerung. Romanze. – C. Czerny. Erinnerung a. m. erste Reise (in Sachsen). Brillante Phantasie. W. 413. – H. Bertini, Erinnerungen ( Impressions de Voyage). W. 104. – H. Bertini. Caprice über eine Romanze von Grisar. W. 108. – H. Bertini, Sarah. Caprice über eine Romanze von Grisar. W. 110. – H. Bertini. 2 Notturnos. W. 102. – Adolph Le Carpentier. Caprice über eine Romanze von Grisar. W. 16. – C. G. Kulenkamp, 3 Notturnos. W. 42. – Delphine Hill Handley, Caprice. – A. I. Becher. 9 lyrische Stücke. W. 2. erste Sammlung.

Die »Erinnerungen« bilden eine ordentliche Rubrik im heurigen Meßkatalog, der Reminiscenzen nicht zu gedenken. Große Monumente sind mir darunter noch nicht vorgekommen: indessen ist das Thema musikalisch, und die Musik an sich ja eine Erinnerung an das Schönste, was auf der Erde gelebt und gestorben.

Die Romanze von Rosenhain erhebt sich nicht über eine leichte lyrische Passivität. Man kann sie sich denken. Schüchtern, wie eine erste Liebe, wird es ihr selbst recht sein, wenn man weiter nicht viel über sie spricht. Wo bleiben aber die Sonaten, Concerte etc., die uns Hr. Rosenhain noch schuldig ist? Er hat noch Kraft und Jugend und könnte schon »einen Löwen erwürgen«.

Man erzählt sich, daß Hr. Czerny, von einer Glorie von vierhundert Werken bereits umstrahlt, noch in letzter Messe an seine Verleger geschrieben, »daß sie sich freuen möchten, denn jetzt wolle er erst recht an's Componiren gehen«. Und in der That fängt er jetzt wiederum mit einer Rüstigkeit an, der man den Beinamen einer unverwüstlichen zu geben geneigt wäre. Betriebe er die Sache nicht zu sehr en gros (oft haben 10 bis 12 starke Hefte nur eine Opusnummer) und er stünde schon jetzt als der Erste da, den drei Nullen schmückten, man müßte denn an Scarlatti denken, der allein an 200 Opern schrieb, oder an Bach, dem gar nicht nachgerechnet werden kann: so berühren sich große Geister und Extreme. Heute entdecken wir sogar ein neues Talent an ihm, das charakteristisch-pittoreske, das jetzt so allgemein gesucht und vorgezogen wird. Eine ganze Reisebeschreibung erhält man. Der Postillon bläst: der Componist guckt schon zum Wagenfenster heraus: »wär' es möglich«, ruft er aus in einem Recitativ, »du reistest wirklich« – und das schöne Wien fliegt immer weiter und weiter zurück. Was dem Componisten Alles begegnet sein mag, wer weiß es? Zum erstenmal treffen wir sogar in einer Czerny'schen Composition auf dunklere Partieen, die wir nicht zu deuten verstehen. Im Uebrigen ist jedes Werk mehr werth, als die Kritik darüber; darum studire man nur. Und wenn Florestan neben mir auf- und abtobt und sagt: »wär' er Czerny, nie edirte er ein Werk, das so vortheilhaft abstäche gegen frühere«, – so verdient er wohl nur den Namen eines Hypochonders.

Anderer Natur, verwickelter, mysteriöser sind die Reiseerinnerungen des Hrn. Bertini. Arme Schläfer, die ihr ihn für fade haltet! Sei hiermit die Hand gedrückt, die die Welt noch immer auf die Herrlichkeiten aufmerksam macht, die sich auch in diesem Werke über einander aufthürmen. Mehr einer Luftfahrt vergleich' ich die Reise und nur der Schluß könnte etwas an den empfindsamen Yorik'schen erinnern. Donizetti ist Professor des Contrapunkts, Bertini kann es noch zu einem der Aesthetik bringen. Wie quillt hier eines aus dem andern vor, wie löset die Kraft die Anmuth ab, den Verstand die Phantasie, wie durchdringen sich hier Kunst und Natur! Alles dies gilt noch im höhern Grade von den Notturno's, die etwas Schwärmerisches, Wollüstig-Leidendes auszusprechen scheinen. Ebenso sind die beiden Capricen wahre Wunderwerke des menschlichen Geistes, wie wir deren so viele aufzuweisen haben, z. B. auch in der folgenden Caprice von Le Carpentier. Hier hört aber aller Spaß auf, und muß sie ohne Umschweife dem Schlechtesten beigezählt werden, was die französische Literatur, welche Verleger zu ihrem eigenen Vortheil mit mehr Auswahl übersiedeln sollten, neuerer Zeit hervorgebracht hat.

Die Physiognomieen nehmen jetzt einen interessanteren, deutschen Schnitt an. Zuerst über die Notturno's von Hrn. Kulenkamp. Laßt uns gleich eines tactweise durchgehen. Nr. II. E dur. Es beginnt im rechten Charakter. Tact 1-8. Gut. Tact 9-16. Noch besser, wenn ich auch freiere Declamation wünschte. Cis moll war berührt: er geht also nach H. – D dur tritt schon beängstigend auf: der Componist fühlt selbst das Unpassende dieser Tonart im E-Grundton und leitet nach Fismoll (T. 25). Ein böser Geist führt ihn nach A dur; die Perioden verlieren schon die Deutlichkeit; er wird immer ängstlicher und rettet sich nach G dur; auch das genügt ihm nicht. Es dur kömmt vollends wie aus den Wolken. Noch unglücklicher fährt er nach A dur und von da war freilich nicht schwer in's gewünschte E dur zu gelangen. Warum aber auf einmal das Thema in Octaven, wodurch es allen Ausdruck verliert? Warum fehlt in der Periode von T. 9-15 S. 11 ein Tact? Warum nach dem Accorde E + gis + h + d den C dur-Accord, was nie auf der Welt klingen kann?

Daß trotz solcher Mängel die Notturno's von einer edleren Gesinnung zeugen, als hunderte der andern Tageserscheinungen, wird Jeder finden. Fragt man aber, wem durch sie genützt ist, dem Publicum, der Kunst, dem Componisten selbst, so würde die Antwort kaum zweifelhaft ausfallen. Sinnig, nacheifernd, wie wir den Componisten kennen, fällt sein Schaffen in eine Zeit der Zerwürfnisse, wo es mehr als je der strengsten Erwägung seiner Kräfte bedarf, um nicht auf unglückliche Wege zu kommen. So schwankt auch er denn zwischen Alt und Neu, versucht es hier und da, möchte gerne genügen, ist schon ganz nahe und im Augenblick wieder meilenweit vom Ziel. Dies Alles hält jedoch nicht ab, ihm zuzusprechen. Wir verzweifeln gar nicht daran, daß er einmal etwas Vollkommnes bringen wird, möge auch er es nicht und schreibe er noch mehr Notturno's, ja hunderte. Gelingen nur zwei, drei davon, so ist's immer mehr, als etwa nach einem ersten nicht durchaus geglückten Angriff gänzlich abzulassen.

Den Kindern aber wird's im Traum bescheert. Die Caprice von Delphine Hill Handley, Manchen vielleicht unter dem Namen Schauroth bekannter und lieber, gehört mit allen ihren kleinen Schwächen zu den liebenswürdigen. Die Mängel sind solche der Ungeübtheit, nicht des Ungeschicks; der eigentliche musikalische Nerv fühlt sich überall an. Diesmal ist es noch eine sehr zarte leidenschaftliche Röthe, die dies Miniaturbild interessant macht.

Nicht minder interessant sind die lyrischen Stücke von Hrn. J. A. Becher. Später eines traurigen Todes gestorben (1848). Der Titel paßt jedoch nicht zu allen. Von einigen vermuthe ich, daß sie componirte Texte, für das Clavier allein eingerichtet. Wäre das, so verdiente es einen Tadel, da mir ein solches Verfahren wie ein Vergehen an seinem eignen Kinde scheint. Wär' es aber nicht, so bleiben Nummern wie 2, 4, 7 durchaus unverständlich. Für Originalclavierstücke halte ich nur die Nummern 3, 5, 6, bei den übrigen schwanke ich. In allen herrscht ein leidender Ausdruck, ein Ringen wie nach etwas Unerreichbarem, eine Sehnsucht nach Ruhe und Frieden; oft mühsam und kalt ausgesprochen, oft leicht und rührend. Musikalisch genommen, sieht man überall Streben nach Bedeutung und Eigenthümlichkeit, seltne Harmonieen, sonderbare Melodieen, scharfeckige Formen. Ruhig abgeschlossen finde ich keines. Einzelne Tacte mißfallen mir sogar gänzlich, ebenso die Folge, in der die Stücke stehen; dies hätte viel natürlicher und angenehmer geschehen können. Wolle der Componist seinen künftigen Gestalten noch etwas von der Anmuth verleihen, die uns aus den Werken seines Vorbildes, dem die lyrischen Stücke zugeeignet sind, so verführerisch entgegenweht. An innerem Adel fehlt es ihm keinesweges.

*

Rondo's für Pianoforte.

K. F. Heckel, Vergißmeinnicht, Rondo für das Pianoforte. W. 11. – A. F. Mohs, Rondo in B. W. 3. – C. Erfurt. 3 leichte Rondo's nach Motiven von Auber. W. 30. – C. Erfurt, Abschied von Magdeburg, Rondo für Pianoforte. W. 32. – Louise Farrenc, Rondo in D. 8 Gr. – A. Gutmann, leichtes und brillantes Rondo. – F. Glanz, charakteristisches Rondo. W. 2. – Adele Bratchi, großes Rondo. W. 2. – R. von Hertzberg, brillantes Rondo. W. 11. – Th. Döhler, Rondino über ein Thema von J. Strauß. W. 19. – Th. Döhler, Rondino über ein Thema von Coppola. W. 20. – J. F. Dobrzynski, Rondo à la Polacca mit Begleitung des Orchesters. W. 6. – E. Köhler, elegantes Rondo mit Einleitung. W. 47. – O. Gerke. Einleitung und brillantes Rondo mit Begleitung des großen Orchesters. W. 20. – C. A. von Winkhler, brillantes Rondo. W. 45. – C. A. von Winkhler, brillantes Rondo. W. 46. – C. Schunke. Rondo espagnol. W. 47. – C. Czerny. großes Rondo. W. 405. – F. Ries. Einleitung und Rondo à la Zingaresco. W. 181. – Stephen Heller. Rondo Scherzo. W. 8. – Fr. Chopin, Rondeau à la Mazur. W. 5. – I. Moscheles, Rondo über eine schottische Melodie. – I. Moscheles, brillantes Rondo mit Einleitung über ein Thema von Dessauer. W. 94.

»Vergiß mein nicht!
Du Jüngling, den ich meine,
Zu welchem dieses Lied hier spricht,
Um dessen Glücke ich zu Gott oft betend weine,
Vergißmeinnicht!«

Ihr irret, Componistenjünglinge, wenn ihr meint, ich hab' euch so eben angesungen. Der Vers ist nur der Anfang des Gedichtes, das man auf dem Titelblatt des ersten der obigen Rondo's vollständig lesen kann, und scheint der Componist somit auf eine neue Gattung (etwa »Rondo mit Worten«) zu denken, wozu ihm und uns nur Glück zu wünschen. Man irrt aber wiederum, wenn man in der Musik ähnliche Sentimentalität zu finden hofft; im Gegentheil fährt diese so dick und rothbäckig wie möglich hinterdrein. Einem ordentlichen Recensenten wird es nicht schwer fallen, seine Gelehrsamkeit an dem armen Kind zu zeigen und seine Uebermacht; bescheidnere vergleichen sich lieber gleich Menschen wie Lawrence Sterne, der eben im Begriff eine Fliege todtzumachen, sie zum Fenster hinausließ mit dem Bemerken, daß die Welt für sie beide ja groß genug. Entlassen wir mithin auch das 2te Rondo, auch das 3te, das 4te, und das 5te. Bei Nr. 3 und 5 könnten Manche, namentlich Lehrer einwenden, daß sie ja offenbar für Kinderhände gedacht wären, und daß Combinirteres und Tieferes da am unrechten Ort etc. Ich aber sage: seid nur immer hübsch geistreich; das talentvolle Kind will das, und spürt, wo es fehlt, ebenso gut wie wir älteren; mit so durchweg matten Producten wird nichts gefördert. Daher gefällt mir das Rondo von Gutmann, das »für Kinder, die noch nicht eine Octave spannen können«, geschrieben ist; in ihm ist mehr Melodie und Leben.

Die drei folgenden Rondo's wären ebenfalls am besten ungedruckt geblieben. Das von Adele Bratchi gibt sich zwar Mühe, etwas mehr zu sein als gewöhnliche Rondomusik, und verräth in seinen Reminiscenzen (so in der Einleitung, an die Preghiera von Rossini, im ersten Thema an Field, im zweiten an Weber's Aufforderung zum Tanz) Vertrautheit mit vieler Musik, wird aber in der Länge immer klarer und langweiliger, des kindischen Satzes der Harmonie nicht zu erwähnen. Völlig bedeutungslos sind die Stücke von F. Glanz und R. von Hertzberg; zwar hat das letztere keine so schreienden Quinten und Octaven wie das erstere, zeugt aber überall von noch ganz unsicherer Hand und von einem noch wenig gebildeten Ohr, dort im Bau des Ganzen, hier in der Harmonie; übrigens ist es schwer und will studirt sein. Hr. Th. Döhler gibt mit seinen zwei leidlich hübschen Rondo's abermals den Beweis, wie es ihm um den Ruhm eines Czerny des Zweiten zu thun. Was Strauß und Coppola für große Leute, gewahrt man erst, wenn man die Döhler'sche Zuthat dagegen hält. Es ist merkwürdig und traurig, wie ein so bedeutender Clavierspieler so wenig als Componist zu leisten vermag. Wahrhaftig, junge Künstler, hütet euch vor allen Gräfinnen und Baronessen, die Compositionen dedicirt haben wollen; wer ein Künstler werden will, muß den Cavalier lassen.

Das Rondo von Hrn. Dobrzynski ist von geschickten Fingern componirt, correct geschrieben, nationell gehalten, in der Form etwas breit, aber in richtigen Verhältnissen. Eine eigentliche Idee sucht man jedoch auf den vierzehn Seiten umsonst; Originelles hat sie gar nichts. An einem Rondeau élégant von Hrn. Köhler kann man, was das Aeußere, die Technik betrifft, ebenfalls nichts aussetzen. Ueberall vermißt man auch in ihm, wie in allen vorigen Rondo's, eigentliche Musik, schönen Gesang, feinere Bildung. Ueber sein Talent hinaus kann freilich Niemand; aber die Kräfte bilden, veredeln sollte wenigstens Jeder. Ich weiß nicht, wem mit solchen Compositionen gedient ist; für Dilettanten zu trocken, für Virtuosen zu wenig glänzend, für Musiker zu uninteressant, bieten sie Allen etwas, befriedigen sie Keinen vollständig.

Das brillante Rondo des Hrn. O. Gerke hat den Haupttitel » Souvenir de Weimar« und erinnert an Hummel's Weise, dem es auch zugeeignet ist. In der Mitte benutzt Hr. Gerke ein russisches Lied, das, wenn ich nicht sehr irre, auch von Hummel schon in ein größeres Rondo eingeflochten ist. Daß er es einigemal förmlich und in derselben Tonart variirt, gibt dem Rondo einen neuen Anstrich und muß mit dem Orchester zusammen von Wirkung sein. Bis auf die Einleitung, mit der mir doch zu wenig gesagt scheint, ist die Arbeit von Werth. In der Cantilene hat sich der Componist vielleicht vor einigen schwächlichen Vorhalten, überhaupt vor einem gewissen weitschweifigen Sentimentalisiren zu hüten; in der freien unbelauschten Phantasie mag man sich in solcher Weise ergehen, – der Öffentlichkeit gebe man aber nur Schönstes und dies so kurz und energisch wie möglich ausgedrückt.

Die zwei Rondo's von Hrn. von Winkhler sehen sich wie Geschwister ähnlich, d. i. erheben sich nirgends über die bürgerlichste Prosa und wollen es auch nicht. Auffallende Fehler sind in ihnen so wenig zu finden, als Schönheiten; so wäre denn diesem in einer mittleren Sphäre sich gefallenden harmlosen Componisten nur noch mehr Sichtung dessen, was er für den Druck bestimmt, anzurathen.

Hr. Czerny nimmt mit seinem Allegro agitato einen romantischen Anlauf. Nur Wenige würden auf ihn als Componist dieses Stückes rathen, in einen so grauen Incognitorock hat er sich eingeknöpft. Dringt auch manchmal der Alte plötzlich und mächtig durch, so kann Einem doch die Veränderung, die in seinem Wesen vorgegangen zu sein scheint, kaum entgehen. Wie das enden wird, wer weiß es? Daß das Rondo hübsch und angenehm klingt, versteht sich.

Ebenso schwer wäre das folgende Rondo als eine Composition von Ries zu erkennen, eine so gewöhnliche allgemeine Physiognomie hat sie. Rechnet man dem Alter den Nachlaß an Phantasie als natürlich an, so doch nicht den an Ernst und Fleiß als etwas Rühmliches. Künstlerische Zwecke können es wenigstens nicht sein, die einen anerkannten Meister zur Veröffentlichung so gar unbedeutender Sachen bewegen.

Im Rondo von Stephen Heller begegnen wir endlich einer aus wahrem Geiste kommenden Composition einer echten Künstlernatur, über deren Eigenthümlichkeit beim Erscheinen größerer Werke die Zeitschrift ausführlicher sprechen wird. Das Rondo, so klein es ist, sprudelt recht eigentlich von Geist und Witz über. Zart, naiv, klug, eigensinnig, immer liebenswürdig, scherzt es wie ein Kind herum, setzt sich uns auf den Schoß, bringt die wunderlichsten Einfälle vor, springt wieder fort, – kurz man muß es lieb haben. Der Leser soll also bald mehr über dies ausgezeichnete Talent erfahren.

Das Rondeau von Chopin ist vielleicht schon im achtzehnten Jahre geschrieben, aber erst vor Kurzem erschienen. Die große Jugend des Componisten ließe sich höchstens an einigen verwickelten Stellen, aus denen er sich nicht so schnell herauszufinden weiß, errathen (so am Schluß der S. 6), im Uebrigen ist das Rondo durch und durch Chopin'sch, mithin schön, schwärmerisch, voll Grazie. Wer ihn noch nicht kennt, wird am Besten mit diesem Stück den Anfang machen.

Die zwei Rondo's von Moscheles sind für mittlere Spieler geschrieben. Wer ein Meister einmal, fasse an was er will: es hat Alles ein Ansehn. Die Rondo's haben keinen höhern Werth als etwa Kreidezeichnungen, wie sie ein Maler mehr zur Belustigung auf Tisch und Wand hinwirft; verleugnen aber kann sich die Meisterschaft nirgends. In dieser Art erfreue sich Jedermann der kleinen Bilder.

*

1837.

W. Sterndale Bennett. – Museum der Davidsbündler I-V. – Bericht an Jeanquirit über den kunsthistorischen Ball. – Aus den Büchern der Davidsbündler (der alte Hauptmann). – Symphonieen für Orchester. – Musikfest in Zwickau. – Kirchenaufführung in Leipzig. – Lied und Gesang. – Für Pianoforte. – Kammermusik. – Compositionsschau (Concerte, Etuden, Rondo's, Variationen, Phantasieen und andere kurze Stücke für das Pianoforte). – Aeltere Claviermusik. – Sonaten für das Pianoforte. – Fragmente aus Leipzig I-VI.


 << zurück weiter >>