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»Die Weihe der Töne«, Symphonie von Spohr.

Erste Aufführung in Leipzig, im Februar 1835.

Man müßte zum drittenmal nachdichten, wenn man für die, welche diese Symphonie nicht gehört, ein Bild entwerfen wollte; denn der Dichter verdankt die Worte seiner Begeisterung für die Tonkunst, die Spohr wiederum mit Musik übersetzt hat. Ließe sich ein Zuhörer finden, der, von dem Gedicht und von den Ueberschriften zu den einzelnen Sätzen der Symphonie nicht unterrichtet, uns Rechenschaft von den Bildern, welche sie in ihm erweckt, geben könnte, so wäre das eine Probe, ob der Tondichter seine Aufgabe glücklich gelöst habe. Leider wußte auch ich schon vorher von der Absicht der Symphonie und sah mich wider Willen gezwungen, den Gestalten der Musik, die sich mir nur zu deutlich aufdrangen, das noch materiellere Gewand der Pfeifer'schen Dichtung umzuwerfen.

Dies Alles bei Seite gesetzt, berühre ich für heute etwas Andres. Wenn ich aber das Unterlegen einer Musik gerade zu diesem Texte und somit freilich den innersten Kern der Idee angreife, so versteht es sich von selbst, daß damit ein übrigens musikalisches Meisterwerk nicht verdächtigt werden kann.

Beethoven hat gar wohl die Gefahr gekannt, die er bei der Pastoral-Symphonie lief. In den paar Worten, »mehr Ausdruck der Empfindung, als Malerei«, die er ihr voransetzte, liegt eine ganze Aesthetik für Componisten, und es ist sehr lächerlich, wenn ihn Maler auf Portraits an einem Bach sitzen, den Kopf in die Hand drücken und das Plätschern belauschen lassen. Bei unserer Symphonie, däucht mir, war die ästhetische Gefahr noch größer.

Hat sich jemals einer von den andern abgesondert, ist sich irgend Jemand treu geblieben vom ersten Ton an, so ist es Spohr mit seiner schönen ewigen Klage. Wie er nun aber Alles wie durch Thränen sieht, so laufen auch seine Gestalten zu formenlosen Aethergebilden auseinander, für die es kaum einen Namen gibt; es ist ein immerwährendes Tönen, freilich von der Hand und dem Geist eines Künstlers zusammengefügt und gehalten – nun wir wissen es Alle. – Da wirft er späterhin seine ganze Kraft auf die Oper. Und wie einem überwiegend lyrischen Dichter, sich zu größerer Kraft des Gestaltens zu erheben, nichts Besseres anzurathen ist, als dramatische Meister zu studiren und Selbstversuche zu machen, so ließ sich vermuthen, daß ihn die Oper, in welcher er Begebenheiten folgen, Handlung und Charaktere durchführen mußte, aus seiner schwärmerischen Eintönigkeit herausreißen würde. Jessonda ist ihm aus dem Herzen gewachsen. Trotzdem blieb er in seinen Instrumentalsachen ziemlich der nämliche: die dritte Symphonie unterscheidet sich nur äußerlich von der ersten. Er fühlte, daß er einen neuen Schritt wagen mußte. Vielleicht durch die 9te Beethoven'sche Symphonie, deren erster Satz vielleicht denselben poetischen Grundgedanken enthält, als der erste der Spohr'schen, aufmerksam gemacht, flüchtete er sich zur Poesie. Aber wie sonderbar wählte er, aber auch wie seiner Natur, seinem Wesen getreu! Er griff nicht nach Shakspeare, Goethe oder Schiller, sondern nach einem fast Formenloseren, als die Musik selbst ist (wenn dies nicht zu kühn gesagt ist), nach einem Lob auf die Tonkunst, nach einem Gedicht, das ihre Wirkungen schildert, beschrieb also in Tönen die Töne, die der Dichter beschrieb, lobte die Musik mit Musik. Als Beethoven seinen Gedanken zur Pastoral-Symphonie faßte und ausführte, so war es nicht der einzelne kleine Tag des Frühlings, der ihn zu einem Freudenruf begeisterte, sondern das dunkle zusammenlaufende Gemisch von hohen Liedern über uns (wie Heine, glaube ich, irgendwo sagt), die ganz unendlichstimmige Schöpfung regte sich um ihn. Der Dichter der »Weihe der Töne« fing diese nun in einem schon ziemlich matten Spiegel auf und Spohr warf das Abgespiegelte noch einmal zurück.

Welchen Rang aber die Symphonie als musikalisches Kunstwerk an sich unter den neuesten Erzeugnissen behauptet, darüber steht nicht mir, der ich mit Verehrung zu ihrem Schöpfer aufblicke, ein Urtheil zu, sondern dem berühmten Veteranen, der seine Ansicht in diesen Blättern niederzulegen versprochen. Es war Hr. Ritter Ignaz v. Seyfried in Wien.

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