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Zwölftes Kapitel.
Dornegge

Bei den Besprechungen, welche unter den vier Bewohnern von Haus Gohr über all die Ereignisse, unter deren frischem Eindrucke man sich befand, statthatten, meinte Gundobald, daß es doch am besten sein würde, wenn er selbst – allein oder vom Rath Zander begleitet, nach Antwerpen gehe und dort die alten Handelsbücher der Firma Heckermanns, die Correspondenzen derselben mit dem Freiherrn von Nesselbrook, die noch erhalten sein konnten, durchforsche.

Aber Anna widersetzte sich dem; sie machte geltend, daß es nicht nöthig sei und, da Gundobald nur sehr wenig und der Rath Zander gar kein Französisch verstand, zu nichts führen werde; daß der Baron Chevaudun gewiß alles aufwenden werde, um ihr den Dienst, welchen sie von ihm erbeten, zu leisten; daß man auf Umsicht, Zuverlässigkeit und Eifer, sie zu verpflichten, bei Chevaudun ganz gewiß zählen könne, und daß sie ihren Brief an ihn dringend genug machen werde, um einer raschen Antwort sicher zu sein.

Sie schrieb noch denselben Tag diesen Brief und war lange damit beschäftigt. Als er abgesandt worden, bat sie Hermine um eine Unterredung. Diese währte noch länger. Es mußte viel zu besprechen geben unter den beiden jungen Damen. Gundobald, der auf Herminens Wiedererscheinen wartete, um von ihr Abschied zu nehmen, da er vor Abend in seinen Wohnort, die nächste Stadt, zurückkehren wollte, ward immer ungeduldiger.

Es ward so spät, daß er den Gedanken an die Abreise aufgeben mußte, um so mehr, als der Rath ihn drängte, zu bleiben. Zander hatte Vorbereitungen getroffen, daß Anna's Wunsch, Haus Dornegge zu sehen, am folgenden Tage erfüllt werden konnte. Es war ihm eine angenehme Aussicht, ihr dasselbe zeigen zu können – es zerstreute ihn und brachte ihn aus der beklemmenden Stimmung des Augenblicks, aus allem dem, was seit gestern Abend auf ihn eingestürmt war, fort.

Endlich kamen Hermine und Anna Morell in das Wohnzimmer, wo Zander und Gundobald sich befanden, zurück. Hermine war eigenthümlich, aber offenbar freudig erregt – Anna mußte ihren Schmerz um den Bruder mächtig zu mildern gewußt und zugleich verstanden haben, Hermine mit ihr selber auszusöhnen. Von der augenscheinlichen Abneigung und gar nicht verhüllten Kälte, welche Hermine ihrem Gast gezeigt, war nichts mehr da; im Gegentheil, es war eine gewisse Zärtlichkeit, eine Beflissenheit um sie an die Stelle getreten, wie man sie nur dem liebsten und geehrtesten Gaste zeigen kann. Zander war zu sehr mit dem, was ihn drückte, beschäftigt, aber Gundobald entging diese Veränderung im Verhältnisse der beiden Mädchen nicht.

Ich beginne selbst jetzt an Fräulein Morell's Zauberkünste zu glauben, sagte er zu Hermine, sobald er sie allein sprechen konnte … sie disponirt nicht allein über den großen Magus des Jahrhunderts, diesen Chevaudun, als ob er nur einer ihrer dienenden Geister sei, sie hat auch das viel Unglaublichere geleistet, sie hat in einer einzigen Zwiesprache die Abgunst eines andern Mädchens in glühende Zärtlichkeit verwandelt … ist das möglich ohne Zauberei?

Du hast recht, Gundobald, sagte Hermine mit einem ganz herzlichen fröhlichen Lachen, das ihren Geliebten mehr als alles in Erstaunen setzte … es ist so etwas dabei, und ich kann dir nur rathen, sie immer recht respectvoll aus der Ferne wie eine Zauberin zu verehren.

Was hat sie dir mitgetheilt?

Darf man die Geheimnisse der Zauberer enthüllen?

Du willst es mir nicht sagen?

Hermine schüttelte lächelnd den Kopf.

Nein! sagte sie sehr bestimmt – ich will nicht so grausam sein, dir den Reiz des Geheimnisvollen zu zerstören, den Fräulein Anna Morell für dich hat.

Aber du weißt, dieser Reiz ist gefährlich! Ist es klug von dir, mich dieser Gefahr ausgesetzt zu lassen?

Ich will ihr trotzen, ich fürchte sie nicht, diese Gefahr!

Uebermüthige!

Gundobald mußte es dabei bewenden lassen, er erfuhr von Hermine heute nichts weiter. Und auch am folgenden Tage nicht, wo man den Ausflug nach Dornegge machte. Eine Kalesche war dazu mit zwei Pferden Dankmar's bespannt, die in ihrem bessern Geschirr ganz ihres alltäglichen Erdenloses, als Ackerpferde zu dienen, vergessen hatten und rasch der Berggegend zutrabten, welche mit blauen Hügellinien bald vor unserer Gesellschaft auftauchte. Anna's ruhiger Ernst und Herminens sorglose Heiterkeit – sie schien wirklich in wunderbarer Weise allen Kummer von sich genommen zu fühlen – wirkten auch auf die Stimmung der beiden Männer. Auch diese gaben sich wie eines großen Theils ihrer Sorgen entbürdet dem Einflusse der Fahrt durch den frischen und heitern Morgen, durch eine freundliche, sonnige und an abwechselnden Bildern reiche Gegend hin.

Anna lenkte das Gespräch sehr bald auf Nesselbrook; sie schien unermüdlich, von dem alten Herrn zu hören. Auch von seiner Tochter sprach sie. Sie verlangte von Zander dessen Ansicht über den Schritt zu hören, den Hedwig gemacht, als sie das Bekenntniß ihres Gatten angenommen.

Zander durfte als Geistlicher nicht anders als den Schritt tadeln.

Es war ein Ungehorsam! sagte er.

Ein Ungehorsam gegen den Vater nicht, denn dieser hatte ihr ja anheimgestellt, auf ihre eigene Verantwortung hin zu handeln, versetzte Anna. Aber gegen die Mutter – die Kirche. Nun ja. Die Mutter darf Gehorsam von ihrem Kinde fordern, weil sie dem Kinde alles gewährt, was es bedarf, und weder seine leiblichen noch seine geistigen Bedürfnisse über das hinausgehen, was die Mutter befriedigen kann. Hört dieses Verhältniß auf, muß das Kind als erwachsener Mensch in den Kampf mit dem Leben eintreten, wobei die schwachen Hände der Mutter ihm nicht beistehen, muß es innerliche Aufgaben lösen, hat es mit Schicksalsfragen zu ringen, wobei die Mutter ihm nicht mehr folgt, ihm von keiner Hülfe mehr ist, dann darf sie ihm auch nicht mehr die Lebensbahn durch Forderungen von Gehorsam erschweren, die es nicht mehr erfüllen kann!

Der Geistliche sah sie ein wenig verwundert an.

Und gibt es für Sie Schicksalsfragen, bei denen »die Mutter« Ihnen von keiner Hülfe, ihr Ausspruch nicht mehr das Entscheidende ist?

Von mir abgesehen, erwiderte Anna leicht erröthend, die Welt, das Leben, die Wissenschaft erheben Hunderte! Es ist damit, fuhr sie dann lebhaft fort, wie mit unsern Armeen. Einst sagte man dem einzelnen: du bist nur eine Zahl in der großen Masse, die sich gläubig und vertrauensvoll führen lassen muß. Dein größtes Verbrechen ist, selbst urtheilen, selbst denken zu wollen. Du sollst nur gehorchen. Heute, wo eine entwickeltere Art der Kriegführung herrscht, sagt man dem einzelnen: vor allem sollst du selbst denken, selbst zu handeln wissen; du sollst die Vortheile, welche sich dir bieten, zu benutzen, Vertheidigungsmittel im Augenblicke der Gefahr mit Geistesgegenwart zu ergreifen wissen. So ist es mit den Menschen von heute überhaupt. Sie stehen in einem entwickeltern, schwierigern und größere geistige Kraft erfordernden Kampfe mit dem Leben als die Menschen von ehemals. Heute muß man ihnen sagen: der blinde Gehorsam ist nicht mehr das Höchste, das Eins und Alles für dich: handle selbständig und – lerne denken!

Ich könnte damit einverstanden sein, versetzte der Rath, wenn sich die Spitze dessen, was Sie da aufstellen, nicht wider die Kirche kehrte. Die Kirche hat nur mit der Seele und dem Gemüthe des Menschen zu thun und da, auf diesem Gebiete, bedarf er nicht des Denkens, nicht der Geistesgegenwart, nicht der Freiheit des Handelns, sondern nur der Hingabe und des Gehorsams.

Die Kirche wendet sich an die Schwäche des Menschen, und wie eine treue Mutter bietet sie ihre Führerhand, ihren eifrigen Beistand, wo die Schwäche ihrer bedarf. Aber sie wird auch kriegerisch, aggressiv, feindselig, wo die Schwäche sich stählt und härtet und sich Stärke erringt … Der Wohlthäter wird verstimmt, gereizt, wo sein Schützling auf eigenen Füßen zu stehen lernt und der Wohlthaten nicht mehr bedarf, und er wird heftiger, erbitterter Feind, wo der ehemalige Schützling durch That und Wort auch andere lehren will, auf eigenen Füßen zu stehen. Die Kirche will die Urdenkerin, die ausschließliche Vordenkerin aller Gedanken sein, und fordert herrisch den Hirnstillstand der Welt.

Wo haben Sie diese Ansichten eingesogen, liebes Fräulein? sagte der Rath kühl.

In dem katholischsten Lande der Welt, sagte Anna, in Spanien, an welches ich noch kürzlich lebhaft erinnert bin. Ich ging in Ihrer Hauptstadt neulich an einigen der großen, dunkel und öde, unbelebt und melancholisch dastehenden Höfe alter Geschlechter vorüber, die die nur ein wenig verkommenern Geschwister der Hotels im Faubourg Saint-Germain scheinen, wie diese wieder auf ein Haar den Wohnungen der spanischen Granden in Madrid gleichen. Ich war im vorigen Herbst mehrere Monate lang auf dem Schlosse der Herzogin von Medina-Celi in Altcastilien, dem Stammsitze ihres Hauses. In den hohen, dunkeln, ahnenbilderreichen Gemächern dieses Schlosses, aus dessen Fenstern man den Ausblick hat auf ein verarmendes ruinenhaftes Städtchen und eine öde, unendlich melancholische Gegend, eine Welt von rauhen kahlen Höhen und unfruchtbaren steinigen Thälern, bewohnt von einem armen, unglückseligen, verkommenden Geschlechte – in diesem Schlosse kam mit einer ganzen Fülle von Schmerz das Gefühl über mich, wie öde, leer und versteinert, wie eintönig und dem stillen Zusammenbrechen hingegeben diese ganze Welt ist, die doch so tyrannisch ihr Gesetz über den einzelnen, der in ihr steht, geltend macht.

Hier, in Frankreich, in Spanien; es ist überall dasselbe; stolze Schlösser, die in denselben Formen sich erheben, hohe Säle, die von denselben Bildern todter Menschen und von denselben lebenden Gestalten bewohnt werden; dieselben Reden, dieselben Begriffe, dieselbe Farbe des Gedankens; und in der ganzen Atmosphäre etwas Strenges, Tyrannisches, das unsern Gedanken eben diese selbe Farbe mit Gewalt aufdrängt, unsern Begriffen denselben Inhalt. Wir lesen immer ein und dasselbe Buch, hier die deutsche, dort die französische, dort die spanische Uebersetzung; und was das Schlimmste, das Buch ist mit Geist, mit verführerischer Kraft und mit unterjochender Beredsamkeit geschrieben. Aber wir gehen unter in trübseliger Einseitigkeit, indem wir immer ein und dasselbe Buch lesen; wir werden einfältig, indem wir immer in derselben Gedankenatmosphäre bleiben; immer mehr von dieser erfüllt, bringen wir es endlich dahin, daß, was in unserm Buche steht, unsere Monomanie wird.

Zander hörte dem jungen Mädchen mit einem Ausdruck von gespannter Theilnahme zu. Als sie eine Pause machte, sagte er:

Das sind Eindrücke, welche Ihre Phantasie empfangen hat; welche Schlüsse ziehen Sie aus Phantasieeindrücken?

Keine Schlüsse, aber ein heftiges Verlangen, eine unwiderstehliche Sehnsucht, endlich ein anderes Buch in die Hand zu bekommen; mich der Tyrannei Eurer »Schönheit«, dem Absolutismus Eurer »Wahrheit« zu entziehen, und lieber auf meine Weise unschön, nach meinem Naturell falsch zu denken und zu leben. Ist das Wahre für alle wahr? Aber ich will nicht darüber reden. Genug, ich habe dort empfunden, dort in dem düstern Prachtschlosse der Herzogin von Medina-Celi: ihr müßt uns einmal entlassen aus eurer despotischen Pracht, ihr Schlösser und ihr Kirchen, ihr müßt uns einmal erlauben, die Fesseln eurer Schönheit abzuwerfen; diese Pracht, diese Schönheit haben dunkle, dunkle Schattenseiten. Um euch her verdüstert sich, verarmt, veraltert die Welt; auf daß sie sich verjünge, muß sie sich erlauben, nicht länger euern Gedanken nachzudenken; sie muß selbst denken, um neue Formen zu schaffen und Zustände bilden zu können, bei denen jeder nach seiner eigenen Natur leben, mit seinen ihm eigenen Anschauungen und Ueberzeugungen sich Glück und Frieden erringen kann, denn für einen ganzen und gesunden Menschen sind doch nur das Glück und der Frieden, die er sich selbst erobert, etwas werth!

Mein theures Fräulein, sagte der Rath, aus allem dem blickt ein für ein weibliches Wesen ganz merkwürdiger Trieb und Durst nach Unabhängigkeit heraus …

Ist der tadelnswerth?

Tadelnswerth und löblich, je nach dem, wozu er führt. Ist sein Ziel nur eine echt weibliche Gestaltung des Lebens durch eigene Kräfte, so kann man ihn nicht tadeln; ist sein Ziel ungebundene Freiheit im Glauben, Denken, Handeln, so strebt er über die Grenzen hinaus, welche dem Weibe gezogen sind.

Ich glaube, daß ein richtiges Gefühl die richtigen Grenzen leicht finden wird.

Das Gefühl ist ein gefährlicher Rather. Der Mensch bedarf des Gesetzes!

Gewiß; aber an der Gesetzgebung, die sein Leben regeln soll, muß er selbst mitarbeiten.

Gewisse Gesetze sind von oben gegeben; dazu gehört das der Abhängigkeit des Weibes.

Mag sein; aber das Maß dieser Abhängigkeit ist für die Verschiedenen unendlich verschieden; und wie das Jahrhundert den Menschen überhaupt geistig stärker und mächtiger macht, erweitert es auch den Kreis, worin das Weib sich durch Unabhängigkeit stark fühlen darf.

Ich müßte viel, viel reden, um Ihnen die ganze Gefahr des Weges, den Sie betreten haben, zu zeigen, liebes Fräulein, sagte der Rath; und ich würde dennoch nicht dahin gelangen, Sie zu überzeugen. Einen Geist wie den Ihrigen muß die Erfahrung belehren. Diese Erfahrung wird das Leben Ihnen rasch bringen und dann wird es Sie zu uns zurückführen. Mögen Ihre Erfahrungen, mit denen Sie die Wahrheit zu erkaufen haben, nicht zu bitter sein. Ich hoffe es. Denn die Erfahrungen, welche der Verstand, der Geist macht, sind nie so schmerzlich als die, welche die Seele, das Gemüth machen.

Und Sie finden jenen bei mir vorherrschend, das letztere nicht?

Gehört nach dem Gespräche, welches wir geführt, viel Psychologie zu diesem Urtheil? sagte der geistliche Herr lächelnd.

Anna erröthete leicht. Der Rath hatte nur unumwundener ausgesprochen, was sie oft als Vorwurf gehört.

Das Gespräch verstummte.

Der unchaussirte Weg zog sich jetzt eine starke Hügelerhebung hinan. Um den Pferden Erleichterung zu gewähren, stiegen der geistliche Rath und Gundobald aus und wanderten zu Fuße vorauf.

Es ist leider ein neuer Geist in die Kirche gekommen, ein Mönchsthum, ein Hervorheben des mystisch-mythologischen Elements, sagte nun seufzend der Rath zu seinem Begleiter, das es so schwer macht, ihr solche starke, fragenvolle, sich selbst bestimmende Naturen treu zu erhalten. Seit zwei Jahrtausenden schlagen die Wogen gegen den großen Bau auf dem Felsen Petri und zermalmen ihn nicht; aber ich fürchte, im Innern, in Holzwerk und Wand sitzt der Wurm, der verhängnißvoller für ihn ist! – –

Ich bewundere Sie, sagte Hermine unterdeß zu Anna im Wagen – wie viel müssen Sie über alle diese Dinge gedacht haben und wie schlagfertig sind Sie in Ihren Antworten …

Aber im stillen tadeln Sie mich doch, Sie verurtheilen diese unweibliche Art, zu denken, gestehen Sie's nur, Hermine?

Nein, versetzte diese. Man kann unweiblich fühlen, unweiblich handeln – aber denken? Wo das Denken beginnt, da glaub' ich, hört der Unterschied von Weib und Mann auf, da beginnt die gleiche Natur, das gleiche Recht beider!

Und doch wird uns armen Frauen oft so bange dabei und dem Manne nicht – das bleibt der Unterschied!

Sie sprechen doch so klar, so bestimmt, so muthig!

Glauben Sie, es sei mir immer so ums Herz? Dann irrten Sie, Hermine. Zuweilen mache ich mir auch bittere Vorwürfe; ich erschrecke innerlich, ich fürchte mich vor dem letzten Ergebnisse, vor dem Ziele, zu dem meine Gedanken mich führen. Noch unlängst hatte ich eine solche Stunde innerer ängstlicher Verwirrung. Ich fand in einem Buche den Satz: » Il faut bien espérer qu'une fois le reste de l'univers soumis à sa domination l'homme finira par civiliser la femme.« Diese Worte haben mir viel zu denken gegeben, ich konnte nicht weiter lesen, so betroffen war ich davon. Ist es wahr, daß wir ein unbezähmbares nicht zu unterjochendes Geschlecht sind, das die Civilisation noch erfassen, bilden, unter ihre Gesetze und Regeln beugen, richtig fühlen und, wie die Männer sich ausdrücken, logisch denken lehren muß? Sind wir alle geborene Rebellen? Steckt in uns allen noch eine ursprüngliche Wildheit unter unsern geschnürten Leibchen, unsern glatten Scheiteln, unsern sanften Mienen? Aber mein Gott, wo bleibe ich denn mit all meinen Vorstellungen, daß man uns viel zu viel zähmt, daß man unter einem ganzen Berge von Dingen, die man uns stumm, ohne Widerspruch als Wahrheiten annehmen lehrt, unsere eigene Natur, unsere Anlage zum Selbstdenken und Selbstwollen erstickt? Daß man, während die Männer sehen, wie die Dinge in der Welt wirklich aussehen, alle menschliche Verhältnisse durchschauen lernen und was da war und was da ist, erkennen, uns armen Märchen einen großen, sehr schönen und wunderbar künstlich gewirkten Teppich vor der Bühne der wirklichen Welt aufhängt, vor dem wir höchst sittsam und demüthig unser ganzes Leben lang sitzen bleiben, in Bewunderung und kindliche Gläubigkeit versunken? – Ich werde daraus nicht klug. Wenn ich mich selbst frage, so muß ich gestehen – nun ja, es ist ein Geist des Widerspruchs in mir, ein Hang nach Ungefesseltsein, eine Verlockung zur Wildheit, wenn Sie wollen, gerade wie es in den Versen, die eine Frau schrieb, heißt:

Ich steh' auf hohem Balkone am Thurm,
Umstrichen vom schreienden Staare,
Und lass' gleich einer Mänade den Sturm
Mir wühlen im flatternden Haare;
O wilder Geselle, o toller Fant,
Ich möchte dich kräftig umschlingen
Und Sehne an Sehne, zwei Schritte vom Rand,
Auf Tod und Leben dann ringen!

Wär' ich ein Jäger auf freier Flur,
Ein Stück nur von einem Soldaten,
Wär' ich ein Mann doch wenigstens nur,
So würde der Himmel mir rathen;
Nun muß sich sitzen so fein und klar
Gleich einem artigen Kinde,
Und darf nur heimlich lösen mein Haar,
Und lassen es flattern im Winde! –

Anna hatte die Verse mit steigender Lebhaftigkeit und Kraft gesprochen. Hermine antwortete lächelnd:

Und mit einer solchen Natur sind Sie Gouvernante geworden?

Vielleicht, versetzte Anna, auch das nur aus einem Geiste des Widerspruchs gegen alle meine frühern Verhältnisse! Es war auch ein Stück Wildheit, wenn Sie wollen; derselbe, nur bewußter gewordene Drang, der mich schon einmal als ganz kleines Mädchen trieb, durchzugehen – vollständig auf und davon und in die weite Welt hineinzulaufen! Ich mochte sieben oder acht Jahre sein. Es war auf dem Landsitze, den mein Vater nach G… hinaus in der Nähe der See besitzt. Ich trieb mich im Park umher, während meine Wärterin auf einer Bank am Hause saß und sich und ihren Strickstrumpf von der warmen Nachmittagssonne bescheinen ließ. Diese Nachmittagssonne aber war es, welche mich verführte – denn sie überzog nach und nach herabsinkend den westlichen Himmel mit einer wunderbaren Purpurröthe, die mich verlockte, die nächste Höhe in den Anlagen zu ersteigen, um dieses Farbenschauspiel besser zu sehen. Ich lief mit meinen kleinen Beinen so hurtig ich konnte; als ich oben ankam, sah ich den Himmel in einer unbeschreiblichen Pracht, aber zugleich die Sonne einer Reihe von Dünen zusinken, welche vor mir lagen und mir bald die Sonne ganz zu verbergen drohten. Ich lief weiter, dieser Dünenkette zu – den Weg glaubte ich zu kennen, der durch sie zum Meere führte; ich war ein paarmal mit meinem Vater, mit meiner Bonne zum Seestrande gegangen durch diese Sandhügel; das kleine Thor in der Parkeinzäunung ward nicht geschlossen; so stapfte mein Füßchen bald hastig in dem Dünensande weiter und nach zehn Minuten hatte ich den Seestrand erreicht.

Der Anblick, der mir hier wurde, war ganz magisch, und ich kann Ihnen keine Vorstellung davon geben; man muß ein solches Schauspiel gesehen haben, zu malen oder zu beschreiben ist es nicht. Denken Sie sich den wunderbarsten, prachtvollsten, in den herrlichsten Tinten weithin glühend lohenden Abendhimmel; denken Sie ihn reflectirt von der weiten unendlichen Meerflut; und dann denken Sie sich an dieser schäumenden Meerflut mit ihren bald rosig, bald violett, bald purpurn aufkochenden Brandungswogen entlang den Strand gerade so gewendet, daß er just dem Punkte zuläuft, wo eben die Sonne niedersinkt. Frei geworden von den goldenen Wolken, welche über ihr stehen, wirft sie eben ihren vollen Strahlenguß Ihnen entgegen auf den gelben feuchtglänzenden Strand, der wie ein breiter lockender Pfad in die geöffneten Himmelsthore hineinzuführen scheint.

Ich werde den Eindruck dieses Anblicks nie vergessen. Das Schauspiel um mich her hatte etwas Urweltliches, es war wie in den ersten Schöpfungstagen der noch unbewohnten, stillen, großen Welt!

Und wie in den ersten Schöpfungstagen, zur Zeit des Wechselverkehrs der Himmelsbewohner mit den Menschen der Erde, standen ja auch die Thore des Himmels weit offen geworfen. Ich glaubte wirklich in den offenen Himmel zu blicken und ich wollte hinein in diese purpurne Herrlichkeit. Ganz weit, weit vor mir, durch die Entfernung verkleinert, sah ich zwei Gestalten sich bewegen – vielleicht wollten auch sie hinein in den offenen Himmel, vielleicht waren es Engel, die herausgekommen, um auf diesem sammtweichen schönen Pfade am Ufer des Meeres spazieren zu gehen!

So lief ich eine lange, lange Strecke, bis mir der Athem schwand und ich nach und nach zugleich meinen Muth schwinden fühlte – denn zu meinem Schrecken mußte ich wahrnehmen, wie die Sonne immer tiefer sank und verschwand und wie die Farben kälter, bleicher wurden und wie sie zu erlöschen begannen und wie der Vorhang der Nacht vor den Thoren des Himmels langsam herabzurollen drohte. Gewiß, ich kam nicht mehr zu rechter Zeit. Mein Herz krampfte sich ängstlich zusammen … ich lief noch eine Strecke – dann blieb ich stehen … meine Kräfte waren zu Ende und ich begann bitterlich zu weinen.

Zum guten Glück waren mir die Engel näher gekommen, welche am Ufer unserer Nordsee spazieren gingen. Diese Engel trugen Cylinderhüte, Ueberzieher und Stöcke.

Es waren Herren aus dem nächsten Seebade, ein älterer Mann und ein jüngerer; für mich aber waren sie in der That Engel, Engel der Rettung.

Woher kommst du, Kleine? sagte der ältere, die Hand auf meine Schulter legend.

Ich verdoppelte meine Thränen, ohne zu antworten.

Sprich, woher kommst du, wohin willst du …? so sprich doch, Kind!

Ich wollte dahin … in den Himmel! rief ich jetzt, nach Westen deutend und in ein furchtbares Schluchzen ausbrechend.

Die beiden Männer lächelten und der ältere sagte freundlich:

Mein Kind, in den Himmel kann man nicht laufen … Du mußt umkehren und zu den Deinigen zurück, die sich um dich ängstigen werden. Sag uns, woher du kommst, wie du heißt!

Ich nannte ihm meinen Namen.

Sie waren offenbar überrascht dadurch.

Und man läßt dich so allein hier an der See umherlaufen? sagte der jüngere Mann.

Der Vater hat ein Landgut in der Nähe, bemerkte der ältere; es wird uns nichts anderes übrigbleiben, als sie dahin zurückzubringen, denn es wird bald Nacht werden und wir können sie nicht sich selbst überlassen.

Freilich, fiel der jüngere mit dem Tone des Verdrusses ein – obwol es eine Viertelstunde wenigstens ist und wir selbst dadurch sehr tief in die Nacht gerathen werden!

Sie führten mich den Weg, den ich gekommen, zurück.

Mit welchen falschen Vorstellungen man solch ein Mädchen aufzieht … das sind dann die Folgen, bemerkte der jüngere ärgerlich, und unsereins hat am Ende die Last davon!

Die Last ist noch zu ertragen, sagte der ältere lachend › klagen Sie, wenn Sie sich verheirathen und eine mit solchen Vorstellungen aufgezogene Frau bekommen haben, die Sie auf den rechten Weg bringen müssen – das ist mühsamer!

Nun ja, versetzte der andere, freilich. Und dann sich zu mir wendend, sagte er: Du mußt nicht glauben, Kleine, daß der Himmel ein mit Purpur und Gold ausgeschlagener Saal sei, in den man hineinlaufen oder auf einer Jakobsleiter steigen könne. Der Himmel ist kein Ort, du bist alt genug, das zu begreifen. Er liegt weder hinter, noch vor, noch da oben über uns. Er ist, wo man sich glücklich fühlt. Für dich ist er bei deiner Mutter!

Der junge Mensch sprach in diesem Tone weiter, noch immer ärgerlich wie es schien, bis der ältere sagte:

Sie sorgen wenigstens dafür, daß die Kleine um etwas gewitzigter nach Hause zurückkommt von dieser Escapade!

Es wurde dunkler und dunkler und ich gerieth bald in eine neue Noth, als die Herren von mir die Angabe der Stelle verlangten, wo man rechts ab in die Dünen hinein müßte, um zum Landsitze meines Vaters zu gelangen. Ich wußte es nicht; vielleicht hätte ich bei Tage die Stelle nicht gefunden – gewiß nicht in der Dämmerung! In dieser Verlegenheit brachte uns ein Mann Hülfe, der uns rasch entgegengelaufen kam … es war einer der nach mir ausgesandten Bedienten – das ganze Haus war natürlich in Bewegung gerathen und alles auf den Beinen, mich zu suchen. Die Fremden übergaben mich ihm, sehr froh, ihren Weg auf diese Weise abgekürzt zu sehen, und gingen heim; ich aber war nach einer Viertelstunde wohlbehalten wieder unter dem väterlichen Dache, wo ich ausgezankt und heftig gescholten wurde. Man schien hier die Möglichkeit, in den Himmel laufen zu können, nicht in Abrede zu stellen, aber man machte ein Verbrechen daraus, daß ich es versucht hatte!

Ich vergaß diese Scheltworte sehr bald, aber ich vergaß weder mein kleines Abenteuer noch die Worte der beiden Fremden, die sie zu mir und unter sich gesprochen. Ich grübelte darüber nach, ich fragte mich, was das heißen solle, daß man uns Mädchen mit falschen Vorstellungen auferziehe; und wenn der Himmel nicht über uns war, nicht im Ost und nicht im West – was war dann da oben? Mein ganzes Weltbild, der ganze Orbis-pictus, wie man meine Phantasie gelehrt ihn sich auszumalen, war umgestürzt, verwirrt, und ich fühlte mich sehr unglücklich darüber. Es war mir zu Muthe wie jemand, der aus einem wohnlichen, gemüthlich eingerichteten Hause, in welchem ihm jedes Eckchen traut und lieb geworden, in irgendein wüstes und leeres Gebäude zu ziehen gezwungen wird, in dessen öden kalten Räumen ihn fröstelt und bangt. Ich begann, was ich früher nie gethan, still auf die Gespräche der Erwachsenen zu horchen, und sie mir deuten zu wollen. Und sehr schlimm wurde es, als ich die Entdeckung machte, daß mein Vater mir eine andere »falsche Vorstellung« gemacht, daß er mir eine offenbare Unwahrheit gesagt, mich geflissentlich getäuscht habe, indem er mich immer versicherte, die Gaben, welche ich am Morgen des 6. December jedes Jahres erhielt, würden von einem heiligen Bischofe im goldenen Gewande, der auf einem weißen Rosse durch das offene Fenster geritten komme, gebracht. Ich ertappte meine Bonne, wie sie die Gaben niederlegte und ordnete, bei geschlossenem Fenster, das überdem so hoch von der Erde entfernt war, daß auch der verwegenste und sattelfesteste Heilige nicht mit einem Pferde hineinreiten konnte. Dies brachte einen tiefen Eindruck auf mich hervor. Man hatte mich belogen, ja mein Vater selbst hatte mich getäuscht! Ich konnte nicht darüber fortkommen. Alles Gute in mir fühlte sich gekränkt, empört. Es war einer jener Augenblicke, die wol jedermann zu erleben hat, aber die bei dem einen tiefe Spuren hinterlassen und beim andern sich spurlos verwischen. Und von mir darf ich sagen: Tout se creuse effroyablement en moi. Das ist immer so gewesen. Ich habe immer alles überflüssig tragisch und ernst genommen!

Hermine wurde an einer Antwort auf diese Erzählung verhindert, denn der Wagen hielt und die Herren kamen heran, um wieder einzusteigen. Man hatte die Chaussee erreicht, die nun rasch in die Berggegend hineinführte. Und dann ging es von der Chaussee ab in ein schmäleres Thal hinein, einen hellen rauschenden Bach entlang, der den Fuß waldiger Höhen umschlängelte.

Und dann nach ein paar Stunden Fahrens, bei einer Windung des Weges, erblickte man Giebel und Dächer und Thürme von Haus Dornegge. Anna hatte es sich so groß, so imposant, so malerisch, wie es auf seiner Höhe vor dem grünen Hintergrunde eines Bergwaldes dalag, nicht vorgestellt.

An einer Mühle unten im Thale mußte man aussteigen. Der Weg zum Schlosse führte eine grasbewachsene Halde hinauf, die rechts von einem Gehölz junger Buchen begrenzt war, links von Hecken, über die man in die Gärten von Dornegge fortblickte. Und dann kam man an eine alte Brücke über den trockener, nach der Seite der Gärten hin zugeworfenen Schloßgraben und durch ein weites Thorgewölbe auf den Hof.

Anna stieß hier einen Ruf der Ueberraschung aus. Sie glaubte nie etwas Malerischeres gesehen zu haben.

Der alte Burghof war in der That sehr schön. Namentlich, wenn man ganz hindurchschritt und, vor dem hintern Querflügel angekommen, sich wandte, das ganze Bild zu überschauen.

Vor sich hatte man dann den Vorderbau mit der gewölbten Durchgangshalle, durch die man gekommen. Es war eine Structur aus dem 15. Jahrhundert vielleicht; in dem Gestock über der Durchfahrt zeigte sich eine Reihe offener Bogen, ein freier Arcadengang; die spitzbogigen Gewölbe waren von zierlichen kleinen Doppelsäulen getragen. Links erhob sich ein hoher Staffelgiebel mit zugemauerten und neugebrochenen, höchst unsymmetrisch vertheilten Fenstern und einem darangelehnten halben Thurm oder Ausbau, der ohne Zweifel eine Wendelstiege enthielt; Thüren mit freien Holztreppen führten hinein. Daran schloß sich, die linke Seite des Hofes bildend, ein hoher Holzbau mit allerlei Schnitzwerk auf dem Gebälke.

Von wirklich großer Schönheit aber war der Flügel, welcher die rechte Seite des Hofes abschloß, ein Werk des sechzehnten Jahrhunderts. Es war im Stil der Hochrenaissance aufgeführt, im sogenannten Barockstil. Ueber dem Ueberbau noch zwei Gestock hoch erhob es sich. Die Fenster waren von der reichsten Ornamentirung, zwischen ihnen eine Nische, mit dem Standbild eines Ritters darin, von einem Steinschmuckwerke umgeben, das sich in einen kleinen reichverzierten Giebel über dem Dachgesimse verlief.

Das Schönste aber war der vorspringende Ausbau an diesem Flügel. Dieser Ausbau, zu dem die mächtige Eingangstreppe emporlief, hatte unten eine offene von Pfeilern getragene kleine Halle, und darüber mehrere Stockwerke, an denen ein auffallend reicher Schmuck von Säulen und Karyatiden und Arabesken angebracht war, bis zur Spitze des in mannichfaltig gebrochenen Linien aufsteigenden Giebels – es war eine ebenso malerische als phantastische Architektur.

Da, wo dieser Flügel mit dem Vorbau zusammenstieß, füllte ein achteckiger Thurm mit hochgeschwungenem Kappenaufsatz den Winkel aus. Aus dem ersten Stockwerke dieses Thurmes führte eine Thür mit Fronton darüber auf einen Balkon, der unter den Fenstern des Flügels herlief, bis er an den Ausbau stieß.

Die vierte und letzte Seite des Hofes schloß ein einfacher und offenbar viel jüngerer Bau von zwei Stockwerken mit Mansarden – er enthielt, wie der Rath Zander erklärte, die Fremdenzimmer, unten die Küchen- und Gesinderäume, während der Flügel rechts die eigentlichen Wohnräume umschloß; in dem Bautheile links war Pachter und Oekonomiewesen untergebracht. In deren Nähe auch lag der alte Brunnen, von einer mächtigen Linde überschattet.

Das Ganze zeigte Vernachlässigung, Verfall, der Hof selbst die größte Unordnung aber es war so unbeschreiblich pittoresk, daß Anna von diesem Juwel von einem alten Edelsitze vollständig bezaubert war.

Wie konnten die Edern das fortgeben? sagte sie – mir ist das unbegreiflich!

Sie scheuten die Kosten, welche ein so großes, von ihnen nicht benutztes Gebäude zu seiner Unterhaltung verlangte, antwortete Gundobald.

Ich möchte es haben, ich möchte es besitzen, hier möchte ich wohnen! rief Anna aus.

Kommen Sie erst das Innere zu sehen, sagte der geistliche Rath – ich will Ihnen zeigen, wo und wie mein alter Freund hauste. Der Pachter wird die Schlüssel haben.

Gundobald ging, diese zu holen. Anna sah eine Weile stumm zu dem schönen Giebelausbau hinauf. Dann sagte sie:

Es ist mir vollständig zu Muthe, als sollte ich in die Wohnräume eines theuern geschiedenen Verwandten treten – so zieht mich die Erinnerung an diesen alten Freiherrn an …

Sie sind ja auch etwas wie eine Geistesverwandte, eine geistige Tochter von ihm, fiel Hermine lächelnd ein … haben Sie nicht etwas Aehnliches gethan wie er auch, als er diesen schönen Sitz verließ?

Es ist wahr, bemerkte Zander – Sie gehen am Ende den gleichen Weg mit ihm – einen Weg, setzte er hinzu, der aber gefährlicher ist für Sie als für ihn!

Weshalb gefährlicher? fragte Anna.

Weil doch, ihn bis ans Ende zu gehen, einen Muth erfordert, den nur der Mann hat.

Sind Sie dessen so sicher? Nun wohl denn, dann will ich ablassen vom Weitergehen und bleiben da, von wo Nesselbrook ausging, versetzte Anna lächelnd … Herr von Burghaus soll mir Dornegge kaufen!

Du sprichst ein großes Wort gelassen aus! citirte der Rath.

Es ist mein Ernst! sagte Anna.

Und hätten Sie den Muth, so allein den alten Bau zu bewohnen?

Weshalb nicht? Ich fürchte die Einsamkeit nicht. Es gab nie eine Zeit in meinem Leben, wo ich einsam war. Ich möchte es einmal sein – ich fühle eine wahre Sehnsucht nach ein wenig Einsamkeit! Herr von Burghaus, fuhr sie zu diesem, der mit den Schlüsseln zurückkam, gewendet fort, wollen Sie Dornegge für mich kaufen?

Mit Vergnügen, antwortete Gundobald, der die Worte für Scherz nahm, ich würde in der romantischen Burg nichts lieber sehen als ein so romantisches Fräulein! Aber nun kommen Sie – hier diese Treppe zur Vorhalle hinauf!


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