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XI.

Einige Tage hatte Herzog Bernhard seinen Truppen Ruhe gönnen wollen in der so rasch eroberten Stadt, aber aus den Tagen wurden Wochen, aus den Wochen Monate, und als ein Vierteljahr vorüber war, lag er noch immer in Regensburg. Er freilich war daran nicht schuld, seine feurige Seele dürstete nach Taten, und er brannte vor Begierde, den Marsch auf die Hauptstadt des Erzfeindes anzutreten. Aber da er kein Abenteurer war, sondern bei aller Kühnheit seines Wesens ein besonnener und berechnender Feldherr, so mußte er seine Ungeduld zügeln, so bitter schwer ihm das auch wurde. Denn er mußte sich sagen, daß bei den Hindernissen, die sich ihm wider Hoffen und Erwarten entgegentürmten, das Vorrücken auf Wien eine Tollkühnheit gewesen wäre.

Zunächst machte ihm die ungünstige Witterung einen Strich durch seine Rechnung. Regengüsse über Regengüsse stürzten vom Himmel hernieder, machten die Wege ungangbar, brachten Bäche und Flüsse zum Überfluten und rissen allenthalben die Brücken hinweg. An ein Fortbringen schwerer Geschütze war gar nicht zu denken. Und nach dem Regen kam Schnee in unermeßlichen Mengen, und eine grimmige Kälte trat ein und hielt viele Wochen ohne Unterbrechung an. Nur ein Führer, der einen eisernen Willen besaß und sein Heer unbedingt in der Hand hatte, konnte in einem solchen Winter überhaupt ans Kriegführen denken.

Nun hätte ja beides dem Herzog nicht gemangelt, aber er sah sich mit einem Male im Stich gelassen von denen, auf deren tatkräftige Hilfe er sicher gerechnet hatte. Wohl war die Einnahme von Regensburg, wie er vorausgesehen hatte, in allen evangelischen Landen als ein großer Sieg bejubelt und gefeiert worden, und sein Name ward durch diese Tat so volkstümlich wie der Gustav Adolfs nach der Breitenfelder Schlacht. Gerade das aber machte den schwedischen Kanzler noch argwöhnischer, als er vorher schon gewesen war. Wo sollte das hin, wenn der Liebling der Soldaten nun auch noch zum anerkannten Helden der deutschen Nation wurde? Für Schweden kam dabei sicherlich nicht viel Gutes heraus. Man durfte ihn also nicht höher steigen lassen, mußte ihn kurz halten. So schrieb er ihm zwar die schmeichelhaftesten Briefe und verglich seine Taten mit denen der größten Helden der Vorzeit, aber für seine Bitten, ihm Geld und Truppen zu senden, hatte er immer nur Vertröstungen mit Worten zur Hand. Als endlich der Herzog forderte, Horn solle ihm mit seinen Truppen zuziehen, erhielt er vom Kanzler wie von dessen Schwiegersohn eine kurze Absage. Horn war auf Bernhards Feldherrnruhm eifersüchtiger als je, denn während der Herzog das wichtige Regensburg eroberte, hatte er nach vierwöchentlicher vergeblicher Belagerung von dem weit unwichtigeren Konstanz sieglos abziehen müssen. Man tat gut, von den Siegen Bernhards in seiner Gegenwart nicht zu sprechen, wie hätte man ihm zumuten können, sich und seine Truppen dem Beneideten zur Verfügung zu stellen! Als der Herzog selbst in ihn drang, gab er unfreundlich zur Antwort, seine ermattete Armee bedürfe der Winterquartiere, um sich auszuruhen von ihren Strapazen, und könne vor Anfang der wärmeren Jahreszeit nicht gegen den Feind geführt werden.

So war dem Herzog jede größere Aktion im Felde für jetzt unmöglich gemacht. Aber ganz und gar konnte er sich des Schlagens und Kriegführens nicht enthalten. Wenn die Witterung es irgend erlaubte, machte er Streifzüge ins Bayrische hinein, die den Kurfürsten nicht wenig ängstigten, und dem Kaiser zum besonderen Schrecken überrumpelte der tapfere Taupadel das feste Städtlein Cham, das dicht an der böhmischen Grenze lag. Aber etwas Großes und Entscheidendes konnte nicht geschehen, und als nun vollends eine schmerzhafte Entzündung der Augen den rastlosen Feldherrn ans Zimmer fesselte, hörten alle kriegerischen Unternehmungen auf, und die Truppen lagen ruhig in ihren Winterquartieren.

Da kam dem Herzog ein Ruf zum Marschieren von einer Seite, von der er es nimmermehr erwartet hatte.

Es war an einem besonders kalten und unfreundlichen Februarnachmittage. Während draußen die Dämmerung langsam herniedersank und ein feiner, körniger Schnee von den Dächern stiebte, saß Bernhard in seinem Regensburger Wohngemache und unterhielt sich sehr eifrig und angeregt mit zwei Herren. Der eine war sein getreuer Taupadel, der andere der Herzoglich weimarische Rat von Ponikau, der vor kurzer Zeit freiwillig in Bernhards Dienste übergetreten war und dem der Herzog ein Gutachten abgefordert hatte über die Wiederherstellung der Universität Würzburg. Die beiden hatten vor einem großen viereckigen Tische in der Mitte des Zimmers Platz genommen, während der Herzog in einem Armstuhle nahe am Kamin saß, mit dem Rücken der Flamme zu, um seine noch immer nicht ganz genesenen Augen zu schonen. Die zuckenden Lichter, die das Feuer ausstrahlte, erhellten allein das Gemach, denn durch die dicken, runden Fensterscheiben fiel nur wenig Licht, und die hohen Armleuchter auf dem Tische waren noch nicht angezündet.

Das Gespräch war von den Bahnen der hohen Politik und der Kriegsereignisse abgekommen und drehte sich jetzt um die Verhältnisse der Heimat. Der von Ponikau berichtete, daß der böse Feind im letztvergangenen Herbste sich absonderliche Mühe gegeben habe, in der Umgegend Weimars Übles zu stiften. In verschiedenen Feldfluren seien Hagelwetter niedergegangen, Raupen von einer bis dahin nie gesehenen Art, von unheimlicher Größe und grüner und gelber Farbe hätten zwischen Niedertrebra und Flurstedt im Ilmtale alle Bäume kahlgefressen und wären dann in einer Nacht allesamt wieder verschwunden, als habe der Erdboden sie verschluckt. Eine ungeheure Mäuseplage mache sich bei Jena bemerkbar, und was das Gravierendste sei, fünf Bürger von Weimar, die von einem Kindtaufschmause aus Oberweimar in der Nacht heimkehrten, hätten einen Ochsen mit feurigen Hörnern gesehen und wären in ihrem Entsetzen querfeldein gelaufen, und einer wäre in die Ilm geraten und darin ertrunken. Das alles zeige doch deutlich an, daß der Teufel dort umgehe und sein Wesen treibe.

Taupadel stieß einen grunzenden Laut aus und rief: »Bei dem Hagel und den Raupen und den Mäusen mag das seine Richtigkeit haben. Aber die Kerls, die den Ochsen gesehen haben, die sind wahrscheinlich besoffen gewesen!«

Der von Ponikau errötete vor Ärger, denn erstens konnte er Widerspruch nicht gut vertragen, und zweitens mißfiel ihm sehr der ungeschliffene Ton, in dem der alte Haudegen zu ihm sprach. Er versetzte daher sehr gereizt: »Fünf Leute, mein Herr von Taupadel, werden ja wohl, auch wenn sie, was ich nicht bestreiten will, etwas angetrunken gewesen sind, nicht derselben Halluzination oder Einbildung anheimgefallen sein, und ihrem Zeugnisse wäre demnach wohl zu trauen!«

»Fünf? Ich denke, einer war ertrunken? Zeugte der auch noch mit?« rief Taupadel wieder und lachte.

Der von Ponikau begann sich jetzt ernstlich beleidigt zu fühlen und entgegnete so laut und scharf, als ihm die fürstliche Gegenwart erlaubte: »Wenn Ihr das Vorkommnis bezweifelt, so setzt Ihr zugleich Eure Zweifel in die Weisheit und Einsicht des durchlauchtigsten Herzogs von Weimar. Denn Seine Fürstliche Gnaden Herzog Wilhelm haben daraufhin ein scharfes Mandat wider die Zauberei erlassen, das an allen Kirchentüren des Landes angeschlagen ist. Ich hoffe, daß Ihr nicht zu den Freigeistern gehört, die es leugnen, daß der böse Feind den Menschen in allerlei Gestalt erscheinen kann!«

»Fällt mir nicht ein!« brummte der General. »Das steht fest, und ich habe ihn, weiß Gott, auch schon gesehen, als ich nach einem weidlichen Gelage im Bären vor Jena über die Brücke des Grabens schritt. Er hatte in der Hand ein großes Holzkännlein, von der Art, wie sie dort gebräuchlich sind. Daraus trank er mir zu und gröhlte ein unanständiges Liedlein. Aber als ich nach dem Degen faßte, verschwand er eiligst nicht ohne Hinterlassung eines sehr übeln Gestankes.«

»Das wird der Saufteufel gewesen sein, Herr von Taupadel,« sagte Ponikau. »Jena ist seine liebe Stadt, seit sie dort die hohe Schule haben. Er soll aber zumeist solchen Leuten erscheinen, die des Guten zuviel getan haben und nicht mehr ganz nüchtern sind.«

»Was?« rief Taupadel zornig. »Ihr meint, ich hätte einen in der Krone gehabt? Herr, seht nach Euren Worten! Es lebt kein Mensch auf Erden, der Georg Christoph von Taupadel jemals trunken gesehen hätte!«

»Still, Ihr Herren! Keinen Streit!« begütigte der Herzog. »Wir wollen lieber darüber klagen und seufzen, daß wir in so elenden Zeiten leben. Der liebe Gott hat ersichtlich dem Teufel jetzt große Macht und Gewalt gegeben. Erst stiftet er Krieg und Blutvergießen ohne Ende an, dann verführt er unzählige einzelne Leute, daß sie ihres Taufbundes vergessen und sich ihm ergeben und mit seiner Hilfe ihrem Nächsten schaden. Es ist eine schwere, betrübte Zeit!«

»Da haben Eure Fürstlichen Gnaden ohnstreitig recht!« rief Taupadel. »Und was mir manchmal absonderliche Gedanken macht, ist diese Frage: Warum ist dem Teufel so viele Macht gegeben auch in den Ländern, die Gottes Wort haben? Daß er unter den Päpstlichen rumort und sein Wesen treibt, das ist ganz in der Ordnung. Aber warum darf er auch da hausen und zutage kommen und die Leute verführen, wo das Licht des reinen Evangeliums leuchtet?«

»Habt Ihr nie gelesen,« erwiderte der Herzog ernst, »daß auch die Auserwählten Gottes sollen versucht werden? Ist er nicht unserm Herrn Christus selbst erschienen? – Aber, was ist das?« unterbrach er sich. »Geht doch einmal ans Fenster, Taupadel, und seht zu! Ich höre Pferdegetrappel vor dem Hause. Sind's Reiter von den Unsrigen, oder ist's eine Stafette?«

Der General sprang zum Fenster und riß es auf. Er mußte scharf ausspähen, ehe er in dem Halbdunkel etwas Deutliches erkannte.

»Fürstliche Gnaden!« sagte er endlich, das Fenster wieder schließend, »mich dünkt. Ihr erhaltet einen wunderlichen Besuch. Wenn mich mein Auge nicht trügt, so steigt da unten der Herzog von Lauenburg vom Pferde.«

Bernhard fuhr auf. »Wie? Der Lauenburger? Wie käme der hierher, und was sollte er bei mir suchen?«

»Ich will Eure Fürstliche Gnaden nicht weiter stören,« sagte Ponikau und erhob sich.

Der Herzog streckte ihm die Hand hin. »Ade, mein lieber Ponikau. Ich sehe Euch noch beim Abendessen. Ihr, Taupadel, wartet unten und haltet Euch zu meiner Verfügung. Es mag sein, daß ich Euch zu der Unterredung holen lasse, wenn es wirklich der Lauenburger ist, der mich aufsucht.«

»Sehr wohl, Fürstliche Gnaden!« erwiderte Taupadel und verließ mit dem Rate das Gemach.

In der Miene des zurückbleibenden Herzogs prägte sich das tiefste Mißvergnügen aus; sein Gesicht verfinsterte sich noch mehr, als der wachthabende Kornett eintrat und nun wirklich seine Fürstliche Gnaden den Herzog von Lauenburg meldete. »Ich lasse bitten!« sagte er kurz und blieb in der Mitte des Zimmers stehen, in das jetzt ein dem Offizier folgender Diener ein Licht hineintrug zum Anzünden der Armleuchter. Die Courtoisie und höfliche Sitte hätten es erfordert, daß er dem hochgeborenen Gaste bis an die Treppe entgegenging, aber, er konnte sich nicht dazu überwinden. Der Herzog Franz Albrecht von Lauenburg war ihm widerwärtig, geradezu verhaßt, obwohl er die furchtbare Sage nicht glaubte, die sich an seinen Namen heftete. Es wurde dem Lauenburger nachgesagt, er habe in der Schlacht bei Lützen Gustav Adolf meuchlings erschossen. Bernhard wußte wohl, daß der König von kaiserlichen Reitern erschossen und erstochen worden war, aber er verstand es, daß das Volk gerade dem Lauenburger die schändliche Tat andichtete. Denn der war ein Mensch ohne Treu und Glauben, ein gewissenloser Parteigänger, der erst in des Kaisers, dann in des Schwedenkönigs Dienst gewesen und bald nach der Lützener Schlacht zu den Kursachsen gegangen war. Dabei wußte jedermann, daß er mit Wallenstein heimliche Freundschaft hielt. Was wollte der Mensch bei ihm? Gedachte er vielleicht wieder auf die schwedische Seite zu treten? Versuchte er das, so war er entschlossen, ihm die Aufnahme zu verweigern.

Da fiog die Tür auf, und der Lauenburger trat ein. Bernhard erschrak, als er seiner ansichtig wurde. Blaß und wüst hatte er ja von jeher ausgesehen, aber es kam dem Herzog vor, als trete der Zug der dämonischen Gemeinheit, der das von Natur schöne Angesicht von jeher entstellt hatte, jetzt noch zehnmal schärfer hervor als vor einem Jahre.

Mit der aalglatten Gewandtheit, die ihm, wenn er wollte, zu Gebote stand, begrüßte der Lauenburger den Herzog, als ob sie die besten Freunde wären, entschuldigte sich, daß er ihn störe, bedauerte aufs tiefste, daß er ihn leidend fände, und wünschte dem Herrn Bruder von ganzem Herzen baldigste Genesung. Dabei drückte er immer wieder Bernhards Hand, die ihm der Herzog widerwillig gereicht hatte.

Endlich unterbrach Bernhard den Schwall zierlicher und höflicher Worte, indem er auf einen Sessel wies. »Ich bitte den Herrn Bruder, Platz zu nehmen und mir zu sagen, was mir die Ehre seiner Visite verschafft.« Er sprach sehr steif und förmlich, und der Lauenburger merkte sogleich, daß die Tonart, die er angeschlagen hatte, keinen Eindruck hervorbrachte. Darum sagte er, merklich förmlicher und kühler als vorher: »Wie es meines Herrn Bruders Liebden gefällt. Ich komme sogleich ad rem. Es ist eine Botschaft des Herzogs von Friedland, die ich Eurer Liebden ganz sekret auszurichten habe.«

»Was könnte der Herzog von Friedland mit mir sekret zu verhandeln haben?«

»Es gilt einem großen Werke, dem Frieden!« versetzte der Lauenburger bedeutungsvoll, und als der Herzog ihm nur starr ins Gesicht blickte, ohne etwas zu sagen, fuhr er fort, indem er dabei nach seiner Gewohnheit die Augen unruhig im Zimmer umherwandern ließ: »Der Casus steht also: Wie Eurer Liebden bekannt ist, steht der Herzog von Friedland seit längerer Zeit mit Seiner Durchlaucht dem Kurfürsten von Sachsen in Verhandlungen, die dahin tendieren, der werten deutschen Nation den hochnötigen Frieden zu verschaffen.«

Bernhard nickte, erwiderte aber nichts, sondern fuhr fort, ihn ernst und ruhig anzublicken. Der Lauenburger geriet dadurch einigermaßen aus der Fassung, er hüstelte, rückte unruhig auf seinem Sessel hin und her und fand erst nach einigen Augenblicken den Faden seiner Rede wieder.

»Der Plan des Herzogs ist der Majestät in Wien durch Verrat hinterbracht worden, man hat gegen ihn intrigiert und es dahin gebracht, daß der Kaiser ihn bereits insgeheim kassiert hat und nun nach seinem Kopfe trachtet. Darum will der Herzog dem Kaiser ganz desertieren, zu uns übergehen und seine Truppen mit den unsern konjungieren.«

»Wird seine Armee ihm folgen?« warf Bernhard kurz dazwischen, ohne besonderes Erstaunen zu verraten.

»Leider sind Gallas und Piccolomini ihm untreu geworden. Aber die Mehrzahl der Generale und Obristen hängen ihm noch an. Der Herzog ist mit Terzky und Illow und Kinsky und anderen Vertrauten nach Eger gezogen und läßt Euer Liebden bitten, eilfertig Ihre Dragoner und sonstige Kavallerie gegen Eger avancieren zu lassen, um sich mit den Truppen des Herzogs zu konjungieren. Ich hoffe, Euer Liebden werden nicht säumen.«

»In einer so importanten Sache«, erwiderte Bernhard, sich erhebend, »können Euer Liebden unmöglich verlangen, daß ich mich auf der Stelle entscheide. Morgen nach dem Gottesdienste werde ich Eurer Liebden meinen gefaßten Beschluß mitteilen.«

»Herrgott! rief der Lauenburger, der nun gleichfalls aufstand. »Das sind noch fünfzehn bis sechzehn Stunden! Und ich wollte am liebsten sogleich einen Kurier nach Eger absenden. Mein Herr Bruder wolle doch bedenken, daß solche Dinge Eile haben, die größte Eile! Ich bin erstaunt. Eure Liebden so kalt zu sehen bei der hochwichtigen Botschaft. Meinte vielmehr, Ihr würdet vor Freuden auffahren! Statt dessen zaudert Ihr und wollt Euch lange bedenken! Wollet es dann aber auch verantworten, wenn durch dieses Zaudern unsern Waffen ein großer Schade geschieht.«

»Euer Liebden wollen versichert sein, daß ich die Verantwortung mit gutem Gewissen auf mich nehme,« erwiderte der Herzog ebenso kühl, wie er bisher gesprochen hatte, und geleitete dann den Lauenburger, indem er selbst einen der Leuchter ergriff, bis an die Treppe.

Kaum aber war er in seinem Gemache wieder angelangt, so ließ er die Maske fallen. Eine große Erregung spiegelte sich in seinen Zügen wider, und er schellte heftig nach dem General Taupadel. Dem erzählte er hastig, was ihm der Lauenburger berichtet und angesonnen hatte, und fügte hinzu: »Was ich von der Sache denken soll, weiß ich nicht. Möglich wäre es, daß der Friedländer in großer Not ist, denn daß er mit Verrat umgeht, weiß ich lange. Möglich ist's aber auch, daß er uns in Sicherheit wiegen und uns überrumpeln will. Vielleicht sind seine Reiter schon unterwegs. Der Wallenstein ist durch und durch ein Lügner, hat bisher noch jedermann betrogen. So wollen wir uns vorsehen. Schickt mir sofort den Geheimschreiber herauf! Alle Obristen, die auswärts liegen, bekommen Befehl, sich sogleich hierher zu konzentrieren.«

Die Meinung, der Friedländer habe einen großen Betrug vor, befestigte sich in Bernhards Seele während der Nacht, die er fast schlaflos verbrachte, und er entließ am andern Morgen den Lauenburger mit dem Bescheid, nur dann werde er sich gegen Eger in Bewegung setzen, wenn der Friedländer öffentlich vom Kaiser abgefallen sei. –

Als Bernhard am übernächsten Tage die Wälle inspizierte, ward ein Mensch zu ihm geführt, der ihn hatte sprechen wollen. Er war trotz der Winterkälte nur mit den allernotdürftigsten Kleidern versehen, seine bloßen Füße bluteten, und an der Stirn hatte er eine offene Wunde.

»Wer bist du, und was willst du von mir?« fragte der Herzog. »Man hätte dir ein Wams geben sollen und Schuhe an die Füße, ehe man dich zu mir führte.«

»Herr, ich bin der Reitknecht des Herzogs von Lauenburg. Reiter haben uns überfallen bei dem Städtchen Tirschenreut. Meinen Herrn haben sie gebunden fortgeschleppt, zwei von uns Knechten erschlagen. Ich bin ihnen eschappiert, als sie in einer Schenke im Walde die Pferde fütterten und in der Stube Bier tranken.«

»Der Mann war wirklich beim Lauenburger, ich habe ihn vorgestern gesehen,« sagte Taupadel.

»Und wer waren die Reiter?« rief der Herzog. »Kanntest du das Regiment?«

»Das Regiment kannte ich nicht. Aber es waren Kaiserliche. Und sie erzählten sich, der Herzog von Friedland wäre ermordet in Eger und alle seine Spießgesellen mit ihm.«

Verwundert und erschrocken blickten Bernhard und Taupadel einander an. »Sollte das wahr sein?« murmelte der Herzog.

»Ganz wahr, Eure Durchlaucht,« sagte der Reitknecht. »Sie wußten alles ganz genau. In der Nacht sind sie eingedrungen und haben die Tür gesprengt und ihn mit einer Pike in den Leib gestoßen. Und den Leichnam haben sie im Hemde in den Schnee geworfen.«

Wieder sahen der Herzog und der General einander an. »Es wird Wahrheit sein,« sprach Bernhard. »So war sein Anerbieten doch keine Lüge, er war wirklich in der letzten Not. Aber wie hätt' ich dem alten Betrüger glauben können? Wie kann man überhaupt einem Menschen glauben, der selbst nichts glaubt, auch nicht an Gott? Auch wäre meine Hilfe wohl zu spät gekommen. Und warum hätt' ich auch eilen sollen? Warum?« Er sah eine Weile nachdenklich in die Ferne, und indem ein harter Zug in sein Antlitz trat, fuhr er fort: »Männer wie Pappenheim oder Tilly haben uns bekämpft, weil sie in der Verblendung lebten, ihr Glaube sei der alleinseligmachende. Für solche Leute betet, wer unserm Herrn Christo nachfolgen will: Vater, vergib ihnen, denn sie wissen nicht, was sie tun. Aber solch einer war der Friedländer nicht. Er focht nicht für einen Glauben, denn er hatte keinen. Er focht auch nicht fürs deutsche Vaterland, denn er war ein Tscheche. Er kämpfte nur für seinen Geiz und seine Ehre. Nun hat er seinen Lohn dahin. Möglich, daß er zuletzt den Frieden wollte, denn der Schwamm hatte sich voll und übervoll gesogen. »Taupadel,« er faßte den Vertrauten am Arme und blickte ihm starr in die Augen, »ist der Friedländer tot, so kommt eine neue Zeit. Er war krank an Leib und Geist; wer nun an seine Stelle tritt, er sei dumm oder gescheit, wird wenigstens nicht diplomatisieren und finassieren, sondern wird die große Armada zu brauchen wissen. So stehen uns bald Kämpfe bevor, man wird uns nicht immer nur herankommen lassen, man wird uns angreifen. So wird's. Denkt an mich. Vor der Hand aber wird da drüben eine greuliche Unordnung sein. Wollen sehen, ob wir im Trüben fischen können!«


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