Arthur Schnitzler
Der Schleier der Beatrice
Arthur Schnitzler

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Fünfter Akt.

Scene des dritten. Ganz dunkel. Die Kerzen herabgebrannt. Der Schleier liegt wie leuchtend nicht ganz in der Mitte, mehr rechts, wo ihn Beatrice heruntergleiten ließ. Die Leiche des Filippo Loschi beinahe ganz unter den Vorhängen des Alkovens; man sieht gar nichts von ihr, wenn der Vorhang aufgeht. Die Scene ist eine Weile leer. Es ist anfangs still. Nach einiger Zeit Lärm auf der Straße, Lachen, das wieder verklingt. Wieder vollkommene Stille. Dann tritt durch die offene Thür rechts Beatrice, der Herzog hinter ihr, ihre linke Hand mit seiner rechten haltend. Sie geht gleich auf den Schleier zu, hebt ihn auf.

Beatrice. Hier ist er! Und nun kommt!

Herzog bleibt regungslos stehen.

Beatrice.                                               Ich bitt' Euch, kommt!
Ihr seht, der Schleier ist's, den Ihr mir gabt.
Ich hielt mein Wort, nun haltet Eures auch,
Und laßt uns geh'n.

Herzog regungslos.

Beatrice in immer heftigerer Angst.
                              Nach nichts zu fragen schwort Ihr!
So kommt, verlassen wir den Ort – ich bitt' Euch!

Herzog sehr ruhig, sie immer bei der Hand haltend.
Sind's immer noch die Schauer nahen Morgens,
Daß Deine Finger beben?

Beatrice.                                   Geh'n wir fort!

Herzog. Noch nicht.

Beatrice.                   Dies ist der Schleier.

Herzog.                                                         Ja, er ist's.

Beatrice. Und was ich auch gethan, Ihr habt's verzieh'n!

Herzog. Das that ich.

Beatrice.                     Also fort – ich bitt' Euch, fort!

Herzog. Dies Haus gleich zu verlassen, schwor ich nicht.

Beatrice. Was wollt Ihr hier?

Herzog.                                    Das Licht des Tag's erwarten!

Beatrice. Bis dahin währt's noch lang.

Herzog.                                                 Die Dämmer steigen
Dort über'm Thurm – siehst Du nicht, Beatrice?

Beatrice sich erinnernd.
Ja – über'm Thurm. – Nein, Sterne flimmern dort!

Herzog. Sie löschen aus, der Himmel ahnt den Tag.

Beatrice. Doch wenn er kommt –

Herzog.                                           Was dann?

Beatrice.                                                             Dann öffnen sich
Die Thore und Ihr zieht hinaus in's Feld –
        Indem sie ihrer Stimme einen verführerischen Ausdruck zu geben sucht.
Und diese Nacht, mein Fürst und mein Gemahl,
Versank und kommt für uns nie wieder!

Herzog.                                                         Nie! –

Beatrice. So geh'n wir doch! Seht, sind wir erst daheim,
Dürft Ihr mich fragen und dürft alles wissen.
Nur fort von hier! – Bin ich nicht Euer Weib –?
Und daß ich alles dies gethan – nun ja –
Ihr wißt nicht, was es war, doch ist es viel –
Und war doch nur für Euch – das muß wohl sein –
Ich lieb' Euch so! Und wenn der Tag erscheint,
Geht Ihr von mir, und ob Ihr jemals heimkehrt,
Wer weiß? Wer weiß? – Den Schleier halt' ich fest,
Ich werd' ihn nicht zum zweiten Mal verlieren!
        In immer stärkerer Erregung, wie dem Wahnsinn nah.
Nach Hause also! Sehnst Du Dich denn nicht
Nach meinen Küssen? Denke, was Du that'st,
Mich zu gewinnen! Bist ein Herzog doch,
Und nahmst mich gleich zum Weib, da ich's verlangte,
Und schenktest mir so viel und gabst ein Fest,
Und morgen früh mußt Du davon und – höre –
        Wie mit einer letzten Anstrengung.
Ich liebe Dich!

Herzog.                   Sei ruhig, Beatrice,
Dir ist verzieh'n, Du bleibst die Herzogin,
Und in die Arme schließ' ich Dich als Weib.

Beatrice. So komm'!

Herzog.                     Wohin? Das prunkende Gemach,
Wo meine Väter ihre Hochzeit hielten,
Und Parmas Fürstentochter mich empfing,
Scheint mir für uns're Brautnacht nicht der Ort!

Beatrice. Nicht edel ist mein Stamm, ich weiß – doch seht,
Ich bin sehr schön, und Ihr nahmt mich zum Weib!

Herzog. Du bist's! begreif' es nur! Doch mich verdrießt's,
Mit Dir zurückzukehren in mein Schloß,
Und uns'rer Feier wähl' ich andern Ort!

Beatrice. Wo wollt Ihr hin?

Herzog.                                 Ich wüßte keinen bessern
Als diesen hier, wo Du den Schleier ließest.

Beatrice. Was – sagt Ihr?

Herzog.                             Keinen würd'gern, Beatrice,
Und sucht' ich ganz Bologna danach ab.
Ob dies ein Haus verruchten Zaubers ist,
Ob Du hier schwelgtest in geheimen Lüsten,
– Ich frag' es nicht! – doch, wie es sei, nur hier
Soll diese wunderbare Hochzeit enden!
Hier, schöne Beatrice, wirst Du mein!
Was ist Dir? Immer noch die Morgenschauer?
        Er berührt sie.
Daß Finger – Hände – Arme – Hals Dir zittern?

Beatrice schaudernd.
Laßt mich! Ich bitt' Euch, laßt mich!

Herzog um sich schauend.                         Mählich dringt
Mein Blick in's Dunkle, ungefragt enthüllen
Vorlaute Schimmer dieses Raums Geheimnis!
        Sieht die Vorhänge.
Hier wallt es faltenschwer zur Erde nieder –
Komm, Beatrice, dort ist's aufgerichtet,
Das solcher Ehren nimmer sich versah,
– Das Brautbett wartet, Fürstin von Bologna!
        Er zieht sie mit sich.

Beatrice. Laßt mich!

Herzog.                     O, regt sich Scham ein letztes Mal?
So denk', 's ist eine Gruft, so schwarz und stumm,
Darin wir uns're Seufzer keusch begraben.
Komm, Beatrice!

Beatrice.                     Laßt mich!
        Reißt sich los, steht abgewandten Gesichtes da.

Herzog.                                         Welche Nähe
Und welche Furcht giebt Deiner Schwäche Kraft?

Beatrice in wachsender Verzweiflung.
Nein, sag' ich Euch! Eh' Ihr mich anrührt, Herzog,
Eh' Ihr dorthin geht – seht, wahrhaftig mein' ich's –
Hier ist mein Herz! – Ich bitt' Euch, bringt mich um.
Ich selber bin zu feig, Ihr wißt! Auch so
Ist's furchtbar, wie sie's dort im Schlosse wollten.
Doch Ihr sollt's thun – und gleich!

Herzog.                                                 Wo bin ich?
Nun, blödes Auge, willst Du nicht einmal
Mit eigenem Lichte schau'n? Mußt Du auch heut'
Vom letzten Tage noch den Strahl Dir leih'n?

Beatrice. Zu mir! Zu mir!

Herzog den Vorhang hebend, erblickt den Körper des Filippo .
                                  Ich sehe – sehe – sehe!
Wach' auf! Schläfst Du so fest? War Eu'r Umschlingen
So wild, war Euer Rausch so tief, daß Dich
Mein Ruf nicht weckt! Wach' auf! Beschämt Dich die nicht,
Die unermattet kam aus Deinen Armen
Ins Schloß, wo eine Brautnacht ihrer harrte
Und wieder her zu Dir und aufrecht steht –
Und Du liegst wie'n Betrunk'ner hingestreckt?
Seh' ich um Deinen Mund ein Lächeln spielen?
Kommt Licht aus Deinen Locken, daß ich sehe?
Bist Du so stolz, daß Deines Fürsten Braut
Am Hochzeitsabend Deine Hure war,
Und träumst davon? Wie oder glaubst, daß dies,
Was jetzt geschieht, ein Traum? Du irrst! Du wachst!
Merkst Du's und regt sich's unter Deinen Lidern?
Steh' auf! Nicht länger mehr gelingt's, den Schlaf
Zu heucheln! Früh' ist um Dich, und ich sehe
Dein Lächeln sich in angstvoll Grinsen wandeln
Und Grau'n die Augen aus den Höhlen treiben!
So rühr' Dich doch! Lähmt Dich der Schrecken so,
Daß Du nur starren kannst mit off'nem Maul?
Ich will Dir helfen! Rüttelt ihn. Schrei' Dir was in's Ohr,
Was Einen, der nicht nied'rer als ein Knecht,
Wehrloser als ein Lahmer, taub wie'n Leichnam,
So rasend macht, daß, hätt' er tausend Leben,
Er alle hinwirft, seine Wut zu stillen!
Ich spei' Dir ins Gesicht, Du feiger Hund!

Jetzt läßt der Herzog den Körper des Filippo los, der schwer zurückfällt. Der Herzog sieht nun, daß Filippo tot ist; er wendet sich zu Beatrice, die während der ganzen Anrede regungslos dagestanden ist. Wie der Herzog zu ihr tritt, scheint durch ihren Leib ein letztes Zittern zu gehen; von jetzt an ist sie völlig gefaßt und spricht ruhig.

Herzog. Du hast's gewußt?

Beatrice.                             Ich hab's gewußt.

Herzog. Warum noch diese letzte Schmach, den Toten
Mich schmäh'n zu lassen?

Beatrice.                                 Ja, dies war die letzte.

Magnani tritt auf. Gleich hinter ihm Cosini.

Magnani. Mein Fürst, hab' ich mein Leben auch verwirkt,
Nun nehmt es hin, da ich Euch lebend finde!

Herzog. Ihr auch, Cosini? Sagt mir, wo ich bin!

Cosini. Ihr wißt's nicht? In Filippo Loschis Haus!

Herzog. In Loschis Haus? – Und dies –
        Mit Cosini zum Leichnam.

Cosini.                                                     Beim heil'gen Gott!

Herzog. Filippo Loschi?

Cosini.                             Ja, er ist's gewesen!

Herzog zu Beatrice.
Der starb um Dich? Und den verrietest Du?
Und mich um ihn? Und wied'rum ihn um mich?
Was bist Du für ein Wesen, Beatrice?
Und all dies Ungeheure mußte sein,
Daß ich Filippo Loschi sehen durfte –
Ein einzig Mal und so? Geheimes Walten!
In welche Tiefen muß ich untersteigen,
Die Wurzeln finden, wo sie sich verschlangen?

Francesco tritt ein; gleich hinter ihm die alten Nardis und Rosina in Ketten; Knechte mit ihnen.

Herzog. Was hat dies zu bedeuten?

Magnani.                                         Herr, vergebt,
Zu eig'nem Handel trieb gebieterisch
Der erste Ungehorsam, den ich wagte.
Die hier ließ ich mir folgen, ungewiß,
Wie weit auch sie in Schuld verstrickt, und ob
Bei solchem Drang der Zeit nicht jedes Zögern
Verzichten hieß auf Wahrheit und Gericht.

Herzog. In Ketten?

Francesco.             Herr, befehlt, daß man sie löse!
Unschuldig sind sie!

Herzog.                           Man befreie sie!

Den Nardis werden die Ketten abgenommen.

Francesco. Ich dank' Euch, Herzog! Auf Beatrice weisend.
                                                  Schuldig ist nur die,
Die meine brüderliche Innigkeit
Seit je mit ahnungsvoller Angst umfing,
Und die nun so von Schande trieft,
Daß, bis auf ihren Namen, tausendmal
In brünstige Gebete eingeschlossen,
Jeglich Erinnern, daß sie Schwester war,
Wie schmutz'gen Staub ich so mit Füßen trete!

Rosina. Elende!

Cosini zum Herzog, der in Sinnen verloren dasteht.
Mein Fürst, was ist Euch? Was befehlt Ihr, daß
Mit diesem Weib gescheh'? Die Stunden flieh'n.

Magnani. Laßt jetzt des Amts mich walten; denn das Wort,
O Herzog, das Ihr dieser gabt, ist nichtig,
Wie Eure Eh', vor jedem Tribunal,
Vor Gott und Papst und allen Kardinälen.

Rosina. Vergißt der Herzog, daß hier eine steht,
Die seine Gattin ist?

Fr. Nardi.                         So schweig', Du Böse!

Rosina. Und die ihm fortlief in der Hochzeitsnacht
Zu einem Liebsten!

Herzog.                         Wo ist alles hin?
Da steh'n sie nun und harren meines Worts,
Und übermächtig bannt sie das Gescheh'ne
Und lebt für sie und hat besond're Kraft.
Mir aber ist, als tränk', wie weicher Boden
Das Blut Erschlag'ner, dieser durst'ge Morgen
Den dunkeln Inhalt der entschwund'nen Nacht, –
Und sie, so wie ein Leichnam, unbegreiflich,
Liegt starr am Eingang meines letzten Tags.
Was ist mir alles dies? Nur Eins bewegt mich:
Daß dieser einsam starb und jene floh
Zurück ins Leben, fort von dem Geliebten,
Indes er dalag wie ein toter Hund!
Wie kam dies alles? Beatrice, sag's.

Fr. Nardi. So sprich doch, Beatrice! Wirf Dich auf die Knie' vor Seiner Hoheit, dem Herzog! Er wird gnädig sein! Er wird Dir das Leben schenken, wenn Du Dich auf die Kniee wirfst und ihn darum anflehst!

Beatrice. Wär's nur darum, so spräch' ich nicht ein Wort!
        Wendet sich jetzt zu dem Toten und sieht ihn lange an.

Herzog. Warst Du nicht, Beatrice, nur ein Kind,
Das mit der Krone spielte, weil sie glänzte, –
Mit eines Dichters Seel', weil sie voll Rätsel, –
Mit eines Jünglings Herzen, weil's Dir just
Geschenkt war? Aber wir sind allzu streng
Und leiden's nicht, und jeder von uns wollte
Nicht nur das einz'ge Spielzeug sein – nein, mehr!
Die ganze Welt. So nannten wir Dein Thun
Betrug und Frevel – und Du warst ein Kind!

Fr. Nardi. Beatrice, knie' nieder vor dem Herzog, bitte um Gnade!

Herzog. Hier hast Du Deine Tochter – sie ist frei,
Und Du laß alles Fürchten, Beatrice –

Beatrice an der Leiche.
Das ist vorbei! Und war doch das allein,
Was mich die fürchterlichen Wege jagte
Von Lüg' in Lüge, Schmach in Schmach, und mich
Hier neben Dir zu dem Toten anbetteln ließ den Andern,
Mich zu umarmen, – was mich dulden ließ,
Daß Deinem Leichnam arger Schimpf geschah, –
Und alles, weil's mich graute, da zu liegen
Wie Du. Jetzt aber bin ich müd', so müd',
Glaub' ich, wie nie auf Erden jemand war –
Warum gerade mir dies alles, sagt?
Und warum war ich auserseh'n vor Allen,
So Vielen Leid zu bringen, und weiß doch:
Ich wollte Keinem Böses! Staun' ich nun,
Daß ich es bin, der alles dies geschah,
Und macht mich dieses ungewohnte Staunen
So müd', daß nichts mehr in mir ist als Sehnsucht,
Daliegen, so wie Du, und fertig sein!
Ich bitt' Euch, thut's! Ein Stich, und allen ward
Nach Willen – zum Herzog bitte, thut's, mein guter Herr! –

Fr. Nardi. Mein Kind, was fällt Dir denn ein! Um Gnade sollst Du bitten, und Du bittest um Deinen Tod!

Herzog. Beatrice, –
Mein Dolch trägt kein Verlangen mehr nach Dir!

Francesco. Der meine um so heiß'res, Beatrice!
        Er stößt ihr den Dolch in's Herz; sie sinkt nieder.

Beatrice. Francesco – Du?

Herzog. Francesco! Er reißt ihm den Dolch aus der Hand.

Fr. Nardi. Meine Tochter! Francesco!

Francesco mit dumpfer Entschlossenheit.
Ich mußt' es thun!

Nardi. Was ist denn das? Um Himmelswillen – o, Du ungeschickter Junge – sie blutet ja! Beatrice, hat er Dir wehgethan?

Fr. Nardi. Deine Tochter ist tot, verstehst Du's? Unsere Tochter ist tot!

Herzog zu Francesco.
Wagt Deine Einfalt mehr, als sie begreift?

Francesco. Ging sie auch einen vielverschlung'nen Weg,
Dem ich nicht folgen kann durch seine Irren –
Ich sag's: noch jetzt, da sie im Tod hier liegt,
Füllt mich mit Grimm und Ekel, sie zu denken
Ohn' alle Weihe heil'gen Sakraments,
Schamlos zu flücht'ger Lust geworben
In eines Mannes Bett. – O Schmach und Elend!
Daß der sich selber auf den Weg gemacht,
Den's mein Amt war, beizeiten ihn zu senden!

Herzog. Du Knabe, schweig'! An diesen, der hier liegt,
Kann Deine Rache nicht heran!
So wenig, als mein Zorn.
        Bewegung.                 Geschäh' ein Wunder
Und würfen wir den Borgia in den Staub
Und brächten Freiheit uns'rer Stadt und zwängen
Zehn, hundert And're – dieses ganze Land,
Uns zu gehorchen, und ein Reich erstünde,
So mächtig und geeint, wie's Rom gewesen,
        Zu Cosini.
Und jenes fernste, dessen Schutt wir sahn, –
Und wenn's durch tausend Jahre herrlich blühte,
Einmal fiel's doch in Trümmer, wie die andern.
Ein Lied von dem, verweht's der Zufall nicht –
Ist ew'ger als der kühnste uns'rer Siege,
Der wieder nur Vergängliches erringt!
Dran werden Menschen einer späten Zeit,
Der uns're Thaten nichts als Worte sind,
In kühlen Stein gegraben zum Gedächtnis,
Wie wir, die Mitgebor'nen, sich erfreu'n
Mit gleichem Lächeln und mit gleichen Thränen.
Denn dieser war ein Bote, ausgesandt,
Das Grüßen einer hingeschwund'nen Welt
Lebendig jeder neuen zu bestellen
Und hinzuwandeln über allen Tod.

Es ist nahezu licht geworden, während der letzten Worte kam ein Bote, der mit Cosini gesprochen hat.

Cosini. Mein Fürst, der Bote bringt Bericht vom Thurm.

Herzog. Von Garisenda?

Vierter Bote.                   Wohl, erhab'ner Herr!
Es ist, wie wenn all' die Tausende rings um die Stadt mit einem Mal durch einen Ruf erweckt worden wären. Die Straßen, soweit wir blicken können, die Felder, die Hügel stehen voll Gerüsteter, und von San Luca flattern nicht allein die Standarten der Borgia, auch die Fahnen von Neapel und Frankreich sahen wir wehen.

Herzog zu Magnani.
Nun?

Fünfter Bote ist unterdes gekommen.

Herzog. Und was will dieser?

Cosini.                                       Fürst, er wagt es nicht,
Die Botschaft zu bestellen. Und ich selbst –

Herzog. Ich dächte, was es immer Böses sei,
Zu klagen bleibt uns doch nicht lang mehr Zeit.

Cosini. Die Pfeile trafen schon.

Herzog.                                     So sagt – wer ist's?

Fünfter Bote. Herr, von denen, die auf der Mauer von Isaia stehen, sind drei zu Tode getroffen worden.

Herzog. Die Mauer von Isaia – das ist die,
Wo Graf Andrea steht mit seiner Schar –
Er ist's?

Fünfter Bote. Wir sah'n ihn stundenlang zuvor
An gleicher Stelle steh'n, hochaufgerichtet –
Er war das erste Ziel und fiel sogleich.

Herzog. Auch Du vor mir? Pause. Francesco! gehe hin
Zum Thore von Isaia, Dir vertrau' ich
Die frühverwaiste Schar – Du sollst sie führen!
Was heute not thut, ward Dir mehr als Allen.
        Francesco ab.
Euch aber, denen diese Stadt vertraut ist,
Bis And're kommen, nicht mehr ich und die,
Trag' ich die Sorge auf, im ersten Glüh'n
Der Morgensonne, die zum Abschied grüßt,
Den Leichnam dieses sehr geliebten Dichters
Im Grab der Bentivoglio zu bestatten.
Und diese hier wie ihn! Die Spanne Zeit,
Die sie ums Licht des Lebens noch geflattert,
Bedeutet jetzt nichts mehr – sie starb mit ihm.
Er liebte sie, er starb, weil er sie liebte,
So ist sie hochgeehrt vor allen Frau'n!

Cosini. Die Sonne steigt empor.

Herzog.                                     Der Tag ist da.
Und in den gleichen Glanz geh'n wir hinaus,
Der uns vor einem Jahr ersehnte Fernen
Mit lichtem Schein umrandet hat, als baute
Der junge Morgen selbst das stolze Thor
Zum Eingang in die Welt, die uns empfing,
So festlich, wie der eig'nen Fülle jauchzend.
Heut' weist kein unermeß'ner Weg ins Weite,
Und vor den Mauern endet uns're Fahrt.
Und dennoch – mir erglüht die Sonne heut'
Verheißungsvoll wie damals, denn wir geh'n
Von allen Abenteuern, die im Dunkel warten
Dem neu'sten und gewaltigsten entgegen!
        Glocken von allen Thürmen.
Das Zeichen tönt, und mächt'ge Neubegier
Wie nie zuvor beflügelt meinen Schritt.
Ich freue mich des guten Kampfs, der kommt;
Die frischen Morgenlüfte atm' ich durstig
Und preise dieses Leuchten aus den Höh'n,
Als wär' es mir allein so reich geschenkt.
Das Leben ist die Fülle, nicht die
Und noch der nächste Augenblick ist

Er geht, Andere folgen.

Der Vorhang fällt.


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