Arthur Schnitzler
Der Schleier der Beatrice
Arthur Schnitzler

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Vier Fackelträger erscheinen in der Tiefe der Straße. Hinter ihnen, langsam nach vorn schreitend, der Herzog, Carlo Magnani, Guidotti, der junge Malvezzi und einige andere Edle.

Herzog. Ich wüßte keinen Bessern für dies Amt.

Magnani. So sehr mich meines Fürsten Gnade ehrt,
Ich wage der Entgegnung kühnes Wort.
Ob auch vor Anderm mich der Wunsch bewegt,
An einem Tag, wie der uns morgen anbricht,
Zur Seite meinem teuern Herrn zu sein,
Ich sprächt nicht aus, wüßt' ich nicht den zu nennen,
Den Fügung des Geschicks dazu ersah,
In dieser Stadt zu bleiben, wenn wir geh'n.

Herzog. Ihr meint Andrea.

Magnani.                           Keinen Andern, Herr!
Ihm starb die Mutter, und die Schwester, sagt man,
Verfiel in eine Art von stillem Wahn.
Ich bitt' Euch, Herr, laßt ihn daheim für mich!

Herzog. Das kann ich nicht. Ich will ihn bei mir haben
An einem Tag, wie der uns morgen anbricht.
Ich lieb' Andrea mehr als Euch, Magnani, –
Seid mir darum nicht bös', Ihr seid mir wert!
Auch bleibt die junge Gräfin nicht allein.
Denn folgt Andrea meinem Rat, noch heut'
Vermählt er sie dem Jüngling, den sie liebt.
Nicht trotz der Mutter Tod,
Nein, weil sie starb. Zu trauern ist nicht Muße,
In solcher Zeit; auch trocknen Thränen schnell,
Die Jugend den erfüllten Losen nachweint.
Ich selbst will diesen Bund mit Freude segnen –
Willkomm'ne Art, nicht mit des Fürsten Huld,
Nein, wie ein Freund Filippo zu begrüßen.
Laßt uns ins Schloß zurück! Dort wartet unser
Mit manchen Andern, die wir hinbeschieden,
Zu dieser wunderlich vermischten Feier,
Die so der Rückkehr wie dem Abschied gilt,
Filippo Loschi, und ich will ihn kennen.
        Sie kommen weiter nach vorn.
Ist das dieselbe Straße nicht, Malvezzi?

Malvezzi. Die Straße von Azeglio, Herr! Lächelnd. Dieselbe –
Und hier das Haus, vor dem die Schöne stand.

Herzog. Wir sah'n so viele jetzt auf unserm Gang,
Es war doch Keine schön wie sie!

Malvezzi.                                             Mein Fürst,
Daß wir so viele sah'n, ist Zufall nicht.
Ein wunderlich Gerücht durchlief die Stadt,
Das trieb sie Eurer Hoheit in den Weg.

Herzog Welch ein Gerücht?

Malvezzi.                             Es heißt, daß Eure Hoheit
Geneigt sei, eine Schöne zu erwählen,
Für diese letzte Nacht, die letzte vor –

Herzog. Vor morgen sagt, so sagt Ihr nicht zu viel
Und nicht zu wenig. Nun, kein übler Einfall!
Warum kam er nicht mir und schon heut' Mittag
An dieser Stelle? – Doch 's ist besser so!
Was uns noch übrig ist von dieser Nacht,
Sei zu erles'nern Freuden aufgespart,
Als uns der Frauen leichte Gunst beschert.
Denn wahrlich, oft genug hab' ich versucht,
Dem sich so viele Wunder offenbarten,
Auch dies zu kennen, das Ihr Liebe nennt.
Ich weiß von Wunsch und Lust und Ueberdruß –
Das Wunder fühlt' ich nie! Und daß Ihr lächelt,
Malvezzi, ist nicht klug!

Malvezzi.                             Vergebt mir, Herr!

Herzog. Was für ein Geck Ihr seid! Ich weiß, Ihr dachtet
Des Mädchens von Byzanz, das für den holden Blick
Der Eurer Jugend galt, so schwer gebüßt.
Doch hätt' ich die geliebt, wär's Euer Leib,
Der heut' im Grund des fernen Meeres modert,
Und nicht der ihre.

Malvezzi.                       Einer Andern dacht' ich, die
Um Euch, mein Fürst, ein Reich und einen Gatten
Und endlich eine Welt verließ.

Herzog.                                           Viel – meint Ihr!
Und doch beklag' ich ihren Heimgang nicht.
Wohl ihr, daß nicht mit leergetrunk'ner Seele
Sie rückgekehrt in ein verwirktes Dasein.
Zu Ende lebte sie ihr Glück. Ich wollte,
Es gingen Alle so zu rechter Zeit, –
So stünden wir an allen Gräbern heiter
Wie ich an jenem stand. – Ins Schloß, Ihr Herrn.

Cosini kommt von rechts.

Herzog. Cosini! Führt der Zufall Euch entgegen?

Cosini. Nein, Herr, ich folgte Eurem Weg mit Willen.

Herzog. Ihr spracht Filippo?

Cosini.                                     Wohl, ich hab's gethan.

Herzog. Wo ist er? . . . Seine Antwort –?

Cosini.                                                       Herr, kaum wag' ich –

Herzog. So war sie »nein«?

Cosini.                                   Sie war es!

Herzog lächelnd.                                       Nein? Zu den anderen. Hört Ihr?
Was hält ihn ab? Was nennt er selbst als Grund?

Cosini. Um erst den wunderlichsten mitzuteilen,
Er sei kein Dichter mehr.

Herzog.                                   Kein Dichter mehr?

Cosini. Und käm' als ein Betrüger an den Hof,
Folgt' er dem Ruf, der einem Dichter galt.

Herzog. Als könnte wer, mit Willen, nicht mehr sein,
Was er gewesen! Blindgeword'ne sehen,
Denn tief in ihnen löscht kein Zeichen aus –
Und Loschi sagt, – er sei kein Dichter mehr!
Sprich weiter, denn Du gabst Dich nicht zufrieden
Mit solcher Antwort, hoff' ich sehr.

Cosini.                                                     So ist's!
Doch keine bess're kam. In heft'ger Wallung
Traf ich ihn an; auch zweier Freunde Reden
Gleich meinen, wie in Zorn, verschlossen.

Herzog.                                                               War
Andrea bei ihm?

Cosini.                       Nein, mein Fürst; es scheint,
Gelöst ist das Verlöbnis des Filippo
Mit Teresina. Seine Freunde sagen,
Er lieb' ein and'res Mädchen.

Herzog.                                         Wer ist sie?

Cosini. Sie wissen's nicht.

Herzog.                             Wir hören mehr davon,
Denk' ich, wenn sich Andrea wieder zeigt.
Doch wahrlich, 's ist beinah wie eine Unbill,
Die uns ein mißgewandtes Schicksal sendet,
Daß sich Filippo unserm Ruf versagt.
Nein, mehr ist's! – als verriete mich ein Freund!
Denn wie man Freunde liebt, so liebt' ich diesen,
Der durch den Mund des Freundes zu mir sprach,
In Worten, wie in Befremden, fragend, die nun Lüge worden sind?
Und klangen doch so ohnegleichen wahr!
Daß sie mich glauben machten, was ich selbst
Doch nie gefühlt; – daß mir aus ihnen nur,
Was nie aus fremder Glut, aus eigner Lust
Bestandener Gefahr, für mich erlitt'nem Tod,
Nie aus des Lebens Fülle zu mir tönte!
Ich hätt' ihn gern gesehn, der das vermocht –
Mit Worten . . . die nun Lüge worden sind –!
Doch scheint's, die letzte Nacht nimmt andern Lauf,
Als ich ihr vorzuzeichnen willens war.
Kommt, Ihr Herr'n!

Magnani. Mein Fürst, wie unser Schicksal werden mag,
Mich dünkt, der Anlaß ist noch fern, sehr fern, –
Von einer letzten Nacht zu reden. Dringender. Herr,
Bolognas Mauern stehen fest wie je,
Und Speis' und Trank sind da für sieben Tage.

Herzog. Und wär's für sieben Jahre, Herr Magnani!
Was geht's mich an? Aus ungeheurer Freiheit,
Die nur des Himmels Fernen eingeengt,
Seh' ich von heut' auf morgen ins Gefängnis
Der ringsumschloss'nen Mauern mich gesperrt.
Ich trüg's nicht einen Tag, und trüg' es kaum,
Wenn eine Hoffnung bess'rer Zeiten winkte, –
Und uns winkt keine!

Magnani.                         Herr, unmöglich scheint's,
Daß ihres neugeschwor'nen Bunds die Fürsten
Neapels und Siziliens vergäßen!

Herzog. Scheint Euch unmöglich? Sagt doch, nahmt Ihr Einsicht
In die Papiere, die bei Mariscotti
Gefunden wurden? Zeigt sie ihm, Cosini!

Cosini. Mein Fürst, so sorgsam ich sie las, sie zeigen,
Daß man versucht hat, für die Pläne Cesars
Neapel zu gewinnen, doch nichts kündet,
Daß der Versuch gelang.

Herzog.                                 Er ist's! Heut' weiß ich's!
Und weiß auch, daß ich's wußte tief in mir,
Wo wir an lichten Tagen nicht hineinseh'n,
Schon vor zwei Monden, da wir in Neapel
An Anjou's Tafel saßen, – wie ich's wußte,
Was uns vom Borgia droht, als uns in Rom
Der Papst empfing mit heuchlerischen Armen.
Im Abschiedsmahl war uns der Tod bereitet,
Drum nahm ich Abschied, eh' das Mahl erschien.

Magnani. Ist dies auch wahr, noch eins bleibt zu bedenken.
Der Borgia ahnt nicht, daß es Euch geglückt,
Bologna zu erreichen, Mariscotti
War ihm der Herr der Stadt. Nun, da sein Plan
Mißriet, Bologna seinen Herzog wieder hat,
Wer weiß, ob Cesar nicht geneigt erscheint –

Herzog. Wozu? Davonzuzieh'n, wie er gekommen?

Magnani. Nicht das! Jedoch Bedingungen zu stellen,
Darüber man zu reden sich entschlösse.

Herzog. Bedingungen? – So ist nichts mehr zu reden!

Magnani. Und doch, Herr! Wenn er nun nicht mehr verlangt,
Als die Gewähr, daß künftig in Bologna,
Gleichwie in andern Städten auch,
Ein päpstlicher Legat verweilen dürfte?

Herzog. Wohl wär' das möglich, und auch mehr als das!
In's Lager lädt er mich, den raschen Frieden
Zu unterzeichnen, reist, wie schon mit andern,
Zum sichern Siegel eines neuen Bunds
Nach Rom mit mir, und läßt zur größten Sicherheit,
Wie unsern edeln Vetter von Verona,
Mich vor den Thoren seiner Stadt erwürgen.
All dies ist möglich, doch gewiß ist eins:
Daß auf der Welt für mich und Cesar Borgia
Nicht Raum genug ist, und daß er der Stärk're.
Inmitten dieses knechtischen Italiens,
Das Cesar unter seine Füße tritt.
Kann mein Bologna nicht mehr frei bestehen;
Auch im besiegten wird sich's leben lassen –
Am sichersten, – je früh'r – ich mich entfernt. –
Was kommen muß, wird kommen –, doch nichts zwingt
Den, der es nicht mehr schau'n will . . . d'rauf zu warten.

Wie sie vorwärts gehen, öffnet sich die Thüre zum Gewölbe der Nardi, und es treten heraus: Vittorino, Beatrice, hinter ihnen Francesco. Wie sie aus der Halle auf die Straße treten, kommen ihnen eben die Fackelträger des Herzogs entgegen, und die Gruppe ist dunkelrot beleuchtet. Der Herzog erblickt Beatrice, tritt einen Schritt zurück.

Herzog. Das ist sie!

Malvezzi.                 Ja, mein Fürst, es ist dieselbe.

Herzog auf Beatrice zutretend.
Nicht so geschwind vorüber, schönstes Mädchen!
Ich hoff', Ihr werdet Eures Herzogs Gruß
Nicht ganz verschmäh'n.

Francesco.                             Des Mädchens Bruder dankt
An ihrerstatt in Ehrfurcht seinem Fürsten.
        Zu Beatrice und Vittorino.
Kommt, laßt uns geh'n.

Herzog.                               Nicht also! Meines Grußes
Erwid'rung hört' ich gern von Dir, Du Schöne!

Beatrice schaut den Herzog lang an, dann verneigt sie sich.

Herzog. Nicht daß Du tief Dich neigst, hab' ich verlangt!
So wollt' ich, Du vergäßest, wer ich bin!
        Zu dem Gefolge.
Dies ist zu feierlich, entfernt Euch lieber!
Ich will nicht sein, wie dieser Herr von Pisa,
Der mit dem Szepter durch die Straßen ritt!
Nicht meines hohen Rangs möcht' ich bedürfen,
Um Dir zu sagen – sprich, wie heißest Du?

Beatrice. Beatrice.

Herzog. 's eine Stimme wie Gesang! Ich wollte, –
Du liebtest mich, Beatrice.

Francesco. Mein Fürst! der meiner Schwester Gatte sein wird,
Steht hier, und zu der Kirche geht ihr Weg.

Herzog. Zur Kirche – wie? Hochzeit zu feiern etwa?

Francesco. Ihr sagt's, mein Fürst!

Herzog. Steht's also, mögt Ihr geh'n. Nie war's mein Sinn
In fremdes Recht mit leichter Hand zu greifen.
Vergieb mir, Beatrice, und auch Ihr –
        Beatrice sieht den Herzog unverwandt an
Was blickst Du so mich an und gehst nicht fort?

Francesco. Komm, Beatrice!

Beatrice bleibt stehen.

Herzog.                                   Nun? War's etwa nur
Ein listig Wort von Euch, um Eure Schwester
Vor mir zu schützen – wie? Beinahe scheint's!
Denn Beatrice schweigt – wie dieser Jüngling.

Francesco. Der Hoheit stolze Nähe macht ihn beben.
Ich aber schwöre, daß ich Wahrheit sprach,
Denn ich verstünd' es, dieses Kind zu schützen
Vor jedermann, wär' es auch nicht verlobt.

Herzog sieht ihn an. Pause. Dann:
Wer bist Du denn?

Francesco.                   Francesco Nardi heiß' ich,
In Eurer Hoheit Dienst seit heute Morgen!

Herzog. Wer warb Dich an?

Francesco.                             Ich nahm freiwillig Dienst.

Herzog. Bei welcher Schar?

Francesco.                             Des Grafen von Fantuzzi.

Herzog zu Guidotti.
Sind nicht die andern, die sich frei gemeldet,
Valori zugeteilt?

Guidotti.                   So ist's.

Francesco.                             Mein Fürst,
Ich bat's mir aus, dem Grafen zuzusteh'n.

Herzog. Die Hochzeit eilt, wenn Du Brautführer bist!
        Zu Vittorino.
Und Du – wer bist Du?

Vittorino. Ich heiße Vittorino Monaldi, Eure Hoheit, und dieses Mädchen ist meine Braut.

Herzog. Ich weiß.

Vittorino. Und mein ganzes Glück.

Herzog mit einer Bewegung des Widerwillens.
Klang's nicht, als ob er betteln wollt' um sie?
»Sein ganzes Glück!« – Nimm's hin und geh' mit Gott!

Francesco. Komm, Beatrice!

Vittorino flehend.                   Beatrice, komm!

Herzog der schon vorbei wollte, wendet sich wieder um und sieht, wie Beatrix regungslos dasteht.
Geht, sagt' ich! War's zu mild? Soll ich befehlen?
Geh, schöne Beatrice! Nun? Du bleibst?
Denkst Du, ich will's? Denkst Du, wenn Du vorbei,
Werd' ich Dich rufen? Nicht einmal mein Blick
Wird Deinem jungen Schreiten folgen, doch
Für diese wünscht' ich, daß Du endlich gingst –
Ob Du mich auch entzückst, wie nie ein Weib.

Nardi und seine Frau sind aus dem Gewölbe gekommen, Rosina von der Straße.

Francesco. Komm, Beatrice!

Vittorino.                               Beatrice!

Herzog. Wie stehst Du so gebannt? Sagt' ich ein Wort,
Das Dich hier festhält? Droht' ich Dir? Den Andern?
Verwehrt Euch wer den Weg? Zu seinen Rittern.
                                                Macht Platz, Ihr Alle!
Geh, Beatrice! Aber Schritt für Schritt,
Und halt' nicht inn' und wende nicht Dein Haupt,
Und schwinde meinem Aug', so rasch Du kannst!
Denn Dich fortschicken, wenn Du bleiben willst,
Dahin Dich geben, wenn's zu mir Dich drängt,
Dich nicht umarmen, wenn's Dich selbst gelüstet,
Beim Himmel! Narrheit wär' dies, und ich fürchte,
An Zeit gebricht's, daß ich sie mir verzieh'.
Komm mit mir, Beatrice!

Francesco die Hand am Degen. Herzog!

Vittorino will sich auf die Kniee werfen.

Francesco hält ihn ab.

Herzog. Dein Will' ist's, wie der meine, also kümmert's
Hier Niemand mehr. Doch bin ich höchst geneigt,
Was unser Ungestüm an frühern Rechten
Verletzen mag, nach Kräften zu versöhnen.
Ich kenne mehr als Eine in Bologna,
Die diesen Blonden auf Vittorino deutend mit Vergnügen nähme,
Und die ihm besser taugt als Du. Er wähle!
        Es haben sich immer mehr Leute gesammelt.
Was läßt Du noch zurück? Sind dies die Eltern?
Ich geb' Euch Haus und Garten, wählt's Euch selbst,
Darin Ihr wohnen mögt, solang' Ihr lebt.
Und dies ist Deine Schwester? Heute noch
Will ich, mit reichen Gütern ausgestattet,
Zur Eh' sie einem dieser Edeln geben.
Francescos Kühnheit nütz' ich gleich aufs Beste,
Mir zum Gewinn wie ihm, mach' ihn zum Hauptmann
Der kleinen Schar am Thor von Saragossa.
Was aber, Beatrice, schenk' ich Dir?
Ich bracht' auch Schätze mit von meiner Fahrt,
Wie sie dem Sinn von Frau'n gefallen mögen.
Sie sollen alle Dir gehören: Steine
Und Kleider aus Damast und Perlenschnüre
Sind alle Dein, und zu dem Allem noch
Ein Schleier von so wunderbarer Schönheit,
Wie keiner, den ein Mädchen dieses Land's
Und niemals eine Herzogin getragen.
So kostbar, daß der Fürst von Pergamum
Ihn und nur ihn allein als Hochzeitsgabe
Der Fürstin schenkte, die er sich erwählt.
Ich geb' ihn Dir für eine einz'ge Nacht.
Und noch ist's nicht genug. Wenn es sich fügt,
Daß Du mir einen Sohn gebärst, so schenk ich,
Wofern ein unverhofftes Glück uns leuchtet,
Die erste Stadt ihm, die mein Heer erobert.
Und wahrlich, mit je hellerm Blick ich mich
In Deiner Schönheit Rätselmacht versenke,
Je wen'ger kühn erscheint mir dieses Wort,
Denn zu nichts Anderm als zu einem Sieg
Kann ich aus Deinen Armen mich erheben.

Eine größere Anzahl Bürger, Frauen, Mädchen sind herzugekommen. Auch Capponi, Basini, Bennozzo. – Schweigen. – Beatrice steht regungslos.

Herzog. Nun, Beatrice, wart' ich Deiner Antwort!

Beatrice schweigt.

Erwartungsvoll Stille.

Francesco. Der Herzog von Bologna hat, so denk' ich,
Die Gnade, dieses Schweigen zu versteh'n.
Gebt Raum, Ihr Herrn! Zu Beatrice und Vittorino.
                                      Ihr kommt, der Priester wartet.

Herzog da alles ruhig bleibt.
Gebt Raum! Geschieht. Und Ihr, verzeiht mir, Beatrice,
Daß für so viel ich nur so wenig bot.
Nehmt's nicht als niedre Schätzung, nicht als Geiz,
Ich seh's, ich bin zu arm für Euch!

Beatrice.                                               Mein Fürst –
        Bewegung, wie Beatrice zu sprechen beginnt.
Es war zu wenig nicht, nur nicht das Rechte!

Herzog heftig, mit neuer Hoffnung.
So sag' mir, was Du willst! Vielleicht besitz' ich's!

Beatrice. Gewiß besitzt Ihr's. Denn ich will nur dies,
Daß man mich morgen früh nicht schmähen darf
Als Dirne!

Herzog.           Die ein Fürst umfangen hat,
Und war sie eines Narren Spaß zuvor,
Ist's nicht mehr! Und Du denkst, es wagte Einer,
Dich so zu schmäh'n?

Beatrice.                           Und sagen sie's nicht laut,
So flüstern sie's.

Herzog.                     Was kümmert's Dich?

Beatrice.                                                       Und laßt Ihr
An's Kreuz sie schlagen, war's die Wahrheit doch,
Daß Ihr mich kaufet – nur um hohen Preis!
Darum behaltet Alles, Herr, es nützt mir nichts,
Doch nehmt zur Gattin mich! Bewegung des Erstaunens ringsum.

Herzog.                                       Wie? – Herzogin?
        Er wendet sich zu seinen Rittern.
Was meint Ihr zu dem Kind?

Magnani.                                     Herr, was befehlt Ihr?

Herzog. Was thätet Ihr?

Magnani.                         Die Kühnheit strafen, Herr!
Sie und den frechen Bruder ins Gefängnis.

Herzog zu Guidotti.
Und Ihr?

Guidotti.       Mein Fürst, die Strafen lieb' ich nur,
Daran zugleich sich Andre recht vergnügen!
Drum dächt' ich, zeichne man auf off'nem Markt
Ihr glüh'nde Mal' auf Stirn und Hals und Busen!

Herzog zu Malvezzi.
Und Eure Meinung?

Malvezzi.                       Wenn mein Fürst erlaubt –
Zuerst ins Schloß zu meines Fürsten Lust,
Dann in ein Freudenhaus zu And'rer Freude,
Und dann zur Hochzeit mit dem Bräutigam!

Cosini. Mein Fürst entscheidet sich, ich bin gewiß,
Sich lachend abzuwenden und zu gehn!

Herzog. Nun, hörst Du, Beatrice, wie verwegen
Dein Sinnen allen diesen Rittern dünkt?
Mir aber scheint, sie seh'n und hören nicht,
Sonst senkten sie die Knie' vor Beatrice
Und flehten ihres unbedachten Worts
Zur rechten Zeit Vergessen und Verzeih'n!
Laß endlich Deine Hand vom Griff, Francesco!
Du, Beatrice, reiche mir die Stirn!
Ich nehme Dich zum Weib, wie Du verlangst!

Beatrice reicht ihm die Stirn; er küßt sie. – Ungeheure Bewegung.

Vittorino. Ist dies Alles wahr? Träum' ich!

Francesco. Nein, guter Vittorino, Du träumst nicht.

Vittorino. Beatrice!

Beatrice wendet sich nach ihm und betrachtet ihn wie einen Fremden.

Herzog. Nun komme, Beatrice!

Beatrice.                                   Nein, mein Fürst!
Nun will ich Euer treu zu Hause warten,
Bis Gott aus Kriegsgefahren Euch entläßt!

Herzog. Und folgst mir nicht als Braut noch heut' ins Schloß?

Beatrice. Das darf ich nicht. Die herzogliche Schwelle
Betret' ich nur als Herzogin.

Herzog.                                       So sei's!
Du sollst sie heut' als Herzogin betreten!
        Wachsende Bewegung.
Cosini! eilt zum Bischof von Petron,
Er halte sich bereit! In einer Stunde
Tritt Herzog Lionardo Bentivoglio
Mit Beatrice vor den Traualtar!

Cosini ab.

Herzog zu Anderen. Ihr rasch zum Schloß, daß man die Feier rüste!
        Einige ab.
Ihr Andern durch die Stadt! Bolognas Adel
Lad' ich zu dieser Hochzeit ein. Doch merkt:
Für heut' ist Schönheit Adel, nicht Geburt!
Ruft es so laut, daß es die Schläfer weckt,
Klopft an geschloss'ne Fenster an und klirrt,
Daß man sie öffne, und verträumte Augen
Erstaunt die edlen Boten schau'n, und ruft:
Der Herzog lädt Euch zu der Hochzeit ein,
Die er mit Eurer schönsten Schwester feiert!
Kommt Alle, ob Ihr sonst im Treuen schlummert,
An eines Liebsten oder Gatten Brust,
Ob Ihr in keuschen Betten einsam ruht,
Ob Ihr von denen, die unstillbar Glüh'n
In jeder Nacht an neue Herzen drängt:
Kommt Alle, nur seid schön! Ihr seid willkommen!
        Wieder Andere sind im Verlaufe dieser Rede abgegangen. Zu Magnani und Malvezzi.
Ihr aber bleibt zurück! Ihr haftet mir
Für dieses Haus und Eures Fürsten Braut!
        Zu den Übrigen.
Und Ihr folgt mir ins Schloß! In einer Stunde
Bring' ich die Hochzeitsgaben, Beatrice,
Daß Du geschmückt, so wie's Bolognas Herrin
Geziemt, vor Gott und Kardinal erscheinst!

Er geht mit Rittern und Fackelträgern ab. Die Anderen bleiben in großer Erregung zurück. Beatrice steht regungslos, lächelnd.

Basini. Nun, was sagt' ich? Bin ich von Gott erleuchtet? Werden die Dinge wahr, die ich erlogen?

Fr. Nardi zu Beatrice. Mein Kind, Du glückliches Kind – wir glückseligen Eltern! Zu Nardi. Verstehst Du, was geschehen ist? Giebt Dir das den Verstand nicht wieder? O Himmel! O Himmel!

Nardi. Sehr hübsch habt Ihr das gemacht, Ihr Kinder! Wer war der schöne Knabe, der den Herzog spielte?

Magnani zu Malvezzi. Dies ist Zauberei! Gebt acht, es nimmt ein böses Ende!

Malvezzi. Ah, sie ist schön – schön! Seht sie doch an!

Magnani. Wir wollen auf der Hut sein!

Fr. Nardi. Komm', Beatrice, komm'! Ich will Dir die Haare lösen, damit sie bis zur Erde herabwallen. Komm, Herzogin von Bologna!

Basini. Wozu der Jubel? Alle Laune und alle Gnade Eures Herzogs gilt nur, so lang' er lebendig ist, und morgen Abend ist der Borgia in der Stadt!

Fr. Nardi. Schweigt doch, sonst wird man Euch einsperren! Habt Ihr nicht gehört, was der Herzog sagte? In ihren Armen wird er ein Held, ein Sieger werden! Komm', mein Kind!

Rosina stand die ganze Zeit wie erstarrt und läßt jetzt ihren Blick auf Beatrice ruhen, der von tiefstem Haß erfüllt ist.

Nardi ist ins Gewölbe gegangen und man hört ihn sprechen. Wie dunkel! wie dunkel! Bringt mir doch Lichter!

Die Menge hat sich größtenteils zerstreut.

Fr. Nardi zu einem Fackelträger. He Du, leuchte doch den Eltern der Herzogin von Bologna! Nun, geh' doch voraus!

Ein Fackelträger geht ins Gewölbe.

Nardi. Wer lehnt denn hier in der Ecke? So steh' doch auf! Wer ist es denn? Halte doch Deine Fackel her! Ei, Vittorino! So steh' doch auf! Bist Du so müd'?

Francesco der die ganze Zeit wie verstört dagestanden, wird aufmerksam und geht ins Gewölbe.

Magnani. Was sind das für Leute? Dieser Alte! Das geht nicht mit rechten Dingen zu!

Francesco kommt aus dem Gewölbe, hält Frau Nardi davon zurück, Beatrice ins Gewölbe zu führen. Er verbirgt etwas in der Hand.
Bleib' außen! Bleib' außen, Beatrice!
Daß nicht Dein Blut erstarre!

Fr. Nardi. Was ist denn geschehe?

Rosina die rasch ins Gewölbe gegangen ist. Vittorino! Ohnmächtig liegt er in der Ecke!

Francesco einen Dolch zeigend, den er in der Hand hielt.
Der stak ihm in der Brust –
Er hat sich gut getroffen!

Magnani. Was ist hier geschehen?

Rosina aufschreiend, mit einem ungeheuren Haß auf Beatrice. Er ist tot!

Francesco. Beatrice, unglückliche Schwester!

Beatrice. Das bin ich nicht, Francesco, nein, und sagt' ich's,
So wär' es Lüge!

Francesco.                 Beatrice!
        Er sieht sie lange an, sie schaut ihm ruhig ins Auge.
Ich will nicht Gast bei dieser Hochzeit sein!
Sie hebt so furchtbar an, wie ich von keiner
Jemals gehört. Der arme Vittorino
Ist tot, und diese, die ich so geliebt,
Verlor ich mehr, als wär' sie auch gestorben!
Denn einer Toten, – Abschiedsworte rief' ich
Ihr nach und küßt' ihr die verschloss'nen Augen!
Für Dich, o Beatrice, hab' ich nichts –
Kein Wort und keinen Kuß! So fremd,
Daß ich Dich flieh'n muß, bist Du mir geworden!

Er eilt von dannen. Der Vorhang fällt.


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