Christoph von Schmid
Wie Heinrich von Eichenfels zur Erkenntnis Gottes kam
Christoph von Schmid

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Christoph von Schmid

Wie Heinrich von Eichenfels zur Erkenntnis Gottes kam.


Erstes Kapitel.

Aufsicht über Kinder ein Engelsgeschäft.

Zu Anfang des vorigen Jahrhunderts lebten auf einem altertümlichen, aber sehr prächtigen Schlosse, nahe an einem großen Walde, Graf Friedrich und Gräfin Adelheid von Eichenfels. Ein zartes, wunderschönes Knäblein, Namens Heinrich, das sie unaussprechlich liebten, war ihr einziges Kind. Allein bevor das Kind noch den Namen Vater aussprechen konnte, mußte der edle Graf fort in den Krieg. Die fromme Gräfin blieb zurück auf dem Schlosse, und der einzige Trost über die Abwesenheit ihres Gemahls, die einzige Freude in ihrer stillen Einsamkeit war ihr geliebter, kleiner Heinrich. Sie hatte sich vorgenommen, ganz der Erziehung desselben zu leben, und ihr ganzes Herz sehnte sich nach dem seligen Augenblicke, da sie mit dem holden Knaben auf dem Arme ihrem teuren Gemahl würde entgegeneilen können.

Eines Abends saß die Gräfin mit ihrem Kinde auf dem Schoße in ihrem Zimmer. Margareta, das Kindermädchen, stand neben ihr und hielt dem Kinde, freundlich scherzend, einige frischgepflückte Blumen vor. Das Kind streckte lächelnd die kleinen Händchen darnach aus, und auch die Mutter lächelte sehr vergnügt, und ergötzte sich an der Freude des Kindes. Da trat auf einmal ein Diener, der mit dem Grafen ins Feld gezogen war, herein, und brachte die traurige Nachricht, der Graf sei schwer verwundet, und verlange vor seinem Ende, das vielleicht nahe sei, seine Gemahlin noch zu sehen. Die Gräfin ward totenblaß und konnte mit ihren zitternden Händen das Kind fast nicht mehr halten. Der Bote machte, als er den Schrecken der Gräfin sah, einige Hoffnung, ihr Gemahl könne wohl noch davon kommen; indes konnte er doch nicht verhehlen, sie müsse Tag und Nacht ohne Aufhören fahren, wenn sie ihn noch sicher am Leben antreffen wolle. Die Gräfin entschloß sich, augenblicklich abzureisen. Sie benetzte ihr Kind mit heißen Thränen. »Du guter, kleiner Heinrich,« sagte sie, »ach du weißt noch nicht einmal, warum deine Mutter weint! Armes Kind, du verlierst deinen Vater, ohne ihn zu kennen! O, wie schmerzt es mich, daß ich dich auf dieser weiten beschwerlichen Reise in das Kriegslager nicht mitnehmen kann!«

»O Margareta,« rief sie, indem sie sich zu dem Mädchen wandte, »dir übergebe ich das Liebste, was ich hier zurück lasse. Habe doch recht acht auf das Kind! Laß es keinen Augenblick allein; auch nicht wenn es schläft. Verpflege es so sorgfältig, als wäre ich zugegen. Trage es an jedem schönen Tage, besonders des Morgens, in den Garten an die frische Luft. Singe ihm ein Liedchen vor, rede mit ihm; zeige ihm öfters Blumen und andere schöne Dinge. Laß dem Kleinen nichts in die Hand, das ihm gefährlich werden, womit er sich stechen oder das er verschlingen könnte. Am wenigsten wirst du dich unterstehen, ihm etwas zuleide zu thun, und ihm Zorn und Unwillen über seine kindliche Unbehilflichkeit empfinden zu lassen. Die Aufsicht über kleine Kinder ist ein Engelsgeschäft. Sei du dem Kinde ein guter Engel! – Die Beschließerin, der ich das ganze Haus übergebe, wird mir schon wieder erzählen, ob du alle meine Worte genau befolgt hast. Versprich es mir, diese meine letzten Ermahnungen nie außer acht zu lassen, damit ich wenigstens in diesem Stücke außer Sorge sein kann. Ich werde alle Stunden zählen, bis ich wieder zurück komme. Wenn du mir das Kind dann heiter und fröhlich in meine Arme zurückgeben wirst, so werde ich dich zu belohnen wissen. Auch werde ich dir etwas Schönes mitbringen, das dir gewiß Freude machen soll.«

Margareta versprach alles. Die Gräfin küßte das Kind, segnete es, und blickte mit nassen Augen, indem sie innerlich betete, lange zum Himmel, gab dann das Kind Margarete in die Arme, und stieg hierauf unter dem lauten Weinen und Jammern ihrer Dienerschaft in den Wagen, und fuhr noch bei einbrechender Nacht und heftigem Regen ab.


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