Christoph von Schmid
Wie Heinrich von Eichenfels zur Erkenntnis Gottes kam
Christoph von Schmid

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Achtes Kapitel.

Kräuter und Bäume.

Indes ging der Greis in die Hütte und besorgte ein kleines Mittagsmahl. Er brachte zuerst Milch und Brot und dann für den Knaben Butter und Honig, und ein niedliches Körblein voll der schönsten Äpfel; für sich aber Wurzeln und Kräuter, eine große, goldgelbe Melone und etwas roten Wein in einer hellen, gläsernen Flasche. Heinrich ließ es sich recht gut schmecken, und sagte zu dem Greise: »Aber wo nimmst du denn alle die guten Sachen? Ziehst du bisweilen auch auf den Raub aus?«

Vater Menrad erzählte ihm unter dem Essen, wie wunderbar alles gewachsen ist. »Sieh',« sagte er, da er eben nach einem Apfel griff, ihn für Heinrich zu schälen und zu zerschneiden, »diese Äpfel hier im Körbchen bekam ich von diesem Baume. Aus den dünnen Zweiglein des Baumes kommen von Zeit zu Zeit ganze Körbe voll solcher schöner Äpfel hervor.« – »Ist das aber auch wahr?« sagte Heinrich, indem er Menrad bedenklich ansah. Vater Menrad nahm den Knaben auf den Arm, beugte einen Ast herab, und zeigte ihm die kleinen, grünen Äpfelein. »Siehst du nun,« sagte er, »wie sie aus den Zweiglein hervor kommen. Sie werden nun immer größer und größer, zuletzt so groß, und so schön gelb und rot wie diese hier in dem Körbchen. Der ganze große Baum selbst aber«, sagte Menrad, indem er den Apfel zerschnitt, »kam aus einem solchen kleinen Kernlein, wie hier an dem Messer eines hängt. Ich habe diesen Baum da noch als ein solches Kernlein gekannt. In einem jeden solchen Kerne steckt ein solcher Baum, ja wohl eine unzählige Menge solcher Bäume. Ja aus einem einzigen Kernlein könnte man so viele Äpfel bekommen, daß sie die Welt nicht fassen würde, und daß ein Mensch, wenn er tausend Jahre lebte, sie nicht zählen könnte.«

»Auch das Brot hier kommt aus ähnlichen Körnlein,« fuhr Menrad fort, indem er dem Knaben einige Getreidekörnlein zeigte, die er aus der Hütte mitgebracht hatte. »Es ist da, wie mit dem Apfelkern oder dem Samenkörnlein der Blumen. Aus einem einzigen solchen Getreidekörnlein könnte wir viele tausend solche Brote bekommen, wie das hier auf dem Tische.« Menrad beschrieb es ihm ausführlich, wie das zugehe, und zeigte während des Gespräches auf sein reiches Kornfeld, wo man vor kurzem nichts als Erdschollen gesehen habe. Heinrich sprang hin und fand zu seiner großen Freude bereits in jeder Ähre kleine Körnlein.

»Und so,« beschloß Vater Menrad, »ist es mit allen grünen Gewächsen, die du weit und breit umher erblickest. Alle, das Gras hier zu unsern Füßen, die blühenden Rosengesträuche dort, die unzähligen Kornähren und die Reben, die dort die Hütte und den Hügel über der Hütte bedecken, die ungeheuren Eichen und Fichten dort auf dem Berge und das kleine Moos hier am Stamme des Apfelbaumes – grünten und blühten aus solchen Körnlein auf, oder können wenigstens daraus gezogen werden. Alles, was du hier auf dem Tische erblickest, Milch und Butter, die aus Gras kommen, der Honig, der aus Blumen bereitet wird, das nahrhafte Brot und der stärkende Wein; alle die Kräuter und Wurzeln und Früchte hier, die Kresse, der Rettich, die große schöne Melone; auch die Zweige, aus denen diese netten Fruchtkörblein geflochten sind, das Holz, aus dem Teller und Becher gedreht werden, ja sogar Tisch und Bank haben wir solchen kleinen Körnlein zu danken. Ich brauche sie nur in die Erde zu legen, um hier einen Apfelbaum, und dort hunderttausende von Ähren aus der Erde hervorkommen zu machen, und so meinen Aufenthalt, der vorhin eine Wüste war, mit allem, was schön ist, reichlich auszuschmücken, und an Allem, was zum Leben notwendig ist, Überfluß zu haben.«

Dem Knaben waren dies lauter Wunderdinge. Wie er vorhin alles vor Erstaunen anschaute, so höchst erstaunt hörte er jetzt der Erzählung des Einsiedlers zu.


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