Christoph von Schmid
Wie Heinrich von Eichenfels zur Erkenntnis Gottes kam
Christoph von Schmid

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Zwölftes Kapitel.

Der unerwartete Besuch.

Den ersten Tag ließ sich die Reise gut an. Das Fahren, und die vielen Ortschaften, Schlösser und Dörfer, die an dem Wagen gleichsam vorbeiflogen, machten dem kleinen Heinrich eine ganz ungemeine Freude, und so oft er wieder ein Ritterschloß auf einem entfernten Berge erblickte, fragte er allemal, ob das nicht Eichenfels sei.

Allein gegen Abend des andern Tages kamen sie an einen dichten Wald. Die Wege waren so schlecht, daß es kaum durchzukommen war. Dazu erhob sich ein fürchterlicher Sturmwind, und der Regen stürzte in Strömen herab. Die Nacht brach herein, und es wurde sehr finster. Sie waren genötigt, in einem Wirtshause mitten im Walde, der wegen Räubereien sehr verschrieen war, zu übernachten. Indes aßen sie hier zu Nacht und begaben sich bald zur Ruhe, um morgen recht frühe aufbrechen zu können. Müde von der Reise schliefen sie schnell ein; nur Menrad, der den kleinen Heinrich zu sich in die Kammer genommen hatte, blieb noch auf, und kniete bis gegen Mitternacht an dem Tische, an dem ein Kerzenlicht brannte, und las und betete.

Da entstand plötzlich ein großer Lärm vor dem Hause. Mehrere rauhe Männerstimmen ließen sich hören. Es wurde mit Gewalt an die Hausthüre und Fensterladen gepocht. Alles im Hause fuhr erschrocken aus dem Schlafe auf. Vater Menrad trat aus seiner Kammer. »Ach Gott!« rief ihm Gretchen entgegen, »ich fürchte, es sind die Räuber und wollen uns den jungen Grafen wieder nehmen.« Menrad befahl ihr zu schweigen und ging hinunter. Auch die Wirtsleute schienen sehr erschrocken und sagten, sie getrauten sich nicht, die Thür zu öffnen. Die Männer draußen polterten aber in einem fort, und drohten, die Thür zu erbrechen.

Menrad, der ein Mann voll Mutes war, sagte: »Die Thür kann uns nicht schützen; Gott aber wird unser Schutz und Schirm sein. In seiner Hand sind wir alle. Laßt uns sehen, ob wir mit den Männern nicht gütlich zurecht kommen können.«

Er öffnete die Thür; vier baumstarke bewaffnete Männer mit Bärten traten trotzig herein, und einer derselben trug eine brennende Pechfackel. »Wir müssen alle Stuben und Kammern des Hauses in Augenschein nehmen,« sagten sie; »unser Gebieter wird mit mehreren Leuten sogleich nachkommen, und das ganze Haus muß ihm zu Gebote stehen.« Menrad fragte, wer denn ihr Gebieter sei? – und ihre Antwort versetzte ihn in ein eben so großes, als angenehmes Erstaunen. Es war Graf Friedrich von Eichenfels, Heinrichs Vater. Der Graf habe, erzählten diese seine Dienstleute, nachdem er gar schwer verwundet, von seiner Wunde aber wieder hergestellt worden, das Heer nicht verlassen, sondern mitstreiten wollen, bis der Friede erkämpft wäre. Der Friede sei nun zu stande gekommen, und der Graf sei wirklich mit ihnen und seinen übrigen Leuten, die nicht an der türkischen Grenze begraben worden, auf dem Heimwege.

Die Nachricht, daß es Friede sei, erfüllte alles mit Freude. Alle im Hause beeiferten sich, die braven Krieger zu bedienen. Diese wurden auch sehr freundlich und zutraulich, und entschuldigten ihr voriges ungestümes Betragen mit der schlechten Witterung. In einem solchen schrecklichen Sturm und Platzregen, sagten sie, sei es auch einem Krieger zu verzeihen, wenn er um Mitternacht nicht gern lange vor der Hausthür stehen möge. Auch erzählten sie, sie hätten sich in dem finstern Walde verirrt, und das Haus sicher nicht gefunden; allein das brennende Licht habe ihnen zum Leitstern gedient, und ihnen wieder auf den rechten Weg geholfen.

Der kleine Umstand, daß die brennende Kerze, bei der Menrad noch so spät betete, den Grafen hieher leitete, war für den frommen Greis, der es gewohnt war, in allem die Spuren der göttlichen Vorsehung zu sehen, sehr rührend, und er dankte Gott herzlich für diese glückliche Fügung.


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