Johann Elias Schlegel
Die stumme Schönheit
Johann Elias Schlegel

 << zurück weiter >> 

Anzeige. Gutenberg Edition 16. Alle Werke aus dem Projekt Gutenberg-DE. Mit zusätzlichen E-Books. Eine einmalige Bibliothek. +++ Information und Bestellung in unserem Shop +++

Neunter Auftritt.

Frau Praatgern. Charlotte. Leonore.

Praatgern.                         Was bringst du? Leonore.
Was willst du?

Leonore.                 Was ich will? nichts will ich, als das Glück
Um sie zu seyn.

Praatgern.               Du kömmst ja jeden Augenblick.

Leonore. Zwar ihnen scheint es oft, mir aber scheint es selten.
Und käm ich jeden Tag, wär ich darum zu schelten?

Praatgern. Ja! Denn die Zeit vergeht durch solch spatzieren gehn.

Leonore. Doch wenn ich sie nur seh, vergeht die Zeit recht schön.

Praatgern. Wenn ich sie seh, ja? ja? Kämst du um meinetwillen.
Ich kenn dich schon, du willst nur deine Neugier stillen.
Weil du erfahren hast, es sey Gesellschaft da.

Leonore. Frau Mutter, glauben sie . . .

Praatgern.                                             Frau Mutter.

Leonore.                                                                     Nun! Mama.

Praatgern. Das weist du wol noch nicht. Du giebst mir wenig Ehre.

Leonore. Ich wüste nicht, daß das ein Ehrentitel wäre.

Praatgern. Ich wundre mich, wie schlecht dich meine Schwester zieht.
Kein Mägdchen wird doch gut, das so viel Leute sieht.
Nein! das geht nicht mehr an. Ich muß ihr Nachricht geben,
Sie soll nicht so mit dir in Cameradschaft leben.
Sieh an! wie du dich stellst. Das alles ist zu frey.
Du wirst nicht etwa roth und bist vor Leuten scheu.
Du sprichst mit jedermann: Die Jungfern müssen schweigen,
Und willst nur jeden Tag dich in Gesellschaft zeigen.
Kömmst du nicht itzt hierher, nur um gesehn zu seyn?
Für Jungfern steht das sonst nicht erbar und nicht fein.

Leonore. Ich kann ja wieder gehn. Sie dürfen nur befehlen.
Ich will ein ander mal bequemre Stunden wählen.

Praatgern. Du bist vortreflich klug, und sag ich dir ein Wort,
Das dir nicht recht gefällt, so eilst du wieder fort.
Weil du doch alles weißt, und andre kannst verspotten:
So sage doch einmal, was fehlt denn hier Charlotten?
Du weißt ja sonst die Kunst, wie man gefallen kann.
Es ist hier ein Phantast, dem stehet sie nicht an.
Ihr Vater bringt ihn her. Der Narr ist nur vom Lande,
Und spricht, als wüst ers recht, es fehlt ihr an Verstande.
Laß deine Klugheit sehn, und gieb mir Unterricht.
Nun sag doch, was ihr fehlt, siehst dus? ich seh es nicht.

Leonore. Ich auch nicht.

Praatgern.                       Doch du sollst.

Leonore.                                                   Es möchte sie verdrüssen.

Praatgern. Nein! sag es.

Leonore.                         Nein! Mama.

Praatgern.                                             Kurz, Madmesell, sie müssen.

Leonore. Sie redet wol nicht viel.

Praatgern.                                     Wenn nur ihr Mädgen sprecht,
So denkt ihr, es ist gut. Sie redt nicht, das ist recht.
Da weist sie, daß sie mehr Verstand, als du, besitze.
Denn für die Jungfern ist das Reden gar nichts nütze.

Leonore. Die Regel wäre gut, war sie nur allgemein.
Doch manche Mannsperson wird sehr dawider seyn.

Praatgern. Wie? manche Mannsperson? Wer hätt es denken sollen?
Die Mannspersonen! ach! und du weißt, was sie wollen?
Das ist die Frucht, wenn man stets redet, scherzt und lacht.
Die Mannspersonen? Wer hat dich so klug gemacht?

Leonore. Nun! nun! Das können wir wol ohne Schande wissen,
Daß wir, wenn sie uns sehn, mit ihnen reden müssen.

Praatgern. Bald glaub ich selbst, daß es oft einen Narren giebt,
Der mehr ein Plaudermaul als kluge Mägdchen liebt.
Hör an! du sollst mir gleich Charlotten sprechen lehren.

Leonore. Kann ich . . .

Praatgern.                   Du kannsts. Ich will von keiner Ausflucht hören.
Sag ihr es vor, was sie zum Jungwitz sagen soll.
Ich geh, und schelt indeß die Haut ihm selber voll.
Und wenn sie reden kann, so kannst du wieder gehen.
Ich sag dirs, laß dich nicht hier vor den Fremden sehen.


 << zurück weiter >>