Johann Elias Schlegel
Die stumme Schönheit
Johann Elias Schlegel

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Zweyter Auftritt.

Richard. Jungwitz.

Richard. Es sind nun zwanzig Jahr, da bracht ich von dem Lande,
Hier meine Tochter her in meinem Wittwerstande.
Denn diese Bürgersfrau hab ich vorher gekannt:
Sie hat auch allen Fleiß auf ihre Zucht gewandt.
Nun werd ich sie doch sehn. Man hat es mir geschrieben,
Das ist ein englisch Kind, das Mägdchen muß man lieben.
Mein Herz klopft schon in mir vor lauter Lust, Herr Sohn.

Jungwitz. Und meins vor Ungeduld. Mich dünkt, ich liebe schon.

Richard. Sie hat ein schön Gesicht und Augen, die recht brennen.

Jungwitz. Vom Vater wird sie die nicht anders haben können.

Richard. Er schmeichelt: doch im Ernst, man sagt, sie sieht, wie ich.

Jungwitz. Wenn sie noch besser sieht, ist es nicht schlimm für mich.

Richard. Sonst ist sie Meisterin in allen Wirthschaftssachen.
Herr Jungwitz, sie wird ihm recht gute Süppchen machen.

Jungwitz. So viel verlang ich nicht von ihrer eignen Hand.

Richard. Hat, was sie schreibet, gleich nicht allemal Verstand:
Wenn sie mir Briefe schreibt; so sind es lauter Sprüche.
Und in der Rechenkunst versteht sie gar die Brüche.

Jungwitz. So hat sie viel gelernt?

Richard.                                       Gelernt? mehr als genug.
Jetzund erzieht man fast die Mägdchen gar zu klug.
Sie müssen sich den Kopf mit tausend Zeug zerbrechen.
Das dächt er nicht einmal: Drey Sprachen kann sie sprechen.

Jungwitz. Doch, ist sie auch belebt, und spricht mit jedermann?

Richard. Ey! das versteht sich wohl, wenn sie drey Sprachen kann.

Jungwitz. Und spricht sie mit Verstand?

Richard.                                                   Das weiß ich nicht so eben.
Doch sagt man, sie versteht, recht nach der Welt zu leben.
Sie spielt, sie putzt sich gut, sie trägt sich mit Manier,
Und klimpert über das recht schön auf dem Clavier.

Jungwitz. Ach! wie bin ich vergnügt! Ich schließ aus allen Sachen,
Sie ist nach meinem Wunsch, und wird mich glücklich machen.
Das Hauptwerk einer Frau ist nicht der Fleiß allein.
Zum Umgang nehm ich sie, nicht um bedient zu seyn.
Zwar viele freyen so, wie man Gesinde miethet,
Und wählen eine Frau, die nur das Haus wohl hütet,
Die man zur Rechenschaft für alle Sachen zieht,
Und die, sobald man winkt, uns nach den Augen sieht.
Doch ich . . .

Richard.               Ihr junges Volk sprächt gern, wie kluge Leute,
Und wißt doch alles nur seit gestern oder heute.
Wenn er nur eine Frau, die ihn hübsch pfleget, hat:
Der Umgang dient zu nichts, davon wird man nicht satt.
Laß er dem grossen Volk den Wind von Complimenten;
Da thun oft Mann und Frau, als ob sie sich nicht kennten.
Das schickt sich nicht für uns, wenns ihnen gleich gefällt.
Sie haben ihren Stand, wir haben unser Geld;
Wir thun uns was zu gut. Was macht man auf dem Lande,
Mit einer klugen Frau, mit Umgang und Verstande?

Jungwitz. Bin ich kein grosser Herr; so bild ich mir doch ein,
Der Umgang wird auch mit für mich erfunden seyn,
Und es wird wol kein Rang der Freyheit Gränzen setzen,
Wer sich mit einer Frau, die Witz hat, darf ergötzen.
Ein jeder fühlt in sich wol heimlichen Verdruß,
Wenn er sein halbes Herz selbst mit belachen muß,
Wenn ihn das gute Weib, das er nur ungern zeiget,
Beschämet, wenn sie spricht, und ärgert, wenn sie schweiget;
Wenn er bey ihr allein stets küsset oder gähnt,
Und sucht er Zeitvertreib, sich aus dem Hause sehnt,
Und wenn er, glaubt sie ja ihn einmal aufzuräumen,
Erzählen hören muß, was ihre Mägdchen träumen.

Richard. Ja, red er, red er nur. Wir wollen sehn, Herr Sohn.
Da muß ich klüger seyn; doch gut, das giebt sich schon.


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