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XXIII.

Wie der König in Zorn geriet, als er von der Abreise des Herzogs von Tintayol erfuhr, und Genugtuung verlangte

.Des andern Morgens war in der ganzen Stadt von nichts anderm die Rede; endlich kam das Gerücht dieser Flucht auch bis zum König. Dieser geriet in den heftigsten Zorn, als er vernahm, daß der Herzog, ohne Urlaub zu nehmen, fortgezogen sei; mehr aber kränkte es ihn noch, daß er die Dame Yguerne mit fortgenommen. Er ließ seine Ratsherren zusammenrufen und stellte ihnen das Unrecht des Herzogs vor, daß er ihn so plötzlich, ohne Ursache und ohne Urlaub zu nehmen, auf eine schimpfliche Weise verlassen habe, da er ihm stets so freundlich war, ihn auch mit schönen Geschenken an Kleinodien so geehrt habe. Die Ratsherren erstaunten über dieses Betragen des Herzogs, es dünkte ihnen ganz töricht zu sein, und gar nicht zu entschuldigen. Sie wußten aber die wahre Ursache nicht von seinem Weggehen; weil nun der König ihm vor allen anderen Ehre und Freundschaft erzeigt habe, so glaubten sie, er könne sein Vergehen um desto weniger wieder gut machen, und es sei ein Verbrechen der beleidigten Majestät.

Sie beschlossen und rieten dem König, daß er zwei Botschafter nach Tintayol senden müsse und dem Herzog durch diese sagen lasse, daß er dem König Genugtuung geben müsse für die Beleidigung, die er ihm zugefügt, indem er ohne des Königs Einwilligung und ohne Urlaub von ihm zu nehmen den Hof verlassen habe. Der König verlange also, daß er eben so wieder an den Hof zurückkehre, wie er ihn verlassen, um des Königs Gnade zu erflehen.

Der König war dieses auch sogleich zufrieden und sandte zwei tapfere Ritter als Gesandte nach Tintayol. Als diese vor den Herzog kamen und er ihren Auftrag vom Könige vernommen hatte und hörte, daß er seine Gemahlin wieder mit sich an den Hof bringen solle, weil der Befehl so war, daß er eben so wieder dahin zurück kommen müsse, wie er hinweggeritten, da geriet er in großen Zorn und sprach zu den Abgesandten: »Mit nichten werde ich wieder an seinen Hof gehen, denn er hat sich so sehr an mir und an den Meinigen vergangen, daß ich ihn nicht mehr lieben und ihm nicht fürder gehorsam sein kann. Mehr sage ich Euch jetzt nicht.«

Als die Abgesandten keine andre Antwort als diese vom Herzog erlangen konnten, zogen sie wieder ab und ritten nach Kardueil. Der Herzog aber ließ alle seine Ritter und die weisen Räte seines Landes zusammenberufen und erzählte ihnen nun, welche Verräterei der König an ihm begangen und wie übel er ihm mitgespielt; »darum«, setzte er hinzu, »ritt ich plötzlich, und ohne Urlaub von ihm zu nehmen, von Kardueil weg; jetzt aber hatte er mir die Botschaft wissen lassen, daß ich des Verbrechens der beleidigten Majestät schuldig sei und deshalb wieder an seinen Hof kommen müsse, um ihn um Verzeihung desfalls zu bitten; eben so müßte ich wieder kommen, wie ich den Hof verlassen: das heißt aber, nicht ohne meine Gemahlin Yguerne dürfe ich kommen.« – »Ihr habt wohl getan«, sagten seine Ritter und Räte, »daß Ihr solches nicht getan, denn es ist Eure Pflicht, daß Ihr Eure Ehre in Obacht nehmt. Übel hat der König getan, solchen Verrat an seinem Lehnsmann zu verüben.« – »Nun«, antwortete der Herzog, »so ersuche ich und bitte Euch, um meiner Ehre und der Eurigen willen, daß Ihr mir Euern Beistand gewährt und mir Hilfe leiht gegen den König, wenn dieser Krieg und Streit mit mir anfängt; daß Ihr mein Land mir beschützen helft und in allen Dingen mir zu Hilfe kommt.« Die Ritter und Räte versprachen ihm und schwuren, daß sie ihm helfen und dienen würden, sollte es auch ihr Leben kosten; wofür der Herzog ihnen sehr dankte. Nachdem der König den Bericht der zurückkehrenden Botschafter vernommen, geriet er sehr in Zorn und bot alle seine Barone und Fürsten auf, ihn an dem Herzog von Tintayol rächen zu helfen, und sie sagten ihm alle ihre Hilfe zu. Vorher ließ er, wie im rechtmäßigen Krieg, dem Herzog den Frieden aufsagen und ihm verkündigen, daß, wo er nicht dem König ehrenhafte Genugtuung täte, er sich nach vierzig Tagen in Bereitschaft zu halten habe, sich zu verteidigen, weil der König ihm in vollen Waffen zusprechen würde. Als der Herzog dieses Aufgebot vernommen, antwortete er den Boten, daß er sich wo möglich zu verteidigen gedächte; ließ darauf auch seine Ritter und Kriegsmänner entbieten und sie zur Verteidigung des Landes vorbereiten. »Ich besitze nur zwei feste Schlösser«, sagte er seinen Rittern, »die imstande sind, gegen den König zu halten, diese beiden soll er aber sicher nicht bekommen, so lange ich lebe. Meine Gemahlin soll hier zu Tintayol bleiben, nebst zehn der tapfersten und kühnsten Ritter zu ihrer Beschützung, welche die Burg wohl zu verteidigen im Stande sind; ich aber will mit den übrigen zu dem anderen Schlosse ziehen.«


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