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XIX.

Wie aus Uter König Uterpendragon wurde und Merlin in Irland Steine auftürmte, die er allein zum Grabmal zusammenfügte

Nach beendigter Schlacht und König Pendragons Tod fiel das Reich seinem Bruder Uter mit Recht zu. Er ließ nun alle auf dem Schlachtfeld gebliebenen Christen auf einen Ort zusammentragen und legte dort einen Begräbnisplatz an; auf jedem wurde ein Grabmal errichtet mit dem Namen dessen, der darunter lag. Seinen Bruder Pendragon ließ er inmitten legen und ihm ein höheres Grabmal errichten als den übrigen, seinen Namen aber ließ er nicht daran schreiben; »denn«, sagte er, »der müßte sehr töricht sein, der nicht gleich an der Größe des Grabmals sähe, daß hier der Herr aller übrigen begraben ist.« Nachdem ein jeder seinen Verwandten oder Freund begraben hatte, begab Uter sich nach London, wo die Bischöfe und Prälaten ihn salbten und ihm die Krone aufsetzten; darauf nahm er die Lehnseide und Huldigung aller seiner Untertanen an.

Sechzehn Tage nachher kam Merlin an Uters Hof, und dieser empfing ihn mit Freuden und großer Ehre. Einige Zeit darauf sagte Merlin dem König, daß der Drache am Tag der Schlacht Pendragons Tod und Uters Erhaltung bedeutet habe, bat darum den König, daß er sich künftig zum Andenken an dieses Ereignis und um seines Bruders willen Uterpendragon nennen möchte. Der König willigte ein, und wurde fortan Uterpendragon genannt. Merlin ließ ihm ein Panier mit einem Drachen machen, der Feuer ausströmte, und verlangte vom König, daß er es in allen künftigen Schlachten vor sich her tragen ließe.

Nachdem Uter lange in Frieden regiert und in einer seiner Städte mit Merlin zusammen lebte, fragte dieser ihn einmal, ob er denn nichts mehr am Begräbnisplatz, wo sein Bruder ruhe, wolle machen lassen? »Was willst Du, daß ich machen lasse? sage es, und es soll geschehen.« – »Sende zehn oder zwölf von Deinen Schiffen nach Irland und laß von den Steinen dort welche nach Salisbury schiffen, so will ich erfüllen, was ich Deinem Bruder versprach, und das Grabmal so erbauen; ich will auch mit Deinen Leuten hinfahren und ihnen die Steine zeigen, die sie nehmen sollen.« Die Schiffe wurden gerüstet und Merlin mit den Leuten hingesandt, ihnen die Steine zu zeigen, die sie einschiffen sollten. Als die Leute die großen Steine sahen, die sie fortbringen sollten, sahen sie verwundert einander an. »Die ganze Welt«, sagten sie, »bringt nicht einen solchen Stein vom Ort; Merlin muß toll sein, daß er verlangt, wir sollen diese Steine mit aufs Schiff nehmen«; kehrten darauf mit ihren Schiffen zurück und ließen Merlin in Irland.

Als die Schiffe wieder zum König Uterpendragon kamen, und sie ihm erzählten, warum sie weder die Steine noch den Merlin wieder zurückgebracht hätten, sandte der König noch ein Schiff nach Irland und ließ ihn abholen. »Deine Leute«, sagte Merlin, als er vor den König kam, »haben nicht getan, was Du ihnen befahlst; aber ich will mein Wort halten und die Steine nach Salisbury schaffen.« Darauf brachte er es mit seiner Kunst dahin, daß anderen Morgens der ganze Gottesacker voll der entsetzlich großen Steine lag, daß es wie ein ungeheuer großer Berg zu sehen war.

Als der König und sein Volk diese Steine sahen, waren sie alle des größten Erstaunens voll, denn ein jeder mußte einsehen, daß alle Menschen in der Welt nicht im Stande wären, einen dieser Steine von der Stelle zu bewegen; wußte auch niemand zu erraten, wie Merlin es angefangen habe, sie zusammen zu bringen. Merlin sprach zum König: »Sire, so wie die Steine hier liegen, dienen sie zu nichts, sie müssen geordnet und über einander gesetzt werden.« – »Ei, wer sollte dies wohl tun«, entgegnete der König, »Gott allein kann ein solches Werk zu Stande bringen.« – »Nun, so entferne Dich«, sagte Merlin, »und ich will dieses Werk vollenden, so wie ich es unternommen.« Merlin begann nun das Werk, welches niemals wird vergessen werden. Diese Steine sind noch jetzt, so wie Merlin sie ordnete, und sie werden so bleiben, so lange die Welt stehen wird. Es war ein vortreffliches kunstreiches Werk, worüber die ganze Welt sich verwunderte.

Uterpendragon liebte den Merlin um dieses Werkes willen noch weit mehr als sonst, behielt ihn lange Zeit an seinem Hof und tat nichts ohne seinen Rat.


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