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VIII.

Wie König Vortigern sich seiner Helfer und Widersacher entledigte

Vortigern wurde einstimmig vom ganzen Volk und von allen Edlen zum König erwählt, mit Hintansetzung der beiden jüngeren Brüder des ermordeten Königs Moines. Diese Knaben hatten jeder einen Hofmeister, weise Männer, die beide dem alten König Constans lange Zeit hindurch treu gedient hatten; auch hatte der alte König sie zum Lohn für ihre Treue zu Hofmeistern der beiden Prinzen ernannt. Diese beiden Herren nun waren erstaunt darüber, daß die Königssöhne von der Krone ausgeschlossen wurden, und sahen voraus, daß Vortigern gewiß nicht unterlassen würde, die Knaben zu erschlagen, sobald sie in das Alter gekommen sein würden, auf das Reich, welches von Rechts wegen ihnen zukäme, Anspruch zu machen. Sie entflohen mit den beiden Prinzen und gingen nach Bourges in Berry; hier waren sie sicher, und hier erzogen sie die beiden Knaben.

Sobald Vortigern zum König gekrönt und gesalbt worden, meldeten sich die Mörder des König Moines bei ihm; Vortigern tat aber, als kennte er sie nicht und als hätte er sie nie vorher gesehen, worüber jene sich sehr ärgerten, da sie eine ganz andere Aufnahme vom König Vortigern erwartet hatten. »Wie, Herr König«, sprachen sie, »Ihr erinnert Euch unser nicht mehr? Ihr wißt ja wohl, das Ihr bloß durch uns König geworden seid. Denkt doch daran, wenn es Euch beliebt, ob Ihr hättet König werden können, wenn wir nicht um Euretwillen den König Moines getötet hätten?« – »Haltet diese Mörder fest«, rief der König laut aus, »und führt sie ins Gefängnis; da Ihr jetzt Eure Mordtat bekannt habt, sollt Ihr Euch auch selber Euer Urteil sprechen. Ihr habt Euern Herrn und König totgeschlagen, wer gab Euch ein Recht dazu? Ihr könntet auch ebenso gut mich umbringen, aber das sollt Ihr nun wohl lassen.« – »Herr König«, riefen diese Männer ganz erstaunt und erschreckt, den Vortigern so sprechen zu hören, »Herr König, wir taten es ja aus Liebe zu Euch.« – »Ei«, sagte König Vortigern, »ich werde Euch zeigen, wie man die Leute liebt.«

Sie wurden alle Zwölfe gefangen und gevierteilt; jeder ward von vier Pferden in vier Teile zerrissen, so daß kein Glied ihres Leibes am andern blieb.

Diese Zwölfe hatten aber viele Anverwandte, und alle waren von großer Abkunft und Familie; diese Anverwandte versammelten sich, gingen zum König und machten ihm Vorwürfe wegen seiner grausamen Undankbarkeit. »Ihr habt«, sagten sie, »unsere Verwandten auf eine schimpfliche Weise hinrichten lassen; wisset also, daß wir niemals Euch von ganzem Herzen dienen werden.« Da ergrimmte Vortigern und sagte: »Wenn Ihr noch viel redet, soll es Euch ebenso ergehen wie Euern Vettern.« – »Drohe so viel Du willst, König Vortigern«, sagten sie voll Zorn, »wir fürchten Dich nicht; wisse nur, daß Du niemals Friede und Ruhe mit uns wirst haben, so lange Du lebst; allenthalben wollen wir Dich bekriegen, im offnen Feld, in Burgen und Schlössern, allenthalben sollst Du Krieg finden. Wir erkennen Dich nicht als unsern König; denn Du hast das Reich unrechtmäßiger Weise und gegen Gott und die heilige Kirche an Dich gerissen, Du sollst auch desselben Todes sterben, wie Du unsre Verwandten hast sterben lassen, darauf darfst Du rechnen.« Nach diesen Worten entfernten sie sich, ohne seine Antwort abzuwarten. König Vortigern ärgerte sich sehr darüber, aber er mußte den Schimpf hinnehmen, ohne etwas dagegen tun zu können; er sah wohl ein, daß es nicht Zeit war, etwas gegen sie zu unternehmen.

Auf diese Weise entstand ein großer Zwist zwischen den Baronen des Reichs und dem König. Die Parteien versammelten große Heere, und der Krieg ward sehr lange im Lande fortgesetzt, wobei sowohl der König als seine Untertanen großen Schaden litten; endlich aber siegte der König und jagte die aufrührerischen Barone aus dem Lande. Als er nun die Oberhand behalten und von keinem etwas mehr zu fürchten hatte, wurde er so übermütig und verfuhr so übel mit seinem Volk, daß dieses es nicht länger ertragen mochte und sich gegen ihn auflehnte. Es entstand ein allgemeiner Aufruhr gegen ihn, mehr als die Hälfte des Königreichs fiel von ihm ab. Hierauf schickte ihnen Vortigern Abgesandte und ließ ihnen Friedensvorschläge tun, womit die Aufrührer auch wohl zufrieden waren. Einer unter ihnen, namens Hangius, ein tapfrer und mächtiger Ritter, der immer im Krieg gegen Vortigern sich gehalten, wurde vom Volk zum Abgesandten erwählt. Hangius wurde auch sehr freundlich vom König aufgenommen, und der Friede auf lebenslang fest gemacht und besiegelt.

Hangius blieb lange Zeit in des Königs Diensten und beredete ihn endlich, daß er seine Tochter zur Frau nahm; dadurch bekam er große Macht und Einfluß über seinen Schwiegersohn, den König, und über das Reich, riß auch nach und nach das ganze Regiment an sich. Das Volk wollte aber nichts von ihm erdulden, weil er kein Christ war, sondern ein Heide; es hatte schon lange darüber gemurrt, daß ihr König keine Christin, sondern eine Heidin zur Gemahlin genommen hatte. Die war es auch, die zuerst das Wort Pöbel erfand und das Volk so benannte, indem sie sagte: »Ich kann mich nicht des Pöbels annehmen gegen meinen Vater!« – Das Volk war also mehr als je unzufrieden mit König Vortigern, denn seine Gemahlin hing der Lehre Mahomets an, zog auch den König selbst und viele seiner Hofleute von der Religion Christi ab.


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