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II.

Die Schreie des Grauens hatten die Estanzia geweckt. Aus dem Gesindeschuppen stürzten die Vaqueiros. Über den Hof eilte, dem Walde zu, Rudolf Gedon. Als der riesenhafte Neger mit seiner stillen Bürde auf die Hoflichtung trat, prallte er auf den Herrn. Die Angst um das geliebte Weib erwürgte dessen Fragen.

»Piranha«, gab Simplizio lakonisch Auskunft.

Da wußte Gedon alles und verfärbte sich durch den braunen Sonnenbrand seines Gesichtes hindurch. Piranha sind die Todesgefahr dieser Gewässer, drohender als die Cayman. Kleine Fische, nicht viel größer als Forellen, mit grotesken grausamen Köpfen, die Mensch und Tier anfallen. Und fließt erst Blut, ist das Opfer fast immer verloren. Der Blutrausch packt diese kleinen Ungeheuer. In wenigen Minuten zerfressen sie die Beute bis auf das Gerippe, in Rudeln herangelockt von dem bittersüßen Geschmack, irrsinnig vor Lust und Gier.

Endlich fand Gedon die Sprache.

»Piranha?« flüsterte er, kaum hörbar im Entsetzen, »wir haben nie Piranha hier gehabt.«

Der Neger deutete mit dem glänzenden schwarzen Haare stromaufwärts.

»Fische kommen mit Strömung,« erwiderte er auf Portugiesisch.

Sie traten ins Haus, durchschritten die Wohnstube mit ihren rohen Wänden aus Palmenstämmen und dem festgestampften Urwaldboden und gingen ins Schlafzimmer. Hier legte Simplizio die Frau auf das Bett aus Palmenblättern. Der Bademantel öffnete sich. Der Neger wendete das Gesicht ab. Renate schlug die Augen auf und blinzelte verloren.

»Brauchen Senhor mich?« fragte der Suaheli.

Gedon schüttelte den Kopf. Er war bereits bei der kleinen, sorgsam gepflegten Hausapotheke. Rasch und geschickt – er hatte Kriegserfahrungen – wusch und verband er die tiefen Risse an den Beinen, den Schenkeln, den Zehen, den Hüften. Dabei sprach er leise, tröstende Worte. Sie lag stumm, zuckte nur hin und wieder schmerzhaft zusammen, wenn er die Wunden berührte.

»Es war furchtbar,« raunte sie und erschauerte in der Erinnerung.

Er nickte verstehend und strich Salbe auf den Verband.

»Ich wußte sofort, daß es Piranha waren.«

»Du Armes!« Zärtlich küßte er ihre Wange.

»Und dachte an alles, was ich von ihnen gehört habe. In einem Augenblick stürzten sie sich über mich.«

»Mein armes Mädel,« wiederholte der Mann und legte ganz lind die Binde um die angefressenen Zehen.

Nach einer Weile fragte sie: »Wie wurde ich gerettet?«

»Simplizio,« gab er Bescheid und schmiegte behutsam einen Hautlappen, den die bluttollen, kleinen, scharfen Zähne abgefetzt hatten, an die Wade.

Da lächelte Renate und sagte leise: »Der Treue.«

Als sie dann vor Erschöpfung eingeschlafen war, ging Gedon hinaus. Im Hofe standen die Gauchos, Mischlinge aller Schattierungen vom brasilianischen Gelb bis zum dunkelsten Kupfer, beisammen und besprachen eifrig die Sensation des Tages. In ihrer Mitte hockte Joao und verband seine Wunden, ein bestauntes Objekt. Zum zehnten Male berichtete er seine Heldentat.

Gedon trat hinzu. Sofort verstummte das Gespräch. Er war gefürchtet und geachtet. Verwundert blickte er auf den Gaucho.

»Was hast du?« fragte er.

Joao erhob sich. Er hatte seine Bandagen beendet.

»Ich habe Senhora gerettet!« erwiderte er stolz und blickte den Herrn aus seinen kleinen, falschen Augen unsicher an.

Gedon hob das Gesicht mit dem starken schwarzen Barte und wendete es dem Schuppen zu, an dem Simplizio, der allein Tätige, Brennholz spaltete.

»Simplizio!« rief er.

Der Neger schlug die Axt in einen Keil und kam mit seinem graziösen wiegenden Schritte auf die Gruppe zu.

»Joao hat meine Frau gerettet?«

Der Suaheli maß den Mischling mit einem verächtlichen Blicke seiner strahlenden schwarzen Augen. Dann nickte er und sagte:

»Ich habe geschwiegen, Senhor. Heute muß ich sprechen.«

Er sagte es so hart, daß Gedon erstaunt aufhorchte.

»Schon viele Tage ich bemerken, Senhor, daß Joao aus Schlafraum schleichen. Ich ihm folgen. Er sich verstecken. Senhora beim Baden besehen.«

»Er lügt,« schrie der Gaucho überhastig.

Gedons Hände schlossen sich zu Fäusten.

»Heute wieder. Ich ihm folgen, leise, leise, wie immer. Ich fürchten für Senhora. Senhora schreien, ich in Wasser wollen, er rascher. Sie holen, hinlegen und küssen. Senhora küssen mit seinem dreckigen Maule. Ich ihm Tritt geben, daß fortfliegt wie Feder.«

Wieder schrie Joao: »Lüge – alles Lüge!«

Die Vaqueiros standen in respektvoller Ferne und folgten gespannt und neugierig der erregenden Szene.

Stumm trat Gedon an den Mischling heran. Seine kleine, stämmige Gestalt zitterte vor Zorn. Und ohne jedes weitere Wort schlug er dem Gaucho seine knochige Faust in das Gesicht.

Der Mann taumelte, Blut quoll ihm aus Mund und Nase.

»Sachen packen, sofort das Haus verlassen!« wetterte Gedon.

Der Gaucho hielt beide Hände vor das mißhandelte Gesicht. Nur die Augen waren sichtbar. Böse, haßfunkelnde Augen, die auf Gedon gerichtet waren.

Der Herr reichte dem Neger stumm die Hand.

Da wanderten die bösen Augen vom Herrn zum Diener. Sie brannten in Rachegier.


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