Heinrich Schaumberger
Vater und Sohn
Heinrich Schaumberger

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Versöhnt.

Durch die sternhelle Sommernacht schritten hastig zwei Männer an dem schmalen Sülzdorfer Kirchsteig Bergheim zu; keiner sprach ein Wort, nur dann und wann holten sie tief Atem, daß es fast wie Seufzen klang. Bei der Steigung des Weges am Königsbühel sagte der vorderste: »Wir wollen langsamer gehen, Vater, es greift Euch zu sehr an, die Krankheit liegt doch noch in Euch.«

»Nein, Johannes,« entgegnete der Schreinersfrieder, »ich bin stark, wir wollen eilen; vergiß nicht, die Mutter wartet auf uns.«

Und so war es! – »Wird jetzt der Vater den Weg nach Bergheim wohl aushalten?« hatte Annelies abends vorher gefragt und, als Johannes bestätigend nickte, hinzugesetzt: »So mache dich auf und hole ihn zu mir, aber säume dich nicht, mit mir geht's rasch zu Ende.«

Als Vater und Sohn in das Krankenzimmer traten, erwachte Annelies und bat die Bergbäuerin, die mit Auguste neben ihrem Bette saß, hinauszugehen! Die 241 Frauen halfen der Kranken zu einer aufrechten Stellung, gaben ihr zu trinken, zogen den Docht aus dem Lämpchen und schlossen leise hinter sich die Kammertür.

Eine Weile blickten sich die so lange getrennten Ehegatten mit großen Augen an, dann warf sich Frieder vor dem Bett nieder, drückte das Gesicht auf die Hände seines Weibes und schluchzte: »Annelies!« – Annelies konnte nicht reden, stille ließ sie Frieder gewähren, die hellen Tränen rollten ihr über die Wangen; endlich begann sie mit leiser Stimme: »Herr, mein Gott, ich danke dir, daß ich das erlebt habe! – Frieder, höre auf mich, und auch du, Johannes, gib acht – mir liegt eine schwere, schwere Last auf dem Herzen.«

»Rede nicht so viel, Annelies; sag' nur das eine: kannst du mir vergeben?«

Ein leises Rot glitt über ihre Wangen, als sie erwiderte: »Habe Dank, Frieder, das tut wohl, wenn ich's gleich nicht verdiene. – Aber laß mich nur, meine Kräfte nehmen ab. – Frieder, ich weiß jetzt, was vor unsrer Freierei geschehen ist, weiß, wie du an mich gezwungen worden bist – und – noch viel, viel mehr! – Ach, Frieder, daß ich das sagen muß – mein Vater hat damals – den Schreinerspaule – arg betrogen! – Gott sei Lob und Preis, daß das von meinem Herzen herunter ist! – Ja, Frieder, das tat er; aber gelt, du dringst nicht in mich, wie das geschehen ist, wie ich es erfahren habe, – und – und – du bringst es nicht unter die Leute?«

242 »Ich verstehe dich freilich nicht ganz, aber ich habe eine Ahnung, wie es wohl geschehen sein könnte. Meine Hand darauf, das ist vorbei, vergeben und vergessen, für immer tot und begraben. – Aber Annelies, nun sag' auch mir ein tröstlich Wort.«

»Ich habe dich lieb gehabt, Frieder!« entgegnete sie und zog ihn näher an sich; »jetzt darf ich dir's gestehen, von Herzen lieb. Danach ist es freilich anders gekommen; ich ward oft recht zornig, aber im Grund war es doch auch nur aus Liebe, und vergessen konnte ich dich nie. Wirst du mir auch wirklich nicht nachtragen, daß ich dir so oft wehe getan? Wirst du manchmal im Guten an mich denken?« – Als Frieder nicht antworten konnte und nur ihre Hand fester drückte, winkte sie den Sohn zu sich und fuhr fort: »Johannes, halte deinen Vater in Ehren, er verdient es, mache gut, was ich und der Herle an ihm gesündigt haben. Verlaß auch das Kind nicht, gib mir die Hand, daß du ihm in allen Stücken ein Bruder sein willst!« Matt legte sie sich zurück, aber aus ihren Augen strahlte ein wunderbarer Glanz. »Ruft mir Auguste herein,« begann sie nach einer Pause, und als das Mädchen Hand in Hand mit Johannes vor ihrem Bett stand, richtete sie sich auf und sagte: »Gott segne euch, ihr Kinder, und behüte euch vor unserm Schicksal! – Johannes, halte Auguste in Ehren, du weißt nicht, wie es einer Frau ans Leben greift, wenn sie der Mann verachtet. Du aber, Auguste, sei liebreich und herzlich allezeit; laß dich nicht erzürnen und verbittern, wenn Johannes einmal nicht ist, wie er 243 sein sollte. – Und noch eins: sorgt für die Hirtenkathrin! Sie hat mir treu beigestanden in schweren Tagen; drum verlaßt sie nicht im Alter.« Zuletzt gab sie noch der Bergbäuerin die Hand. »Hab auch du Dank für deine Treue und denke manchmal an mich; deinem Alten aber sage, er solle doch seinen Groll fahren lassen und bedenken: des Menschen Zorn tut nicht, was vor Gott recht ist! – So – nun geht in die Stube, aber bleibt beisammen; ich bin müde, sehr müde und will schlafen!«

Stille saßen die fünf Personen – auch Kathrin hatte sich zu ihnen gesetzt – in der Stube; kein Wort ward gesprochen, nur dann und wann brach verhaltenes Weinen plötzlich hervor, sie wußten ja, der Engel des Todes schwebte durchs Haus. Geräuschlos ging die Bäuerin bei der Kranken ab und zu, nach Mitternacht verweilte sie länger in der Kammer; – als sie zurückkehrte, sagte sie weinend: »Zünde Licht an, Johannes, deine Mutter ist eingeschlafen.«

* * *

Es war Abend, wenige Tage nach dem Begräbnis der Annelies; glühend leuchtete das Rot des Himmels durch das Laub der Obstbäume in den Schreinersgarten und lag als milder Glanz auf Johannes' Angesicht, der mit gekreuzten Armen am Stamm des alten Apfelbaumes lehnte und erwartungsvoll durch die Bäume lugte. Manchmal freilich ließ er auch den Kopf sinken, trübe Schatten legten sich auf seine Stirn, es waren gar traurige Erinnerungen, die durch 244 seine Seele zogen. Allein das war ja vorüber; das Leid zum Segen geworden; das Köstlichste, was einem Kinde beschieden sein kann, war ihm gelungen – er hatte die Eltern versöhnt – und heute noch wollte man den Vater zurückführen in seine Heimat! – Er hob den Kopf und stieß einen Freudenruf aus – ein Mädchen kam auf ihn los und umschlang jubelnd seine Knie. »Bist du endlich da, Line?« rief er und nahm das Kind auf den Arm, »habe lange auf dich gewartet! Komm jetzt, wir wollen dem Vater entgegen!«

»Unnötig, ist schon da,« entgegnete eine muntere Stimme, und als er sich hastig umdrehte, standen wirklich der Vater und der Schulbauer, die ihn schon eine Weile beobachtet haben mochten, vor ihm. Tief bewegt drückte Johannes die Hand des Vaters und sagte herzlich: »Willkommen, Vater, tausend, tausendmal willkommen daheim! – Der Herr segne Euren Eingang und schenke Euch Gesundheit und langes Leben, daß wir noch viele, viele Jahre zusammen haushalten in Friede und Eintracht! – Seid herzlich willkommen in Eurem Haus!«

»'s ist brav, daß du uns nicht erst in das Haus gelassen hast,« nahm der Schulbauer das Wort, da Frieder nicht reden konnte, »so was macht sich in der schönen Gotteswelt viel leichter ab, als in der dunklen Stube. So, nun nehmt Euch zusammen, Frieder, und seid ein Mann; seht Euch doch Eure Bäume an, wie gut sie gehalten sind – lacht Euch denn nicht das Herz im Leib? – Und du, Johannes, ich 245 glaube, du hast noch gar nicht bemerkt, wie meine Anna dein Schwesterchen herausgeputzt hat – ja, gelt, es ist ein herziges Ding? – Darfst mir glauben, wir lassen das Kind ungern genug von uns! – Und höre, meine Anna hat mir auf die Seele gebunden, du sollst doch ja das Kind gut halten; sie kommt selber, um nachzusehen, und Gott sei dir gnädig, ist dann nicht alles in Ordnung. – Jetzt aber kommt, wir wollen in das Haus; mein Hals ist wie vertrocknet, und einen rechtschaffnen Hunger habe ich auch.«

Lächelnd drückte Johannes dem Freunde die Hand und schritt den Männern voran ins Haus. Kathrin hätte beinahe laut aufgeschrien vor Freude, als Frieder in die Stube trat; die Line mußte Johannes in Schutz nehmen vor ihren allzu stürmischen Zärtlichkeiten.

Nach dem Essen, als die Pfeifen brannten, begann der Schulbauer: »Und was nun weiter? – So kann dein Haushalt nicht bestehen, auch dem Kind bist du es schuldig – du mußt heiraten. Wie steht's im Bergbauernhaus?«

»Schlimmer denn je!«

»Wieso!«

»Seit der Aussöhnung der Eltern ist der Bergbauer völlig wild über mich geworden, und daß ich den Vater ins Haus nehme, brachte das Häfele vollends zum Überlaufen.«

»Narrheit,« brummte der Schulbauer. »Dummer Unsinn!«

»Dazu kommt,« fuhr Johannes fort, »daß sich 246 jetzt der reiche Ottensludwig von Simmershausen stark um die Auguste bewirbt, und der Bergbauer sich in den Kopf gesetzt hat, der müsse nun sein Schwiegersohn werden. Auguste hält sich tapfer – aber wie lange wird sie bestehen können?«

»Wie steht's mit der Bäuerin? – Ist sie noch für dich?«

»Von ganzem Herzen; aber was hilft das?«

»Hm, da verzage ich noch nicht; sie ist eine kluge Frau, steckt ihren Alten zehnmal in den Sack, und er merkt es gar nicht. Geduld wirst du freilich noch haben müssen; aber verliere nur den Mut nicht, gegen zwei Weiber richtet selbst ein Bergbauernkopf nichts aus.«

Frieder saß unterdes still auf der Ofenbank; er kam sich fremd und verlassen vor, auch das Gespräch vermehrte seine Unruhe. Gedrückt begann er: »Johannes, ich weiß, du meinst es von Herzen gut mit mir – aber nimm es nicht übel – mein Platz ist nicht in diesem Haus, ich kann nicht bei dir bleiben. Ich habe Leid genug über dich gebracht; von jetzt ab will ich deinem Glück nicht mehr im Weg sein – drum geh ich wieder. Bleibe nur ruhig meinetwegen, Johannes, werde schon irgendwo ein Unterkommen finden, und willst du mir dann und wann unter die Arme greifen, nehme ich's mit Dank an.«

»Holla, Frieder,« rief der Schulbauer, »was soll das bedeuten?«

»Laßt mich ausreden! – Es ist nicht bloß darum, daß sich meinetwegen die Freierei mit der Auguste 247 zerschlägt – ich habe noch andere Gründe. Bei jedem Blick, der nicht ganz freundlich wäre, müßte ich denken, das ist ein Vorwurf, und das ertrüg' ich nicht. Darum muß ich fort, weit fort unter Menschen, die mich nicht kennen. Dazu – ich rede ganz, wie mir's ums Herz ist – würde Johannes über kurz oder lang doch bereuen, daß er mich und das Kind zu sich genommen hat, wir würden ihm zur Überlast – und das soll nicht sein. Zwischen uns soll keine Verdrießlichkeit mehr aufkommen, darum geh' ich. Redet mir nicht ein, ich habe mir die Sache überlegt, jedes Wort dagegen ist vergeblich.«

»Frieder,« meinte der Schulbauer kopfschüttelnd, »Ihr seid wieder einmal auf einen garstigen Holzweg geraten.«

»Ich hätte das gleich sagen sollen, das ist jetzt auch noch Zeit,« begann Johannes, der aufgestanden war und ein Papier aus dem Schränkchen genommen hatte. »Ihr dürft nicht denken, daß ich Euch aus Gnaden und Barmherzigkeit aufnehme. Die Erbschaft der Mutter trete ich freilich ohne Umstände an – wozu sollten wir uns erst Weitläufigkeiten und Kosten machen? – Ich nehme aber die Sache so, als hättet Ihr mir das Vermögen gegen einen Auszug, den ich für Euch habe aufsetzen lassen, freiwillig übergeben, wie's Sitte und Brauch ist. Vorläufig lebt Ihr bei mir, könnt Ihr Euch aber mit mir und meiner Frau nicht vertragen, so ist das Erkerstüble für Euch eingerichtet, und Ihr bekommt jährlich Euer Gewisses an Geld und Naturalien. – Da seht 248 Euch den Aufsatz an, ich denke, Ihr werdet zufrieden sein. Weiter sind Euch bei der Teilung des erworbenen Vermögens fünfzehnhundert Gulden zuviel abgenommen worden – es geschah ohne mein Wissen! – Damals gelobte ich mir, das Geld bleibt Euer, bei erster Gelegenheit stelle ich es Euch zurück. In den letzten drei Jahren hatten wir Glück; was wir erübrigten, reichte mit den schon vorhandenen Kapitalien gerade hin, die fünfzehnhundert Gulden voll zu machen. – Ich habe sie für die Line in die Sparkasse gelegt, alljährlich sollen die Zinsen zum Stock geschlagen werden – so hat das Kind auch ein Erbgut. – Seid Ihr damit zufrieden?«

»Johannes, Johannes,« rief Frieder. »Nein, das kann, das darf ich nicht zugeben, du beraubst dich allzu sehr.«

»Hätte ich Weib und Kind, dann dürfte ich vielleicht nicht,« sagte Johannes und legte dem Vater die Hand auf die Schulter. »Drum eben ist's gut, daß ich damals die Güter nicht nahm. Merkt Euch noch dies: zur Überlast werdet Ihr und das Kind mir einmal nicht, ich habe mich lange genug nach Euch beiden gesehnt; wie es mit Auguste wird, steht in Gottes Hand – Ihr bleibt bei mir. Sonst könnt Ihr Euch in Haus und Werkstatt nützlich machen, solange es geht, das ist Euch unverwehrt – seht Euch nur um, ob auch noch alles im rechten Stand ist.«

»Sagt' ich's nicht, Ihr seid auf dem Holzweg! – Ich will Euch allein lassen, hier hat ein dritter nichts zu tun. Johannes – mit Männern zu leben wie du, 249 das ist eine Freude!« Damit nahm der Schulbauer seine Mütze und ging.

Johannes hatte nicht zuviel gesagt, im Bergbauernhaus stand es in Wahrheit recht schlimm. Mit dem ruhigen, besonnenen Bergbauer war eine merkwürdige Veränderung vorgegangen; ohne es zu ahnen, war er auf eine abschüssige, gefährliche Bahn geraten. Zuerst war es freilich bloß sein gekränktes Gefühl für Recht und Wahrheit, was ihn gegen Frieder erzürnte; bald gesellten sich jedoch eigensüchtige Absichten hinzu, die, wenn er sie auch sich selbst nicht gestehen wollte, ihn härter und liebloser machten, als sonst seine Art war. Als ihm dann Johannes im Augenblick, da er sich am Ziel glaubte, seinen Lieblingsplan zerstörte, setzte sich eine tiefe Verbitterung auch gegen ihn in seiner Seele fest, und die fast einstimmige Verurteilung des Jünglings von seiten der Bergheimer goß Öl ins Feuer. Die unwandelbare Anhänglichkeit der Seinigen an Johannes, ihre offene Billigung seines Tuns brachte ihn in einen eigentümlichen Zustand. Im tiefsten Innern konnte er ihnen nicht unrecht geben; aber das gerade ärgerte ihn, er wollte es nicht eingestehen, und um sein Gewissen zum Schweigen zu bringen, verwickelte er sich tiefer und tiefer in falsche Urteile und Gründe. Als dann die öffentliche Meinung zugunsten Johannes umschlug, empfand er das fast wie eine persönliche Beleidigung, glaubte es seiner Ehre schuldig zu sein, nun erst recht auf seiner Meinung zu beharren und sie wo möglich noch schroffer hervorzukehren. Das brachte ihn in Verdruß mit 250 fast allen Nachbarn; er ward mißmutig über sich und die ganze Welt und begann im Wirtshaus Vergessenheit seines Ärgers zu suchen. Im Zorn hatte er sich mit den Simmershäuser Ottensleuten eingelassen, die schon in der ganzen Gegend vergeblich nach einer Frau für ihren Ludwig gesucht hatten, und setzte nun Himmel und Erde in Bewegung, die Heirat zwischen Auguste und dem Ludwig fertig zu bringen.

»Ich sage dir zum letztenmal, morgen ist Freierei mit dem Ottensludwig; wenn du mir mit einer Miene widersprichst, sollst du sehen, was es gibt,« wetterte er in der Stube herum und schlug mit der Faust auf den Tisch, daß die Katze erschrocken unter den Ofen flüchtete, während Auguste und die Bäuerin laut weinten. »Hat dich der Umgang mit dem erbärmlichen Menschen drunten so gänzlich verdorben, daß du meinst, du brauchst nach deinen Eltern nichts mehr zu fragen? – Freilich, was sag' ich? – Eltern! – Deine Alte steckt ja mit dir unter einer Decke, bestärkt dich in deinem Unverstand und hilft zu deinen Schlechtigkeiten. Mich wundert nur, daß du nicht schon lange in Schimpf und Schande gefallen bist. Aber ich will dir und deiner Mutter einen Riegel vorschieben – morgen ist Freierei und in vier Wochen Hochzeit, punktum! – Und jetzt nicht gemuckt, sonst setzt's was!«

»Ich seh', Ihr achtet mich nimmer als Euer Kind, so kann kein Vater reden,« sagte Auguste und ließ die Schürze von ihren Augen sinken. »Noch bin ich nicht schlecht, aber ich merke, ich werd's, wenn Ihr's 251 noch lange so forttreibt. Drum geh' ich; ich will machen, daß ich Euch aus den Augen komme, vielleicht wird dann Ruhe im Haus. Von Johannes lasse ich nicht, nie und nimmermehr; darf ich ihn nicht nehmen, bleibe ich ledig – weiter reicht Euer Zwang nicht. Ich geh' und suche mir einen Dienst; auch unter fremden Leuten bleibe ich brav, Ihr sollt keine Schande an mir erleben.«

Ganz verdutzt blickte der Bauer dem Mädchen nach, das zwar weinend, doch mit erhobenem Kopf aus der Stube ging. Die Bäuerin, die bisher still geweint, begann nach einer Weile: »Das Kind hat recht, du bist kein Vater mehr! Wer Weib und Kind so beschimpfen kann, wie du eben getan, verdient den Namen nicht mehr. Kannst du es über die Zunge bringen, ich hätte der Auguste zu Schlechtigkeiten verholfen? – Aber was rede ich davon? – Sag' mir, was soll werden, wenn das Mädle wirklich einen Dienst annimmt? – Bisher haben ich, die Kinder und Dienstboten den Haushalt mit Not zusammengehalten, haben deinen Anteil mitgearbeitet; wenn aber Auguste fort ist, dann zwingen wir's nicht mehr, es geht jetzt schon oft über unsre Kräfte, und die Dienstboten werden verdrießlich – sag', was soll werden?«

»Du tust, als wär' ich für gar nichts auf der Welt,« fuhr der Bauer auf. »Greif' ich nicht überall mit an, wo's fehlt?«

»Ja, wenn du einmal in den Schuß kommst, dann denkt man, du allein machst alle Berge eben; 252 sieht man aber genauer zu, hast du mehr geschadet als genützt. – Tu' nicht so wild, mich jagst du nicht in Furcht! Seitdem du Tag und Nacht im Wirtshaus liegst, wochenlang weder in den Stall noch auf die Felder guckst, und wenn du doch einmal dazu kommst, nichts kannst als schimpfen und fluchen – bin ich auf alles gefaßt, auch auf das Schlimmste! – Ach Jörg, Jörg, wenn du nicht anders wirst, ist uns in kurzem der Bettelsack gewiß.«

»Herrgott,« unterbrach sie der Bauer, »mach's nicht so arg – so arg – so weit ist's noch lang' nicht!«

»Denk' dran, Jörg, gerade so sagte der Schreinersfrieder – und was ist draus geworden?«

»Alte,« entgegnete der Bauer, den es siedend heiß überlief, »höre auf zu heulen. Du weißt, da könnte ich gleich aus der Haut fahren. Sei gut, ich will anders werden!«

»Ja, wie lange denn? Bis zum Abend? – Wenn du nicht gleich hinter dem Bierglas sitzest, ist's ja doch nicht anders, als ging die Welt zugrund'. Geh', das sind Redensarten – ich wollt', ich wär' gestorben!«

»Marie, ich bitte dich, sag' doch das nicht! Sei ordentlich, ich seh' ein, du hast recht. Verlaß dich drauf, es wird anders.«

»Und wenn auch, es ist zu spät. – Unser Kind hast du doch aus dem Haus getrieben.«

»Sie wird doch kein dummes Zeug machen!«

»Dummes Zeug? – Hätte bald was gesagt! Was bleibt ihr übrig, wenn sie dem Ottensludwig 253 entgehen will? – Jörg, Jörg, wo hast du nur deine Sinne? Merkst du nicht, daß es mit den Simmershäusern einen Haken hat? – Im Steinachgrund gibt's reiche Mädle genug – was haben die bei uns zu suchen?«

»Holla – darauf ist's abgesehen? – Oha – du jagst mich nicht ins Bockshorn; darin gebe ich nicht fingerbreit nach!«

»Das weiß ich lang, und es nützt ja auch nichts; wie ich Auguste kenne, ist sie morgen schon über alle Berge.«

»Sie wird doch nicht?« rief der Bauer und ging unruhig auf und ab. »Wenn das Mädle fortlief – die Schande vor allen Leuten! – Marie – rede ein vernünftiges Wort mit ihr – sie soll mir doch das nicht antun!«

»So! – Aber ihr Jammer rührt dich nicht? – Nein, das sei ferne, daß ich mein Kind ins Unglück stürzen helfe!«

Der Bauer trommelte hastig auf den Tisch, man sah ihm an, wie in es ihm stürmte. Plötzlich brach er los: »So sollt ihr in Teufels Namen euren Willen haben! – Geh, sag' ihr, ich geb' nach – nur soll sie im Haus bleiben!«

»Gott verzeih' dir deine lästerlichen Reden,« entgegnete die Bäuerin, die aufgestanden war. »Darauf sage ich: nun soll sie erst recht in Gottes Namen einen Dienst suchen; wenn es so mit dir steht, ist sie bei fremden Leuten besser aufgehoben, als bei uns.«

»Marie! – So bleib' doch – hör' mich nur erst, es war gar nicht so schlimm gemeint,« rief der 254 Bauer und kraute sich in voller Verlegenheit die Haare, als die Bäuerin die Stube verlassen wollte. »Himmelschwenselens, mit dir ist heut auch gar nichts anzufangen! – Hm, hm – ist ein verdammter Kram mit den Ottensleuten – wenn nur die Freierei nicht auf morgen bestellt wäre! – So hab' doch nur ein Linsele Geduld – du bist doch rein zum Häusle 'naus! – Ich will ja zurück – Herr meines Lebens, wenn ich nur wüßte – wie!«

»Ich dächt', das wär' einfach genug. Ist dir's ernst, so schicke den Knecht nach Simmershausen und laß den Ottensleuten sagen, du hättest dich anders besonnen, mit der Freierei wär's nichts.« –

»Aber der Lärm, Alte, der Lärm – daß dich der Hund beißt! – Ich darf mich nirgends mehr sehen lassen!«

»Was machst du auch solche Streiche! – Und ist das nicht immer besser, als wenn du dein Kind ins Unglück stürzest?«

»Freilich, freilich, du hast ja recht, sei nur wieder gut! Der Hansjörg kann sich gleich nach Simmershausen auf die Beine machen und ausrichten, mit der Freierei wär's vorbei, die Ottensleut' sollten morgen daheim bleiben. – Hm, hm, hm! – der Lärm wird ja auch vorübergehen – 's ist nun einmal nicht zu ändern! – Aber – so geh doch und rede mit der Auguste!«

»Ich? – Warum nicht du selber?«

»Herrgott, Alte – wo hast du nur deine Gedanken? Ich kann doch nicht selber dem Mädle nachlaufen! Wo bliebe der Respekt?«

255 »Du – ja du darfst was von Respekt sagen,« entgegnete die Bäuerin, als Auguste zum Fortgehen gerüstet in die Stube trat und weinend fragte: »Vater, besteht Ihr darauf, daß ich den Ottensludwig freien soll?«

»Davon ist ja gar keine Rede, du Donnersmädle,« rief der Bauer, dem ein Stein vom Herzen fiel. »Mußt nicht gleich alles so ernsthaft nehmen; ich war vorhin eben ein bißle in der Hitz; rede deiner Mutter zu, daß sie vernünftig wird, ich krieg' sonst in acht Tagen kein gutes Wort von ihr. Da hast du meine Hand, du sollst zu nichts gezwungen werden, und was ich dir zuviel – –«

»'s ist gut, Vater, ich dank' Euch von Herzen,« fiel ihm das Mädchen ins Wort. »Ach, es wäre mir schwer genug geworden, Euch zu verlassen.«

Still blickte der Bauer seiner Tochter nach, wischte sich verstohlen die Augen, dann gab er der Bäuerin die Hand und sagte: »Gib dich zufrieden, Marie, du sollst dich nicht über mich zu beklagen haben. Der Auguste aber vergeß ich all mein Lebtag nicht, daß sie mir das schwere Wort erspart hat.«

Hastig wendete er sich ab; im Stall gab er Hansjörg Auftrag nach Simmershausen, schirrte dann selber die Ochsen ein und fuhr mit dem Pflug ins Feld.

In der Tonneller gesellte sich der Beckenjörg, der»neue Schulz«, wie er jetzt in Bergheim genannt wurde, zu ihm und sagte im Weiterschreiten: »Heut' abend kommt der Gemeindevorstand zusammen, und 256 bei Strafe darf kein Deputierter ausbleiben. Kommt mir aber nicht in dem Zustand wie das vorige Mal; es sollte mir leid sein, müßte ich Euch die Schande antun und Euch aus der Gemeindestube weisen. – Seht nicht so wild drein, ich mein's gut mit Euch und fürchte mich nicht. Nehmt Vernunft an, es gibt sonst noch böse Geschichten; da und dort habe ich munkeln hören, Ihr taugtet gar nicht mehr zum Deputierten.«

»Wer sagt das?«

»Das gehört nicht hierher, ich wollt' Euch bloß warnen. Und laßt auch das unsinnige Schimpfen im Wirtshaus über den Schreinerjohannes; es paßt für einen Deputierten allzu schlecht, wenn er einen Menschen nicht verächtlich genug machen kann, von dessen Lob das ganze Dorf voll ist.«

»Bläst der Wind daher?« fuhr der Bauer zornig auf. »Aber damit ist's nichts – ich laß mir nichts einreden – der Johannes soll mir vom Leibe bleiben.«

»Das könnt Ihr halten wie Ihr wollt, nur so unsinnig lästern und schimpfen sollt Ihr nimmer. Und noch eins! – Seht Euch vor! – Mit dem Ottensludwig soll es gar nicht sauber sein. Der Malmerzer Axmüller sagte mir gestern in Schottendorf, er könne sich nicht genug wundern, daß Ihr Euer Mädle an solch einen Lumpen wegwürfet. Um seine Kleine habe er auch gefreit, aber er habe ihn abgefertigt, daß er gewiß nicht wiederkomme. Der Ludwig sei ein gar wüster; im Steinachgrund gucke ihn kein ehrliches Mädle an. Wenn Ihr mehr wissen 257 wolltet, solltet Ihr nur zu ihm kommen. – Überlegt Euch das und seht Euch vor!«

Der Bergbauer ließ den Kopf sinken und schien nicht zu bemerken, wie der Schulz in einen Seitenweg abbog. Auf der Feuerleite ackerte er erst drauf los, als müsse er noch heute die Bergheimer Flur umstürzen; aber bald überließ er die Ochsen ihrer natürlichen Langsamkeit, und als ihm trotzdem ein heftiger Schweiß ausbrach, hielt er gar still, setzte sich auf die Pflugsterzen und stützte den Kopf in die Hände.

Es war ihm hart mitgespielt, fast zu plötzlich und schonungslos die Binde von den Augen gerissen worden; der doppelte Angriff hatte sein ganzes Wesen in Aufruhr gebracht. Schon der Vergleich mit Frieder war ihm wie Feuer in die Seele gefallen, die Worte des Schulzen hatten ihn vollends wie vernichtende Schläge getroffen! »Was bin ich für ein Mensch! – Die Schande, o die Schande.« flüsterte er und rang die Hände; in wachsender Angst sprang er auf und begann aufs neue zu ackern, aber die Gedanken ruhten nicht, sie räumten auf in seiner Seele, und je mehr sein altes, ehrliches Wesen zum Vorschein kam, desto größer war sein Schrecken über sich selbst. Als er endlich am Abend mit dem Pflug heimkehrte, hatte er noch keine Ruhe gefunden.

Von da an war er wie umgewandelt. Ernst, aber freundlich schaffte er mit den Seinen, kein unholdes Wort kam über seine Lippen, dafür ging er nachdenklich herum, schüttelte oft heimlich den Kopf, und die Bäuerin hörte ihn manchmal leise mit sich 258 selbst reden. Sie machte Auguste darauf aufmerksam und meinte: »Bei deinem Vater ist's grad', als wollte der alte, gute Jörg wieder hervor und könne noch nicht recht heraus. Ich möchte ihm gern helfen, wenn ich sehe, wie er sich härmt und plagt – aber es ist nicht zu trauen, ein unbedachtes Wort könnte alles verderben.« – Dazu nickte Auguste und sagte lächelnd: »Laßt ihn nur. Wenn man was allein machen kann, ist's ärgerlich, stellt sich ein ungebetener Helfer ein; – so ist's auch beim Vater. Laßt ihn nur, er wird schon selbst fertig werden.«

An einem stillen Sommernachmittag kurz vor der Ernte saß der Bergbauer im Schatten der Scheune neben einem Haufen schlanker Birkenschößlinge, und während er die Ruten von den überflüssigen Ästen befreite und zu biegsamen Wieden, zusammendrehte, gingen seine Gedanken weit um.

Manch' schmerzliche Erkenntnis war ihm in diesen Tagen aufgegangen; er hatte eingesehen, wie schwer er sich versündigt, da er sich zum Richter über das Tun und Lassen andrer aufgeworfen; er hatte erkannt, welches Unheil er angerichtet durch seine Parteinahme für Annelies, durch seine gewaltsame Einmischung in fremde Familienverhältnisse. Mit Schrecken hatte er sich gefragt: was wäre aus mir geworden, hätte ein Fremder Weib und Kind gegen mich aufgestachelt, wie ich dort getan? – Bei solchen Gedanken und Erwägungen konnte auch die Reue nicht ausbleiben. – 259 Von Herzen gut, wie er war, hatte in der Stille auch in ihm die Liebe den Haß überdauert, und nun einmal die Eisdecke der Verbitterung und Verblendung geborsten war, strömte sie, wie ein Quell im Frühling, voll und rein aus der Tiefe des Herzens empor; – eine herzliche Sehnsucht nach Wiedervereinigung mit dem Jugendfreund ward in ihm lebendig. Lange hatte er sich gesträubt, die Tüchtigkeit des Johannes anzuerkennen, hatte mit Gewalt das Gefühl für den Jüngling, das sich schon lange in seinem Herzen regte, unterdrückt – jetzt brach auch dieses um so machtvoller hervor. Er mußte zugestehen, daß sich Johannes bewährt in schweren Prüfungen, daß er klüger und besser war als er selber – und wie ihn auch dies Geständnis beschämte – es vermehrte nur seine Liebe zu dem Jüngling, seine Sehnsucht nach Aussöhnung mit den Schreinersleuten.

Bekümmert legte er den Kopf auf die Arme, um nur das Schreinershaus nicht mehr zu sehen, das gar so stattlich heraufleuchtete. Wie so ganz anders konnte es sein, wenn er nicht durch Eigensinn und Trotz unübersteigliche Scheidewände zwischen hier und dort aufgetürmt hätte! – Dann waltete wohl Auguste als glückliche Frau in dem stattlichen Anwesen, er selber war durch Bande des Blutes fester denn je mit Frieder verbunden, und den bravsten, tüchtigsten Mann im Dorfe durfte er stolz seinen Sohn nennen! – »Und soll es immer so bleiben?« fragte er sich seufzend; »gibt es gar keinen Ausweg?« – Wohl gab es einen – aber er war dornig; sein Stolz 260 sträubte sich, ihn zu betreten, und der alte Irrgeist in ihm raunte: »Wozu dich demütigen? Es nützt ja doch nichts – sie werden, sie können gar nicht verzeihen!«

Aber der Trotz war gebrochen, bedrückt sagte er: »Und wenn auch, probieren muß ich's doch! Den Zustand ertrag' ich nicht, es geschieht ja auch meines Kindes wegen! Ach, ich wollt' ja alles über mich ergehen lassen, wenn ich nur wüßte, wie ich's anpacken sollte – ich kann doch nicht mit der Tür ins Haus fallen? – Herr meines Lebens – der Anfang, der Anfang!«

Bekümmert, ratlos blickte er auf und sah auf den Wieden ein kleines Mädchen, das mit einem Strauß Kornblumen und feuerroter »Glitschen« spielte, jetzt aber die Blumen in den Schoß sinken ließ und ihn aus großen Augen kindlich-klug ansah. »Bist bös?« fragte sie und lehnte sich zwischen seine Knie. »Warum? – Da hast meine Blümle: – Aber nimmer bös, gelt? – Johannes auch nimmer bös, wenn ich ihm Blümle bring' – Johannes gar gut ist!« – Der Bauer war zuerst zusammengefahren, als er die kleine Schreinersline erkannte, aber plötzlich hellten sich seine Züge auf, und mit freundlichem Zuspruch hob er das Kind auf seine Knie. »He, Alte,« rief er nach einer Weile mit lauter Stimme ins Haus, »geh geschwind heraus, wir haben Besuch gekriegt!«

Voller Verwunderung schlug die Bäuerin die Hände zusammen, als sie den Bauer so vertraut mit dem 261 Mädchen umgehen sah; fast wäre sie mit den Schürzenzipfel nach den Augen gefahren, besann sich jedoch zu rechter Zeit, daß ihr Alter das Weinen nicht leiden konnte und überhaupt sehr eigen behandelt sein wollte.

»Nun,« fuhr sie der Bauer an, dem ihr Schweigen zu lange währte, »freust du dich nicht, daß das Linele zu uns kommt?«

»Lieber Gott, wenn's weiter nichts ist,« sagte die Bäuerin schrecklich gleichgültig, »die Kinder sind eine wahre Plage, den ganzen Tag wird man sie nicht los.«

»Ich dächte, bei der Line wär's doch etwas anders!«

»Möchte auch wissen warum!«

»Alte, mach' mich nicht falsch,« war die heftige Entgegnung. »Aber geh du her, Linele, wenn die Bäuerin nichts von dir wissen will, kommst du zu mir, wir wollen doch sehen, wer Herr im Haus ist!« Damit nahm er das Kind auf den Arm und ging in die Stube.

Schlau lächelnd folgte die Bäuerin ihrem Alten; sie konnte sich nicht genug verwundern, wie ihr »alter, steifer Jörg« so freundlich mit dem Kind umging. Alles mögliche trug er ihm zu, dabei sah man ihm an, wie leid es ihm war, daß er nicht noch mehr tun konnte. Als die Kleine endlich heim begehrte, stopfte er ihr die Tasche voll Hutzeln und Schnitze, und die Bäuerin mußte ihr noch ein Stück Honigbrot als Wegzehrung mitgeben. Halb den Berg hinab 262 gab der Bauer dem Kind das Geleit, blickte ihm nach, bis es im Schreinershaus verschwunden war, dann setzte er sich auf die Schnitzbank, stopfte sich eine Pfeife und nahm seine Arbeit mit dem Seufzer wieder auf: »Wenn doch das Kind zum Friedensboten würde!«

Und so geschah es! Schon am nächsten Tage kam Line wieder; Auguste drückte sie heftig an ihr klopfendes Herz, und Hans nahm sie unter seinen besonderen Schutz, ließ sich auch nicht abhalten, sie im Schreinershaus abzuholen, als sie später einmal über die gewöhnliche Zeit ausblieb. Kann der Hans herunter zu uns, darf ich auch wohl einmal hinauf ins Bauernhaus! dachte Kathrin, und am nächsten Sonntag machte sie sich, wenn auch mit einigem Herzklopfen, auf den Weg. Der Empfang übertraf alle Erwartungen; der Bauer selber kam ihr entgegen und sagte: »Sei willkommen! 's ist doch eine wahre Freude, daß sich wieder ein Gesicht aus dem Schreinershaus bei uns blicken läßt!« Beim Kaffee mußte Kathrin von Frieder und Johannes erzählen, und je mehr sie beide lobte, desto mehr nickte der Bauer. Kathrin blickte auf dem Heimweg stolz um sich, ob es auch jemand gesehen, daß der Bauer und die Bäuerin sie bis vor die Haustür geleitet hatten. Daheim konnte sie die Bergbauers nicht genug rühmen und ermahnte Johannes, nun nicht länger zu warten.

Der Stern des Friedens war aufgegangen und leuchtete über den beiden feindlichen Häusern. Als der Bergbauer eines Abends ins Wirtshaus ging, hörte er Johannes und Auguste über den Gartenzaun 263 hinweg reden. Leise schlich er näher, legte Johannes die Hand auf die Schulter und sagte herzlich: »Brauchst nicht zu erschrecken, bin ich nicht dein Pat'? – Droben im Hof liegt ein schönes Nußbaumbloch; geh, sieh dir's an, und kannst du es brauchen, fahre ich dir's morgen gleich in die Schneidmühle.« – Ohne sich umzublicken, eilte er mit weiten Schritten davon; die Gäste im Wirtshaus zerbrachen sich die Köpfe, warum der Bergbauer heute so vergnügt dreinschaue.

Johannes eilte zwar sogleich hinauf in den Hof, aber das Bloch sah er nicht an; Hand in Hand trat er mit Auguste in die Stube zur Bäuerin und sagte: »Pate, Gott sei Lob und Preis, der Bauer selber hat mich angeredet und herein geheißen!« 264

 


 


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