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Rotlocke

Vor vielen Jahrhunderten lag in einem Kerker in einem mächtigen Reich irgendwo im Norden oder im Süden ein junger Gefangener.

Der wußte nicht aus noch ein, wußte sich nicht zu fassen und zu lassen vor verzweifelter Not. Er war gefangen und eingekerkert worden, gerade in dem Augenblick, da er die Stimme laut erheben wollte zur Befreiung seines Vaterlandes von Not und Schmach.

Der Herrscher, der es mit blutiger Strenge regierte, saß zu Unrecht auf dem Throne.

Er hatte seinen Vorgänger gestürzt und alle Mitglieder des alten Fürstenstammes ausgerottet. Durch gefälschte Erbbeweise behauptete er sein Recht.

Feige Furcht vor der Grausamkeit seiner Gesetze hielt das unglückliche, murrende Volk in Bann.

Da hatte sich einer, ein Kühner, zum mutigen Befreier aufgeschwungen, hatte geforscht, hatte gespürt und geschürt. Beweise eingeholt, die Kette von Herzen zu Herzen hergestellt.

Alles war zu einem großen Aufstande vorbereitet. Viele jauchzten ihm zu.

Wie Frühlingsatmen ging es durchs Land.

Nun wollte er mit dem letzten freien Wort vor den Herrscher treten.

Da verschwand auch er spurlos, wie die Sprossen des echten Königsgeschlechtes verschwunden waren.

Das Volk hielt ihn für tot und beugte sich verzweifelnd, nun ganz trostlos und hoffnungslos, unter das verhaßte, unerträgliche Joch.

 

Drei starke eiserne Türen verschlossen den Raum, in dem der Gefangene lag.

Kein Fenster erhellte ihn, Stockdunkelheit herrschte.

Nur beim flackernden Schein der trüben Laterne, die der finstere Kerkermeister am Gürtel trug, konnte der Unglückliche von Zeit zu Zeit seine Umgebung mustern.

Er hatte keine Ahnung, wo er sich befand.

Man hatte ihn betäubt, besinnungslos hierhergebracht.

Der kalte, modrige Raum schien ein Saal gewesen zu sein, dessen Fenster man nun fest vermauert hatte.

Bröckelnde Reste schöner alter Stukkaturen schmückten noch die feuchte Decke, Fetzen bunter Tapete die kahlen, fahlen Wände. In einer Ecke stand ein zermürbter, zugemauerter Kamin, noch in den Trümmern und Resten seiner Säulen und Simse edel und schön.

 

Wie lange er nun schmachtete, in wie langen Abständen der stumme Scherge ihm die kärgliche Nahrung brachte, ob die Tage draußen auf- oder niedergingen, ob sie sich zu Wochen oder zu Monaten reihten, der unglückliche Jüngling ahnte es nicht.

In der ununterbrochenen Dunkelheit unterschieden sich die goldenen und die schwarzen Glieder an der Kette der Zeit für ihn ja nicht mehr.

Nur ein Auf und Ab von Aufschreien und Ermattung, von Rütteln am Geschick und todmüdem Sichfügen war sein Sein. Die Ermattung brachte manchmal ein bißchen sehr leisen, zuckenden Schlaf, dem dann ein um so trostloseres Erwachen folgte.

 

Doch einmal kam's anders.

Der Gefangene fuhr, von einem lieblichen Lichtschein geweckt, vom Schlummer auf.

Er glaubte noch zu träumen.

Ein schlankes, schönes Kind, ein Mädchen, saß dort vor der schwarzen Feuerstelle des vermauerten Kamins.

Sinnend und in sich versunken saß sie und spielte.

Holzscheiterchen baute sie zu einem luftigen Scheiterhäufchen auf. Immer ein Scheit nach dem anderen hinter sich aus dem Dunkel vorlangend und auf die anderen legend. Dabei wurde das Häufchen nicht höher und nicht größer. Der Scheite wurden nie mehr als gerade neun. Auch kein Flackern sah man, kein Sprühen, kein Glühen. Aber doch ging unbegreiflicherweise Licht und süße Wärme von dem Kind und seinem seltsamen Spiele aus.

Im dünnen, tulpengelben Kleide saß das Kind. Goldrote, liebliche Locken wallten unter schmalem, bläulichem Scheitelbande in unbändiger Fülle über seine schmale Gestalt.

Es lächelte über sein Spiel weg zerstreut zu dem Gefangenen hin.

Der starrte und stutzte, tief erstaunt.

Wo kam denn das auf einmal her?

Rasch wollte er aufspringen, voll glücklicher Neugierde fragen: Wer? Woher?

Da streckte die Kleine in herrschender Abwehr gebietend ihr Händchen aus.

»Bleib!« schrie sie schrill, in entsetztem Ton.

Und während der Jüngling wie gebannt von ferne stand, spielte sie schon gleichmütig und kinderruhig weiter.

Ganz wie nebenbei hob sie dann den blitzendblauen Blick.

»Du, – hör' einmal,« sagte sie und maß die hohe, hagere Gestalt von unten her und doch hoch überlegen, »ich muß mit dir sprechen! Daß du mir ja hier mein Spiel nicht störst!« Sie hob drohend den Zeigefinger. »Komm mir ja nicht zu nah! So weit meine Hände reichen,« – dabei zog sie mit den schlanken, ausgestreckten Armen einen Kreis um sich, – »so weit darfst du mir nicht nahen! Ich darf auch aus dem Kreis nicht herausgehen. Läßt du mich ganz in Frieden, so will ich manchmal hierher kommen und mein Spiel treiben. Solange ich die Scheite auflege, hast du es warm und helle.«

›Was das für Unsinn ist, für Kinderpossen!‹ dachte der Gefangene, wie im Traum.

Da sah sie ihn aufmerksam, ganz leise zwingend, mit unirdischer Klugheit fest an.

»Du, du!« sagte sie. »Was ist das mit dir? Du verbrennst, du verzehrst dich ja! Ich kenne das doch!«

Dann spielte sie aber schon wieder weiter, als ginge ihr das Leiden, von dem sie sprach, nicht gerade nahe ans Herz.

»Du möchtest die Mauern hier sprengen,« sagte sie und legte spielerisch ihre Scheiterchen. »Das laß aber nur, das ist nicht so leicht! Wenigstens«, fuhr sie, in Nachdenken versunken, fort, »möchtest du deine tobenden Gedanken schreiben!«

Der Gefangene fuhr auf.

»Woher weißt du das? Ja, wenn ich das könnte!«

»O, das geht schon!« sagte mit lieblicher Stimme das Kind. »Sieh einmal, da, wo ich hinzeige auf die Wand, da ist hinter den Tapetenfetzen ein tiefer Wandversteck, in dem du Papierrollen und Stifte finden wirst.«

So war es in der Tat. Aufjauchzend preßte der Beglückte seinen Schatz ans Herz.

Das Licht einer neuen Hoffnung flammte stark in ihm auf. Seinen Freunden wollte er schreiben, sie zu Mut und Ausdauer ermahnen, ihnen seine kostbaren, letzten Geheimnisse ans Herz legen.

»Wer aber bestellt mir meine Botschaften?« fragte er, sich plötzlich wehmutvoll besinnend.

»Vielleicht ich! Schreib nur erst alles!« klang es. – – –

Nun maß er sie, als mache er sich das Sonderbare ihres Hierseins erst völlig klar.

»Wer bist du eigentlich?« fragte er, sich mit der Hand über die Stirn streichend, »wo kommst du her? Wie heißest du?«

Da sprach sie in schwingendem Ton, singend, langsam, mit dem Wohllaute einer Glocke:

»Ich heiße Rotlocke!«

 

Wie sie durch die verschlossene Tür gekommen, wer sie sei, das sagte sie nicht.

Der Mann hatte auch seine Neugierde schon ganz vergessen.

Er schrieb und schrieb.

Er hatte sich und das Kind vergessen, er schrieb stundenlang.

Wie viel hatte er zu sagen!

Alles, was ihm in dieser taglosen Dunkelheit das Herz durchstürmt, was er gefürchtet hatte, nutzlos mit in den Tod nehmen zu müssen, das schrieb er in fliegender Hast nieder.

Jedes Wort war unsäglich wichtig.

Er schrieb, bis ihn eine seltsame, ohnmachtähnliche Müdigkeit beschlich, bis ihm die Feder aus der Hand sank.

Zum ersten Male, seit er gefangen lag, fiel er in einen tiefen, bewußtlosen, wirklich festen Schlaf.

 

Als er erwachte, war es wieder dunkel und frostigkalt.

Wie ein neckender Traum erschien die Gestalt des Kindes, erschien ihm Wärme, Güte und Licht.

Aber nein! Da raschelte ja um ihn her auf der Pritsche Papier. Er fühlte deutlich die Form der Bogen, die er aus der Nische geholt hatte.

Er strich sie im Dunkeln glatt, er faltete sie zusammen, er tappte nach der Wand, um das Versteck dort wiederzufinden, den Schatz zu verbergen.

Das gelang ihm nicht.

Aber die Bogen waren doch da.

Er versteckte sie unter seiner Sträflingsjacke, schrieb in Gedanken voll glühender Lust weiter und weiter, wartete voll ungeduldiger Sehnsucht auf die Wiederkehr des Lichtes.

›Ich komme wieder!‹ hatte ja das Kind gesagt.

Aber es kam nicht. Es verging unerträglich lange Zeit.

Der Beschließer kam – und ging.

Wieder schwanden Stunden! – Nein, Ewigkeiten! –

Da nahm den Harrenden endlich ein kurzer Schlaf erbarmend in seine Hut.

Als er erwachte, da war das Kind endlich, endlich wieder da.

Lächelnd und lieblich saß sie bei ihren Scheiten, aus denen Licht und Wärme in reichem Maße strömten.

Vertraut, gut und klug sah die Kleine zu dem Manne hin.

»Schreibe nur, schreibe nur!« winkte sie ihm freundlich.

»Frage nichts, kümmere dich gar nicht um mich!« flüsterte sie.

Und er schrieb aus übervoller Seele, Bogen um Bogen voll.

Freilich kümmerte er sich zwischendurch doch um die Gefährtin.

Das Wunder gab ihm heute noch mehr zu denken.

Nein, das war nicht des Kerkermeisters Tochter, wie er einmal flüchtig gedacht hatte. – –

Etwas Ueberirdisches, Wunderbares fühlte er in ihrer Nähe.

Leise, innige Dankesworte quollen ihm von Zeit zu Zeit tief aus dem Herzen.

Leises, gleichmütiges Summen und Singen war der schönen Kleinen ganze Antwort.

 

Sie kam viele Male wieder und durchleuchtete und durchwärmte ihm seine Not.

Er sah sie nie kommen, denn immer, während er schlief, trat sie herein.

Und auch ihr Gehen hatte er nie belauschen können.

Er schrieb, so oft sie bei ihm war, bis seine Kräfte erlahmten.

Und wenn er nach kurzem Schlaf dann erwachte, war er allein.

 

Seltsam! Mit jedem Mal hatte er mehr zu schreiben, Tieferes, Größeres, Wichtigeres.

Aber mit jedem Mal wurde sein Schreiben auch unruhevoller.

Und diese Unruhe kam ihm von dem merkwürdigen, mit den Scheiten spielenden Kinde her.

Glanz und Schimmer umfloß sie mit jedem Male herrlicher.

Mit jedem Male schien sie ihm größer, erwachsener, blühender.

Er konnte ihre Nähe, die doch ein so strenges Fernsein war, oft kaum mehr ertragen, voll so tiefer Bewegung beschäftigte er sich mit ihr.

Was hatte er nur im Anfang gesehen? Wie hatte er sie nur so einfach für ein Kind nehmen können?

Zwar manchmal, den und jenen Augenblick, erschien sie auch jetzt noch als das tändelnde Kind, doch nur ganz mitunter.

Meist war sie eine feine, sinnende Jungfrau, schlank und schön. Ja, es gab Augenblicke, da war ihr Anblick, ihre Gegenwart dem Gefangenen wie alle Herrlichkeit der Welt.

Sonnenschön meinte er sie zu sehen, sonnenwarm glaubte er ihren Blick auf sich gerichtet zu fühlen, während er die Augen gesenkt hielt und schrieb.

Wenn er die Blicke dann erhob, war es freilich anders.

Sanft und ernst saß sie dann da, schimmernd hell, mit versonnenen Blicken.

Das schönste, wunderbarste Mädchen, das er je gesehen!

Und mit der süßesten Stimme sprach sie ihm von einem Male zum andern Mut und Kraft und Hoffnung ein.

 

Eine unwiderstehliche Gewalt riß ihn eines Tages von seiner Schreiberei empor, so glühend die ihn auch in sich verstrickte. Er hielt es nicht länger aus.

»Rotlocke!« rief er in heißer Bewegung.

Er stürzte mit ausgebreiteten Armen auf sie zu, um ihr zu sagen, daß sie sein Herz viel zu tief gewonnen habe, als daß er so ruhig zehn Schritte von ihr entfernt sitzen könne und schreiben.

Da hielt sie ihn mit einem wunderbaren, blauleuchtenden Blick von sich ab, einem Blick, der kein Befehl war, sondern die höchste Gewalt einer zwingenden Bitte.

Sie hielt die Hand in wundersam würdevoller Abwehr ausgestreckt.

Sie sang:

»Siehst du nicht, daß ich auch leide?
Ich bin Drang, Drang!
Aber wir müssen stark sein, wir beide,
Dürfen uns nicht betören.
Meine Macht heißt Beherrschung und Halt,
In mir glüht eine Gewalt,
Jemandem heiß, heiß zu gehören.
Jemandem ans Herz zu fliegen.
Ihn an mich zu ziehn.
Aber um mich in dir zu besiegen,
Stieg ich aus dem alten Kamin.
In mir wie in dir lebt Zerstörung.
Aber in gottherrlichem Kraftvertraun
Wollen wir ja baun.
Uns selber beherren,
Nicht zerren
An unserm gefesselten Glücke.
Berührtest du mich mit deinen Händen,
Würdest du niemals dein Werk vollenden.
Wen ich an den Busen drücke,
Um den ist's geschehn!
Und dich will ich siegen sehn.
Ich darf nur aus Weiten
Mit den kleinen Scheiten
Dir Glück bereiten!«

So sang sie in rührendstem Ton.

Und da beschied er sich, wenn auch in bittrem Leide, von tausend Rätseln und Regungen der tiefsten Seele gemartert und gequält.

 

Von dem Tage an kam etwas ganz Neues in sein Werk. Etwas Göttliches, Großes.

Es weitete sich sein Blick, es vertiefte sich seine Einsicht, es verstärkte sich seine Sprache.

Er sah in die Zukunft!

Sein Volk sollte groß und glücklich werden, viel mehr, als er vorher zu denken gewagt hatte.

Seine Worte bekamen den Rhythmus des Sturmes und rauschender Ströme, seine Sprache quoll über von Innigkeit, strahlte von Pracht.

Was ihm aus dem Herzen quoll, waren Lieder, – war ein einziges, anfeuerndes Heldenlied.

Ein glückseliges Fiebern war in ihm. – Ja, ein Glück ohnegleichen: denn beseligt, verklärt, zustimmend sah ihm Eine zu.

Rotlocke war jetzt fast immer an ihrem Platz. Voll lächelnder Ruhe trieb sie ihr Spiel. Heimelnd, heimelnd, mehr als Menschenworte aussagen können, war ihm ihre Gegenwart, während er so sah und gegen die Kerkerwände mit seinen Worten anstürmte.

Ruhe spann von ihm zu ihr, Beherrschung, tiefstes Voneinander -wissen.

Es war etwas um sie, wie die Melodie aus einem ewigen Liede.

›Hausfriede! Hausfriede!‹

So sang und klang es heimatselig in ihm im feuchtgrausigen, unheimlichen Kerkerraum.

 

Und nun war sein Werk getan.

Wunderbar war die Stunde, als der müde Arbeiter froh den Griffel weglegte und die Gefährtin seines Schaffens fragte:

»Darf ich es dir vorlesen, Geliebte?«

Sie nickte innig, und er las.

Aber mit jedem Worte, das er las, ergriff ihn das Bewußtsein glühender und heftiger, daß die strahlende Herrlichkeit, die da aus dem Papier stand, ja gar nicht aus seinem Wesen geflossen war.

Sie, sie hatte ihm so viel gegeben.

Wie ein Herzschlag aus ihnen beiden erschien ihm jedes Wort.

Nein, viel, viel mehr!

Sturmstark ergriff es ihn.

Alles Herrliche, Starke hatte sie ihm eingeflößt.

O, daß es nun doch auch Hinausströmen könnte in alle Welt!

Ein Gefühl von glühender Ergriffenheit riß ihn hin. Er breitete die Arme aus.

»Du, du, du! – Herrliche, Liebste!«

Weiter konnte er nichts sagen.

Mit den knisternden Blättern in der Hand flog er, sich und die Welt vergessend, auf Rotlocke zu.

Und auch Rotlocke stand lodernd, strahlend, ihm zugeneigt, und kannte und zügelte sich nicht mehr.

Stürzte er hinein in ihren Zauberkreis, flog sie aus ihm heraus? – – Sie wußten es beide nicht.

Einen einzigen Augenblick umfaßten sie einander, hielten sie sich innig umschlungen.

 

»Feuer! Feuer! Flammen! Flammen!« schrie dann im nächsten Augenblick gellend der Mann.

Der ganze Kerker war ein einziges lohendes, loderndes Flammenmeer.

Rotlocke aber jauchzte, jubelte und sang:

»Ja, Flammen! Flammen! Flammen!
Frei bist du, frei!«

Sie stand mitten in den Feuerfackeln, wie in einem goldenen Heer.

»Liebster, fürchte dich nicht, es sind ja meine Schwestern. Ich bin ihre Königin. Komm nur, komm! Folge mir schnell! Laß mich dich leuchtend führen, ehe ich vergehe.«

Mit einem Schlage ihrer Hand durchbrach sie den Kamin.

Ein kühler, dunkler, langer Gang nahm sie und den Gefangenen auf.

›Vergehen! Vergehen! Vergehen!‹ hörte der Mann nur im heulenden Sturm, der den Gang durchfuhr.

Seiner selbst nicht mächtig vor tiefer Erschütterung, folgte er Rotlockes tagheller Spur.

Rotlocke sprach Worte unendlicher Liebe, sonnendurchfluteter Innigkeit.

»Laß mich dir doch sagen, wie gut ich dir bin. Eines Menschen Weib zu sein, war ich nicht erschaffen. Deines Werkes Genossin nur durfte ich sein. Das ist für ein Wesen meinesgleichen höchstes, unvergleichlichstes Glück. So wie wir es schufen, im Tiefsten einig, von Liebe beseelt, wird es dein Volk hinreißen, emporreißen zu höchstem Menschenglück. Mein Bruder, der Sturm, soll deine Blätter über das Land hinwehen, daß ihr Inhalt alle Herzen erfaßt und tief durchrüttelt.«

Ein immer lieblicheres Singen ward ihre Rede.

Sie waren aus klaffendem Mauerspalt ins Freie gelangt.

Im grellen Lichte eines himmelhoch flackernden Brandes sah der Gefangene, wo er sich befand. Ein verfallener Flügel des alten Herrscherschlosses war sein Aufenthalt gewesen.

Ein einziges wogendes, wallendes Feuermeer war der ganze Bau, und in dies glühende Wallen hinein sah er Rotlocke, übermächtig, goldbeflügelt, als Flamme entschweben.

Sie nickte ihm noch einmal segnend zu, und er hörte aus der glühenden Lohe, in der sie unterging, noch ihren letzten, ersterbenden Gesang:

»Traure nicht um mich!
Ich streu' einen Funken von meinem Brand
In eines Mädchens Seele, –
Daß sie sich dir vermähle
Im seligen Menschenland!
– – – – – – – – –
– – – – – – – – –
– – – – – – – – –«


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