Eduard Trautner
Tagebücher der Henker von Paris - Erster Band
Eduard Trautner

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Geschichte des Henkers

Ursprung meiner Familie

Es ist also meine Pflicht, zu erzählen, wie durch einen bitteren Spott des Schicksals der, welcher seinem Sohne die schreckliche Erbschaft hinterließ, die ich angetreten habe, ein Edelmann war; Pflicht ist es, zu Anfang dieses Buches zu gestehen, daß eine Schuld sechs Generationen meiner Vorfahren auf den schimpflichen Weg stürzte, auf dem das Unglück sie bis jetzt festgehalten hat.

Im fünfzehnten Jahrhundert hatte sich meine Familie zu Abbeville niedergelassen und nahm in der Geschichte dieser Stadt einen ehrenvollen Platz ein.

So folgten sich mehrere Sansons in der Bürgermeisterwürde der Hauptstadt des Grafen von Ponthieu.

Ein Mitglied dieser Familie diente Heinrich IV. in allen seinen Kriegen und wurde bei Fontaine-Française, wo der Béarner selbst beinahe von spanischer Kavallerie gefangengenommen worden wäre, schwer verwundet. Als der Friede von Vervins dem Bürger- und fremden Kriege, der das Königreich verheerte, ein Ende gemacht hatte, kehrte dieser brave Waffengefährte des großen Heinrich in seine Geburtsstadt zurück und verbrachte dort seine letzten Lebenstage, von der Achtung und Verehrung seiner Mitbürger umgeben; er starb daselbst am 31. Mai 1593. Sein Enkel war einer der bemerkenswertesten Männer in der ersten Hälfte des siebzehnten Jahrhunderts, er hieß Nikolas Sanson und war der Vater der neueren Geographie.

Dieser berühmte Gelehrte, der im Jahre 1609 geboren wurde, hatte bereits einen europäischen Ruf, als der Kardinal Richelieu, der nicht die Absicht hatte, einen Mann, der ihn in seinen großen Plänen von transatlantischer Kolonisation zu unterstützen vermochte, in einer Provinzialstadt zu lassen, ihm eine angemessene Pension aussetzte und ihn mit seiner ganz besonderen Zuneigung beehrte.

Dem allmächtigen Minister zu gefallen, war das sicherste Mittel, die Gnade des königlichen Phantoms, im Namen dessen dieses mächtige Genie herrschte, zu erlangen. Auch andere Gründe noch empfahlen Nikolas Sanson der Aufmerksamkeit des Monarchen.

Die Geschichte hat Ludwig XIII. gerichtet. Den Menschen mit dem Herrscher verschmelzend, hat sie über beide das Urteil der Nichtigkeit gefällt.

Nichts ist weniger richtig.

Der Sohn Heinrichs IV. liebte Künste und Wissenschaften, er war leidlicher Musiker und sprach mit viel Feinheit und Geschmack über die Malerei; im ganzen war seine Erziehung zu einer Zeit, in der die Unwissenheit noch immer traditionell in den höchsten Klassen war, ziemlich bemerkenswert.

Er verkannte das Verdienst des Geographen, den ihm sein Minister berufen hatte, keinen Augenblick, und Nikolas Sanson empfing zahlreiche Beweise der königlichen Gunst.

Die Zerstreuungen des Hoflebens, die Beziehungen des Gelehrten zu den berühmtesten Zeitgenossen fesselten Nikolas Sanson sehr oft an Paris, obgleich er daselbst nicht seinen eigentlichen Wohnsitz aufgeschlagen hatte. Das Bedürfnis der Sammlung und Einsamkeit, die Sehnsucht nach dem väterlichen Herde führten ihn immer wieder nach Abbeville zurück, woselbst er den größten Teil des Jahres zubrachte.

Im Jahre 1638, als Ludwig XIII. seinen Einzug in Abbeville hielt, lehnte er das Anerbieten eines der Majestät würdigen Quartiers ab und wollte trotz der Bitten des Magistrats seinen Geographen um Gastfreundschaft bitten.

Ein König von Frankreich, ein Bourbon, schlief zwei Nächte unter dem bescheidenen Dache meiner Familie, deren einer Abkömmling eines Tages im Namen eines barbarischen und gotteslästerlichen Gesetzes die Hand an einen anderen Bourbon, einen anderen König von Frankreich, legen sollte.

Wie sonderbar sind nicht Schicksalsspiele!

Charles Sanson, der Stamm, dessen letzter Ausläufer ich bin, war der Tradition nach von derselben Linie wie Nikolas Sanson.

Ich bin nun mit denen meiner Ahnen fertig, welche Bürger waren, Platz für die, welche man Henker genannt hat!

Charles Sanson de Longval

Charles Sanson war zu Abbeville im Jahre 1635 geboren. Als er noch in der Wiege lag, starben ihm schon Vater und Mutter.

Er hatte einen schon 1624 geborenen, also elf Jahre älteren Bruder, Jean Baptiste Sanson.

Ein Bruder der Mutter, Pierre Brossier, Herr von Limeux, nahm die beiden Waisen zu sich. Seine Güte und Zärtlichkeit entschädigten sie für die Traurigkeit ihrer Lage. Er hatte eine Tochter, die Colombe hieß; seine beiden Neffen behandelte er ganz wie diese, nicht allein, was die Sorgfalt, mit der er sie umgab, anbetraf, sondern auch mit seiner väterlichen Liebe.

Colombe Brossier und Charles Sanson waren beinahe von demselben Alter. Die süße Kameradschaft der Kinder wurde durch die Bande des Blutes noch fester geschlossen und stellte gegenseitige Zuneigung zwischen ihnen her.

Jean Baptiste stand durch sein Alter seiner Kusine und seinem Bruder ferner. Sein Onkel hatte ihn für den Gerichtsstand bestimmt; das Studium ersetzte ihm also schon frühzeitig die Kinderspiele; er begann die Tiefen des Rechts zu ergründen, als die anderen beiden fast noch stammelten und ihre ersten Zärtlichkeitsbezeigungen austauschten.

Diese Zuneigung wuchs mit ihnen, aber es kam der Tag, an dem sie begriffen, daß sie sich einen süßeren Namen geben müßten als den von Bruder und Schwester.

Ihre Freundschaft war Liebe geworden.

Diese Liebe hatten weder Pierre Brossier noch Jean Baptiste entstehen sehen; keiner von ihnen dachte daran, daß sie zur Leidenschaft geworden sei.

Für sie waren Colombe und Charles noch immer Kinder; sie beurteilten die Gefühle, welche die beiden jungen Leute füreinander kundgaben, nur nach deren Alter.

Indessen kündigte Pierre Brossier eines Sonntags nach dem immer etwas feierlichen Mahle, das zwischen der Messe und der Vesper stattfand, seiner Tochter an, daß er tags zuvor für Jean Baptiste die Stelle eines Rates beim Landgerichte zu Abbeville erhalten habe.

Colombe und Charles wollten den neuen Rat beglückwünschen, aber Pierre Brossier gab ihnen ein Zeichen, daß er noch nicht zu Ende sei, und fügte hinzu, es scheine ihm gut, daß Jean Baptiste sich verheirate, ehe er sein Amt anträte.

Ohne ein Wort miteinander gewechselt zu haben, warfen sich die beiden jungen Leute den angstvollen Blick zweier armen Gazellen zu, die das Blei des Jägers gleichzeitig tödlich getroffen hat; eine düstere Ahnung erfaßte sie, und sie zitterten, den Beschluß des Greises zu hören; die Pausen, die dieser zwischen allen seinen Worten machte, schienen ihnen ebensoviel Jahrhunderte.

Pierre Brossier hatte kaum geendet, so stand das junge Mädchen auf, schützte ein plötzliches Unwohlsein vor und floh in ihre Kammer, wo sie ihren Tränen, die sie im ersten Augenblick zu ersticken gedroht hatten, freien Lauf ließ. Der Vater setzte dieses plötzliche Verschwinden auf Rechnung ihrer tiefen Bewegung, die bei einem so unschuldigen Kinde, das zum ersten Male das Wort Hochzeit aussprechen hört, sehr natürlich war.

Einige Worte, die Charles mit Colombe wechseln konnte, und das Fieber, das die ganze Nacht hindurch das Blut des Jünglings in Wallung setzte, gaben ihm einen Teil seiner Energie zurück.

Am folgenden Morgen harrte er ungeduldig auf die Stunde, zu der sein Bruder gewöhnlich ausging, und suchte dann seinen Onkel auf, der sein Frühstück an dem Kamin im niedrigen Saale einnahm, in welchem man auch zu Mittag speiste. Er warf sich dem edlen Manne zu Füßen und gestand ihm mit einem Ausdrucke, der einen Stein gerührt haben würde, die Liebe zu seiner Kusine; er beschwor ihn, die nicht zu trennen, die Gott so auffällig füreinander bestimmt habe.

Während Charles sprach, goß Pierre Brossier sein braunes Bier aus der Zinnkanne in seine Tasse und trank es in kleinen Zügen.

Er hatte eben eine neue Tasse ausgetrunken, als er plötzlich den ihn stets charakterisierenden Ernst verlor und so laut und heftig zu lachen begann, daß er sich verschluckte. Auf dieses Lachen folgte ein starker Husten, durch den noch immer die Heiterkeit hervorbrach, der aber auch schmerzlich genug sein mußte, um dem alten Manne ein ängstliches Schlucken zu verursachen.

Charles war ganz betroffen.

Aber seine Gefühle waren zu leidenschaftlich, um lange Zeit unterdrückt werden zu können. Er begann von neuem mit seinen Klagen und suchte seinen Onkel dadurch zu rühren, daß er ihm bemerklich machte, welche Folgen das Unglück, das sich vorbereitete, haben könne. Er berief sich auf das Andenken der vielgeliebten Schwester des Greises, er rief ihren Schatten an, er möge mit ihm nicht allein für das Glück, sondern auch für das Leben seines Kindes bitten.

Der Herr von Limeux stellte das Altersrecht ebenso hoch, als es nur ein Sire von Concy, wenn es damals noch solche gegeben haben würde, hätte treiben können.

Er war kein schlechter Mensch, aber er hatte die Leidenschaft niemals gekannt und fand es ganz logisch, zu leugnen, was er selbst nicht kannte. Für ihn hatte das Leben ein gewisses Programm, das alle Zufälle von Wichtigkeit im voraus berechnete; er war fest überzeugt, daß es nur Gott allein zustehe, etwas daran zu ändern.

Charles' Dringen auf ihn verletzte seine Gefühle; er hörte auf zu lachen und sprach zu seinem Neffen mit einer Strenge, an die er ihn nicht gewöhnt hatte. Er sagte ihm, daß man in seinem Alter und in seiner Lage daran denken müsse, sich eine Existenz dadurch zu begründen, daß man dem Könige diene, und nicht, sich zu bereichern, indem man eine Frau nähme. Er setzte hinzu, daß, wenn er auch nicht beschlossen hätte, seine Tochter an den ältesten seiner Neffen zu verheiraten, an den, welchen die Vorsehung bestimmt habe, sein Geschlecht fortzuführen, nichts in der Welt ihn vermögen könne, jene einem Kadetten zu geben. Er warf ihm auf harte Weise seine Undankbarkeit vor.

Charles erhob sich schwankend und ging gesenkten Hauptes aus dem Saale.

Hinter der Tür des Korridors erblickte er eine weibliche Gestalt, die auf den Steinen saß.

Es war Colombe, welche die Unterhaltung ihres Vaters und dessen, den sie liebte, belauscht hatte und jetzt, das Gesicht in ihre Hände verbergend, bitterlich weinte.

Als sie den Schritt ihres Freundes hörte, erhob sie den Kopf nicht; Charles ging, ganz seiner Verzweiflung hingegeben, schweigend an ihr vorüber.

Beide hatten begriffen, daß für sie alles in dieser Welt zu Ende sei.

Der junge Mann verließ sogleich das Asyl seiner Kindheit; er floh zu einem Verwandten, der in Amiens wohnte, und ging von da nach Paris. Aber in Paris befand er sich noch in gar zu großer Nähe Colombes.

Als der Tag, der für die Hochzeit Jean Baptistes und Colombes festgesetzt war, näher herankam, fürchtete er, in dem Kampfe zwischen Liebe und Pflicht den Verstand zu verlieren.

In einem dieser niederdrückenden Augenblicke, die der Krise, in der sich seine Verzweiflung zum Paroxismus gesteigert hatte, folgten, ergriff ihn Furcht.

Er beschloß, bis an das Ende der Welt zu gehen, um sich der Verführung zu entziehen, gegen die ihn der Gedanke, daß Colombe einem anderen angehöre, so schwach machte.

Er glaubte, das Gespenst, das ihn weder Tag noch Nacht verließ, würde verschwinden, wenn er die Luft nicht mehr atmete, die sie atmete, wenn er nicht mehr Wesen sähe, die ihn an ihre Züge erinnerten, nicht mehr die klangvolle Sprache hörte, die sie redete; er glaubte, daß die Entfernung auch Vergessenheit mit sich bringe und daß er jenseits der Meere sein Herz wiederfinden werde, das er ihr streitig machen konnte.

Er beschloß also, sich einzuschiffen.

Als er seinen Namen genannt hatte, nahm ihn der Großadmiral von Frankreich unter die Zahl der Flaggengarden Seiner Majestät Marine auf; er reiste auf der Stelle nach Rochefort, bat um den Befehl zur Einschiffung und ging wenige Tage nach seiner Ankunft in dieser Stadt nach Kanada unter Segel. In Quebeck fand er eine Schwester seines Vaters wieder, deren Haus sich ihm öffnete.

Aber weder die unwiderstehlichen Zerstreuungen, welche die Neue Welt einer so frischen Einbildungskraft darbot, noch der herzliche Empfang, den er bei seiner Tante fand, noch die Freundschaft, die ihm sein Cousin Paul Bertaut mit dem naiven Vertrauen seines jugendlichen Alters zutrug, konnten in dem traurigen Zustande seines Herzens eine Änderung hervorbringen.

Als er zum zweiten Male nach Toulon zurückkehrte, fand er dort einen Brief, der ihn schon erwartet hatte.

Dieser Brief war von Colombe, und Colombe rief ihn unverzüglich zu sich.

Er ließ sich kaum die Zeit, Urlaub zu nehmen, und reiste ab. Während dieser Reise wurde er von den verschiedensten Vermutungen beunruhigt.

Colombes Brief war kurz; er konnte zu der Annahme berechtigen, daß sie ein großes Unglück betroffen habe; sie sprach darin gar nicht von seinem Bruder.

War Jean Baptiste tot?

Eine Sekunde der Überlegung reichte hin, dieses blendende Zauberbild zu zerstören.

Sollte er sie auch als Witwe finden, sollte er sie auch frei finden, diese für ihn in der Welt allein geheiligte Frau – er hatte das Recht verloren, nach ihrer Hand zu streben, und er dachte mit Schrecken daran, daß, nachdem er die Eifersucht auf einen Bruder kennengelernt habe, er vielleicht auch noch die auf einen Fremden werde ertragen lernen müssen.

Man brauchte damals beinahe fünf Wochen, um von Toulon nach Abbeville zu kommen. Charles reiste Tag und Nacht und legte den Weg in zwölf Tagen zurück.

Sobald er am Horizonte den Glockenturm erblickte, der in den Strahlen der untergehenden Sonne glänzte, und das rote Ziegeldach, aus dem er sich erhob, stieg er vom Pferde und warf sich auf die Knie.

Er wollte beten, aber er fand kein Wort, um Gott zu danken.

Sein Herz schlug mit solcher Heftigkeit, daß er glaubte, es werde ihm die Brust sprengen, ehe er die wenigen Schritte zurückgelegt hätte, die ihn noch von Colombe trennten.

Als er um eine Straßenecke bog, sah er das Haus Pierre Brossiers mit seinem spitzen Dache, seinen gotischen Fenstern und seiner weißen, von schwarzen Balken durchzogenen Fassade vor sich.

Sein Auge überflog alle Öffnungen. Sollte Colombe ihn nicht angstvoll an der Tür erwarten?

Als er näher kam, wurde sein Herz bedrückt. Dieses Haus, das ehemals ganz mit der ernsten, aber ruhigen und reinen Physiognomie seines Besitzers harmonierte, hatte einen finsteren und traurigen Anblick bekommen.

Die Mauern, welche man früher so sorglich jedes Jahr übertünchte, hatten lange Risse und zeigten hier und da weite Spalten. Moos bedeckte das Dach, eine Menge von Scheiben fehlte in ihren Bleirahmen, und auf der Schwelle wuchs dickes Gras zwischen den Steinen.

Der junge Seemann hob mit zitternder Hand den schweren Hammer an der Tür. Die wurmstichigen Dielen des Korridors erzitterten drinnen, aber niemand kam, keiner antwortete. Alles schien im Innern in so festem Schlummer zu liegen, wie man ihn in den Totenhallen schläft. Ein Nachbar trat an ihn heran, erkannte ihn und sagte ihm, daß die Tochter und der Schwiegersohn Pierre Brossiers nicht mehr ihr Haus auf dem Platze Saint-Jean bewohnten, sondern seit einem Jahre in der Vorstadt von Amiens.

Charles dachte nicht daran, sich zu bedanken; er dachte nur daran daß er soeben an dieser heißgeliebten Colombe so dicht vorübergegangen sei und nichts ihm zugerufen habe: »Hier ist sie!«

Gesenkten Hauptes trat er den Rückweg an.

Man zeigte ihm die neue Wohnung seines Bruders.

Das Äußere derselben war bescheiden, fast ärmlich, und Charles erriet, auf welches Unglück der Brief Colombes ihn hatte vorbereiten wollen.

Er klopfte; eine Stimme, die ihm Schauer einflößte, rief »Herein!« Aber er blieb unbeweglich wie eine Statue von Stein vor der Tür stehen.

Dieses Glück des Wiedersehens, das drei Jahre lang der durch jeden seiner Seufzer ausgedrückte höchste Wunsch gewesen war, erregte in ihm jetzt ein Gefühl, das dem Schrecken glich.

Man hörte drinnen ein Geräusch von Schritten, die über den Flur streiften, die Tür drehte sich leise in ihren Angeln, und eine Frauengestalt zeigte sich in dem Halbdunkel. Diese Frau stieß einen lauten Schrei aus und sank in Charles Arme.

Es war Colombe, ein wenig blaß, aber immer noch reizend. Sie war es, die er ebenso zärtlich wiederfand wie damals, als ihr Cousin der einzige Gegenstand ihrer Zärtlichkeit gewesen zu sein schien.

Die Gedanken der jungen Frau gingen von der Gegenwart ohne Zweifel wieder auf die Vergangenheit über, denn nachdem sie sich rücksichtslos dem Zuge überlassen hatte, der sie in Charles' Arme trieb, zog sie sich plötzlich schnell zurück und strengte sich an, sich der Umstrickung, die sie an dem Herzen ihres Freundes festhielt, zu entziehen.

Über und über errötet, ergriff sie die Hand des Seemanns, zog ihn in das Haus und blieb vor einem Manne stehen, der ausgestreckt in einem großen Lehnsessel zu schlummern schien.

Das Gesicht dieses Mannes war von so tiefen, so zahlreichen Narben gefurcht, daß sie es entstellten. Sowohl seine Haltung als diese Male deuteten auf erst neue und heftige Leiden; als er die Augenlider aufschlug, zeigte er zwei starre, glanzlose und schrecklich anzuschauende Augäpfel.

Charles vermochte in diesem Gespenste seines Bruders kaum Jean Baptiste wiederzuerkennen.

Er blickte auf Colombe; ganz niedergebeugt weinte sie wenige Schritte von ihm entfernt.

Nun zweifelte er nicht mehr; von herzbrechender Verzweiflung hingerissen, stürzte er sich in die Arme seines Jugendgefährten, bedeckte mit Küssen und Tränen die Spuren der grausamen Wunden und murmelte mit tonloser Stimme unverständliche Worte, unter denen man die Bitte um Verzeihung vernahm.

Vielleicht erschienen ihm in diesem Augenblicke die Gedanken, die seine Seele seit drei Jahren bewegten, als Verbrechen.

Als endlich alle drei ein wenig Ruhe wiedergefunden hatten, setzten sich Charles und Colombe neben Jean Baptiste, und dieser erzählte nun seine traurige Geschichte.

Sechs Monate nach der Abreise Charles' war Pierre Brossier gestorben, und es schien, als habe dieses erste Unglück allen anderen Tür und Tor geöffnet.

Das Lehen von Limeux, welches das ganze Vermögen Colombes ausmachte, wurde durch den hohen Herrn, der es zu vergeben hatte, zurückgefordert, wobei er sich auf ein altes Gesetz wegen der Lebensdauer des Lehnsträgers berief.

Die Besitztitel Pierre Brossiers waren nicht ganz in der Regel; aber auf dem Boden der Schikane angegriffen, nahm der Gerichtsrat den Kampf mit derselben nichtachtend auf, wie es der Mann vom Schwerte getan haben würde, wo es sich darum handelte, in den Schranken zu kämpfen. Er hatte plädiert, aber ganz gegen seine Erwartung den Prozeß verloren, und nun hatte man ihm nicht allein das Lehen von Limeux genommen, sondern er hatte auch das kleine Haus auf dem Platze verkaufen müssen, um die Gerichtskosten bezahlen zu können.

Einige Zeit nach Brossiers Tode setzte der Bankerott eines seiner Freunde, eines Leinwandhändlers zu Amiens, dem Jean Baptiste Geld anvertraut hatte, das Vermögen dieses letzteren auf eine einzige Besitzung herab, deren Einkünfte kaum hinreichten, sein Leben zu fristen.

Unter dem Eindrucke dieser Unglücksfälle kehrten alte Nervenzufälle wieder, die ihn in seiner Kindheit heimgesucht hatten, von denen er sich aber geheilt glaubte.

Als seine Frau eines Tages hinausging und ihn am Kamine sitzen ließ, bekam er einen furchtbaren Anfall von Epilepsie; er fiel von seinem Stuhle so unglücklich in den Kamin, daß, als die auf das Geräusch herbeieilende Magd ihn aufhob, sein Gesicht nicht nur von den schrecklichsten Brandwunden, deren Spuren man jetzt noch sah, bedeckt, sondern daß auch die Sehorgane zerstört waren: er war blind.

Damals verkaufte er sein Amt und zog sich mit seiner Frau in dieses kleine Haus der Vorstadt zurück.

Als Jean Baptiste seine traurige Geschichte erzählt hatte, erhob er in lebhafter Bewegung die Zärtlichkeit und Ergebenheit Colombes, durch deren Sorgfalt allein, wie er sagte, er noch lebe.

Charles sah die junge Frau an; sie war sehr bleich geworden, vermied, die Augen aufzuschlagen, und er glaubte zu bemerken, daß ihre Hand, die sich mit einer Stickerei beschäftigte, leicht zitterte.

Er näherte sich ihr und sagte mit möglichst fester Stimme, indem er auf das erste Wort einen besonderen Nachdruck legte:

»Meine Schwester, willst du, daß wir fortan zwei seien, über ihn zu wachen?«

Ein stolzes Lächeln trat auf Colombes Lippen.

»Ich erwartete nichts weniger von dir, mein Bruder,« antwortete sie, »und weil ich es so wünschte, rief ich dich eben.«

Alle beide glaubten zuversichtlich, daß die Wechselung eines Namens allein hinreiche, jede Spur eines Gefühles auszulöschen, das so lange Zeit hindurch vollständig ihre Herzen beherrscht hatte.

Charles verzichtete also auf seine Karriere. Er brachte die Einnahme von seinem Lehen Longval in das Haus, dadurch trug er eine Wohlhabenheit hinein, deren der arme Kranke so nötig bedurfte. Er wetteiferte mit Colombe an Sorgfalt um seinen Bruder, und seine Plaudereien, die Erzählungen von seinen Reisen trugen nicht wenig dazu bei, die schreckliche Monotonie der Existenz des Blinden zu mildern.

Diese Hingebung flößte Jean Baptiste eine Erkenntlichkeit ein, die zu beweisen er keine Gelegenheit vorübergehen ließ. Wenn er mit seiner Frau allein war, so gaben der edle Charakter, das erhabene Gefühl seines Charles den Stoff zur Unterhaltung; wenn er mit ihm allein war, so gefiel er sich darin, Colombe mit den Engeln des guten Gottes zu vergleichen.

Wahrscheinlich hatte Pierre Brossier Jean Baptiste nicht von der wirklichen Ursache der Abreise Charles' in Kenntnis gesetzt, oder wenn er sie ihm mitgeteilt hatte, so zweifelte der Exrat, der die Lebensansichten seines Pflegevaters teilte, nicht, daß diese Kinderei keine Folgen gehabt habe, denn unaufhörlich bat er Charles, Colombe dadurch zu zerstreuen, daß er sie spazierenführe oder zur Messe begleite; er führte auf jede Weise Gelegenheiten herbei, daß sie sich einander nähern konnten.

Colombe ihrerseits war zu keusch, um die Gefahr zu ahnen, der sie sich aussetzte. Weit entfernt, diese gefährlichen Zusammenkünfte unter vier Augen zu fliehen, schien sie niemals glücklicher, als wenn sie mit ihrem Schwager allein war.

Indessen bemerkte sie wohl, daß der ehemalige Seemann traurig und träumerisch wurde. Sie beunruhigte sich darüber und sprach davon zu ihrem Gemahle.

Jean Baptiste seufzte tief. Mit dem Egoismus, der allen menschlichen Leiden anhängt, beschäftigte er sich vor allem mit dem, was seine Gesundheit anging. Charles' Gegenwart hatte seinen Zustand derartig verbessert, daß er nicht ohne Schrecken daran dachte, sein Bruder könne wieder abreisen. Er erwiderte nur, es sei gar nicht außergewöhnlich, daß ein junger Offizier, der gewöhnt sei, in die Welt zu kommen, sich in dem traurigsten Hause einer kleinen Landstadt langweile; sie möge daher alles, was in ihren Kräften stehe, tun, damit ihn diese Langeweile nicht bestimme, sie zu verlassen.

An demselben Abende schlug Colombe ihrem Schwager einen kleinen Ausflug auf das Land vor; Jean Baptiste, der einen schlechten Morgen gehabt hatte, schützte das Bedürfnis, zu schlafen vor und vereinigte seine Bitten mit denen seiner Frau. Sie schlugen den Weg ein, auf dem Charles eingetroffen war, und verfolgten nachher einen schmalen Fußsteig, der zwischen Kornfeldern fortführte.

Charles und Colombe gingen Seite an Seite. Der Arm der jungen Frau ruhte auf dem ihres Freundes; in einer unschuldvollen Hingebung lehnte sie ihren Kopf an die Schulter ihres Begleiters, und ihre langen wallenden Haare, die im Winde wehten, berührten mit ihren seidenen Spitzen sein Gesicht.

Colombe erschien ebenso ruhig wie die sie umgebende Natur zu dieser Stunde, mit der für sie die Ruhe begann. Sie schien nur daran zu denken, wie sich die Wolken auf der Stirn ihres Bruders zerstreuen ließen, und um dahin zu gelangen, hatte sie nichts besseres gefunden, als ihn an die schönsten Szenen ihrer kindlichen Zärtlichkeit zu erinnern.

Aber Charles wurde immer düsterer, seine Aufregung sogar sonderbar. Bald ging er schnell, als wolle er seine Gefährtin in eine noch viel größere Einsamkeit, als diese hier, mit sich ziehen, bald blieb er stehen; er schien umkehren zu wollen, und Colombe fühlte, daß er zitterte.

»Charles,« sagte sie zu ihm, »ist es wahr, wie Jean Baptiste behauptet, daß du dich wieder nach deinem Abenteurerleben sehnst?«

Charles antwortete nicht.

»Charles,« fuhr sie fort, »bist du denn nicht mehr glücklich bei deinem Bruder, der dir so teuer ist, und deiner Schwester –«

Das letzte Wort erstarb auf den Lippen Colombes, sie wagte nicht fortzufahren; Charles verharrte in seinem Schweigen. Plötzlich durchzuckte eine Ahnung von dem, was in der Seele ihres Jugendgespielen vorging, Colombe; sie zitterte, als wäre sie aus einem Traume erwacht.

»Charles, Charles,« murmelte sie mit vor Bewegung zitternder Stimme. »Gott hat gewollt, daß wir für immer Bruder und Schwester bleiben. Ehren wir seinen Willen, mein Freund, und haben wir keinen Seufzer der Sehnsucht mehr für die Träume unserer Kindheit. Sollte denn die heilige Zuneigung, die uns vereinigt, nicht zu unserem Glücke hinreichen? Möchtest du dich undankbar gegen die Vorsehung zeigen, die mir erlaubt hat, dich noch ohne Gewissensbisse lieben zu dürfen?«

Während Colombe so sprach, hatte sie das Haupt erhoben, um ihrem Gefährten ihre Stirn zu bieten. Dieser hatte sich zu ihr hinabgeneigt; statt der Stirn der jungen Frau aber waren es ihre Lippen, die sein Mund fand.

Eine Sekunde lang blieben die beiden in eine Verzückung versenkt, welche sie Himmel und Erde vergessen ließ.

Charles kam zuerst wieder zu sich. Er erhob die Faust gegen das Himmelsgewölbe, stieß eine Gotteslästerung aus und entfloh dann, außer sich, mitten durch die Felder.

Colombe kehrte allein nach Hause zurück.

Am nächsten Tage empfing Jean Baptiste einen Brief von seinem Bruder, worin dieser ihm seinen Entschluß ankündigte, Abbeville zu verlassen, und ihn bat, ihm zu verzeihen, wenn er nicht den Mut gehabt habe, ihm dies selbst zu sagen.

Einige Zeit später kaufte er eine Leutnantsstelle im Regimente de la Boissière.

Er hatte nicht wieder zur See gehen wollen, denn er begriff wohl, daß, wenn die Pflicht seine Entfernung gefordert hatte, sie ihm nichtsdestoweniger doch gebot, über die geliebten Wesen zu wachen, deren einzige Stütze er blieb.

Jean Baptiste nannte seinen Bruder undankbar. Was Colombe anbetraf, so sah man sie seit diesem Tage nie wieder lachen.

Das Horoskop

Im Jahre 1662 ahnte die Stadt Dieppe noch nicht die Umformung, welche die moderne Therapeutik, unterstützt durch die Vorliebe für den Schutz einer erhabenen Fürstin, ihr für die Zukunft aufbewahrte.

Es war eine ausschließlich handeltreibende Stadt.

Natürlich waren um jene Zeit die Gasthäuser der Stadt Dieppe weit davon entfernt, den luxuriösen Palais zu ähneln, die heute den Fremden, die ihre Gesundheit in den wohltätigen Gewässern dieses Strandes suchen, eine komfortable Gastfreundschaft bieten.

Der »Klare Anker«, das berühmteste Wirtshaus hierorts, entsprach ganz der praktischen und bescheidenen Physiognomie der Stadt.

Er lag an der Ecke, welche die Straßen de la Poissonnerie und de l'Epée bilden, wo sie sich kreuzen.

Eine junge Fichte, die horizontal in der Mauer befestigt war, ein großes Schild, auf dem man einen am Schiffsbord aufgehängten Anker sah, kündigten dem Fremden schon von fern das Wirtshaus an. Sein Eingang war unter einer Halle, die von schweren Säulen gestützt wurde, Überbleibsel von irgendeinem Schiffbruche, die eine Art Wetterdach bildeten, wo die unbeschäftigten Seeleute gewöhnlich eine Zuflucht vor dem Regen suchten. Ein breiter Gang führte gleichzeitig zum Erdgeschoß und auf einen inneren Hof. Zur Rechten befand sich die große Küche, zur Linken die große Gaststube.

Eine außen angebrachte Treppe führte vom Hofe nach den Zimmern des oberen Stockwerkes, deren sämtliche Eingangstüren sich auf eine viereckige bedeckte Galerie, welche um das ganze Gebäude lief, öffneten.

Diese Bauart hatte einen sehr alten Anschein; sie machte den Arbeitern, die die Balken zugeschnitten und die Steine aufgestellt hatten, nicht mehr Ehre als dem Architekten, der den Plan entworfen hatte, und dennoch besaß der »Klare Anker« das Vorrecht, nicht allein die Schiffskapitäne zu beherbergen, sondern auch die großen Herren der Umgegend und die Offiziere des Regiments de la Boissière, das damals zu Dieppe in Garnison lag.

Eines Abends im Monat Februar des Jahres 1662 widerhallte der Saal des »Klaren Ankers« von Gesängen und Gelächter, worin sich das Klirren von aneinander gestoßenen Gläsern mischte.

Ich bitte meine Leser um die Erlaubnis, sie in diesen Saal führen zu dürfen.

Die Gäste des Meisters Baudrillart, Eigentümers und Kochs des »Klaren Ankers«, waren in der Tat weniger zahlreich, als es sich die Einbildungskraft der Vorübergehenden vorstellen mochte.

Nicht mehr als drei Gäste saßen um die lange Eichenholztafel mit spiralförmig gedrehten Füßen, die das Hauptmöbel dieses großen Raumes ausmachte. Es ist wahr, daß diese Tafel mit einer solchen Menge von Gerichten und einer so hübschen Auswahl von Flaschen aller Formen und Dimensionen besetzt war, daß es wahrscheinlich schien, die drei Gäste Meister Baudrillarts hätten, nachdem sie für sechs gegessen und getrunken, das Recht, für zwölf Lärm zu machen.

Aus den drei Degen, die an einigen Nägeln an der Wand hingen, sowie aus den Kostümen der Eigentümer derselben wurde es klar, daß alle drei vornehme Leute seien.

Zwei dieser Männer waren jung, der dritte streifte an das Alter, wo, wenn die Vernunft schweigt, die Gesundheit wenigstens Weisheit fordert, und dennoch war, wenn man dem Anscheine trauen durfte, gerade er der Anführer dieses Trios.

Er war ein Mann von etwa vierzig Jahren, groß, mager, knochig. Seine scharf ausgeprägte, beinahe eckige Physiognomie deutete auf seine südliche Abkunft ebensogut als der Name des Chevaliers von Blignac, den ihm seine Kameraden gaben. Alle Begierden, alle Kühnheit des Gaskogners sprachen sich auf diesem Gesichte aus. Seine Augen, die tief in ihren Höhlen lagen, aber ungemein lebhaft waren, übertrafen noch den Ausdruck von Feinheit, wie ihn seine Landsleute haben, sie drückten List und Schlauheit aus. Der vorzüglichste Charakter seines Gesichtes war der sonderbare Mangel an Übereinstimmung zwischen dessen oberem und unterem Teile.

Herr von Blignac trug die Farben des Regiments de la Boissière.

Der zweite der Gäste war nicht älter als zwanzig Jahre. Er war mit großer Sorgfalt gekleidet; der Stoff und der Schnitt seiner Kleider, der Überfluß an Bändern, mit denen sie besetzt waren, zeigten eine Eleganz, der man fern vom Hofe sehr selten begegnete.

Unter diesem Äußeren des Stutzers bewahrte dieser junge Mann den ganzen Reiz, die ganze naive Ungezwungenheit der Jugend. Seine Sprache, seine Manieren waren frei von der anspruchsvollen Gezwungenheit der Modegecken jener Zeit. Sein Gesicht blieb einfach im Ausdrucke aller seiner Gefühle. Er gab sich dem Vergnügen, das vielleicht noch neu für ihn war, mit dem ganzen Ungestüm seines Alters hin. Noch erhitzter durch den Lärm als durch den Wein, den er getrunken hatte, wetteiferte er mit Herrn von Blignac im Geschrei, Lachen und Quodlibets; er wiederholte mit Enthusiasmus alle Refrains, die der alte Soldat anstimmte, und man brauchte sie bloß einen Augenblick zu beobachten, um sich zu überzeugen, daß diese Herren allein den Lärm machten, der die tugendhaften Bürger von Dieppe so sehr ärgerte.

Der dritte schien nicht in einer ebenso lärmsüchtigen Laune wie die beiden ersten zu sein.

Er war ein Mann von fünfundzwanzig bis dreißig Jahren, mit schmalem und ernstem Gesicht. Ehe man noch die charakteristische Schönheit seiner Züge beobachtet hatte, staunte man schon über den Anflug von Melancholie, den sein Gesicht mitten unter den geräuschvollen Vergnügungen bewahrte, und man mußte sich fragen, welcher Kummer und welche frühzeitigen Schmerzen seine junge Stirn mit so vielen Falten bedeckt hatten.

Wie Herr von Blignac gehörte er zum Regiment de la Boissière. Seine Figur gab in nichts der seines Kameraden nach, aber sie hatte Proportionen von Kraft, die dem letzteren mangelten. An der Breite der Schultern, der Wölbung der Brust, an dem, was man von dem Muskelspiele des jungen Offiziers gewahrte, sowie an dem langen blonden Haar, das ihm zu beiden Seiten des Hauptes niederfiel, erkannte man ebenso wie an der Durchsichtigkeit seiner Hautfarbe die untrüglichen Zeichen, welche die nordischen Rassen ihren Nachkommen hinterlassen haben.

Herr von Blignac hatte soeben eine neue Flasche entkorkt; erfüllte sein Glas, ließ das rubinfarbige Getränk in dem Kristall funkeln, indem er es vor dem Lichte erhob und wieder senkte, dann kostete er mit dem nachdenklichen Entzücken eines Kenners.

Der blonde Offizier, den die Geschwätzigkeit seines Kameraden seit einigen Augenblicken etwas zu beunruhigen schien, benutzte die kurze Pause, welche diese ernste Beschäftigung erforderte, beugte sich zu dem jungen Manne und sagte:

»Du wirst also erst in einem Jahre nach Neu-Frankreich zurückkehren, Paul?«

»Ja,« erwiderte der, den er Paul genannt hatte, »und dieses ganze Jahr will ich bei dir zubringen, mein guter Charles.«

»Es wird uns sehr kurz vorkommen, aber deiner Mutter sehr lang werden, liebes Kind.«

Eine lebhafte Bewegung malte sich auf dem Gesichte des Jünglings, aber Herr von Blignac ließ ihm nicht die Zeit, zu antworten. Diese Unterhaltung hatte schon die Ungeduld des würdigen Edelmannes erregt:

»Gottes Tod, meine jungen Freunde, es scheint mir, daß, wenn ihr ein ganzes Jahr beisammen zuzubringen habt, euch die Zeit nicht fehlen wird, eure kleinen Geheimnisse auszutauschen, und ihr werdet mir die Bemerkung erlauben, daß es nicht recht passend ist, mich, nachdem ihr die Ehre meiner Gesellschaft verlangt habt, in meiner Ecke mit der Physiognomie einer Flasche, die man ausgetrunken hat, allein zu lassen. Dieser Vorwurf gilt Ihnen, Leutnant von Longval, denn Ihr Cousin, Herr Bertaut, würde gewiß nicht die Rücksichten vergessen, die man sich unter Edelleuten schuldig ist.«

Der Offizier, den Herr von Blignac Herrn von Longval genannt und mit dem Titel Leutnant belegt hatte, zuckte die Achseln und erwiderte:

»Erlauben Sie mir andererseits, mein lieber von Blignac, die wahre Lage unserer gegenseitigen Beziehungen wieder herzustellen. Vor vierzehn Tagen kam mein Cousin, Herr Paul Bertaut, aus Amerika an, und ohne sich Zeit zu nehmen, mich zu umarmen, reiste er denselben Abend weiter nach Paris, wo er Herrn von Mazarin die Depeschen des Gouverneurs von Kanada abzugeben hatte. Heute morgen kamen wir beide, Sie und ich, aus der Zitadelle, als derselbe Herr Bertaut vom Pferde stieg, um sich mir in die Arme zu werfen, und mir vorschlug, das Souper, das ihn im ›Klaren Anker‹ erwartete, mit ihm zu teilen. Soviel ich mich entsinne, waren Sie es, mein lieber Chevalier, der um die Ehre bat, einer der Unsrigen sein zu dürfen. Es war indessen ziemlich natürlich, vorauszusetzen, daß wir nach einer langen Trennung allein zu sein wünschten. Sie haben anders gedacht, wir beklagen uns nicht darüber, wenigstens aber klagen Sie sich nur selbst der Unannehmlichkeit Ihrer Lage an.«

Ein Zornesblitz schoß aus den Augen des Gaskogners; mit einer heftigen Bewegung ergriff er sein Glas, aber fast in demselben Augenblicke unterdrückte er mit einer Schnelligkeit, die unter einer frivolen, fast grotesken Außenseite eine gewisse Willenskraft offenbart, den drohenden Ausdruck auf seinem Gesicht, und seine Hand änderte seinen Entschluß dahin ab, daß er das Glas an seine Lippen führte.

Er leerte es mit einem Zuge, stellte es wieder auf den Tisch und erwiderte mit der scherzhaften Gutmütigkeit, die ihm eigen war:

»Nun, so verkennt man die schönsten Gefühle! Unter dem Eindrucke meiner tiefen Freundschaft für Sie, mein lieber von Longval, unter dem Einflusse der außergewöhnlichen Sympathie, die ich, ohne ihn zu kennen, für Ihren jungen Cousin empfinde, habe ich überlegt, daß eure Jugend und Unerfahrenheit in der Sache euch zu Schlachtopfern des entsetzlichen Giftmischers mit Namen Baudrillart machen würden, und um die Erlaubnis gebeten, mich mit eurer Überwachung befassen zu dürfen, und nun lassen Sie sich gar einfallen, meine gutherzigen Absichten zu entstellen? Bei dem Blute Christi, Leutnant, das war nicht unsere alte Kameradschaft!«

Paul Bertaut beeilte sich das Wort zu nehmen.

»Sie haben recht, Herr von Blignac!« rief er, »und ich halte mich Ihnen so tief verpflichtet, daß, wenn Sie nichts Anstößiges bei meiner Bitte finden, ich Ihre allmächtige Intervention in den Beziehungen, die ich während eines Jahres notwendigerweise mit diesem Baudrillart, dem man so Schlimmes zutrauen muß, haben werde, erflehe.«

»Baudrillart! Holla! Baudrillart!« brüllte der gaskognische Edelmann mit einer Ungezwungenheit, die seine Reue bewies. »Verdammter Wirt! Dreifacher Faulenzer, wirst du kommen, wenn man dich ruft?«

Der Chevalier von Blignac war damit kaum zu Ende, als Baudrillart sich in demütiger und unterwürfiger Haltung an der Tür zeigte, ein sicherer Beweis, daß der alte Offizier nicht mit Unrecht den Einfluß gerühmt hatte, den er auf den Wirt ausübte.

Baudrillart verneigte sich mit ehrerbietigem Ausdrucke, den sowohl die Details, die er über das Vermögen seines Gastes vernommen, als die Drohungen Herrn von Blignacs hervorgerufen haben mochten.

»Und jetzt«, setzte der letztere hinzu, »bringe uns eine Flasche besseren Nektars als den, mit welchem du uns bisher bedient hast.«

»Aber«, stotterte der Gastwirt, »ich muß mir die Freiheit nehmen, dem Herrn Baron bemerklich zu machen, daß der Wein, den ich seiner ehrenwerten Gesellschaft vorgesetzt habe, der beste war, den ich besaß, und –«

»Keine Einwendung! der Wein soll wie die Heiterkeit crescendo gehen, wie unsere italienischen Nachbarn sagen. Wein und Karten!«

»Warum denn Karten?« fragte Charles von Longval erstaunt. »Sie haben vergessen, daß ich nie spiele, mein lieber Chevalier.«

»Gottes Tod! das ist wahr! Hole Sie der Teufel, mein Freund; Sie haben Ihren Beruf verfehlt, eine Kutte würde Ihnen besser stehen als die Uniform.«

»Vielleicht werde ich Ihnen zum Gefallen noch einst eine solche anziehen; diese Aussicht schafft Ihnen aber immer noch keinen Dritten zum Lanzknecht.«

»Verdammt! Ich muß aber einen finden! He! Baudrillart, du wirst in deiner Herberge wohl einen Reisenden haben, der einige Pistolen besitzt, um sie gegen die unserigen einzuwechseln; geh und hole ihn, und wenn er sich darüber beklagt, daß du ihn geweckt hast, so wirst du seinen Ärger auf die Rechnung setzen; mein berühmter Freund, Herr Bertaut, handelt niemals.«

Meister Baudrillart zögerte noch.

In diesem Augenblicke erschütterten heftige Schläge die Haustür der Herberge.

»Gottes Tod!« rief der Chevalier von Blignac; »der Zufall ist gescheiter als du, Baudrillart, denn da schickt er uns den, den wir brauchen. Geh dem Reisenden entgegen, und wer er auch sei, führe ihn hier zu uns ein.«

Der Gastwirt gehorchte, und einige Augenblicke später stand ein Mann, der sich bis an die Augen in einen großen Mantel von rötlichem Tuche gehüllt hatte, auf der Schwelle des Saales. Als er die drei Edelleute bemerkte, zögerte er, weiterzugehen.

Sein Kostüm hatte viel Ähnlichkeit mit dem eines Soldaten. Es bestand in einem Wams von düsterrotem Tuche, darüber ein Oberrock von Büffelleder ohne Ärmel, der die Brust bedeckte. Eine Hose von demselben Stoffe wie das Wams verlor sich in ein Paar Lederstiefel, die, auf der Seite zu öffnen, das Bein vom Knie bis zur Sohle bedeckten und deren sich die Bewohner der Normandie noch heute als Reitstiefel bedienen.

Vor dem Kamine stehend, wärmte er seine breiten Hände, und seine Blicke blieben starr und zu Boden gesenkt, als ob das phantastische Spiel der Flammen oder das Knattern der verkohlenden Zweige seine ganze Aufmerksamkeit in Anspruch genommen hätte.

Nur ein- oder zweimal hatte er die Augen erhoben, und Paul Bertaut fühlte sich von ihrem wilden Ausdruck betroffen.

Wenn auch das Gesicht des Fremden ruhig war, so funkelten seine Augen doch unter den dicken, ergrauten Brauen und schleuderten Blitze, wie die einer Degenklinge, die in der Luft umherzischt, ehe sie sich niedersenkt, und wie das Eisen hatten sie etwas Spitziges an sich, das durch das Fleisch bis zum Herzen drang.

Ohne sich von ihren Eindrücken Rechenschaft geben zu können, fühlten die beiden jungen Männer diesem Menschen gegenüber ein unbeschreibliches Unbehagen; sie betrachteten ihn mit einer Neugierde, die an Staunen grenzte.

Nur der Chevalier von Blignac hatte nichts von seiner Ruhe verloren; er machte ein Kuvert zurecht, stellte die Flaschen in eine Linie und ordnete die etwas verwirrten Schüsseln mit einer Geschicklichkeit, auf die Meister Baudrillart gewiß eifersüchtig gewesen wäre.

Der Reisende war der erste, der das Schweigen brach. Er schien sich selbst zwingen zu müssen, als er sich an seine drei Gesellschafter mit den Worten wandte:

»Nachdem ich Ihnen für Ihre Höflichkeit gedankt habe, meine Herren, bleibt mir noch zu erfahren übrig, was Sie von mir erwarten.«

In diesem Augenblicke hatte der Gaskogner einen Schemel an den Tisch herangezogen und betrachtete die gastronomischen Dispositionen, die sein Werk waren, mit stolzer Genugtuung.

»Wir erwarten,« erwiderte er, »daß Ihr Euch an diesen Platz setzt, mit dem Rücken gegen das Feuer, und Eure Rechte an dieses Bataillon Flaschen lehnend, das die Reserve sein wird; dann, daß Ihr die Bresche in dieser Pastete erweitert und sie mit Sturm nehmt, worauf noch übrig bleiben wird, die Hilfsarmee, welche durch diese Butte mit Krabbensoße repräsentiert wird, in die Flucht zu schlagen.«

»Laßt Eure Artillerie spielen,« fuhr Herr von Blignac fort, indem er eine ganze Flasche Wein in das größte Glas, das er finden konnte, goß; »an Munition soll es Euch nicht fehlen.«

»Das ist zu viel Ehre für einen Mann meiner Art, meine Herren, was auch mein Stand sei«, erwiderte der Fremde.

Paul Vertaut vereinigte seine Bitten mit denen des Gaskogners; der junge Offizier beobachtete den Fremden immer stillschweigend.

Dieser ließ sich nicht mehr lange bitten. Er nahm auf dem Schemel Platz, und das ungeheure Stück Pastete, das Herr von Blignac auf seinen Teller gelegt hatte, war bald verschwunden.

Aber zur großen Verwunderung des Gaskogners streckte der Unbekannte, anstatt sich des Bechers von den ungeheuren Proportionen, den der Gaskogner bis zum Rande gefüllt hatte, zu bedienen, die Hand aus, ergriff eine Kanne Wasser, welche die Zecher unberührt gelassen hatten, goß sich daraus ein Glas voll und führte dieses an seine Lippen.

Herr von Blignac war stumm und wie versteinert über das, was sich vor seinen Augen zutrug.

»Wie?« rief er. »Unter soviel Flaschen wählt Ihr gerade diese?«

»Warum nicht? Ich trinke nie Wein, mein Herr«, erwiderte der Fremde einfach.

»Ihr trinkt keinen Wein? Zum Teufel, ich will den Grund wissen!«

»Was kümmert Sie das?« sagte der Unbekannte in düsterem Tone. »Vielleicht, weil er rot ist.«

Das Gesicht Herrn von Blignacs drückte bei der Kundgebung einer Mäßigkeit, welche die von ihm entworfenen Pläne zuschanden zu machen schien, eine so vollständig komische Enttäuschung aus, daß Paul Bertaut nicht sein lautes Lachen zurückhalten konnte.

Der Fremde glaubte, daß man sich über ihn lustig mache; seine Brauen zogen sich zusammen, und mit einer Bewegung, so rasch wie der Gedanke, faßte er mit der Hand an seinen Degengriff.

Der junge Offizier hielt seinen Arm zurück, und schnell beruhigt stieß der Mann die Klinge in die Scheide zurück.

»Mein Herr,« sagte der Offizier, »wir müssen uns entschuldigen. Ich möchte um keinen Preis, daß Sie mich für den Mitschuldigen einer Unbesonnenheit hielten, die sich einen Mann, der einen Degen trägt und der, wenn er nicht Edelmann ist, wahrscheinlich wenigstens Soldat gewesen, zum Opfer wählte.«

»Eine offene Erklärung wird uns auf der Stelle rechtfertigen, mein Herr,« setzte Paul Bertaut hinzu. »Die Höflichkeit unseres Freundes Herrn von Blignac war nicht so uninteressiert, als Sie glauben mochten, er hatte gehofft –«

Der Gaskogner fühlte sich veranlaßt, selbst das Wort zu ergreifen.

»Das heißt: er hofft noch!« rief er und mischte schnell ein paar Spiele Karten, die der Wirt auf den Tisch gelegt hatte:

»Ja, mein Herr, wenn ich einiges Erstaunen über Ihren Geschmack an einem Getränke zu erkennen gab, das, meiner Ansicht nach, den Menschen zum Tier herabwürdigt, so habe ich nichtsdestoweniger an der großen Miene, mit der Sie die Hand an die Waffe des Edelmannes legten, erkannt, daß Sie nicht von so gewöhnlichem Stande sind, wie Sie uns überreden zu wollen scheinen, und ich bin überzeugt, daß Sie nach dem Essen anerkennen werden, daß anständige Leute etwas Besseres zu tun wissen, als ihre Zeit damit zu verlieren, daß sie einsam zwischen zwei Tüchern schlafen.«

»Wirklich, sie können sie dazu anwenden, ihr Geld zu verlieren.«

»Oder das ihres Nächsten zu gewinnen«, erwiderte Herr von Blignac, indem er stolz einiges Geld in seiner Hosentasche klingen ließ.

»Wirklich,« sagte der Unbekannte, der seit einigen Augenblicken Herrn von Blignac durchdringend anblickte, »wirklich hat der Zufall Sie bisher nicht begünstigt, obgleich Sie, wie ich glaube, sich nie den Vorwurf machen können, daß Sie eine Gelegenheit, ihn zu versuchen, haben vorübergehen lassen.«

»Wer hat Sie so gut unterrichtet?« fragte der Gaskogner.

»Verzichten Sie auf das Spiel, Herr Chevalier von Blignac«, sagte der Fremde mit ernster Stimme.

Der Gaskogner brach in ein wildes, schallendes Gelächter aus.

»Ich kenne das menschliche Herz zu gut, um nicht vorhergesehen zu haben, wie Sie meinen Rat aufnehmen würden; indessen wiederhole ich Ihnen nochmals: entsagen Sie dem Spiel, Herr Chevalier von Blignac.«

»Und warum das?« sagte der Gaskogner, sich auf die Tafel stützend und eine heitere Miene annehmend.

»Ist es nicht wahr, Herr Chevalier von Blignac, daß Ihnen bis heute das Spiel immer sehr fatal gewesen ist?«

»Nach den Geständnissen, die ich Ihnen soeben machte, würde das, womit Sie anfangen, eben keinen großen Prediger verraten.«

»Der unerwartete Tod eines älteren Bruders hatte Sie, den jüngeren, in den Besitz des väterlichen Erbteils gesetzt. Herr von Blignac, wo ist Ihre Erbschaft geblieben?«

»Wo der Schnee bei Südwind hingeht, wie Clement Marot gesagt hat,« erwiderte der Chevalier, »aber Sie scheinen mich zu kennen, mein lieber Herr, und es ist nichts Außerordentliches dabei, mir meine Geschichte zu erzählen.«

»Wo ist die Aussteuer geblieben, die Ihre beiden für den Schleier bestimmten Nichten ihrem Kloster zubringen sollten?«

»Gott hat sie auch ohne Geld zu sich genommen; ihre Personen sind zu ehrenwert, um den schlechten Geschmack zu haben, sich zu beklagen. Ist das alles?«

»Ein wenig Geduld, Herr Chevalier. Während des Streites der Fronde waren Sie, wie ich glaube, Gefreiter im Regimente Herrn von Corinthes.«

»Pest!« sagte Paul Bertaut, »es scheint, daß Sie dem Herrn Chevalier von Blignac nicht erst gestern begegnet sind.«

»Der Herr Herzog von Beaufort«, fuhr der Fremde fort, »schätzte Sie sehr hoch; Sie waren tapfer und ein guter Kamerad; das war ein sicheres Mittel, dem Enkel Heinrichs IV. zu gefallen. Ihr Geschwätz wurde ihm so unentbehrlich, daß er Sie zu der Ehre zuließ, die Sie mir soeben erzeigen wollten. Alles ging so gut, daß Sie immer beliebter wurden; unglücklicherweise hatte dieser berühmte Herr von Beaufort von seinem königlichen Vater her einen wahren Schrecken vor allem, was einer Niederlage ähnelte. Er verlor Partie auf Partie, und in seinem Ärger wagte er zu behaupten, daß die Würfel falsch seien. Ich glaube nicht daran; wenn man aber dem, was damals erzählt wurde, Glauben beimessen will, so drehte die schlechte Laune des Königs der Hallen in wunderlicher Weise die Rollen um. Nachdem Sie bis dahin geschlagen hatten, wurden Sie nun geschlagen, Herr Chevalier.«

Der Gaskogner, dessen Gesicht seit einigen Augenblicken alle Farben des Regenbogens angenommen hatte, stieß einen schrecklichen Fluch aus, und ehe seine Gefährten es hindern konnten, hatte er seinen Degen gezogen und stürzte sich auf den Fremden.

Das Gesicht desselben bewahrte seinen spöttischen Ausdruck und verriet nicht die geringste innere Bewegung; er streckte nur in seiner unerschütterlichen Ruhe den Arm aus, preßte die Faust des Chevaliers von Blignac in seiner breiten Hand und schüttelte sie mit solcher Heftigkeit, daß dieser einen Schmerzensruf ausstieß und seinen Degen auf die Dielen fallen ließ.

»Du lügst in deine Kehle hinein,« heulte der Gaskogner; »wenn die Sache so zugegangen wäre, wie du erzählst, ich hätte gewiß Herrn von Beaufort, gleichviel ob er Herzog oder Sohn eines Königs gewesen, gezwungen, mir Rechenschaft zu geben.«

»Sie taten das wirklich, denn der Hochmut fehlt Ihnen ebensowenig als die Tapferkeit; aber Ihre Berufung hatte keinen anderen Erfolg, als daß Sie in die Bastille kamen, wodurch Sie die Aussicht verloren, die Kompagnie zu erhalten, die Ihnen Herr von Montigny in seinem Regiments versprochen hatte. Ist das nicht Ihre Geschichte, und bin ich nicht gut über das, was Sie betrifft, unterrichtet, Herr Chevalier von Blignac?«

»Teufel, Teufel!« sagte Paul Bertaut, »es scheint mir, daß Sie sich weniger amüsieren, als Sie erwartet hatten, Herr von Blignac.«

Dieser machte in der Tat ein jämmerliches Gesicht; er trat dem Fremden näher.

»Wer sind Sie?« fragte er ihn. »Ich kann in meinem Gehirne hin und her suchen, ich finde darin keine Erinnerung, die mir Ihre Züge und Ihre Person zurückruft.«

»Das ist ziemlich natürlich, Herr Chevalier; ein Edelmann wie Sie geht an dem Insekt vorbei, das zu seinen Füßen kriecht, aber er hält es nicht der Mühe wert, seinen Blick zu senken, um es anzusehen.«

»Das alles sagt mir nicht Ihren Namen, und Ihr Name ist es, den ich wissen will.«

»Sie haben mich nicht darnach gefragt, als Sie mir die Ehre antaten, mich an Ihre Tafel zu ziehen; jetzt bin ich im Recht, wenn ich mich weigere, ihn zu nennen.«

»Ich werde ihn doch wissen, Gottes Tod!« rief der Chevalier, hob seinen Degen vom Boden auf, legte aus und schrie, während er mit dem Fuße zweimal gewaltig Appell schlug: »Ziehe dein Rappier, Schurke, und verteidige dich!« Der junge Kamerad Herrn von Blignacs warf sich zwischen ihn und den Fremden, der die Arme gekreuzt und sich nicht von der Stelle gerührt hatte.

»Zu meinem großen Bedauern«, sagte er mit seiner festen und ernsten Stimme, »bin ich genötigt, für den Herrn Partei zu nehmen und gegen Sie, mein lieber von Blignac. Ihre Absichten auf ihn waren gerade nicht christlich, und Ihre jetzige Empfindlichkeit verrät wenig guten Geschmack.«

»Partie zu vieren, Gottes Tod!« schrie der Gaskogner. »Zu mir, zu mir, lieber Herr Bertaut – ein schönes Duell! Das ist wahrhaftig noch mehr wert als das Landsknechtspielen.«

Der Jüngling lachte laut auf.

»Den Degen gegen meinen Cousin ziehen? – Daran dachten Sie nicht, Chevalier. Diese Nacht haben Sie gewiß kein Glück, und es ist gut für Ihre Taler, daß wir auf das Kartenspiel verzichtet haben. Stecken Sie den Degen ein! Zum Teufel! Sie können sich doch nicht mit einem Menschen schlagen, der sich nicht verteidigt.«

»Ich werde dich wiederfinden, Schurke!«

»Gott behüte Sie davor, Herr Chevalier,« sagte der Fremde, »und jetzt erlauben Sie mir, mich zu erklären. Wenn ich Ihnen eine Vergangenheit in das Gedächtnis rief, die Ihnen nicht angenehm zu sein scheint, so geschah dies nicht in der Absicht, Sie zu beleidigen; ich wollte Sie bloß vermögen, meinen Worten einige Aufmerksamkeit zu schenken, als ich von der Zukunft sprach.«

»Von der Zukunft?« wiederholten gleichzeitig die drei Gefährten.

»Ja, meine Herren, von der Zukunft«, antwortete der Unbekannte einfach, aber im Tone sehr fester Überzeugung.

In einer Sekunde war jede Spur von Zorn auf dem Gesicht Herrn von Blignacs geschwunden. »Bei dem Leben Gottes!« rief er. »Seid Ihr der Astrologe dieses nichtswürdigen Concini, der letzte, den man in Frankreich gesehen hat? Ich glaubte, man habe ihn auf dem Grèveplatze gehangen, nachdem man seine Geliebte verbrannt hatte.«

»Ich bin kein Astrologe, Herr Chevalier; ich bin ein Mann, der beobachtet, vergleicht und sich erinnert; nichts mehr.«

»Und was wird mir geschehen, wenn ich Euren Rat vernachlässige?«

»Es wird Ihnen noch Schlimmeres geschehen, als Sie bis jetzt erlebt haben.«

»Das ist wenig gesagt, mein Herr, und Eure Höflichkeit sollte so weit gehen, mir den Stein zu bezeichnen, an dem mein Gaul stolpern wird.«

»Ihre Leidenschaft, die Ihren Ruin herbeigeführt, Ihr Glück als Soldat gefährdet hat, wird Sie das Leben kosten, Herr Chevalier von Blignac.«

»Ich werde vielleicht vor Freude darüber ersticken, daß ich von Herrn von Mazarin hunderttausend Pistolen gewonnen habe, und die Erstarrung wird darnach kommen.«

»Nein, mein Herr, Sie werden eines gewaltsamen Todes sterben.«

»Das ist der Tod eines Soldaten, mein Teurer.«

»Danken Sie mir nicht zu sehr. Herr Chevalier,« erwiderte der Fremde, »denn ich muß noch hinzufügen, daß Sie durch den Strick umkommen werden.«

»Gehangen?«

»Gehangen.«

»Das ist weniger wahrscheinlich, lieber Herr, denn Ihr, der mich so genau kennt, solltet wissen, daß ich Edelmann bin und daß man die Edelleute nicht hängt.« »Ich erkläre nichts, Herr Chevalier – ich sage nur, was geschehen wird – das ist alles.«

»Gottes Tod! mein Herr,« sagte Paul Bertaut, sich dem Fremden nähernd, »vielleicht haben Sie mir auch etwas zu sagen.«

»Nach dem, was ich soeben Ihrem Kameraden gesagt habe,« erwiderte der Fremde, »ist Ihre Neugierde Kühnheit, mein Herr.«

Aber der Chevalier von Blignac trat dazwischen.

»Ich muß Ihnen sagen, mein Herr, daß dieses zweite Experiment für mich nichts beweisen würde. Man enträtselt leicht ein Gesicht, das, wie das meinige, den Namenszug aller Leidenschaften seines Eigentümers trägt; ebenso leicht ist es, ohne Anstoß auf einer Physiognomie von zwanzig Jahren zu lesen. Wollen Sie, daß ich der Perspektive, die Sie mir an meinem Horizont eröffnet haben, vollen Glauben beimesse, dann probieren Sie Ihre Wissenschaft auf dem Marmorgesichte meines Kameraden. Wenn Sie entdecken, was ich seit drei Jahren, in denen er mein Kamerad ist, vergebens suche, so werde ich an Ihre Kabbala glauben, als ob wir noch zur Zeit Katharinas von Medici lebten.«

Charles von Longval hatte seine Hand hingereicht. Der Fremde hatte sie kaum betrachtet, als er in das fieberische Nachsinnen des Weisen über das, was in seinen Augen den Charakter eines Wunders annimmt, versank.

»Sonderbar! Sehr sonderbar!« murmelte er.

»Nun wohl, Gottes Tod!« sagte der Gaskogner. »Ist Eure Zauberei schon in die Brüche gekommen?«

Der Fremde hatte sich seinem Nachsinnen vollständig entschlagen, und eine lebhafte Bewegung gab sich an ihm kund.

»Sie sind unter einem schrecklichen Stern geboren worden, mein Herr,« sagte er halblaut, »und in den Runzeln Ihrer Stirn wie in den tiefen Furchen Ihrer Hand sehe ich Ihre Existenz durch ein Unglück, von dem es wenige Beispiele gibt, beherrscht.«

»Hum, hum!« brummte der Chevalier von Blignac. »Das ist ja eine sich wenig kompromittierende Wahrsagerkunst.«

»Still!« gebot der junge Offizier.

»Sie haben geliebt; der Gegenstand Ihrer Liebe war mit Ihnen durch Bande des Blutes verwandt, und diese bis dahin so reine Liebe wurde ein Verbrechen – Sie haben fliehen wollen; Sie haben die Unermeßlichkeit der Meere zwischen sich und die gelegt, die Ihnen nicht mehr angehören konnte; es war vergebens. – Ihr Bild hat Sie ohne Rast und Ruhe verfolgt. Die Probe war zu stark für Ihr Alter, Sie haben ihr nicht widerstanden. – Es kam eine Stunde, in der Sie, um sie wiederzusehen, das Heil Ihrer Seele auf das Spiel gesetzt haben würden. Sie haben sie wiedergesehen. – Auch sie erwartete Sie; auch sie hatte gelitten; sie verlangte Ihre Hilfe und bat Sie, zu ihr zurückzukehren. Sie gehorchten, und von diesem Augenblicke an war Ihre Existenz nur noch ein schrecklicher Kampf zwischen Pflicht und Leidenschaft. Diese Leidenschaft suchen Sie jetzt noch zu ersticken, denn neue Gefühle sind in Ihrem Herzen erwacht –«

»Genug, genug, ich beschwöre Sie darum, mein Herr!« sagte der junge Offizier mit zitternder Stimme.

Paul Bertaut war blaß wie ein Gespenst.

Herr von Blignac hatte einen Pfropfen aufgenommen und schnitt ihn maschinenmäßig entzwei, ohne die in dieser Szene handelnden Personen aus den Augen zu lassen.

Alle vier blieben einige Augenblicke lang still; der Fremde nahm zuerst wieder das Wort.

»Ich bedaure, mein Herr,« sagte er, sich an den jungen Offizier wendend, der seine in Schweiß gebadete Stirn trocknete, »ich bedaure, den Kummer Ihres Herzens wieder erweckt zu haben, um auf das Mißtrauen, das mir der Herr Chevalier zeigte, zu antworten, und ich bitte Sie um Verzeihung.«

»Mein Herr,« erwiderte Herr von Longval, der seit einer kleinen Weile aufgeregt im Saale umherging, »Sie haben nur von der Vergangenheit zu mir gesprochen, und diese Vergangenheit ist düster genug, daß Sie mir das Recht zuerkennen werden, Sie jetzt auch um die Zukunft zu befragen. Wollen Sie, ich bitte darum, meinem Wunsche entsprechen?«

Der Fremde nahm seinen Mantel und warf ihn über die Schultern.

»Lassen Sie mich gehen, lassen Sie mich fort, junger Mann,« sagte er. »Glauben Sie mir, versuchen Sie nicht, den bleiernen Vorhang zu heben, den die Vorsehung zwischen Ihre Augen und die Tage, die Sie noch zu leben haben, hat fallen lassen. Wenn ich Herrn von Blignac das Schicksal, das, meinen Konjekturen zufolge, seine Laufbahn schließen soll, offenbart habe, so geschah es, weil Herr von Blignac, ohne es zu ahnen, für mich eine alte Bekanntschaft ist, gegen die ich eine kleine Rache auszuüben hatte. Sie aber haben das Eisen, das mein Wams bedrohte, abgewandt; nochmals, geben Sie zu, daß ich mich entferne.«

»Nein, nein; ich berufe mich im Gegenteil auf den Ihnen geleisteten Dienst, um Sie anzuhalten, sich zu erklären.«

»So sei es, ich werde sprechen, übrigens, wenn ich auf der Stirn eines Menschen die geheimnisvollen Zeichen des kabbalistischen Astrolabiums lesen kann, so bin ich doch nicht anmaßend genug, um vorauszusetzen, daß meine Wissenschaft unfehlbar sei. Wenn ich an die menschliche Vorherbestimmung glaube, so bin ich auch Christ und glaube, daß der Wille und die Barmherzigkeit des Allerhöchsten diese Prädestination bekämpfen und besiegen können. Ich werde sprechen.«

Der Offizier versuchte zu lächeln.

»Was Sie mir zu sagen haben, muß sehr erschreckend sein, nach der Vorsicht zu urteilen, die Sie anwenden. Wird mich also dieses Unglück, das Sie in meinem Horoskop entdeckt haben, bis zu meiner letzten Stunde verfolgen?«

»Es wird Sie bis über das Grab hinaus verfolgen, es wird sich auf Ihr ganzes Geschlecht erstrecken.«

»Und während meines Lebens?«

Der Fremde zögerte; er war ebenso bleich geworden wie alle, welche ihn umgaben, und seine Pupillen, die von einem konvulsivischen Zittern bewegt wurden, hoben und senkten sich in dem Weißen seiner Augen.

»Sie lieben diesen jungen Mann?« fragte er plötzlich.

»Er ist mein Cousin, mein Freund, mein Bruder!« rief Charles.

»Gut, dieser junge Mann ist bestimmt, von Ihrer Hand zu sterben.«

Der Offizier blieb einige Sekunden stumm und rollte wild die Augen umher, als habe er nicht verstanden; dann schlang er seinen Arm um den Hals Bertauts und sagte, ihn mit unwiderstehlicher Gewalt an sein Herz ziehend, mit einer von Seufzern halb erstickten Stimme:

»Paul, mein Paul, mein einziger Freund – ich dein Mörder werden!«

»Man kann töten, ohne ein Mörder zu sein, mein Herr«, erwiderte der Fremde mit fast roher Heftigkeit.

»Ich verstehe Sie nicht.«

»Der Henker ist kein Mörder, mein Herr – wissen Sie das nicht?«

Der Offizier sank vernichtet auf einen Stuhl, und während Paul Bertaut sich bemühte, ihn wieder zu sich zu bringen, während der Chevalier von Blignac, nachdem er statt des Pfropfens die Kartenspiele in die Hand genommen hatte, sie, diese alten Gegenstände seiner Verehrung, einzeln zerriß und nacheinander ins Feuer warf, verließ der Fremde den Saal, und man hörte seinen schweren Schritt, unter dem die Treppe zur oberen Etage knarrte.

Das verwünschte Gehöft

Die Prophezeiung, die meinem Ahnen das ihn erwartende Schicksal ankündigte, übte einen mächtigen Einfluß auf seinen Geist.

Wenn er den Worten des Unbekannten auch nicht unbedingten Glauben beimaß, so konnte er es doch nicht verhindern, daß diese Worte fortwährend in seinen Ohren tönten; wenn es ihm am Tage gelang, sich von der Erinnerung an sie frei zu machen, gewannen sie in der Nacht ihre Herrschaft wieder, beunruhigten seinen Schlaf durch häßliche Träume, und allmählich nahm unter dem Zwange dieser fortwährenden Beunruhigung die Überzeugung, daß er seinem Lose nicht entgehen könne, ganz von seinem Geiste Besitz.

Aus seiner Melancholie wurde ein wilder Menschenhaß.

Bisher war er mitten unter den Vergnügungen und Freuden seiner Kameraden nur gleichgültig erschienen, nach der Szene im »Klaren Anker« aber wurde ihm selbst die Gesellschaft dieser Kameraden verhaßt, und er floh schon vor ihren Stimmen. Wenn seine Dienstpflichten ihn während einiger Stunden mit ihnen zusammenführten, so richtete er kaum einige Worte an sie, und sobald er wieder frei war, beeilte er sich, in seine Einsamkeit zurückzukehren.

Paul Bertaut war ebenso feurig als jung. Die Zurückgezogenheit, in der Charles von Longval lebte, überließ seinen Cousin dem Chevalier von Blignac auf Gnade und Ungnade; da letzterer niemand fand, der seinen Lehrergelüsten entgegengetreten wäre, so hatte er sich zum Mentor des jungen Kreolen aufgeworfen, und ihm durch sein Beispiel vorangehend, führte er ihn auf einen Weg, der gewiß selbst die tugendhaften Anlagen des Sohnes des Ulysses verwildert haben würde.

Später, im zweiten Teile der Geschichte Sansons, werde ich erzählen, welche traurigen Folgen diese Verbindung für den Cousin meines Ahnen hatte.

Wenn der Rausch der Vergnügungen zurzeit auch noch nicht die Anhänglichkeit Pauls an seinen Verwandten beeinträchtigte, so hatte er doch zur Folge, daß die liebevolle Sorge, die er ihm bezeigt hatte, allmählich nachließ.

Inzwischen trugen die Nachrichten, die Charles Sanson von Abbeville erhielt, zu seinen Qualen bei.

Den Briefen Colombes nach war es nicht mehr zweifelhaft, daß der Zustand Jean Baptistes sich mit jedem Tage verschlimmerte.

Hier folgt einer dieser Briefe:

»Charles, mein Bruder, warum muß ich Dich um das Almosen Deiner Erinnerung bitten? Worin habe ich mich Deiner Freundschaft unwürdig gezeigt? Wenn Dein Herz gegen die Stimme deren, die sich Deine sehr freundschaftliche und sehr ergebene Schwester nennt, unnachgiebig, ist, warum bleibt es bei der Stimme dessen, der das Band ist, das uns in dieser und in einer anderen Welt vereinigt, unempfindlich? Dein vielgeliebter Bruder leidet grausam. Alle seine Nächte sind schlaflos, und diese Nachtwachen wendet er zu Klagen darüber an, daß ihn sein geliebter Bruder, der ihm nicht ein tröstendes Wort schickt, verlassen hat. Seit Donnerstag, dem 24. d.M., hat sich sein Übel sehr verschlimmert; ich flehe Gott an, daß es ihm gefallen möge, mein Leben statt das Leben meines Gatten zu nehmen, wie es meine Pflicht als Gattin und Christin ist, aber lange schon hört Gott nicht mehr auf meine Gebete. Ich finde nicht mehr die Resignation, die andere Betrübnisse mich gelehrt hatten, in mir – eine so schmerzliche und tödliche Pein ist es, einen armen von Schmerzen verzehrten Mann klagen zu hören, ohne ihm helfen zu können. Warum schreibst Du uns nicht, mein Bruder? Hast Du Dich denn so verändert, daß Du kein Gedächtnis mehr für die hast, die Dich so sehr liebten? Schreibe an Deinen Bruder, Charles. Wenn es nötig ist, will ich auf Deine Freundschaft verzichten, wenn Du denkst, daß sie mir nicht bleiben darf, und ich leiste Dir einen Schwur, daß, wenn mir der Herr den nimmt, den er mir als Stütze gegeben hat, ich Dir in keiner Weise zur Last fallen will. Möge Deine Freundschaft wenigstens dem nicht fehlen, der nur noch dieses einzige Gut hat, und wenn Gott seine letzte Stunde schon bestimmt hat, dann mache, daß er den Trost habe, Dich mit mir segnen zu können.

Den 31. Mai des Jahres 1662.

Colombe Sanson.«

Man kann sich leicht die Verwirrung denken, welche diese schmerzlichen Vorwürfe in der ohnehin schon so getrübten Seele Charles Sansons anrichten mußten.

Bei dem Gedanken, daß er von seinem vielgeliebten Bruder für immer getrennt werden sollte, vergoß er aufrichtige Tränen, gleichzeitig aber beschleunigte eine andere Idee den Blutlauf in seinen Adern und versetzte ihn in die tödlichste Angst.

Er dachte mit Schrecken an das, was zwischen Colombe und ihm an dem Tage, an dem er sie verlassen hatte, vorgefallen war; er schöpfte aus dieser Erinnerung die Überzeugung von seiner Schwachheit und der Eitelkeit seiner Vorsätze, und er wagte sich nicht die Frage vorzulegen, was geschehen würde, wenn die Hand Gottes das Hindernis, vor dem seine Leidenschaft zurückgewichen war, fortgeräumt hätte.

Und als ob dies noch nicht genug gewesen wäre, ihn niederzubeugen, verwundeten noch die kleinen, aber gebieterischen Sorgen der Existenz derer, die er liebte, sein zerrissenes Herz.

Die Krankheit Jean Baptistes hatte die Hilfsquellen der unglücklichen Wirtschaft erschöpft.

Charles hatte seinem Bruder das wenige Geld, das er besaß, geschickt, aber aus den schmerzlichen Klagen in den Briefen Colombes hatte er ersehen, daß dieses Opfer bei weitem nicht für die Bedürfnisse, die mit dem Übel zunahmen, hingereicht hatten.

Er antwortete seiner Schwägerin, denn ich finde in seiner Korrespondenz noch zwei Briefe von Colombe Sanson, die das Datum vom Juni 1662 tragen, mehrere Abschriften von der Hand Charles', die sich alle auf die Krankheit seines Bruders beziehen, und eine große Anzahl verschiedener Papiere, auf denen er Sätze mit durchstrichenen Worten entworfen und die er mit einer Sorgfalt aufbewahrt hatte, welche anzeigt, daß er einen hohen Wert auf das legte, was ihm die erste Liebe seiner Jugend in das Gedächtnis zurückrief.

Als mein Ahne eines Nachmittags in das Haus, das er bewohnte, zurückkehrte, fand er auf der Schwelle einen Boten, der ihn erwartete. Dieser Mann überreichte ihm einen Brief.

Er hatte kaum die Augen auf die Aufschrift geworfen, als er leichenblaß wurde; er wankte, und wäre die Bank nicht dagewesen, auf die sich der Bote gesetzt hatte, so würde er rückwärts übergefallen sein.

Er hatte die Handschrift seiner Schwägerin erkannt, und diese Schrift war zur Hälfte durch die Tränen, welche das Papier durchnäßt hatten, verwischt. Bevor Charles noch den Brief geöffnet hatte, erriet er schon, daß Jean Baptiste tot sei.

Wirklich kündigte ihm Colombe das Unglück an, das sie betroffen hatte. Sie fügte hinzu, daß ihre Verzweiflung um so größer sei, als sie zu ihm von anderen Dingen sprechen müsse als von dem, den sie verloren hätten. Die sterblichen Überreste des armen Blinden waren noch nicht bestattet, als seine alten Kollegen, die Männer des Gesetzes, sich auf die armselige Beute stürzten. Colombe hatte nicht unter dem bescheidenen Dache bleiben dürfen, das den Ruin ihres Mannes beschützt hatte; sie hatte weder Hilfe noch Mitleid bei den Verwandten gefunden, die ihr noch zu Abbeville geblieben waren; da hatte sie an ihren Bruder gedacht und sich auf die Reise gemacht, um ihn zu suchen, aber ihre Kräfte hatten ihren Mut im Stiche gelassen; abends zuvor hatte sie im Dorfe Envermeu, einige Meilen von Dieppe, haltmachen müssen und erwartete, daß Charles sie von dort abhole, um sie in das Asyl zu führen, das er für sie wählen würde.

Charles blieb einen Augenblick unbeweglich, stumm und ganz niedergeschmettert durch die empfangene Mitteilung. Endlich riß er sich aus seiner Erstarrung, entließ den Boten, sattelte selbst sein Pferd und jagte verhängten Zügels nach Envermeu.

Gegen fünf Uhr abends langte er bei Envermeu an.

Dicht vor dem Dorfe, auf der Höhe des letzten Hügels, stand ein steinernes Kreuz; aus dem Talgrunde schon bemerkte Charles eine schwarzgekleidete Frau, die auf den Stufen dieser kleinen Kapelle saß. Sein Pferd, das durch die Schnelligkeit des Laufes außer Atem gekommen war, wollte eine langsamere Gangart annehmen, aber heftig von seinem Reiter angetrieben, setzte es sich in Galopp und hatte in einigen Sekunden den Gipfel des Hügels erreicht.

Colombe hatte ihren Boten bis dahin begleitet und sich dort niedergelassen, um die Ankunft dessen, den sie zu sich berufen hatte, zu erwarten.

Als sie seine Annäherung bemerkte, verbarg sie ihr Antlitz in die Hände. Charles war von seinem Pferde gesprungen und stand vor ihr; aber sie erhob das Haupt nicht; man hörte nur ihr Schluchzen und sah, wie sich ihre Brust hob und in einem konvulsivischen Krämpfe abquälte.

Charles rief seine Schwägerin bei Namen und beugte sich über sie, aber Colombe, die sich erhob, vermied seine Umarmung und zeigte auf das Kreuz, das vor ihnen seine schwarzen, mit Moos bewachsenen Arme ausstreckte; sie schien damit sagen zu wollen, daß er, bevor er zu ihr käme, erst zu dem gehen solle, der in allen Bekümmernissen und Sorgen aufrechterhält und tröstet.

Beide knieten auf die Granitstufen nieder, und ihre Herzen vereinigten sich in einem Gebete für den, der nicht mehr war.

Als Charles sich wieder erhob, fühlte er sich sonderbar erfrischt und gestärkt.

Er nahm ihre Hand, und er fühlte bei ihrer Berührung nicht wie ehemals einen leisen Schauer in seinem Körper; er blieb ruhig, wenn er sie, die trotz ihrer Blässe und der Anzeichen ihres Leidens immer noch schön war, betrachtete. Er atmete frei und glücklich.

Er begriff, daß er mit der Stärke, die ihm diese reine und keusche Zuneigung geben werde, von jetzt an dem Unglück trotzen könne.

So gingen sie Seite an Seite bis nach der Hütte der Bauern, die, von Colombes Verzweiflung gerührt, ihr tags zuvor Gastfreundschaft gewährt hatten.

Charles wünschte, daß Colombe, die schwach und kränklich schien, noch einen Tag länger bei ihren Wirtsleuten bliebe, aber sie hatte, beruhigt durch die Offenheit, mit der ihr Freund sein Unrecht gestanden hatte, durch die Ruhe seiner Sprache und seines ganzen Benehmens, Eile, Envermeu zu verlassen und nach Dieppe zu gelangen.

Charles setzte sie auf sein Pferd; er nahm die Zügel des Tieres in die Hand, und indem er nebenher ging, schlugen sie den Weg nach der Stadt ein.

Unterwegs sprachen sie viel von der Vergangenheit, d.h. von Jean Baptiste, denn es schien sich nunmehr von selbst zu verstehen, daß der Horizont, den sie hinter sich ließen, von dem Tage begrenzt war, an dem Charles das Haus Pierre Brossiers verlassen hatte; sehr viel plauderten sie auch von der Zukunft.

In dem Augenblicke, in dem Colombe mit beredteren Worten, als es meine Feder vermag, das Gemälde der Glückseligkeit entwarf, die sich jetzt, nachdem sie sich so heiß geliebt, sich einer dem anderen mit der höchsten Selbstverleugnung geopfert hatten, die Hand reichten, ehe sie in die Ewigkeit traten, die allein eine wahre Vereinigung herstellt, gelangten sie auf den Gipfel eines Hügels, von wo aus sie den Ozean in seiner ganzen Unermeßlichkeit sich vor ihnen ausbreiten sahen.

Die Hitze des Tages war drückend gewesen. Große Wolken von kupfrig schwarzer Färbung häuften sich über ihnen auf und zogen schwer von Osten gegen Westen. Aber diese Wolken hatten den Horizont im Westen noch nicht bedeckt, und durch eine breite Spalte, die dem Herde einer Schmiede glich, sah man die Sonne in ihrem Untergange siegreich gegen die doppelte Finsternis des Sturmes und der Nacht kämpfen. Das Meer flammte wie eine große Feuerpfanne, seine Wellen wallten auf und nieder, als waren sie Wogen von Lava gewesen. Näher an die Küste heran waren die Gewässer des Ozeans, deren Oberfläche nicht ein Hauch bewegte, so finster wie der Himmel, von Zeit zu Zeit aber zuckte ein Flammenstrahl aus dem glühenden Krater, und die schwärzliche Fläche erglänzte von blutigen Reflexen.

Colombe hatte ihr Pferd angehalten und blieb stumm, in den Anblick dieses großartigen Schauspieles ganz versunken.

Große Regentropfen fingen an zu fallen. Der Wind erhob sich, er trieb den Staub des Weges in dichten Wirbeln auf, und die Windstöße schienen diese bis zu den Wolken emporschleudern zu wollen. Die Färbungen in der Ferne hatten allmählich ihre Intensivität verloren, Himmel und Meer schmolzen am Horizont in einen Streifen tiefen Rotes zusammen; dieser bekam dann eine fahlgelbe Schattierung, und einige Augenblicke später sah man über diese Fläche lange Bänder von weißem Schaum mit großer Schnelligkeit ziehen.

Alles kündigte einen schrecklichen Sturm an; die beiden Reisenden hatten noch mehr als eine Stunde bis zur Stadt zurückzulegen, und wie sich Charles auch umsah, er erblickte nirgends eine Hütte, in der sie Schutz suchen konnten.

Er sagte Colombe, daß sie sich beeilen müßten, und setzte ihr Pferd in Trab.

Nachdem sie einige hundert Schritte zurückgelegt hatten, wurde Colombe durch seinen immer kürzer werdenden Atem beunruhigt; sie beschwor ihn, zu ihr auf das Pferd zu steigen, da nur auf diese Weise ihr Fortkommen geschwinder vonstatten gehen könne.

Charles willigte ein.

Er schwang sich in den Sattel, hüllte seine Gefährtin in seinen Mantel, umschlang die zarte Taille der jungen Frau mit seinem Arm und behielt nur die linke Hand frei, um das Pferd leiten zu können; er gab ihm die Sporen und setzte es in Galopp.

In diesem Augenblicke brach die ganze Gewalt des Sturmes los.

Die Donnerschläge folgten sich ohne Unterbrechung; Kaskaden von Flammen ergossen sich über Himmel und Erde, der Wind heulte, und in sein Stöhnen mischte sich das heisere Rauschen des empörten Meeres; die Bäume am Wege schüttelten ihre Wipfel mit düsterem Gestöhn.

Der Regen goß in Strömen, und bald wurde die Finsternis so dicht, daß Charles den Weg nur unterscheiden konnte, wenn der Himmel sich öffnete, um einer riesenhaften Feuerschlange den Durchgang zu gestatten.

Die junge Frau hatte den Arm um den Hals ihres Gefährten geschlungen und verbarg ihr Gesicht an seinem Wamse. Ihr Herz schlug stürmisch, und diese Schläge vereinigten sich mit dem Zittern von Charles' Herzen.

Eine eigentümliche Erregung bemächtigte sich des jungen Mannes.

»Colombe, Colombe!« rief Charles plötzlich mit zitternder Stimme, »so sterben, aneinander Brust an Brust vom Blitz getroffen zu werden, ist das nicht der einzige Preis, mit dem Gott unsere Prüfungen belohnen könnte? Zucke, du Blitz, heule, Sturm, möge sich die Erde öffnen! Wenn ich dich so durch die Ewigkeit tragen kann, will ich den Blitzstrahl, den Sturm und das Erdbeben segnen!«

Die junge Frau erhob den Kopf von der Brust ihres Gefährten.

»Sprich nicht so, Charles,« sagte sie mit dem Ausdruck herzzerreißender Angst; »Charles, du beleidigst die noch warme Asche.«

Aber Charles hörte nicht auf sie.

Er schien die Beute einer tollen Trunkenheit geworden zu sein, als wenn das Feuer dieses Sturmes in seine Adern übergegangen wäre.

Er hatte die Zügel fallen lassen, seine Sporen wühlten mit Wut in den Flanken des Pferdes und gaben dem Laufe des letzteren eine schwindelnde Schnelligkeit. Seine Arme drückten Colombe mit unbeschreiblicher Leidenschaft fest an sein Herz, und die junge Frau fühlte seine brennenden Lippen, die so heiß wie glühende Kohlen waren, auf ihrer Stirn.

In diesem Augenblicke spaltete ein Blitz die Wolken und erhellte eine Sekunde lang die Finsternis mit seinem blendenden Feuer.

Colombe stieß einen Angstschrei aus, denn als sie das bleiche Gesicht, das dicht über dem ihrigen war, als ihre Blicke diese glühenden, mit Blut unterlaufenen Augen sahen, die sich auf sie wie die eines Geiers auf einen Sperling, den er zerreißen will, hefteten, glaubte sie ein Teufelsgesicht vor sich zu sehen.

Mit übermenschlicher Anstrengung versuchte sie, sich aus Charles' Armen zu reißen und vom Pferde zu stürzen, aber es schien, als ob sie Eisenbande zurückhielten.

»Charles, Charles, Gnade, Mitleid!« stöhnte sie mit erlöschender Stimme, »im Namen deines Bruders, im Namen Gottes!«

Charles antwortete mit einer Gotteslästerung.

In demselben Augenblicke zerriß die Wolke, als ob der Blitz, den er angerufen hatte, seiner Stimme gehorsam wäre, und spie Flammen aus: ein Feuerstrahl umgab sie; zehn Schritte von dem Orte, an dem sie sich befanden, wankte ein Apfelbaum und stürzte zu Boden.

Das Pferd, toll vor Schrecken, bäumte sich und schlug rückwärts über, ehe die, welche auf ihm saßen, sich über das, was geschehen war, Rechenschaft geben konnten.

Die Heftigkeit des Sturzes hatte Colombe aus den Armen meines Ahnen gerissen.

Er erhob sich zerquetscht und verwundet, aber er dachte an Colombe und vermochte nicht das Blut zu fühlen, das an ihm herabfloß.

Er suchte sie vergeblich in seiner Nähe. Dann rief er ihren Namen.

Niemand antwortete ihm; er hörte nichts als das Geräusch des Regens, der die Erde peitschte, und den Widerhall des Hufschlags seines Pferdes, das, nachdem es wieder aufgesprungen war, nach der Stadt zu davonjagte.

Endlich gelangte er dazu, sich davon Rechenschaft geben zu können, daß neben der Stelle, an der er gestürzt, ein tiefer Graben den Weg einfaßte; er stürzte sich mehr hinab, als daß er hinunterstieg. Er fand auch sogleich den Körper Colombes, aber dieser Körper war unbeweglich und schien entseelt.

Vergebens versuchte er, sie in das Leben zurückzurufen; alle seine Bemühungen waren unnütz wie seine Gebete, seine Seufzer, sein Geschrei, wie auch sein herzzerreißender Hilferuf, den der Wind in seinem Brausen mit sich forttrug.

Er nahm hierauf Colombe in seine Arme und begann verzweifelnd querfeldein zu laufen, ohne zu wissen, welche Richtung er einschlage – so groß war die Verwirrung seines Geistes.

Als er durch eine Hecke brach, zerrissen ihm deren Zweige das Gesicht, aber in demselben Augenblicke bemerkte er ein Licht, das zwischen dem Laube eines Gartens, in den er eingedrungen war, funkelte; er fühlte nicht seine Schmerzen. Er eilte vorwärts, fand eine Tür, erschütterte sie durch einen Fußtritt, und mehr erschöpft von der schrecklichen Erregung des Abends als durch das Blut, das er verloren hatte, unter dem Gewichte seiner Last erliegend, fiel er ohnmächtig auf die Schwelle nieder. –

Es verging lange Zeit, bis ihm die Besinnung wiederkehrte.

Als er zu sich kam, wankte seine Vernunft in dem Gehirn, das ihm leer schien; vergebens suchte er sich auf das, was geschehen war, auf den Ort, wo er sich gegenwärtig befand, zu besinnen. Die Sonnenstrahlen, die durch ein ziemlich hohes, aber schmales Fenster in das Zimmer fielen, beschienen ihn hell und blendeten seine Augen, als er sie halb öffnete.

Dennoch hatte er den schönen Kopf eines jungen Mädchens mitten in den Lichtstrahlen gesehen, die ihn mit einem Heiligenscheine umgaben; sie saß in der Fensternische und schien beschäftigt, die Stengel einiger Feldblumen zu einem Bukett zusammenzubinden.

Wahrscheinlich machte er auf seinem Lager eine Bewegung, denn das schöne junge Mädchen erhob sich und trat ihm näher. Als er sie auf sich zukommen sah, fand Charles schnell den Namen und die Gedanken, die ihm verlorengegangen waren, wieder.

Dieser Name war der Colombes.

Seine Gedanken spiegelten sich in der Angst ab, mit der er ihn aussprach.

Das junge Mädchen schwieg darauf.

»Und Colombe, Colombe?« wiederholte mein Ahne, indem er die Hände gegen die Fremde ausstreckte, um sie mit dieser Bewegung, wie in seinem Herzen, um Antwort anzuflehen. Er fühlte, daß zwei heiße Tränen auf seine Hände niederfielen; er sah, wie sich die beiden schönen Augen, aus denen diese Tränen gekommen waren, auf ihn mit dem Ausdruck zärtlichen Mitleids richteten.

Darauf begann das junge Mädchen, vor einem hölzernen Christusbilde, das über dem Kamine befestigt war, niederknieend, zu beten.

Diese Tränen und das Gebet einer Fremden hatten ihre stumme und ergreifende Beredsamkeit; mein Ahne begriff, daß Colombe tot sei, seine Kräfte verließen ihn, und von der Unermeßlichkeit seines Schmerzes vernichtet, verlor er zum zweiten Male das Bewußtsein.

Ein heftiges Fieber bemächtigte sich seiner. Er hatte heftige Anfälle von Raserei.

Dann sank er in eine Art Erstarrung, die mehrere Tage anhielt.

In der ersten Periode dieses Zustandes glaubte er mehr als einmal die anmutige Figur des jungen Mädchens zu sehen, die sich über sein Bett beugte und den Kranken angstvoll betrachtete.

Als er aber erst seine ganze Besinnung wiederhatte, war sie es immer, die seine Blicke suchten, wenn er erwachte, er fand sie dann aber niemals bei sich. Eine alte gute Frau hatte die Stelle seiner reizenden Krankenwärterin ersetzt.

Hin und wider sah er auch seinem Bette einen Mann sich nähern, dessen Gesicht ihn eigentümlich betroffen machte, denn es schien ihm, daß er diesem Manne nicht zum ersten Male begegne.

Eines Abends, als Charles eben erwacht war, trat sein Wirt in das Zimmer, ergriff seinen Arm und zählte aufmerksam die Pulsschläge; dann sagte er: »Mit Freuden kann ich bestätigen, daß der Tod Sie dieses Mal nicht gewollt hat, Herr von Longval.«

Bei dem Tone dieser Stimme waren die Erinnerungen meines Ahnen bestimmt geworden; er hatte den Fremden wiedererkannt, den der Chevalier von Blignac zum Abendessen im »Klaren Anker« eingeladen, denselben, der ihm so eigentümliche Worte gesagt hatte.

Er setzte sich in seinem Bette auf, schüttelte herzlich die Hand, welche die seinige hielt, und sagte mit traurigem Lächeln:

»Mein Herr, wenn Sie ein ebenso sicherer Prophet sind, wie Sie sich als guter Arzt gezeigt haben, so hätten Sie vielleicht ruhig den Tod sein Geschäft an mir verrichten lassen sollen.«

Dann fügte er in traurigem Tone hinzu:

»Wollen Sie mich wohl an die Stelle führen, wo sie ruht?«

Der Herr des Hauses war weit davon entfernt, Charles' Bewegung zu teilen; sein mürrisches Gesicht drückte mehr schlechte Laune als Mitgefühl aus.

»Herr von Longval,« sagte er, »Sie scheinen mir von Ihrem Zufalle und Ihrer Krankheit weit genug wieder hergestellt, daß eine Reise von einer Stunde keine bösen Folgen mehr für Sie haben kann. Ein Mann von mir führt in dieser Nacht einen Karren nach Dieppe; er wird Sie ohne Anstrengung nach Hause bringen, und der Wächter des Kirchhofes wird Ihnen den Dienst erweisen, den Sie von mir verlangen.«

Obwohl mein Ahne die sonderbaren Formen dieses Mannes schon kannte, war er über diese Roheit erstaunt, die sich so schlecht mit der ihm erwiesenen Sorgfalt vertrug.

»Sei es so,« sagte er. »Ehe wir uns aber trennen, mein Herr, werden Sie mir wenigstens sagen, wie man Sie nennt.«

»Beten Sie für die, welche leiden, Herr von Longval, und Sie werden auch für mich gebetet haben. Meinen Namen zu kennen, würde Ihnen nicht von Nutzen sein, und wenn Sie mir wirklich einigen Dank für die Gastfreundschaft, die ich Ihnen zuteil werden ließ, schuldig zu sein glauben, so beweisen Sie ihn dadurch, daß Sie nicht mehr in mich dringen.«

»Dürfte ich nicht wenigstens ihr Lebewohl sagen, die –«

Der Mann unterbrach ihn rauh, indem er in finsterem Tone rief:

»Reisen Sie ab! Wir sind uns schon zweimal in der Welt begegnet, Herr von Longval; Gott gebe, daß es das letztemal gewesen sei!«

Dann half er meinem Ahnen, sich anzukleiden; dieser fand auf dem Hofe einen kurzen Karren, vor den ein Pferd gespannt war, und neben diesem Karren eine Art von Bauer von riesenhafter Gestalt, der ihn zu erwarten schien.

Er wandte sich um, seinem Wirte zum letzten Male zu danken, aber dieser war schon in das Haus getreten und hatte die Tür hinter sich zugeschlossen.

In diesem Augenblick, als der Karrenführer, der eine große Ungeduld, abzufahren, an den Tag legte, dem Offizier behilflich war, in den Karren zu steigen, glaubte dieser zu bemerken, daß der Vorhang des einzigen Fensters der oberen Etage, das erleuchtet war, sich bewege und daß die reizende Figur des jungen Mädchens, das er am Morgen gesehen hatte, hinter den Vorhängen verschwinde.

Der schwere Karren rüttelte und setzte sich in Gang.

Umsonst versuchte er den Karrenführer zum Sprechen zu bringen; dieser schien entschlossen, genau der Weisung, stumm zu bleiben, die er wahrscheinlich erhalten hatte, Folge zu leisten. Alles, was er erfahren konnte, war, daß das Haus, in dem er eine so großmütige Gastfreundschaft gefunden hatte, sich das »verwünschte Gehöft« nannte.

Als er in sein einsames kleines Zimmer zurückgekehrt war, bemerkte Charles mit Schrecken, daß ihm das Andenken an das schöne junge Mädchen von dem »verwünschten Gehöft« dahin gefolgt war und daß er nicht mehr den Schatten der Toten vor sich beschwören könne, ohne daß ein anderes Bild sich zwischen diesen Schatten und ihn stellte.

 

Von diesem Augenblick seines Lebens an beginnt mein Ahne seine eigene Erzählung.

Manuskript Charles Sansons

Gott in seiner unendlichen Barmherzigkeit maß unsere Schultern nach dem Kreuze, das er uns zum Tragen auflud.

Ein großer Kummer trübte mein jugendliches Alter, aber statt ihn zu bekämpfen und durch vernünftige Überlegung, Kasteiungen und Gebet zu besiegen, gefiel ich mir so darin, ihn zu unterhalten, daß man mir eher das Leben als meine törichte Liebe hätte nehmen können und daß diese Knechtschaft meinen Geist vorbereitete, allen den heftigen Entschlüssen zu folgen, die meinem Herzen gefallen würden, ihm aufzuerlegen.

Im Jahre 1662 war ich Leutnant im Regiments des Herrn Marquis von La Boissière, das, nachdem es im Jahre 1658 unter dem Herrn Vicomte Turenne die Kampagne mitgemacht hatte, in der man Bergen und Gravelingen nahm, nach der Stadt Dieppe in Garnison gelegt war.

In diesem Jahre 1662 starb mein älterer Bruder, der Rat, in der Stadt Abbeville, wo er wohnte, und dies war für mich eine große Trauer und Schmerz, um so mehr, als Colombe Brossier de Limeux, seine Witwe, einige Tage später auf sehr grausame Weise diese Welt verlassen mußte.

Infolge eines Sturzes mit meinem Pferde, der mein Leben in große Gefahr gebracht hatte, wurde ich nach dem Hause eines armen Mannes getragen, der dieses Haus innehatte, das man das »verwünschte Gehöft« nennt und das außerhalb der Mauern der Stadt Dieppe in der Nähe des Kirchhofes an dem Wege nach Neufchâtel liegt, an einer Stelle, wo es keine anderen Häuser gibt.

Dieser Mann handelte an mir wie der barmherzige Samariter; er wusch und verband meine Wunden und entließ mich nicht eher, als bis ich geheilt war. Ich nahm aber aus seinem Hause ein anderes, viel schlimmeres Übel als das, welches er geheilt hatte, mit: ich verließ sein Haus, verliebt in ein Mädchen namens Margarita, das sein einziges Kind war.

Anfangs wollte ich nicht daran denken.

Der grausame Verlust, den ich in den Personen meines vielgeliebten Bruders und meiner teuren Schwägerin erlitten hatte, erfüllte mein Herz mit Trauer, und ich beschloß, sie mein ganzes Leben lang zu beweinen.

Aber die Entschlüsse der Menschen sind nur Chimären, und wider meinen Willen sah ich während des Tages und während der Nacht das Bild derer, an die zu denken ich mir als ein Verbrechen vorwarf.

Um diese Zeit war ein Cousin von mir, der Paul Bertaut hieß, in Handelsgeschäften nach Dieppe gekommen, da er zu denen gehörte, die Neu-Frankreich in Indien besaßen, bevor unser König und Herr es aus ihren Händen kaufte.

Obgleich ich damals schon meinesgleichen infolge des mir widerfahrenen Mißgeschicks und Elends haßte und die Einsamkeit ihrer Gesellschaft vorzog, liebte ich Paul Bertaut, den ich kennengelernt hatte, als ich auf den Schiffen des Königs vor Quebeck lag, doch sehr.

Paul kannte nicht die wahre Ursache meiner bösen Stimmung und Melancholie, dennoch gab er sich alle Mühe, mich zu zerstreuen und mir Vergnügen, sowohl durch seine eigene Gesellschaft als durch die eines Herrn Valvins von Blignac, zu verschaffen, der wie ich eine Leutnantsstelle in dem Regimente des Herrn Marquis de la Boissière innehatte und ein tapferer und sehr lustiger Kamerad war.

An einem Herbsttage, als wir alle drei am Ufer des Meeres im Hause Isaak Crocheteus speisten, erklärte mein Cousin Paul im Tone eines Aufschneiders, daß er vor Ablauf des Monats das schönste Mädchen, das in der Stadt Dieppe und ihren Vorstädten sei, zu seiner Geliebten gemacht haben wollte.

Der Herr von Blignac, der seiner Natur nach auch ein großer Schmeichler und voller Lobeserhebungen für den war, der sich gern von ihm betrügen ließ und seine Schmausereien bezahlte, bestätigte diese Versicherung, als ob er die Dirne kenne.

Ich fühlte mich sehr erregt, und mein Herz begann lauter zu schlagen, denn ich hatte schon bemerkt, daß mein Cousin seit einigen Tagen die wilde Feldblume, die sich so nennt,Gänseblume (franz. Marguerite), große Wucherblume (Chrysanthemum Laucanthemum). wie diejenige heißt, an die ich immer dachte, im Knopfloche trug, und ich hatte mir bereits eingebildet, es geschehe ihr zu Ehren.

Als ob ich einem allmächtigeren Willen, als es der meinige war, hätte nachgeben müssen, erhob ich mich von der Tafel und verließ unter dem Vorwande, daß ich nach dem Schlosse gehen müsse, meine Gefährten. Ich machte einen Umweg, ging durch die Vorstadt Pollet und kam auf dem Fußsteige von Braacquemont nach dem verwünschten Gehöfte an der Straße von Neufchâtel, die ich bisher nicht mehr betreten, weil sie mir schon so viel Unglück gebracht hatte.

Als ich zwischen die Apfelbäume des Gartens hindurch das Häuschen Margaritas erblickte, kam mir den Gedanke, wieder nach Hause zu gehen; aber ich konnte mir noch so viel vorpredigen, ich ging doch in der Richtung auf das Häuschen zu.

Ich hatte ihren alten Vater nur zweimal gesehen. Bei dem zweiten Male, nachdem er mich wieder hergestellt, hatte er mir mit allen Arten von wilden Drohungen verboten, sein Haus wieder zu betreten, was ich seinem Ärger darüber, daß ich seine Tochter freundlich angeblickt hatte, zuschrieb.

Ich ging deshalb nicht auf die Tür zu, denn ich fürchtete, daß er bei seiner mir bekannten Gemütsart die Unschuldige strafen könne; ich ging um den Garten herum, den nur eine Hecke von wilden Rosen einfaßte, und da ich bemerkte, daß Margarita dort spazierenging, nahm ich diesen Vorteil wahr, den mir ein so entlegener Ort wie dieser Garten darbot, sprang schnell über die Hecke und eilte zu ihr.

Die Lügen sind kein großer Fehler für den, der mehr oder weniger liebt, und man kann sogar von ihnen sagen, daß sie zur Liebe gehören. Ich erzählte dem jungen Mädchen, daß ich, weil ich ihrem Vater nicht hätte danken dürfen, ihr diesen Dank für ihre Sorgfalt und milde Pflege hatte aussprechen wollen. Dann gestand ich ihr ohne jede weitere Einleitung und als wenn ich mich nicht genug damit hätte beeilen können – so sehr trieb mich die Furcht, daß mir irgendein anderer zuvorkommen könne – meine Liebe.

Das junge Mädchen errötete, aber sie war nicht erzürnt; indessen sah ich wohl, daß ihre Augen sich mit Tränen füllten, und als ich sie fragte, warum sie weine, antwortete sie mir, daß ich sie nicht lieben dürfe, daß eine solche Bekanntschaft großes Unglück über mein Haupt bringen werde; dann gebot sie mir und bat mich, so schnell als möglich zu gehen, da jeden Augenblick ihr Vater in den Garten kommen könne.

Ich blieb nur eine kurze Zeit bei ihr, wiederholte ihr, was ich ihr schon gesagt hatte, und kehrte dann ganz aufgeregt nach der Stadt zurück.

Aber am nächsten Tage kehrte ich wieder nach dem »verwünschten Gehöfte« zurück, und ich kam auch die folgenden Tage dahin.

Hin und wieder sah ich sie nicht, zu anderen Malen sah ich ihren Vater, wie er mit ihr im Garten spazierenging; wieder ein anderes Mal war es der Knecht, der arbeitete, oder die Magd pflückte Gemüse; ich war dadurch gezwungen, mich versteckt zu halten und mich damit zu begnügen, daß ich die von fern beobachten konnte, die zu sehen ich nie müde wurde. Von Zeit zu Zeit war sie aber auch allein, und so kurz auch unsere Unterhaltung dann war, sie reichte hin, mich in meinem Fieber noch mehr zu bestärken.

Als ich eines Abends mit dem Herrn Balvins von Blignac, der vom Trinken sehr erhitzt und ganz freundlich war, bei Tische saß, antwortete er mir, als ich mich über ihn lustig machte und scherzend von der schönen Freundin Pauls und dem schändlichen Handwerke sprach, das er, wenn dies wahr wäre, bei dieser Gelegenheit getrieben hätte, mit Augenblinzeln, daß nichts wahrhafter sei und daß, dank seinen guten Diensten, mein Cousin zur Stunde, die wir gerade hatten, das Wohlwollen des schönsten Mädchens, dem man je begegnen könne, genieße.

Da mir in der Welt niemand reizender erschien als Margarita, wurde ich von neuem unruhig. Ich quälte ihn mit meinen Fragen; er hielt mich ein wenig hin; da man aber zu den schlechten Eigenschaften des genannten Herrn von Blignac auch die zufügen konnte, daß er der größte Schwätzer von der Welt war, so löste sich bald seine Zunge. Er erzählte mir, daß, da das junge Mädchen sich unzugänglich gezeigt und weder für Gold noch Liebe etwas bewilligt habe, Paul Bertaut seinem Rate zufolge bei dem Apotheker der Stadt eine Arznei, die einschläfere, gekauft und sie dem Knecht, den er bestochen, zugesteckt habe. Der Knecht sollte sie denselben Abend zwischen seine Herrin und die Magd teilen. Er fügte noch hinzu, daß der Vater und der Knecht in dieser Nacht abwesend sein sollten, und da das Haus ganz einsam liege, so würde das Mädchen gewiß meinem Cousin überlassen sein.

Ich war sprachlos und sah nichts mehr; ich erhob mich zugleich so ungestüm, daß ich mit meinem Schemel den Tisch und die Gläser umwarf. Mein Degen und meine Kopfbedeckung lagen auf einer Bank; ich ergriff nur den Degen, und ihn aus der Scheide ziehend, lief ich wie ein Unsinniger durch die Stadt.

In dem Augenblicke, als ich mich dem Hause näherte, bemerkte ich den Schatten eines Mannes, der sich längs der Mauer hinschlich. Ich rief: »Hollah!« Der Mann ergriff die Flucht, aber nicht so schnell, daß ich ihn nicht bald eingeholt und erkannt hätte, daß Herr von Blignac mich keineswegs belogen habe und daß der, welcher den Plan gehabt, so feige das schlafende Mädchen zu überfallen, mein Cousin sei.

Ich zog ihn weiter mit mir fort, und ganz erregt von Zorn und Schmerz, warf ich ihm bitter seine unehrenhafte und ungerechte Aufführung vor, indem ich ihm vorstellte, welch großes Verbrechen es sei, ein Mädchen zu verderben, das um so achtungswerter, als sie arm und von niedrigem Stande sei, und daß er ihr alles nähme, wenn er ihr die Tugend raubte.

Mein Cousin senkte den Kopf und erwiderte, ganz beschämt, kein Wort. Wäre ich mit ihm allein geblieben, so hätte ich ihn ohne Zweifel zur Reue zurückgeführt, denn seine Laster waren nur Laster der Jugend und schlechter Bekanntschaften; die Ankunft des Herrn Balvins von Blignac verdarb aber alles.

Ich änderte den Ton, wandte mich an ihn und drückte ihm sehr unwillig aus, was ich von der Rolle dachte, die er in dieser Sache gespielt hatte. Ich sagte ihm noch, daß er seit den sechs Monaten, während deren Herr Bertaut in der Stadt sei, sich alle Mühe gegeben habe, ihn in Ungelegenheiten zu bringen, indem er ihn zum Spiel, Trinken, Ausschweifungen und allen Arten von Schändlichkeiten verleitete.

Herr von Blignac antwortete dadurch, daß er meinen Cousin verspottete, solche Ermahnungen zu dulden, indem er nach seiner Gewohnheit scherzte und schwur, daß, wenn ich mich erzürnt habe, dies der Fall sei, weil ich selbst Absichten auf die Schöne habe, daß ich ihm Rechenschaft für die Worte, die auf seine Rechnung kämen, geben müsse, oder daß er sie mir wieder in die Kehle zurücktreiben werde, und hierauf zog er seinen Degen und griff mich an, wobei er meinem Cousin zurief, er solle mich seinerseits auch angreifen, und das junge Mädchen werde dann dem Sieger als Beute verbleiben.

Mochte die Liebe ihm den Kopf verdreht haben, oder fühlte er sich durch die Spöttereien und Possen des Herrn von Blignac aufgereizt, Paul Bertaut schämte sich nicht, den Degen gegen seinen Verwandten und Freund zu ziehen und mich zu derselben Zeit anzufallen, in der Blignac auf mich eindrang.

Ich verteidigte mich nach besten Kräften, indem ich mich zurückzog, um an den Bäumen Deckung zu finden; als aber Herr von Blignac einen Stoß nach mir geführt hatte, verwundete ich ihn durch einen guten Degenstich so schwer an der Handwurzel, daß seine Waffe auf die Erde fiel, wo ich mit dem Fuß darauf trat, mich ihrer bemächtigte und sie weit fortwarf.

Herr Paul Bertaut trug seinerseits eine Schmarre im Gesicht davon und ich einen ganz unbedeutenden Stich in die Schulter.

Nun ließen die beiden Kameraden von mir ab und flohen fluchend und mir zurufend, daß morgen Tag sein würde und daß wir dann miteinander weiterfechten könnten, ohne Gefahr zu laufen, uns gegenseitig die Augen auszustechen.

Als ich sah, daß sie fort waren, entschloß ich mich nichtsdestoweniger, die ganze Nacht dazubleiben – so sehr fürchtete ich diesen Herrn von Blignac, einen genug verräterischen und schlimmen Menschen, um Paul Vertaut überreden zu können, daß er meine Entfernung benutze, um sich zu rächen.

Als ich um Mitternacht noch immer nichts sich im Hause regen hörte, und zwar trotz des Lärmes, den wir gemacht hatten, begann ich zu fürchten, daß jener verdammte Schlaftrunk sowohl das junge Mädchen als die Magd getötet haben könne, und das war es, was mich verderben sollte. Der Spitzbube von Knecht hatte, seiner Verabredung mit Paul Vertaut gemäß, die Tür halboffen gelassen; ich trat in das Haus und stieg die Treppe hinan, die zu der Kammer des armen Kindes führte.

Hier – ich gestehe es mit großer Beschämung und Reue – verlor ich allen Nutzen von den weisen Ratschlagen und Lehren, die ich Paul Bertaut vorgepredigt hatte. Als ich das junge Mädchen, in das ich verliebt war, so schön und fest schlafend auf ihrem Lager sah, ging meine Tugend dahin wie Rauch, den der geringste Wind fortweht, und ich zeigte mich nicht zurückhaltender und klüger, als Paul es gewesen wäre; ich fürchtete mich nicht, ein Verbrechen zu begehen, das ich ihm gegenüber so scharf getadelt hatte.

Als ich am anderen Morgen in meiner Wohnung war, kam der Bediente Paul Bertauts zu mir und brachte mir die Nachricht, daß sein Herr mich auf dem Platze Puits-Sale erwarte.

In dem Glauben, daß er mich fordern wolle, nahm ich meinen Degen und folgte dem Bedienten.

Auf dem genannten Platze fand ein großer Zusammenlauf von Menschen statt, und ich war sehr erstaunt, daß Paul Bertaut gerade diesen Ort gewählt hatte, um uns zu unterhalten oder einander zu töten, wie ich es auch schon über die Art gewesen war, in der er mir seine Forderung zugeschickt hatte.

Aber Paul Bertaut zeigte, als ich ihm begegnete, weder Zorn noch Groll über das, was sich in der Nacht zugetragen hatte. Weit davon entfernt, reichte er mir die Hand, die ich nicht annahm, da ich mich noch recht gut erinnerte, daß er sich mit dem Herrn von Blignac gegen mich verbunden hatte.

Er zeigte mir ein Schafott, das in der Mitte des Platzes vollständig hergerichtet war, und lud mich ein, es von dieser Seite zu betrachten. Ich tat es und erkannte in einem Manne, der gerade einige Knaben an den Schandpfahl befestigte, meinen Wirt aus dem Hause in dem »verwünschten Gehöft« und den Vater meiner Geliebten. Dabei sagte mir Paul Bertaut, daß, nachdem er erfahren habe, daß seine Schöne die Tochter Meister Pierre Jouannes, des Scharfrichters der Stadt Rouen und der Grafschaft Dieppe, sei, er mir dafür danke, daß ich sie für mich genommen habe, denn er wolle in keine Beziehung mit dem Geschlechte des Henkers treten.

Jetzt war die Reihe an mir, auf ihn loszugehen, aber es war eine solche Menschenmenge um uns, daß wir fast sofort getrennt wurden, und ich kehrte sehr betrübt und auf grausame Weise gebeugt in meine Wohnung zurück.

Als die Stunde kam, in der ich nach dem Schlosse gehen mußte, verließ ich meine Wohnung, ohne irgendeinen Entschluß gefaßt zu haben, weder für noch wider.

Unterwegs hielt ich mich schon für überzeugt, daß meine Bekannten sich von mir abwenden würden, und im Schlosse sah ich sehr bald, daß diese Herren vom Regimente des Herrn de la Boissière mich an diesem Tage viel kälter empfingen, als sie es sonst zu tun pflegten.

Da ich niemals eine besondere Freundschaft mit jemandem unterhalten hatte, machte ich mir darüber keine große Sorge, und als die Exerzitien vorüber waren, ging ich, in meine Gedanken versunken, fort.

Ich wählte meinen Weg nicht, indessen hatte mich die Allmacht der Gewohnheit den gefühlt, den ich alle Tage einschlug, und ehe ich mich dessen versah, befand ich mich wieder dem »verwünschten Gehöfte« gegenüber.

Margarita stand in der Tür; sie hatte mich gesehen, und selbst wenn ich hätte umkehren wollen, wie ich es nicht tat, so würde ich es aus Höflichkeitsrücksicht nicht gekonnt haben. Ich ging also zu ihr und fand sie so bleich und entstellt, daß die Gewissensbisse, die mich schon quälten, sich in grausame Angst verwandelten. Da Meister Pierre Jouanne, ihr Vater, noch nicht mit seinem Geschäfte in der Stadt fertig war, ging ich mit ihr im Garten umher; ich wagte kaum, mit ihr zu sprechen, war aber so glücklich, bei ihr zu sein, daß ich, als ich Abschied genommen hatte, mir gestehen mußte, es würde einfältig von mir sein, wenn ich, der eine so reizende Freundin besaß, sie aus eiteln Skrupeln verließe, und daß, wenn auch Meister Jouanne, der Vater, räderte und würgte, doch nicht ein Tropfen Blut an den Händen klebte, die sie mir zu küssen erlaubte.

Und in der Tat kehrte ich am nächsten und an den folgenden Tagen wieder, und an allen diesen Tagen – und zwar noch mehr als früher– erlaubte sie mir keine Vertraulichkeiten, und ich wagte nicht, mich darauf zu berufen, was ich ihr wie ein Dieb gestohlen hatte. Meine Freundschaft für sie, wenngleich sie auch die Tochter des Henkers war, wurde immer größer, ich liebte sie nicht weniger, als wäre sie die Tochter eines Königs gewesen, und mochte nicht an den Beruf und das Handwerk ihres Vaters denken.

Inzwischen war Herr Valvins von Blignac wieder hergestellt und von seinem Degenstiche geheilt, und nun begann er gegen mich durch alle Arten von Schändlichkeiten und Lügen so gut zu intrigieren, daß, als ich eines Tages zu den Exerzitien gegangen war, die Herren taten, als ob sie mich gar nicht sähen, und nicht einmal den Hut vor mir zogen.

Sehr erzürnt kehrte ich nach meiner Wohnung zurück, wo mein Diener mich von dem Anteil in Kenntnis setzte, den Herr Valvins von Blignac an meinen Widerwärtigkeiten hatte, denn es war von nichts anderem im Regiments die Rede, nur ich allein wußte es nicht, da ich ein so einsames und zurückgezogenes Leben führte. Da ich Herrn Valvins von Blignac sofort fordern wollte, ging ich aus, um mir einen Sekundanten zu suchen.

Aber alle, an die ich mich wandte, antworteten mir rund heraus mit »Nein«, ohne mir gute oder schlechte Gründe für ihre Weigerung angeben zu wollen, selbst bis zu den einfachen Kornetts herab, die sich nicht einmal die Mühe gaben, das Mißbehagen, das ihnen ein solcher Vorschlag verursachte, zu verheimlichen.

Ich dachte, es würde das beste sein, zu dem selbst zu gehen, der der Urheber dieser Bewegung war, und von ihm Genugtuung für die von ihm verbreiteten Lügen zu fordern; ich machte mich also auf den Weg, um irgendeinen Edelmann aus der Stadt um seine Unterstützung zu bitten, als gerade mein Diener kam, um mich im Auftrage des Herrn Marquis de la Boissière, der mich sofort zu sprechen verlangte, zu suchen.

Ich begab mich in seine Wohnung, wo ich den genannten Herrn Marquis in heftiger Aufregung und großem Zorne fand. Mit gewaltigen Flüchen schrie er mich an, daß ich, nicht damit zufrieden, die Befehle und Warnungen unseres Herrn und Königs in bezug auf das Duell bereits überschritten zu haben und abermals überschreiten zu wollen, durch meine schmutzige Liebschaft mit der Tochter des Henkers das Regiment entehre, und dann belegte er, ohne mir Zeit zu lassen, nur ein einziges Wort erwidern zu können, den Namen des armen Mädchens mit den gehässigsten Beiwörtern, indem er Worte gebrauchte, die ich aus Achtung für ihr Andenken nicht zu wiederholen wage.

Als ich dies hörte, erhitzte sich mein leicht erregbares Temperament, und ich brauste so heftig gegen den auf, dem ich große Ehrfurcht für sein Alter und seine Stellung schuldig war, daß der Herr Marquis de la Boissière mich aufforderte, sein Zimmer zu verlassen und im Schlosse in Arrest zu gehen, bis er über mein Benehmen an den König berichtet habe.

Ich war nicht mehr Herr meiner selbst, zog meinen Degen und zerbrach ihn über meinem Knie, indem ich dem Marquis sagte, er könne sich das Schreiben an den König, um mir meine Leutnantsstelle zu nehmen, ersparen, denn sobald ich zu Hause wäre, würde ich das Patent mit meinen eigenen Händen zerreißen, wie ich mit meinen Händen diesen Degen zerbrochen hätte.

Ich ging nun, hielt mich aber nicht in meinem Quartiere auf, da ich fürchtete, daselbst durch die Leute des Herrn Marquis de la Boissière verhaftet zu werden. Ich steckte einiges Geld, das ich noch besaß, zu mir, sattelte mein Pferd und verließ, sobald ich im Sattel saß, die Stadt in großer Eile.

Ich hatte bereits beschlossen, zu Lande die Nordküste zu gewinnen und mich in irgendeinem Hafen nach Westindien einzuschiffen, woselbst ich wieder in meinen alten Stand als Seemann treten wollte. Indessen wollte ich nicht eine so große Reise antreten, ohne meiner Freundin Lebewohl gesagt zu haben. Ich hegte die Hoffnung, sie bestimmen zu können, daß sie mein Schicksal in einem Lande teile, wo niemand das Handwerk ihres Vaters kennen werde. Um sie zu diesem Entschlusse, mich zu begleiten, zu bringen, wollte ich ihr gestehen, wie ich ohne ihr Wissen durch eine verbrecherische Handlung mich bereits zu ihrem Herrn gemacht habe.

Dicht außerhalb der Mauern wandte ich mich rechts nach dem »verwünschten Gehöft«. Ich war ganz überrascht, die Fenster des Saales verschlossen zu sehen, denn es war noch nicht spät. Erst als ich ganz nahe war, bemerkte ich Lichtstrahlen, die durch die Risse einer Tür drangen, welche zu einem an das Haus stoßenden Schuppen führte, und gleichzeitig glaubte ich ein Stöhnen zu vernehmen, das aus diesem Schuppen kam.

Obgleich ich nicht leicht zu erschrecken pflege, erinnere ich mich doch noch, daß ich zitterte und schauderte wie ein Laub im Winde. Ich hatte mein Pferd an einen Baumstamm gebunden; ich selbst stellte mich an die bezeichnete Tür, legte mein Auge an die breiteste Spalte, und bei dem, was ich erblickte, sträubten sich mir die Haare auf dem Kopfe.

Margarita, meine geliebte Margarita lag auf dem Lederbette ausgestreckt, das dazu dient, die peinliche Frage zu stellen; ihr Henker von Vater, der eher einem Tiger als einem Menschen glich, hatte ihr den spanischen Stiefel angelegt.Der spanische Stiefel sollte das Bein des zu Befragenden zwischen vier eichenen Brettern zusammenpressen. Diese Bretter waren durchlöchert und durch die Löcher zog man Schnüre, um das Bein fester zu pressen. Der Henker trieb nun mit einem hölzernen Schlägel Stückchen Holz (Keile) zwischen jene Bretter, so daß er die Glieder beinahe zerbrach. Mit seiner eigenen Vaterhand trieb er vermittelst eines hölzernen Schlägels den Keil ein, der ganz vom Blute seines Kindes gerötet war, und bei jedem Schlage sagte er in wütendem Zorne zu ihr: »Gestehe, gestehe!« – und die Arme rief, sich in Tränen und mit Angstgeschrei zurückwerfend, alle Heiligen des Paradieses und Gott zum Zeugen ihrer Unschuld an.

Ich sah dieser Grausamkeit kaum eine halbe Minute zu, denn ich hatte schon einen Balken aufgerafft, der am Boden lag, und mit einem einzigen Stoße, denn Gott hatte mir eine Kraft verliehen, die ich nie an mir gekannt hatte, zertrümmerte ich die Tür, wie es eine Artilleriepetarde getan haben würde.

Als Meister Jouanne mich erkannte, warf er den hölzernen Hammer von sich, und nachdem er das große Schwert gezogen hatte, das ihm dazu diente, die Edelleute zu enthaupten, bedrohte er mich nicht etwa, sondern schwang es um den Kopf seiner Tochter und tat einen schrecklichen Schwur, daß, wenn ich nur Miene mache, ihr zu helfen, er sofort dieses Haupt von dem Halse, der es trug, abschlagen werde.

Ich fiel schreiend und stöhnend auf die Knie, wie gleichzeitig die arme Margarita schrie und stöhnte. Meister Jouanne fragte mich nun, weshalb ich zu ihm käme und ob ich ihm den Namen des Verführers brächte, den er vergeblich von seiner Tochter durch die Tortur zu erzwingen versucht habe. Da gestand ich ihm meinen Fehler und bewies ihm, daß ich allein der Schuldige sei, nicht sein heiliges, tugendhaftes Kind.

Als der wilde und so grausame Meister Jouanne dies gehört hatte, warf er sich vor dem Torturbette, in Tränen ausbrechend, nieder; er nahm den spanischen Stiefel vom Beine seiner Tochter ab und, dieses ganz blaue und zerquetschte Bein zärtlich in seine Hände nehmend, küßte er die Wunden und verband die zerrissenen Stellen, wobei er sie mit so schmerzlicher Bewegung um Verzeihung anflehte, daß seine Verzweiflung einem Felsen Tränen hätte entlocken können. Dann klagte er laut über das schändliche Benehmen elender Menschen auf dieser Welt und sagte, Gott hätte alle armen Mädchen häßlich und abschreckend erschaffen sollen, weil Tugend und Keuschheit sie nicht vor den Begierden der Edlen und Mächtigen schützten.

Ich trat näher und teilte ihm meinen Plan mit, mein Vaterland zu verlassen; ich erklärte ihm, daß ich Margarita gern als meine Gattin mit mir nehmen wolle.

Meister Jouanne zeigte sich bewegter, als ich ihn je gesehen hatte, aber er blieb fest, und sich zu seiner Tochter wendend, sagte er, daß sie die Antwort zu erteilen habe. Sofort ergriff das junge Mädchen seine Hände, die sie so hart angegriffen und mit Blut bedeckt hatten, küßte sie und erwiderte, daß sie ihren Vater, der nur sie allein als Trost und Stütze in seinem einsamen Leben habe, nicht verlassen wolle, wenn ich ihr auch den Thron Indiens, wohin ich sie führen wolle, anbieten könnte.

Meister Jouanne umarmte seine Tochter sehr innig und zeigte mir die Tür, wobei er rief, er sei Henker, aber nicht Mörder, er wolle mich an diesem Tage nicht töten, aber ich möge mich hüten, in der Stadt oder Umgegend wieder zu erscheinen, wenn mir mein Leben lieb sei.

So ging ich denn gesenkten Kopfes und mit zerrissenem Herzen; als mein Fuß die Schwelle der Tür berührte, hörte ich hinter mir lautes Schluchzen, und als ich mich umdrehte, sah ich Margarita ohnmächtig in den Armen ihres Vaters.

Ich eilte zu ihr. Meister Jouanne stieß mich sehr roh zurück. Als ich nun an der Verzweiflung des Mädchens sah, daß ihre Seele ebenso bekümmert über diese Trennung war wie die meinige, und als ich erkannte, daß sie mich ebenso liebte wie ich sie, konnte mich nichts mehr bestimmen, fortzugehen. Ich bat daher den Vater, mir Margarita zur Frau zu geben, und sagte, daß wir alle drei in irgendeine ferne Gegend, wo wir unbekannt leben könnten, ziehen wollten.

Aber dieser Vorschlag sagte ihm ebensowenig zu wie die früheren. Er antwortete mir, daß dieser späte Wechsel seines Handwerks seinen Schwiegersohn nicht abhalten werde, ihn zu verachten und diese Verachtung auch auf sein Kind zu übertragen, daß dieses, da es zu seinen Gunsten auf den eigenen freien Willen verzichtet habe, nur dann mein werden könne, wenn meine Liebe stark genug wäre, dem Hasse und dem Schimpfe zu trotzen, die ihrer beider Erbteil sei. Wenn ich ohne Scham die Tochter des Henkers verführt habe, könne ich meinen Fehler nur dadurch wieder gutmachen, daß ich selbst Henker werde wie er. –

Hier endigt das Manuskript meines Ahnen.

Er gibt ebensowenig den Schluß seiner Geschichte, als er uns über die Vorfälle seines Lebens, die vorausgegangen waren, Bericht erstattet.

Colombe und Margarita hatten wahrscheinlich seinem Herzen zwei Wunden geschlagen, die ohne Aufhören bluteten und an die er nur mit Schmerz und Widerstreben rührte.

Die Folgen dieser beiden bis zum Wahnsinn getriebenen Leidenschaften waren ungleich, aber beide traurig.

Er heiratete Margarita Jouanne.

Ich finde in dem Protokoll einer zu Rouen vollzogenen Hinrichtung den Beweis, daß der wilde Meister Jouanne von seinem Schwiegersohne verlangte, daß er die Bedingungen ihres Handels rücksichtslos erfülle.

Dieses Protokoll sagt:

»Da Meister Pierre Jouanne, der Scharfrichter, dem genannten Martin Eslau die Glieder zu zerbrechen hatte, zwang er seinen neuerdings verheirateten Schwiegersohn, einen Schlag mit der Eisenbarre auf den Delinquenten zu führen, wobei genannter Schwiegersohn in Ohnmacht fiel und von der Volksmenge mit Spottgelächter begrüßt wurde.«

Dieses Glück, das Charles Sanson so teuer erkauft hatte, sollte wie ein Traum vorübergehen. Margarita verließ ihn bald, um in eine bessere Welt zu gehen, nachdem sie ihm einen Sohn geschenkt hatte. Sie starb an der Krankheit, die man die Auszehrung nennt und deren Sitz mehr in der Seele als im Körper liegt.


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