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Das liebe Geld

Es war das bittere Schicksal Maximilians, daß er sich beständig in Geldverlegenheit befand. Wie es phantasievollen, großzügigen und lebhaften Menschen oft ergeht, so erging es auch ihm: er wußte den Wert des Geldes nicht zu schätzen, er hatte in allen Angelegenheiten, die das Geld betrafen, gar kein Maß und gar keinen praktischen Sinn. Es ist ihm zwar viele Male begegnet, daß er dem Gelde auf eine recht unkönigliche Weise nachlaufen mußte, weil er sich eben nicht anders helfen konnte. Deswegen aber achtete er es doch gering und liebte es nicht. Ihm war das Geld nur ein Mittel, um seine Pläne auszuführen. Kriegszüge, Eroberungen, Heiraten, Verträge, Truppenwerbungen, Kanonengießereien, das kostete Geld. Maximilian jedoch, der imstande war, weitausgreifende Pläne zu ersinnen und durchzuarbeiten, vermochte es niemals so recht, sogleich auch im voraus zu berechnen, was ihn die Ausführung solch eines Unternehmens wohl kosten werde. Im Gegenteil. Sein lebhafter, heiterer Geist, der sich selbst so gern in Hoffnungen wiegte, sah jedesmal nur die goldenen Berge, die ihm ein neuer Plan als Gewinn verhieß. Und es begab sich dann beinahe regelmäßig, daß er mitten in der Ausführung seiner Werke stecken blieb, weil ihm das Geld plötzlich ausging, und weil die Mittellosigkeit seine Bewegungen hemmte.

Alle Briefe seiner Wirtschaftsräte, Zahlmeister und Kassierer sind voll der Klagen und Beschwerden. Jörg Gossenprott, sein Verwalter zu Ehrenberg in Tirol, schreibt ihm ein Jahr, nachdem Maximilian Kaiser geworden war:

»Item so hab ich meine Diener gen Jenif (Genf) geschickt, umb die 2550 Gulden; hab ich auch klain Trost auf. Item so hab ich E. K. M. nachstmals geschrieben wie dye 12 600 Dukaten zu Venedig bezahlt sein. Ich schreib yetzund hin den Fuggern vnd man (mahn) sy auff das allerhoechst, so ich ymer kan und mag, E. K. Mt. 10 000 Gulden zu Antorff (Antwerpen) zu bezallen. Wo mir dan das Görczisch und jeniffisch gelt nit würdt, so mag E. K. Mt. selbst verstan, das ich E. K. Mt. dye andern 10 000 Gulden durch wexl (Wechsel) gen Antorff nimmer machen möchte.«

Dann wieder einmal jammert der Hofkontrollor Casius, von Mainz her, den Kaiser kläglich an: »Liegen mir die Kaufleute schwerlich ob mit großen Klagen um ihr Geld, wie ich E. König. Maj. solches bevor genugsamlich geschrieben habe, das mir zu großem Spott und Schaden erwächst, E. König. Majestät untertäniglich bittend mich gnädigen Bescheid kürzlich wissen zu lassen, damit ich aus diesem spöttlichem Lager kommen mag.« Und er fährt fort, den Kaiser zu mahnen, und erinnert ihn daran, daß er ihm geholfen habe, in Augsburg die Kosten des kaiserlichen Aufenthaltes zu bezahlen und die Stadt mit seinem Gefolge in Ehren zu verlassen. Casius ist da wahrscheinlich der Bürge seines Herrn gewesen und fürchtet, er werde nach Augsburg gehen und sich in den Schuldturm sperren lassen müssen, wenn der Kaiser nicht zahlt: »E. König. Maj. wolle gnädigst verschaffen, daß die Obligation zu Augsburg, womit ich E. König. Maj. Hofgesinde aus der Stadt gebracht habe von E. König. Maj. Räten bezahlt werde, so das noch nicht beschehen ist, sonst muß ich mich von Stund an, sobald ich gemahnt werde, in Augsburg stellen.«

Die reichen Fugger zu Augsburg, von denen im Schreiben des Jörg Gossenprott die Rede ist, waren Maximilians ewig bereite, ewig sprudelnde Geldquelle. Ihnen verpfändete der Kaiser seine Ländereien, seine Kammergüter, seine Silberbergwerke, und der Wohlstand des Hauses Fugger blühte aus Maximilians Not immer mächtiger empor. Im Volk und bei den Fürsten ward freilich auch gesagt, der Kaiser sei in seinen Räten und Dienern von Spitzbuben und Betrügern umgeben, und das ist in vielen Fällen auch richtig gewesen. Manche von den Männern, deren Pflicht es gewesen wäre, nur den Vorteil ihres kaiserlichen Gebieters in Acht zu nehmen, sagten wohl zu sich selbst: Was schadet es dem Maximilian, wenn er ein bißchen mehr oder ein bißchen weniger schuldig ist? Und sie gingen hin und ließen sich von den Geldverleihern hohe Vermittlungsgebühren zahlen, die dann dem Kaiser aufgerechnet wurden! Oder sie wurden von Maximilian ausgesendet, um irgendwo Geld zu borgen. Da gaben sie heimlich von ihrem eigenen Vermögen, schwatzten dem Kaiser vor, der oder jener Kaufmann habe es hergeliehen, nahmen hohe Zinsen und steckten sie in die eigene Tasche. Maximilian mochte diese schlimmen Händel und Treulosigkeiten wohl geahnt haben, doch war er in Geldangelegenheiten zu sorglos und gutmütig und ließ eben fünfe gerad sein.

So geschah es, daß der Kaiser an Zinsespflicht mehr und mehr zu tragen hatte, daß er mehr und mehr verarmte, während seine Umgebung reicher und reicher wurde. Trotzdem fiel er nie in die knausrige Art seines Vaters, und wenn er auch noch so sehr in Verlegenheit war, hatte er doch für die Kunst, für einen Maler, für einen Musiker und Dichter immer eine offene Hand. Freilich konnte es geschehen, daß mancher von den Künstlern bei des Kaisers Not ebenfalls zu Schaden kam, wie der arme Albrecht Dürer. Dem hatten Maximilians Räte seine Bezahlung bei der Stadtsteuer in Nürnberg angewiesen, und Dürer war dessen noch besonders froh, denn hier in seiner Vaterstadt meinte er, das Geld leicht zur Hand zu haben, wann immer er es brauchte. Wie er sich aber darum meldete, ergab es sich, daß die Nürnberger Stadtsteuer auf lange Jahre hinaus an Kursachsen verpfändet sei.

In all seiner Bedrängnis aber hat Maximilian sich niemals entschließen können, den unermeßlich reichen Hausschatz der Habsburger anzugreifen. Dieser märchenhaft große Schatz lag zu Wienerisch-Neustadt. Als Kaiser Friedrich vor dem eindringenden Ungarnkönig aus den Erblanden fliehen mußte, führte er den Habsburgerhort mit sich hinweg und ließ ihn zu Nürnberg in der Margarethenkirche einmauern. Maximilian hat ihn da herausgeholt und nach Nördlingen gebracht. Es waren nicht weniger als 63 Kisten, die auf 21 Wagen verladen werden mußten. Von Nördlingen aus wurden diese Reichtümer später nach Wienerisch-Neustadt zurückgeführt. Dort hat sie nach Maximilians Tod sein Enkel Ferdinand für Karl V. in Empfang genommen. Maximilians Geschichtschreiber Spießhammer, der auch einer seiner Vertrautesten war, erzählt, der Erzherzog Ferdinand sei beim Anblick der funkelnden Pracht dieser Kostbarkeiten wie geblendet gewesen. Spießhammer erzählt aber auch, daß es Maximilian in den schlimmsten Tagen nicht über sich gebracht habe, nur eine einzige dieser Kisten aufzuschließen und ihren Inhalt zur Linderung seiner Not zu verwenden. Diese Enthaltsamkeit wäre bei einem so verschwenderischen und im Grunde leichtsinnigen Mann ganz einfach unbegreiflich. Man kann sie nur verstehen, wenn man bedenkt, daß eine höhere Rücksicht dabei den Ausschlag gab; und es war denn auch eine höhere Rücksicht, die Maximilian davon zurückhielt. Es war der Gedanke an die Zukunft des habsburgischen Hauses, an die Macht seiner Familie, an ihren dauernden Aufstieg, an ihre Blüte bis in die fernste Zeit. Dieser Gedanke saß Maximilian tief im Blut. Mochte er selbst auch mit tausend Sorgen sich herumgeschlagen, mochte er selbst auch durch Mangel gehemmt sein, trübe Stunden erleben und Kummer erleiden, er konnte ruhig in die Zukunft blicken, mit reinem Gewissen das Schicksal seiner Nachfahren bedenken, wenn er den Reichtum und die Kraft des Hauses unberührt und ungeschwächt hinterließ. Er selbst hat aus seinem persönlichen Eigentum, zu Genua und Mailand, Gobelins, Prunkgewänder und Silberzeug versetzt und mußte sich lange gedulden, ehe er sich wieder dieser schönen Dinge freuen durfte. Er mußte kurz vor seinem Tode bekennen, daß »all seine Renten, Zinse, Gütte, Zölle, Mauthen, Bergwerke und ander Kammergut verschrieben, versetzt, verkauft und belastet seien«. Aber die Termine liefen ab, die Pfänder konnten wieder frei werden, Wald und Felder konnte man wieder zurückkaufen. Hätte er jedoch den Schatz mit all seinen Kleinodien in die vier Winde zerstreut, sie wären für immer dahin gewesen.

Das Konzil zu Gmunden

Wenn wir manchmal darüber nachsinnen, woher es denn wohl kommen mag, daß eine Familie nicht bloß zur Macht emporsteigt, sondern sich dauernd durch Jahrhunderte in Glanz und Mächtigkeit erhält, dann werden wir finden, daß hier nicht allein das Talent oder das Genie der Ahnherrn alles verdient habe, sondern daß es auch bei den Enkeln und Enkeln der Enkel mancher erhaltenden und aufbauenden Kräfte bedarf. Und eine der wichtigsten dieser erhaltenden Kräfte ist die Ehrfurcht vor der eigenen Familie, der Respekt vor dem überkommenen Erbe und das Verantwortungsgefühl vor den künftigen noch ungeborenen Generationen seines Hauses, die Pflicht, die man empfindet, den kommenden Geschlechtern das Gut der Familie unversehrt aufzubewahren. Eine Familie, in der jedermann sich nicht bloß als lachender Erbe, sondern als dankbarer Sprosse eines verdienstvollen Vaters und zugleich wieder als verantwortlicher Vater künftiger Erbsöhne betrachtet, kann nicht so leicht untergehen. Keiner von den Angehörigen solch einer Familie sieht sich für einen Anfang oder für einen Abschluß an, sondern alle wissen, daß sie nur die ineinandergreifenden Glieder einer Kette sind, daß sie alle zusammen nur an einer gemeinsamen Aufgabe arbeiten, die immer fortgesetzt, immer verbessert, aber nicht unterbrochen oder gar ruiniert werden darf. Solch eine Art, durchs Leben zu schreiten, mag gewiß auch manchen Zwang, manche Beschränkung, ja sogar manche geistige Gebundenheit in sich bergen, sicherlich aber gibt sie auch Kraft und Halt gegen viele Versuchungen. So schritt Kaiser Maximilian durch ein bewegtes Leben, hielt sich für seine Person frei, alle möglichen Abenteuer und Gefahren zu bestehen, seine zeitlichen Einkünfte zu verschwenden und an Wucherer zu verlieren, und klagte nur wenig, wenn seine Hoffnungen auf reichen Gewinn zu Wasser wurden. Wenn er aber in Tagen des Mangels jemals seine Gedanken zu den Reichtümern lenkte, die in der Burg zu Wienerisch-Neustadt lagen, dann fühlte er sich doch nur als das, was in höherem Sinn jeder Sprosse eines alten Geschlechtes ist: als der Verwalter des Familienschatzes. Und als ein redlicher Verwalter hat er den Habsburgerhort wie anvertrautes Gut unberührt gelassen.


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