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Königswahl

In Frankfurt am Main, wo von altersher die römischen Könige und Kaiser gewählt wurden, strömten nun im Feber 1486 die Kurfürsten zusammen. Auch Kaiser Friedrich und Maximilian waren aus Aachen herangezogen. Jetzt aber stellten sich eine Menge Schwierigkeiten ein. Die Ungarn suchten die Wahl Maximilians ebenso heftig zu vereiteln, wie die Franzosen zu dem gleichen Zweck bemüht waren. Denn die Ungarn wie die Franzosen sahen beide mit Angst und Eifersucht das Haus Habsburg in der deutschen Macht fester und fester werden. Auch hätten sie es lieber gehabt, wenn bei Kaiser Friedrichs Tod ein Nachfolger noch nicht bestimmt gewesen wäre. Dann dachten sie, wie schon oft vorher, die Kaiserwahl zu beeinflussen und zu verwirren, hofften die Krone Karls des Großen dem Hause Habsburg wieder abzujagen, jedenfalls aber hofften sie, während die Kurfürsten zu solch einer Zeit untereinander uneinig wären, ihre Eroberungszüge in das Reich ohne viele Störung zu unternehmen.

Alle diese Wünsche und Hoffnungen wurden ihnen nun zunichte, wenn Maximilian die römische Königswürde gewann und damit schon als künftiger Kaiser neben seinem Vater auf dem Throne saß. Deshalb waren ihre Sendlinge und Boten in Frankfurt so eifrig an der Arbeit, streuten Versprechungen aus, drohten, liefen heimlich umher, unterredeten sich mit den Fürsten und suchten sie von Maximilian abzuziehen.

Der hatte nun allerdings zwei Freunde, die lebhaft für ihn eintraten, den tapferen Albrecht Achilles von Brandenburg und den klugen Bertold von Mainz. Albrecht Achilles überredete die Kurfürsten, Maximilian werde als siegreicher Feldherr dem bedrängten Reiche endlich Schutz und Schirm geben. Bertold von Mainz dagegen prophezeite, Maximilian werde geneigt sein, Freiheiten und Reformen zu bewilligen.

Den besten und wirksamsten Freund aber hatte Maximilian an sich selbst. Kaum war er in Frankfurt angelangt, als er auch schon vor die versammelten Kurfürsten trat und zu ihnen redete. Und sein Anblick war so bezwingend, seine feurig edle Beredsamkeit so unwiderstehlich, daß er alle im Sturm für sich eroberte. Einstimmig wählten sie ihn am 16. Februar zum römischen König.

In der Bartholomäuskirche, wo der Wahlakt vor sich ging, saß Kaiser Friedrich in dem Zimmer der Bücherei und wartete auf den Ausgang der Beratungen. Da öffneten sich die Türen, die Kanzler, Schreiber und Sekretäre traten ein, die Ritter, Edelleute des Gefolges, die Kurfürsten näherten sich und vermeldeten, daß Maximilian einstimmig zum römischen König erkoren sei. Der alte Mann, der die Erhöhung seines Sohnes, die Erhöhung seines Hauses erlebte, saß unbeweglich in seinem Armsessel und weinte still und lange vor sich hin. Sein ruhiger, weit vorschauender Geist mochte erkennen, von welch großer Bedeutung das Ereignis war, das sich soeben vollzogen hatte. War er doch nach Jahrhunderten wieder der erste Kaiser, der noch bei Lebzeiten seinen Sohn neben sich auf dem Thron konnte Platz nehmen lassen, der erste Kaiser, der, ehe er zur Grube fuhr, sicher sein durfte, daß nicht Kampf noch Wirrsal über sein Erbe herfallen würde, sondern der seinem Nachfolger ins Auge sah. Kaiser Friedrich dachte an die fünf Buchstaben in seinem Majestätssiegel. AEIOU. Alles Erdreich Ist Oesterreich Untertan. War die Erfüllung dieses prophetischen Spruches nicht näher gerückt?

Maximilian wird zum römischen König gekrönt

Kaiser Friedrich brach kurz darauf mit seinem Sohn von Frankfurt am Main auf, zur Krönung. Sie zogen niederwärts, den Rhein entlang, nach der alten Stadt Karls des Großen, nach Aachen. Alle Kurfürsten, viele Fürsten des Reiches, eine glänzende Ritterschaft bildeten ihr Gefolge. Der Einzug in Aachen übertraf an Pracht und Pomp noch weit den Einzug Maximilians in Gent. Prunkhafte öffentliche Umzüge hatten damals einen hohen Grad von künstlerischer Vollendung erreicht. Die Renaissance in Italien, eben auf ihrem Gipfel angelangt, war die Urheberin dieser Schaustellungen. Der üppige, farbenfrohe Sinn der Künstler fand eine lockende Aufgabe darin, die Feste der Großen der Erde herrlich zu gestalten. So waren in Italien, in Frankreich wie in Deutschland die Einholung fürstlicher Personen, Hochzeiten und ähnliche Veranstaltungen lauter willkommene Gelegenheiten zur Entfaltung eines sorgfältig komponierten und in seiner Wirkung berauschenden Gepränges.

Als Maximilian mit seinem Vater zur Krönung in Aachen einritt, war Albrecht Dürer fast noch ein Knabe, kaum fünfzehn Jahre alt. Aber die Triumphzüge, die er dann gezeichnet hat, um das Leben Maximilians zu verherrlichen, sind in ihrem unerschöpflichen Reichtum an Formen, Gestalten und Gruppen keineswegs bloße Gebilde der Phantasie, sondern wir dürfen sie ohne weiteres als Schilderungen und Illustrationen jener glanzvollen Tage betrachten.

Maximilians Einzug in Aachen dauerte mehrere Stunden. Wenige Tage nachher erfolgte seine Krönung. Die Reichsstadt Nürnberg hatte, durch Eilboten aufgefordert, die Kroninsignien und die Reichskleinodien unter sicherem Geleite nach Aachen gesendet. Maximilian empfing im Münster zu Aachen die römische Königskrone, saß mit der Krone auf seinem blonden Scheitel auf dem steinernen Thronsessel Karls des Großen und erteilte mit dem Reichsschwert zweihundert jungen adeligen Anwärtern den Ritterschlag. Hierauf erhob er sich mit seinem ganzen Gefolge und begab sich in das Rathaus zum Königsmahl.

Im Hof des Rathauses und rings um das Rathaus her durfte sich das Volk in allerlei Belustigungen ergehen. Da stand ein Brunnen und dem entsprang aus drei Röhren in goldenen Strahlen edler Rheinwein. Jeder mochte davon trinken, so viel er erreichen und so viel er vertragen konnte. Am großen Spieß ward ein Ochse gebraten; in dem Ochsen aber stak ein Schwein, im Bauch des Schweines wieder stak eine Gans, in der Gans war ein Huhn verborgen, im Huhn eine Wachtel, und so ging das in lauter Überraschungen weiter. Alle, die kräftig genug waren, sich herbeizudrängen, durften davon essen. Aber es hat's uns freilich keiner überliefert, ob der wunderliche Braten auch wirklich gar gekocht gewesen ist und ob er auch gut geschmeckt hat. Ein ganzer Berg Hafer war auf dem Marktplatz aufgeschüttet. Da ritt dann der Kurfürst von Sachsen als Erzmarschall hinein, so tief, bis das Pferd nicht mehr weiter konnte, dann hob er sich aus dem Sattel, nahm einen silbernen Eimer, füllte ihn, strich die Füllung mit silbernem Stabe glatt und schüttete hierauf den Inhalt des Eimers dem Nächststehenden in den weiten aufgehaltenen Ärmel. Das Roß und das silberne Geräte gehörte dann dem Reichsmarschall von Pappenheim als Festgabe. Über den Haferberg fiel nach der Zeremonie das Volk her und balgte sich um jedes Maß.

Derweil saß Maximilian unter Paukenschall und Trompetenklängen beim feierlichen Krönungsmahl. Er saß mit seinem Vater Friedrich auf erhöhten Stühlen an einer Tafel mit den Kurfürsten. Aber Sitz und Tafel der Kurfürsten befanden sich um etliche Stufen tiefer. Als letzter ging der Kurfürst und Pfalzgraf bei Rhein zu Tisch, denn er hatte zuvor noch als des heiligen römischen Reiches Erztruchseß seines Amtes zu walten. Er begab sich mit seinem Gefolge in die Ratsküche, empfing dort die bereit gehaltene, verdeckte Schüssel, trug sie an den Platz des Königs, deckte ab und kredenzte sie in feierlichem Zeremoniell Maximilian.

Maximilian war in strahlender Laune. Er sprach laut und gern und alle lauschten seinem Wort, alle waren von seiner Heiterkeit, von seinem milden Geist und seinem gutmütigen Witz hingerissen. Maximilian gab sich seiner fröhlichen Stimmung hin. Aber er kannte auch die Macht, die er auf alle Gemüter übte, und als kluger Regent warb er hier königlich und munter zugleich um die Zuneigung der Menschen. Während er bei Tische saß, kamen Gesandtschaften, um ihm zu huldigen, Deputationen, um ihm Ehrengeschenke darzubringen. Maximilian redete sie laut und gnädig an, ließ seinen ganzen Zauber, seine ganze Gemütlichkeit walten und freute sich seines persönlichen Erfolges. Es trat unter anderen auch eine Abordnung der Judenschaft von Aachen heran und überbrachte das Geschenk, das ihnen für solche Gelegenheit anbefohlen war: ein Körbchen goldener Eier. Zaghaft traten die Juden vor den Hochsitz des jungen Königs und wollten, als sie ihr Geschenk hingesetzt hatten, eilig wieder fort. Maximilian, der ihre Furcht gewahrte, meinte sanft, sie sollten noch ein wenig bleiben. Aber dadurch versetzte er die armen Männer erst recht in Schrecken. Die Juden, die damals völlig rechtlos waren, deren Leben, Habe und Schicksal von dem Augenblickseinfall eines jeden Edelmannes abhing, erwarteten nach wohlgegründeten Erfahrungen nichts Gutes von ihrem Verbleiben in so mächtiger Nähe. Sie flehten also inständig, auf der Stelle entlassen zu werden. Maximilian verwies auf das Körbchen, das sie gebracht hatten, und meinte: »Nur ungern läßt man Hühner fliegen, die so kostbare Eier legen.« Ein schallendes Gelächter erhob sich im Saal, währenddessen die Geängstigten, von Max verabschiedet, entflohen.


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