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Hoffnung

In diesen Zeiten der Not erwarb Maximilian, obwohl er machtlos war und von seinen Feinden erniedrigt wurde, dennoch immer mehr Ansehen, weit und breit. Jetzt zum ersten Male zeigte es sich, wie manche Gabe auch von des Vaters Art in ihm fortwirkte. »Des Lebens ernstes Führen« war ihm eigen, die kluge Bedächtigkeit, die Kaiser Friedrich besaß, erwies auch Maximilian in seiner schweren Lage; und er legte eine weise Zurückhaltung an den Tag.

In Brabant und Flandern behandelten ihn die Menschen, als sei er ein unreifer Jüngling, ohne Geist, ohne Staatskunst, ohne Tapferkeit und ohne besonderen Wert. Aber sie behandelten ihn nur so; sie wußten ganz gut, daß dieser schöne, blondlockige junge Mann mit den blauen Augen und dem aufrechten stolzen Gang Klugheit und tapferen Sinn genug besaß. Sie behandelten ihn geringschätzig, weil sie sahen, daß er in ihrer Gewalt war, und weil sie fürchteten, er werde sie unterjochen, wenn sie seiner Herrschsucht die Zügel schießen ließen. Aber sie wußten, daß Maximilian draußen im Reich auf manchen Freund rechnen konnte.

Indessen geschah es, daß König Ludwig von Frankreich starb. Da hatten Maximilians Untertanen nun ihre Stütze verloren. Maximilian aber war von einem mächtigen und regsamen Feind befreit. Auf dem Thron des Königs Ludwig saß nun ein unmündiges Kind, genau so wie auf dem Herzogsstuhl von Burgund. Mit dem königlichen Kind ließen sich keine solchen Ränke spinnen. Jetzt hielten es der Adel und die Bürgerschaft von Flandern doch für ratsam, sich mit Maximilian zu vertragen. Sie gaben ihm seinen Sohn zurück und boten ihm an, er möge nun die Vormundschaft und die Regierung für das Kind übernehmen.

Ohne Kampf, ohne Blutvergießen, ohne gewaltsames Opfer waren also trübe Bitternis und Gegnerschaft überwunden. Maximilian war jetzt der Regent von Burgund. Er hatte seinen Sohn wieder, und konnte man ihm auch nicht die Tochter aus Frankreich zurückholen, so erschien doch die Demütigung, die ihm zugefügt war, damit ausgelöscht. Er aber hatte vorher ein noch viel höheres Ziel für seinen Ehrgeiz erwählt; er war nicht untätig gewesen und hatte in der Stille schon seine Fäden gesponnen. Sein Vater war alt, war mehr als vierzig Jahre an der Regierung, und Maximilian wollte sich nach Friedrichs Tod die deutsche Kaiserwürde sichern. Man weiß ja, daß die römisch-deutsche Kaiserkrone damals noch nicht durch Erbfolge vom Vater auf den Sohn überging. Für Maximilian gab es nur einen Weg, um sein Ziel zu erreichen. Die Kurfürsten mußten ihn noch bei Lebzeiten seines Vaters zum römischen König erwählen, dann konnte er gewiß sein, dereinst auch Kaiser zu werden. Darauf war nun Maximilians ganzes Streben gerichtet, alle seine frischen Kräfte arbeiteten ohne Wanken, dieses Werk zu vollenden. Zu dieser Erhöhung blickte er voll Sehnsucht empor, als er in Flandern noch ein bedrückter und beiseite gestoßener Mann war. Er kannte nicht Hemmnisse, er hatte kein Maß für Schwierigkeiten und Gefahren und ging den Weg, den er sich vorgezeichnet, beharrlich wie sein Vater, und frohen Mutes wie seine Mutter, und er sah nur das Ziel vor Augen, die strahlende Majestät des römischen Königs.

Da fielen die Ungarn unter Mathias Corvinus kriegerisch in die österreichischen Erblande ein, eroberten sie und trieben den alten Kaiser Friedrich vor sich her, daß er bis nach Innsbruck fliehen mußte. Jetzt begann man im Reich laut von dem jungen Maximilian zu reden. War der nicht anders als sein Vater? Voll Kraft und Energie war er, während Friedrich ein schwächlicher Greis erschien. Hatte Maximilian nicht schon seine Tapferkeit bewiesen, als er die Franzosen bei Guinegate schlug? Und hatte er nicht eine weise Zurückhaltung gezeigt, da er mit dem flandrischen Trotz in aller Ruhe fertig geworden war? So sprach man in den Kreisen der deutschen Fürsten von Maximilian. In ihm hoffte man einen Kaiser zu gewinnen, der im Felde tüchtig sein werde, voll Feuer und Mut; zu Hause aber nachgiebig, mild, allen Freiheiten des Reiches geneigt, den Ansprüchen des Adels willfährig.

Die Losung ging um, man solle Maximilian zum römischen König wählen. Kaiser Friedrich hatte sich diesem Plan im Anfang widersetzt. Vielleicht fürchtete er, sein Sohn könne in jugendlicher Hitze die Geschäfte des Reiches verwirren. Vielleicht auch stellte er sich nur zum Schein, als sei er der Wahl Maximilians abgeneigt, um nicht die Eifersucht gegen das Haus Habsburg noch mehr zu erregen. Endlich aber ließ er sich bestimmen und zog nach Aachen, wohin Maximilian aus dem nahen Flandern herbeieilte.

In der alten deutschen Krönungsstadt trafen sich nun Vater und Sohn, sahen sich nach Jahren wieder. Seit Maximilian als neunzehnjähriger Jüngling, den Hochzeitskranz im goldenen Haar, die Brautfahrt nach Burgund angetreten hatte, waren die beiden einander nicht mehr begegnet. Maximilian fand seinen Vater gealtert, herabgestimmt und traurig, Friedrich fand seinen Sohn nun zum Manne gereift. Der Schmerz um Maria lag wie ein schöner Ernst auf seinem jungen Antlitz. Aber die fröhliche Kraft seines Blutes blitzte aus seinen Augen.

Friedrich ward bald von seinem Sohne gänzlich für den Plan gewonnen, und nachdem sich die beiden besprochen hatten, schrieb der Kaiser einen Reichstag aus, der in Frankfurt am Main zusammentreten sollte.


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