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Bedrängnis

Maximilian blieb nach Marias Abscheiden unglücklich und vereinsamt in Flandern zurück. Seine Untertanen lehnten sich alsogleich gegen ihn auf und verweigerten ihm den Gehorsam.

Als Maria noch lebte, hatte sie alle Herrschaft im Lande, alle Macht und jegliches Ansehen immer ihrem geliebten Maximilian überlassen. So befahl er denn in ihrem Namen und die Leute mußten sich fügen, denn Maria war die Herzogin. Jetzt aber erklärten sie ihm, er sei gar nicht ihr Herzog und er habe ihnen nichts zu sagen. Herzog von Burgund sei nun der kleine Philipp. Das war freilich die Wahrheit; aber Philipp zählte erst drei Jahre, und Maximilian war sein Vater. Er hätte folglich als der natürliche Vormund seines Kindes gelten und im Namen Philipps die Regentschaft führen sollen, wie er vordem in Marias Namen regiert hatte.

Das aber wollten die Leute nicht zugeben. Ein phlegmatisches, gleichgültiges Volk, wie die Vlämen und Holländer sind, hatten sie zu dem lebhaften, beredsam feurigen Maximilian kein Herz fassen können. Seine Jugend wie seine Schönheit ließen sie kalt, seine Kraft, seinen Mut, seine Gewandtheit in allen ritterlichen Spielen schätzten sie nicht. Seine nachdenkliche Gelehrsamkeit, sein Verständnis für Kunst und Poesie galt vor ihnen nur wenig. Der Adel wie die Bürger der Städte erhoben sich also feindselig gegen Maximilian. Das waren gar stolze Herren, die Bürger von Gent, von Brügge und von Antwerpen. Reiche Kaufleute insgesamt, deren blühender Handel sich weithin über die Erde spann, und sie versuchten es auch gern, die Fäden ihrer Politik eigenmächtig ins weite zu spinnen. Am liebsten hätten sie wohl überhaupt keinen Landesfürsten geduldet.

Viel Ungemach hatte Maximilian jetzt zu ertragen, und er trug es gefaßt, klug und besonnen. Er hatte nicht bloß seine widerspenstigen Untertanen zu fürchten, sondern auch einen starken und feindseligen Nachbar. Das war der König von Frankreich. Der hatte den jungen Habsburger nur ungern nach Flandern kommen sehen. Der hatte dem Maximilian die reiche Erbin von Burgund immer mißgönnt und hätte ihn jetzt gar zu gern wieder nach Österreich zurückjagen lassen. Seine Boten kamen nun nach Flandern, aber nicht zu Maximilian. Sie taten, als sei er gar nicht mehr vorhanden. Auch die Adeligen und Bürger von Flandern kümmerten sich den Teufel um Maximilian und schalteten mit den Staatsgeschäften, als ginge dies alles nur sie allein an. Sie schlossen mit dem König von Frankreich einen Vertrag, ohne Maximilian zu fragen. Ohne ihn zu fragen, verlobten sie Maximilians Tochter, die kleine, zweijährige Margarethe, mit dem Dauphin.

Ja, sie gingen sogar noch weiter. Sie nahmen Maximilian die Kinder fort. Er durfte nicht der Vormund seines Sohnes, des kleinen Herzogs Philipp sein; denn sie erkannten ihn nicht als Vormund an. Und die zweijährige Prinzessin Margarethe schickten sie nach Frankreich, ohne sich darum zu scheren, ob es Maximilian recht war oder nicht. Sie lieferten sie dem König Ludwig aus und sagten, das müsse geschehen, damit Margarethe zur Frau des Dauphin erzogen werde. In Wirklichkeit aber hatte der König von Frankreich das Kind nur verlangt, um Maximilian zu kränken und weil ihm das Kind als Geisel dienen sollte, damit die Leute von Flandern ihre Verträge halten und damit Maximilian sich in Acht nehmen solle, den Zorn des Königs zu reizen.

Das waren harte Zeiten für Maximilian. Er bekam es täglich zu fühlen, wieviel er durch den Tod seines Weibes verloren hatte. Er mußte es dulden, daß ihm der Gehorsam verweigert wurde, denn er hatte keine Truppen, um seine Macht zu zeigen, hatte auch kein Geld, um damit Soldaten zu werben. Er mußte es mit ansehen, daß seine mutterlosen Kinder unter fremden Menschen aufwuchsen. Und es mag ihm schwer zu Herzen gegangen sein, daß seine Tochter gleichsam als Pfand bei dem feindlich gesinnten König Ludwig weilte. Aber er duldete es. Die Frohnatur, die er von seiner Mutter geerbt hatte, hielt ihn aufrecht. In diesen Tagen der Trauer und der Not blieb er zuversichtlich. Die Demütigungen und die Beleidigungen schienen ihn nicht zu erreichen. Er bewahrte sein fürstlich stolzes Wesen, er fuhr fort, seine lieben Bücher zu studieren, mit Künstlern sich zu unterhalten, zu reiten und zu jagen, und er sah immer aus wie einer, der den Mut nicht verlieren kann.

Man wird fragen, wo denn in dieser Bedrängnis die Ritter vom Goldenen Vlies geblieben waren, die ihm und seinen Kindern doch die Treue geschworen hatten. Aber die Ritter mochten ihm wenig helfen. Es galt ihnen vielleicht schon für genügende Treue, wenn sie nicht offen gegen ihn Partei nahmen. Damals war ja der Vliesorden noch nicht habsburgisch und seine Ritter waren alle noch Lehensmänner von Burgund. Der Vater Karls des Kühnen, der kluge Herzog Philipp, hatte den Orden gegründet. Er verstand sich gar wohl auf menschliche Eitelkeiten und wollte den trotzigen Adel von Burgund damit an seinen Hof fesseln. Wer das Vlies haben mochte, der mußte eine strenge Ahnenprobe ablegen. Er mußte beweisen können, daß seine Vorfahren, weit zurückgerechnet, alle schon edel geboren waren. Trug also einer diese Ordenskette an seiner Brust, dann war er für jedermann als ein Adeliger von besonderer Vornehmheit kenntlich gemacht. Deshalb wurde das Vlies von den Großen des Reiches Burgund eifrig begehrt. Mit der Annahme des Ordens war auch das Gelübde verbunden, dereinst einmal, wenn der Herzog dazu rufen sollte, an einer Kreuzfahrt gegen die Ungläubigen im fernen Osten teilzunehmen. Herzog Philipp hatte nämlich den Plan gehabt, solch einen kriegerischen Zug an den Bosporus ins Werk zu setzen. Wie die Argonauten der griechischen Sage einst an den Hellespont zogen, das Vlies des goldenen Widders zu erbeuten, so wollte Philipp von Burgund mit seinen Rittern Konstantinopel den Türken entreißen, und da ward denn in Erinnerung an die sagenhafte Argonautenfahrt das goldene Widderfell als Ordenszeichen erkoren. Seit nun Maximilian mit Maria sich verlobt hatte, war er Großmeister des Vliesordens geworden. Durch ihn kam das goldene Vlies dann an die Habsburger, wurde seither der Hausorden dieser Familie und wird nach wie vor nur an Personen von erlauchter Geburt verliehen.


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