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Vermählung mit Maria von Burgund

In Burgund herrschte um jene Zeit Herzog Karl, den die Geschichte den Kühnen nennt. Das war ein wilder, ehrgeiziger Mann, streitsüchtig und hochfahrend, und voll stolzer Pläne. Obwohl er nur eine Herzogskrone trug, war er doch so mächtig wie nur irgendein König in Europa. Denn er gebot nicht bloß über Burgund, das er als ein Lehen von Frankreich besaß, sondern noch über eine Menge anderer blühender Länder und reicher Städte. Flandern und Brabant, der Hennegau, Seeland und Holland, Limburg, Namur, Amiens, Boulogne und andere mehr waren durch Reichslehen, durch Heirat, durch Verträge und Eroberungen an sein Haus gefallen und seinem Willen untertänig.

Maximilians Vermählung mit Maria von Burgund

Karl der Kühne, der beständig Krieg führte, um seine Macht und seinen Länderbesitz auszudehnen, war sowohl dem König von Frankreich als auch dem römisch-deutschen Kaiser ein unbequemer Nachbar, auf den sie nur mit Sorge blicken konnten. Sie durften sich freilich höher dünken als er, da er bloß ihr Lehensmann war; aber sie fürchteten ihn zugleich, auch wegen seiner ungeheuren Macht, wegen seiner Tapferkeit und seiner ehrgeizigen Absichten. Der Herzog träumte denn auch von einer neuen Weltherrschaft, die er aufrichten wollte. Er pflegte zu sagen: das römische Reich sei zu Ende, das burgundische werde beginnen. Da er aber laut genug redete, da ferner kein anderer Fürst so kriegsbereit und gerüstet war wie er, und da man seine gewalttätige Art kannte, ist es nicht wunder zu nehmen, wenn man vor ihm zitterte. In Deutschland erzählte sich das Volk, Karl der Kühne werde eines Tages in das Reich einbrechen wie der Wettersturm; er werde die Kaiserkrone an sich reißen, die festen Burgen der Edlen und die Mauern der Städte schleifen, er werde alle Freiheit vernichten und wie der böse Feind regieren. In Deutschland saß gerade damals der bedächtige, ruhig standhafte Kaiser Friedrich, Maximilians Vater, und erwog bei sich, daß Karl der Kühne keinen Sohn und Thronerben, wohl aber eine einzige Tochter hatte. Er überlegte bei sich: Wenn Karl der Kühne seine Tochter dem jungen Maximilian vermählen wolle, dann wären wohl auch alle ehrgeizigen Pläne des Herzogs ganz friedlich erfüllt. Karl sähe dann seine Nachkommen auf dem deutschen Kaiserthron, den er für seine Familie so heiß begehrte; der Habsburger Maximilian aber würde mit der Tochter Karls des Kühnen auch alle die reichen burgundischen Länder gewinnen; und so wäre denn beiden geholfen, den Häusern von Burgund und Österreich. Deshalb sendete Friedrich frühzeitig seine Boten aus, und Karl, der die Vorteile dieser Heirat erkannte, willigte ein, seine Tochter Maria mit Maximilian zu verloben.

Als dies geschah, waren Maximilian und Maria noch Kinder. Friedrich aber richtete nun sein Hoffen auf den Sohn, der ihm jetzt so frisch und stattlich erblühte. Denn Kaiser Friedrich III. war nicht minder ehrgeizig als Karl der Kühne, wenn er auch bei weitem nicht so tapfer, nicht so gewaltsam und so rasch von Entschlüssen war wie dieser. Voll weitausschauender Pläne und trotz seines bedächtigen Zauderns von einer niemals wankenden Beharrlichkeit, hatte er immer nur die Größe und die Macht seines Hauses, den Ruhm und die Weltherrschaft Österreichs als höchstes Ziel vor Augen. Er hatte die fünf Selbstlaute des Alphabets A E I O U in seine Majestätssiegel aufgenommen, als kabbalistisches Zeichen und zugleich als seine Devise. Die Deutung aber, die er diesen Buchstaben gab, war die folgende: Austria Est Imperare Orbi Universo (Österreich besteht, um den Erdkreis zu beherrschen). Oder auch deutsch: Alles Erdreich Ist Österreich Untertan. Wie er die Vokale auch anwandte, in lateinischer oder deutscher Sprache, immer ergaben sie ihm denselben prophetischen Schicksalsspruch, an den er sein Leben lang glaubte und festhielt.

Nun aber, da Maximilian herangewachsen war und neunzehn Jahre zählte, begab es sich, daß die Armee Karls des Kühnen auf einem unglücklichen Kriegszug in Lothringen vor den Mauern der Stadt Nanzig besiegt, der Herzog selbst jedoch auf dem Schlachtfeld erschlagen wurde. Jetzt war Maria von Burgund die Erbin all der Länder ihres Vaters, und die glänzendsten Fürsten wetteiferten in dem Bemühen, Mariens Hand zu gewinnen. Die Stände der Niederlande wollten sie zwingen, den Dauphin von Frankreich, der später König Karl VIII. wurde, zu heiraten. Maria aber widerstand dem Ansinnen des trotzigen niederländischen Adels und entschied sich unter zwölf Freiern für Maximilian von Österreich. Ihr ward Hilfe durch Boten, die Kaiser Friedrich nun abermals und eilig herbeischickte. Diese brachten den Ring und den Verlobungsbrief, die Maria einst an Maximilian gesendet, und wiesen beides den Ständen vor. Und Maria erhob sich nun und sprach: »Maximilian habe sie sich in ihrem Gemüte auserkoren, ihn wolle sie jetzt auch zum Gemahl haben und keinen andern.«

So ward denn dieser Bund geschlossen. Es wird erzählt, Maria von Burgund habe ein Bildnis des jungen Maximilian gesehen und sich in seine Jünglingsschönheit verliebt. Andere wieder berichten, sie sei schon in frühen Jahren mit ihm zusammengetroffen und hätte ihn von da an stets in zärtlichem Andenken behalten. Jedenfalls erwartete sie mit Ungeduld die Ankunft ihres Erwählten. Maximilian jedoch zögerte lange. Er war nicht minder begierig darauf, seine Braut zu umarmen und die Hochzeit zu feiern; allein es fehlte ihm das Geld, um stattlich genug am prunkvollen Hofe von Burgund zu erscheinen. Sein Vater, der Kaiser Friedrich, war ein sparsamer Herr, der sich nicht entschließen konnte, seine Goldstücke für Lustbarkeit und pomphaftes Schaugepränge auszugeben. Auch brauchte er, was er besaß, für seine Truppen und hielt es für gefährlich, sich der Geldmittel zu entblößen. Nach langem Hangen und Bangen nahm sich endlich Marias Stiefmutter der jungen Leute an: Margaretha von York, die Karls des Kühnen dritte und letzte Gemahlin gewesen war, ließ Maximilian hunderttausend Dukaten überreichen.

Voll Freude rüstete jetzt der junge Prinz zu einer fröhlichen und glänzenden Brautfahrt. Sechshundert adelige Herren begleiteten ihn auf seinem Zuge nach Flandern. Viele Bischöfe waren mit in seiner Begleitung und viele Fürsten des Reiches. Etliche Kurfürsten auch ritten unterwegs herbei und schlossen sich ihm an.

Ohne Fährlichkeit kam er nach Gent, wo Maria Hof hielt, und an einem schönen Sommerabend im Monat August feierte er mit kaiserlicher Pracht seinen Einzug in die üppige Stadt. Er ritt einen braunen Hengst, der mit stolz erhobenem Haupt einherschritt und mit feuriger Zierlichkeit seine Beine setzte, gleich einem Tänzer. Maximilian saß aufrecht im Sattel, umpanzert von einem silbernen, über und über vergoldeten Harnisch. Statt des Helmes aber trug er von Perlen und Juwelen einen köstlich schimmernden Hochzeitskranz in seinen goldenen Locken, die ja selber einem Helme gleich seinen Scheitel umschmiegten.

Als er in seinem Quartier abgestiegen war, schickte die Prinzessin sogleich zu ihm, um ihn einholen zu lassen. Maximilian stärkte sich und seine Reisegefährten bei einem Abendmahl, dann stieg er nochmals mit all seinen Begleitern zu Pferd und ritt nach dem Palast der Prinzessin. Es war schon elf Uhr des Nachts. Bei Fackelschein kam er auf den weiten Platz, als er wahrnahm, daß sich die Tore des Palastes auftaten und seine Braut ihm entgegenschritt, umgeben von ihren Frauen und von den Würdenträgern ihres Hofes.

Maximilian schwang sich alsogleich aus dem Bügel, trat vor Maria und beugte sein Knie. Aber auch die Prinzessin, als sie den schönen Jüngling nun erblickte, der im goldschimmernden Harnisch mit seinen goldschimmernden Haaren einem Erzengel glich, sank ins Knie. Und so knieten die beiden nun auf offener Straße voreinander, und kniend sanken sie sich in die Arme. Maria rief mit Tränen in den Augen: »Willkommen sei mir, du edles, deutsches Blut, das ich so lange verlangt habe und nun mit Freuden bei mir sehe!«


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