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Sandels

Sandels er saß in Pardala heut,
Beim Frühstück in guter Ruh'.
»Mit dem Schlage Eins der Kampf sich erneut,
Bei der Wirta Brück' schlägt es zu. –
Herr Pastor, ich ließ euch rufen hierher –
Forellen, ich bitte recht sehr!«

»Ich wollte euch heute behalten für mich,
Mein Wunsch es wäre und Pflicht;
Ihr kennt die Gegend hier besser als ich,
Von Gewicht mir wär' ein Bericht.
Seid ruhig, nicht riechen werden wir Blut. –
Ein Glas? Der Madeira ist gut.«

»Tutschkoff die freundliche Meldung gesandt,
Der Waffenstillstand sei aus.
Laßt das Essen euch schmecken! Gott, kein Schmant!
Nach Tische wir reiten hinaus. –
Man muß sich begnügen mit was es giebt;
Vielleicht Margaux ihr beliebt?«

Es kam ein Bote, ein Eilbot' kam:
»Der Vertrag ist gebrochen; zurück
Brusin bereits den Vorposten nahm,
Zeit fehlt uns zu reißen die Brück'.
Denn unsere Uhr war zwölf, allein
Eins soll schon die Russische sein«.

Sandels saß da und den Gaumen sich schmiert',
Aß frisch als ob nichts geschehn.
»La daube auf Gans, Herr Pastor, probirt!
Sie schmecket ja wunderschön.
Dolgoruki schon wieder zu eilen scheint;
Ein Glas ihm zu Ehren, mein Freund!«

Es sprach der Bote: »Herr General,
Bring' ich eine Antwort zurück?«
»Ja, sagt Fahlander: die Brücke sei schmal,
Batterien er hab' vor der Brück'.
Er soll sich halten ein Stündchen, ein halb. –
Herr Pastor, Cottelette auf Kalb?«

Fort eilte der Bote, Sekunden darauf
Ein Reiter das Dorf errang;
Wie im Blitz er sprengte zur Treppe herauf,
Im Nu vom Pferde er sprang.
Dem Äußern nach ein junger Lieutnant,
Es war Sandels Adjutant.

Er eilt in den Saal, er stehet voll Muth
Vor Sandels mit flammendem Blick:
»General, es fließen Ströme von Blut,
Blut gilt jeder Augenblick.
Muth fehlt nicht dem Heer, doch es hätte ihn mehr,
Wär't ihr um die Hälfte uns näh'r«.

Sandels betrachtet den Boten zerstreut:
»Mein Gott, wie ein Ofen ihr glüht,
Vom Reiten hungrig und müde ihr seid,
Ruh' fordert eu'r reges Gemüth.
Man muß doch essen und trinken, bedenkt,
Zuerst Genever euch schenkt!«

Der Lieutnant zaudert: »Der Kampf wird schwer,
Die Brücke bezwinget man schon,
Bei Kauppila wankt der Vorposten sehr,
Vor dem feindlichen Kriegsbataillon,
Die Armee ist bestürzt, an Leitung es fehlt,
Was giebt's für Order? Befehlt!«

»Ja, daß ihr euch setzet hübsch hierhin
Und daß ein Couvert man bringt;
Und daß ihr esset mit ruhigem Sinn,
Und auf das Essen auch trinkt,
Und wann ihr getrunken, esset noch mehr,
Da habt ihr die Order, mon Cher!«

Des Kriegers Gemüth vor Harm sich empört,
Und sein Auge flammte daher:
»General ich schulde euch Wahrheit, so hört,
Euch verachtet das ganze Heer.
Nicht einen Soldaten im Heere ich fand
Der eine Memm' euch nicht nannt«.

Sandels entfiel die Gabel, er schwieg,
Drauf lacht' er aus vollem Mund.
»Wie war es mein Herr, feig Sandels? sprich,
Saget man so? Still, Hund!
Mein Pferd, laßt satteln den edlen Bijou!
Herr Pastor, ihr bleibet in Ruh'«.

Und es stürmt, und es kracht und man kämpft auf dem Strand,
Wo das Sandelsche Heer sich gestellt.
In Wolken von Rauch hüllt sich Wasser und Land,
Blitzfeuer den Wolken entfällt.
Vom Donner des Himmels Gewölbe dröhnt
Und die blutige Erde stöhnt.

Dort Finnlands Heer vor der Brustwehr steht
Von keiner Furcht noch gestört;
Doch von Reihe zu Reihe ein Flüstern geht,
Ein dumpfes Murren man hört:
»Er ist fort, er versteckt sich wieder ein Mal,
Er erscheint nicht, der General«.

Da erschien er, er kam. Er stämmte sein Pferd
Bei der ersten Standarte im Nu,
Und sein Auge war ruhig, die Stirn verklärt,
Und er glänzt' auf dem edlen Bijou,
Und er saß unbewegt, das Fernrohr zur Hand
Und betrachtete Brücke und Strand.

Und er glänzt auf dem Renner von Ferne schon,
Und wie Tausender geltet sein Fall;
Und verdoppelten Schall giebt jede Kanon
Von des feindlichen Ufers Wall,
Und es tönt um sein Haupt ein Kugelgesumm,
Nicht die Mien' er verändert darum.

Und der tapfre Fahlander er zaudert nicht mehr,
Hinauf zur Redoute er sprengt:
»General, man sieht euch, man zielet hierher,
Es gilt euer Leben, schwenkt!«
»Herab General, uns gilt die Gefahr«,
Schrie stürmend die tobende Schaar.

Sandels er blieb, wo er war unverrückt,
Zu dem Obersten redet er derb:
Ist es Furcht, es schreit ja ihr Volk wie verrückt?
Sein Wanken heut' ist Verderb.
Doch wohlan, ein Versuch. Seid bereit zur Action,
Es nähert der Feind sich schon.

Der kleine Trupp, der bei Kauppila stand
Von tausenden Feinden bedrängt,
Der heldenmüthig den Kampf bestand,
Er hatte zur Flucht sich geschwenkt,
Er naht sich Sandels Redoute jetzt,
Und fliehend vorüber er setzt.

Er rührte sich nicht, blieb stolz wo er war,
Er saß wie in ewiger Ruh',
Und sein Auge war ruhig, die Stirne klar,
Und er glänzt' auf dem edlen Bijou,
Und er maß das Heer, das im siegenden Lauf
Stürmt' in sein Feuer hinauf.

Und er sah es kommen, es kam ganz nah,
Doch achtet er nicht die Gefahr,
Und den Tod in tausenden Schlünden er sah,
Doch wußte er kaum, was es war;
Er sah nach der Uhr, die Minuten er las,
Wie im tiefsten Frieden er saß.

Und sie kam die ersehnte Minute, sogleich
Ihn zum Obersten eilen man sieht;
»Ist es fertig Ihr Volk, ist es immer sich gleich,
Wird es wissen zu brechen ein Glied?
Ich ließ die Stürmenden strotzen; wohlan
Verschüttet sie jetzt wie ein Mann«.

So gesagt, schon genug, es bedurfte nicht mehr,
Es war Freude, ein Jubeln es war.
Sechshundert stürmten die Krieger daher
Auf des trotzenden Feindes Schaar.
Und Ploton für Ploton man trieb ihn zurück,
Bis vernichtet er fiel bei der Brück'.

Sandels darauf sein Heer visitirt,
Wo am Ufer vom Siege es ruht.
Als sein weißer Bijou umher galoppirt
Im Schneeglanz bepurpert mit Blut,
Und der Chef mit freudetrunkener Seel'
Begrüßet Trupp und Befehl,

Da hört man kein schmiegendes Murren mehr,
Kein Flüstern düster und dumpf;
Nein, jubelnd empfängt ihn sein treues Heer,
Sein Lob wird zum schönsten Triumph;
Und es riefen Stimmen von Tausender Zahl:
»Hurrah dem tapfern Gen'ral!«


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