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Der sterbende Krieger.

Verschwunden war ein blut'ger Tag,
Es war auf Lemos Strand,
Schon den Gefallnen allgemach
Der letzte Hauch entschwand;
Es dunkelte um Land und Meer,
Und grabesstill ruht' Nacht umher.

An jener dunklen Welle Rand
Die schaut' des Tages Streit,
Man einen alten Krieger fand,
Er war aus Hoglands Zeit;
In seiner Hand die Stirn er ruht,
Die Wange bleich, die Brust in Blut.

Es kam kein Freund, dem er geschenkt
Sein letztes Abschiedswort,
Die Erde, die sein Blut getränkt
War nicht sein Heimatort;
Sein Land der Wolga Fluth durchschnitt;
Ein läst'ger Fremdling hier er stritt.

Sein Aug' sich öffnet dann und wann,
Erloschen fast und matt.
Dort auf dem Sande neben an,
Wo er gelagert hat,
Ein halb erstarrter Jüngling lag,
Er diesen ansah, als er sah.

Beim Kugelsaus, in Kampfeswuth,
Als Beider Blut floß warm,
Sie schlugen sich mit Zornesgluth
Und prüften Schwert und Arm.
Nun sucht' der Jüngling keinen Streit,
Und Frieden hielt der Alte heut.

Die Nacht doch immer tiefer sinkt,
Es saust ein Ruderschlag,
Aus Wolken tritt der Mond und bringt
Der öden Gegend Tag;
Da zeigt ein Nachen sich am Strand,
Ein Mädchen rudert ihn ans Land.

Gleich einem Geist ohn' Frieden stieg
Sie in des Todes Spur.
Sie ging von Leich' zu Leich' und schwieg,
Sie schien zu weinen nur.
Verwundert ihren Zug bewacht
Der Alte, aus dem Schlaf erwacht.

Doch milder, immer mehr und mehr,
Für jeden Schritt sie macht,
Gedankenvoller als vorher
Sein trübes Auge lacht.
Ein Ahnen griff gewiß sein Herz,
Er schien zu fühlen ihren Schmerz.

Er schien zu warten: und sie kam,
Als ob den Ruf sie spürt,
So still, so sanft, so wundersam,
Als ob ein Geist sie führt.
Sie kam. Im bleichen Mondlicht da
Sie den gefallnen Jüngling sah.

Sie sah, und laut sein Name klingt,
Doch keine Antwort kam;
In seinen offnen Schooß sie sinkt,
Allein sein Arm war lahm.
Schon sein durchbohrtes Herz war kalt,
Und Alles stumm, verweset bald.

Dann – sagt die Muse – eine Zähr'
Benetzt' des Alten Wang,
Da sprach ein Wort er, welches leer
Im Wind der Nacht verklang,
Da stand er auf, erreicht' mit Noth
Des Mädchens Fuß, und hinfiel todt.

Was hat sein traur'ger Blick gemeint,
Der Worte dunkler Sinn?
Die Thräne, die sein Aug' geweint,
Was find't man wohl darin?
Als er zum Mädchen kam heran,
Und fiel und starb, was dacht' er dann?

War's um des Herzens Fried' vielleicht,
Daß er noch sprechen mußt'?
Wollt' er versöhnen mit der Beicht'
Des Mädchens edle Brust?
Beweinte er des Menschen Loos
Zu quälen und zu leiden bloß?

Er kam aus einem fremden Land,
Trug feindlich Schwert sogar.
Doch fasse, Bruder, seine Hand,
Vergiß es, wer er war;
Im Leben wiegt die Rache schwer,
Am Grabe hasset Niemand mehr.


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