Johann Kaspar Riesbeck
Briefe über das Mönchswesen
Johann Kaspar Riesbeck

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Neunzehnter Brief.

Den 4ten Dezemb. 1779.

Schaffe Rath, Bruder, um Gottes Willen schaffe Rath! Ich hab nun freylich die Mönche vom Hals; aber Sie haben mir einen Gestank zurückgelassen – Pfui, pfui! Meine Magd ist schwanger, und das ganze Dorf vom Schulzen bis zum Gerichtsdiener läßt sichs nicht ausreden, daß ich – potz alle Wetter – Vater sey. Ich war der lezte von der Gemeinde, der den dicken Bauch bemerkte; und so kannst du ja sicher seyn, daß ich so wenig Theil daran habe, als an dem amerikanischen Krieg. Nun erfahre ich, daß ich schon lange ein Wirthshausmährchen bin; und daß die Mönche das Meiste beygetragen haben, es auszubreiten, und die Leuthe in dem bösen Argwohn auf mich zu bestärken. Die Tertianer und Tertianerinnen mögten mich anspeyen, wenn sie mir begegnen; sie gestehn es mir selbst im Beichtstuhl; und auch, daß sie es von einem Mönch hätten, der freylich beygesezt habe, sie sollten bedenken, daß ich auch ein schwacher sündiger Mensch von Fleisch und Blut sey; und sollten mirs aus christlicher Liebe nicht sehr übel deuten. Ich nahm das Mensch vor, und brachte endlich heraus, daß Fulgentius der Vater ist. Sie hat mir dabey seinen ganzen modum procedendi erzählt; wie er ihr vorgeschwäzt habe, daß diese Sünde mit Geistlichen nicht gar viel zu sagen habe; daß sie ja ihm beichten könne; und das würde ihr nicht schwerfallen, da er es ohnehin schon wüßte. Er sey ihr lange schon nachgegangen; sie habe sich allezeit wacker vertheidigt: Endlich habe er sie ohngefähr vor einem halben Jahr im Stall erwischt, wie sie eben geknieet habe, um eine Kuhe zu melken. Diese Stellung wäre nun gegen seine wilde viehische Art zu ohnmächtig gewesen; sie habe freylich schon unter dem Melken unkeusche Regungen verspürt; und das habe viel beygetragen, daß ihr die Zunge zu schwer geworden ist, wie sie wollte um Hülfe schreyen. Nachdem sie aufgestanden, hätte der Pater lange noch mit seiner Kutte zu thun gehabt; die Milch sey umgestossen worden; auch sey noch anderer Unflath, f. v. von der Kuhe, abzuwischen gewesen. Da habe er unterdessen mit allerley verführerischen Reden ihr zugesezt, daß sie es sich commoder machen könnte, wenn sie keinen Lärmen anfienge; er würde zu ihr ins Bette kommen. Der Teufel sey nun über alle ihre Sinnen Meister gewesen, und sie habe es ihm zugestanden; er aber richtig Wort gehalten.

Gutmann dringt darauf, das Mensch gleich wegzuschaffen, daß es meiner Gemeinde aus dem Gesicht und Munde käme. Er will bis zu ihrer Niederkunft gern was zu ihrem Unterhalt steuern; ich will auch das Meinige beytragen; Sorge du nur, lieber Bruder, daß du in deinem Bezirke einen Ort findest, wo es wenig Aufsehen macht; wir haben noch keinen schicklichen Plaz für sie auskundschaften können; auch wird der Verdacht gegen mich gegründeter, wenn ich selbst, oder Gutmann, zu geschäftig bey der Sache bin. Gutmann wird es gleich seinem guten Freunde nach Hofe berichten, damit alle vorläufige Klagen gegen mich unterdrückt werden; und dadurch wirst du auch gegen alles Nachtheilige bey diesem Geschäft sicher gestellt. Ich bitte dich um aller Freundschaft willen, lieber Bruder, sorge, daß ich diesen Stein des Aergernisses aus meinem Hause bringe. So lange sie noch bey mir ist, kann ich mit offnen Augen nicht vor meiner Thüre gehn, und es macht mir viele schlaflose Nächte. Du kannst mir jezt einen grossen Beweis deiner brüderlichen Liebe und Treue geben, und gewiß seyn, daß ich dir in einer ähnlichen Verlegenheit mit gleicher Thätigkeit aushelfen werde. Lieb wäre es mir, wenn du sie nahe um dich unters Dach bringen könntest. Es ist mir viel daran gelegen, daß du sie genau beobachten kannst; denn ein Fulgentius ist zu allem fähig: Er hat ihr ohnehin schon stark zugeredet, sie sollte einen andern, zum Beyspiel einen Bauernjungen, angeben, und einen zu verführen trachten; sie könnte auf die Art einen braven Mann gewinnen. Er hat ihr bewiesen, daß sie unmöglich in den Himmel kommen könnte; der Teufel würde sie augenblicklich auf den Befehl des heiligen Franciscus hohlen, wenn sie ihn verriethe, und also seinem Orden und seinem Kloster einen so grossen Schimpf verursachte. Mit Zittern und Beben hat es mir die Magd gestanden; mit verwirrtem forchtsamen Umherschaun, ob nicht der böse Feind durch Thür oder Fenster käme, um die Unehre des Sohns des heiligen Franciscus zu rächen. Sie sagte ferner, daß sie gleich Anfangs ihrer Schwangerschaft sich einigmal vorgenommen habe, den Einsprechungen des Fulgentius zu folgen, und sich einen Mann zu erobern; habe aber nicht Muth genug gehabt; mir habe sie sich oft wollen zu Füssen werfen, wie sie gehört, daß ich darunter leiden müßte; aber Schaam und die Drohungen des Paters hätten sie zurückgehalten. Ich befahl ihr auf ihr Gewissen, die Sache geheim zu halten; sagte ihr, daß ich sie in ihrer traurigen Lage nicht verlassen würde; und meine guten Freunde würden auch das ihrige beytragen, ihr ihren schlimmen Zustand erträglich zu machen. Sie sollte nur dem Kind kein Leid zufügen; keine weitere Zumuthungen gegen ihr Gewissen von Fulgentius anhören, und sich reisefertig machen. Dem Guardian habe ich würklich den Vorfall geschrieben, Bruder, damit den fernern Ausschweifungen des ehrwürdigen Bruders vorgebaut wird; mit dem Beysatz, daß ich es augenblicklich an den Provincial, und, sollten noch unerwartetere Inconvenienzen für mich entspringen, an den General berichten würde. Mein Freund, Gutmann, würde dafür sorgen, daß, wenn es gleich der Hof erführe, doch alle üblen Folgen abgewandt würden, und wir wollten es nicht weiter auskommen lassen; auch würden wir für Mutter und Kind alle mögliche Sorge haben. Ich brauche dir nicht zu sagen, daß du es auch als ein Geheimniß bewahren sollst, lieber Bruder. Wir wollen unsern Feinden verzeihn; wir wollen auch gegen den unchristlichsten Mönch Christen seyn.

Freylich regt sich alles in meinem Leibe, wenn ich bedenke, was ich mit dem Teufel kämpfe. Die Magd ist ein frisches, volles, hübsches Ding; ich bin nicht von Stein, auch nicht frigidus & maleficiatus, und wir waren unter einem Dache. Wenn Begierden Sünden sind, so bin ich bey der Sache so unschuldig eben nicht; und es hat mich unsägliches Ringen gegen den Satan, herkulische Anstrengung gekostet, den Begierden die Zügel anzuhalten. Ich hab mir manchen guten Bissen des Abends versagt, um dem Fleisch allen Zunder zu nehmen; manchen wollüstigbangen Traum, und beym Erwachen schweißtreibende Gährung meines unbändigen Bluts überstanden. Ich gestehe gern vor Gott und der Welt, daß ich ein armer Sünder bin; aber so ein Mädchen unglücklich zu machen – dazu, Bruder, wird es Gottes Gnade nicht kommen lassen.

Ich erinnere mich, wie gleich in den ersten Wochen, als ich auf meine Pfarre kam, bey Tisch von dem Guardian und Fulgentius über dergleichen unzüchtige Materien viel geredet wurde. Ich war sehr betroffen, und wurde vielleicht auch roth; denn der heilige Aloysius hieng mir noch ziemlich aus der Jesuitenschule an. Die Ehrwürdigen thaten sich was recht zu gute mit meiner Schamhaftigkeit – ich hätte halt noch nicht die Moral durchstudirt; man gewöhnte sich durch die Moral, alle Obscenitäten so gleichgültig zu traktiren, wie der Chirugus alle auch die unzüchtigsten Theile des menschlichen Körpers: Ich würde wenig in den Beichtstühlen taugen, wenn mich so was gleich kitzelte u. dgl. Der Fulgentius machte sich besonders sehr breit, daß einem viro cordato, den man aber freylich nur unter Ordensmännern suchen müsse, nichts anstössig sey. Die ersten Ordensleuthe seyen sogar zu dem Frauenzimmer in die Bäder, und in die öffentlichen Bordels gegangen, nur um dem Teufel, Fleisch und Welt recht ins Gesicht zu trotzen.

Siehe den Evagrius und Nicephorus.

Das müßten aber freylich Clerici & ceteri mundani bleiben lassen, die von Abtödung ihrer selbst nichts wüßten, und sich des doni castitatis nicht würdig machten. Er empfahl mir, viele Casuisten zu lesen; da würde ich mich an alle Säuereyen – sein Ausdruck – gewöhnen, daß meine Augen und Ohren nicht mehr so leicht beleidigt würden. Auch sey gegen den Fleischteufel eine starke Wehre, täglich drey Vater Unser zum heiligen Antonius von Padua, und drey zum h. Vater Franziscus zu beten; auch eine Reliquie von ihnen bey sich zu tragen. Die Jesuiten würden mir ohne Zweifel den heiligen Aloysius recommandirt haben; sie hätten aber den Parthey= und Contradictionsgeist; ohne Partheylichkeit seyen die zween obbemeldeten Heiligen ganz andere Helden, als der Aloysius. Ein Cilizium wäre auch ein trefliches Mittel; aber das beste von allen, Fasten und Abstinenz. Die Natur ihres heiligen Ordens sey nun einmal schon so beschaffen, daß ihnen das Fleisch nicht viel rebelliren könnte. Er, Bruder Fulgentius, getraue sich einen coitum mit anzusehen, ohne Regung und Erröthung; das wäre ihm so gleichgültig, als wenn er zwo Fliegen auf einander sehe. Ich gestand den Ehrwürdigen meine Schwäche in diesem Punkt; sagte ihnen, daß ich es für einen Frevel hielt, sich selbst in die Gefahr zu begeben; Christus habe selbst zu seinen Jüngern gesagt; Wachet und betet, damit ihr nicht in Versuchung fallt; denn der Geist ist willig, aber das Fleisch ist schwach: Auch könnte ich nicht begreifen, wie die alten Mönche ohne muthwilligen Trotz – folglich ohne Sünde – sich hätten in so große Gefahr wagen dürfen, da wir von unserm Erlöser selbst wären gelehrt worden zu beten: Vater unser, führe uns nicht in Versuchung. Das hiesse aber die Versuchung suchen. – Das wäre eine kindische, kleinmüthige Bemerkung, erwiederte Fulgentius; ein Mann von dem Schlage – er hätte die Probe an sich selbst – wäre seiner Unüberwindlichkeit zu gewiß, als daß er bey so was Gefahr laufe, versucht zu werden; er wage nichts dabey, weil ihn sein Orden gegen Welt, Teufel und Fleisch vest machte.

Ich muß dir gestehen, lieber Bruder, daß ich in meiner Einfalt die vorgeschriebne Diät des Fulgentius genau beobachtet habe, ehe mir Gutmann den Staaren meiner Seele gestochen hat. Ich betete täglich meine Vater Unser zum Franziscus und Antonius; und damit ich doch meinen alten guten Freund, den heiligen Antonius, nicht vor den Kopf stiesse, so fuhr ich auch ihm zu Ehren mit den Tagzeiten fort, wie ich es in der Schule gewohnt war. Vielleicht war die Jalousie unter diesen Heiligen Schuld, daß ich keine Hülfe bekam. Ich schäzte sie doch alle gleich hoch; und wenn im Himmel einer von ihnen höher sizt als der andere, so kann ich, armer Pfarrer, es auf meinem Dörflein nicht wissen; kann also auch nicht gegen ihren Rangrespekt fehlen. Ich trug auch eine Menge geweihter und von ihren Reliquien berührter Sachen bey mir. Wie das gegen die Empörung meines Fleisches nicht fruchten wollte, nahm ich das Cilizium. Dieses machte durch das Juken und die Anspannung der Nerven die ersten vierzehn Täge das Uebel noch ärger; und hernach war ich es so gewohnt, daß ich es nicht einmal auf meinem Leibe empfand. Ich kontinuirte unterdessen immer noch mit der Vaterunserkur. Endlich nahm ich auch noch das Fasten und die Abstinenz zu Hülfe. Das Fasten konnte ich nicht lange ausdauern; denn es machte mich so schwach, daß ich in Schweiß zerfloß, wenn ich eine halbe Stunde mit ein wenig Anstrengung gepredigt habe. Mit der Abstinenz war ich noch übler dran, weil ich wenig Einsicht in solchen Dingen hatte. Ich glaubte es sey genug mich des Fleisches zu enthalten; und wenn ich dann nun mich ziemlich ausgehungert hatte, nahm ich eine gute Portion Milch, Eyer, Fischspeisen, besonders diese leztern in schwarzen Brühen, ihre Eyer und Milche hineingerührt, zu mir – und nun war der Teufel gar los.

Als ich mit Gutmann vertraut wurde, machte er mir begreiflich, daß ich durch meine Kur meine Krankheit schlimmer machte. Je mehr, sagte er mir, Sie sich ein besonders Geschäft daraus machen, den Teufel der Unzucht zu bekriegen,und je mehrere zweckmäßige Mittel Sie gegen ihn gebrauchen wollen, desto schlimmer machen Sie ihre Umstände. Sie werden durch alles, was unmittelbar Bezug auf oder gegen die Unkeuschheit hat, doch allemal an Unkeuschheit erinnert; und nun korporisirt Ihre Phantasie, die durch solche Anstrengung lebendig wird, die Unkeuschheit, und gruppirt sich im unschuldigsten Gebet des Vater Unsers – weil Sie sich ausdrücklich dabey, obschon defensive, an die Unkeuschheit erinnern – allerley garstige Bilder, woran Sie nie gedacht hätten, wenn sie nicht ausdrücklich gegen die Unzucht zu Felde ziehn wollten. Das bewährteste Mittel ist, Herr Pfarrer, eine anhaltende ununterbrochene Beschäftigung, die in Rücksicht auf Keuschheit oder Unkeuschheit ganz gleichgültig ist. – Ich muß gestehn, lieber Bruder, daß, seitdem ich die Buben um mich habe, und mein Feld baue, mir der Sieg über mein Fleisch viel leichter wird; weil ich mehr zerstreut bin, und mich mit der Unkeuschheit weder offensive noch defensive ausdrücklich abgebe. Gutmann hat es mir auch vorgesagt, als er mir diese Beschäftigungen machte. Es war eine seiner Hauptabsichten dabey, mich von dem kindischen Duellieren mit dem Fleischteufel abzugewöhnen. Als ich ihm von meiner Abstinenz sagte, machte er die allgemeine Betrachtung über diese Kirchenverordnung. Wie wenig dabey der heilige Geist gewürkt habe, und wie wenig er Theil daran hat, fällt ganz klar aus den Bewegungsgründen, welche sie davon angiebt, in die Augen. Wir sollen die Freytäge und Samstäge keine Fleisch essen, damit das Fleisch abgetödet werde. Entweder ist grobe Unwissenheit bey diesem Kirchengesetz, und es ist also, ohne die untrügliche Weisheit des heiligen Geistes zu Rathe zu ziehn, gemacht worden; oder es steken andere Absichten dahinter. Soll man bona fide annehmen,daß die Enthaltung vom Fleisch unsre Begierden zähmen soll, warum verbietet die Kirche nicht gewisse Fische zu essen, die der Mediziner als Stimulantien giebt? Warum sind Eyer, Kraftbrühen, gewisse Kräuterarten, Milchspeisen, Bier, welches noch mehr als Wein reizt – warum sind hundert andre Dinge, die mehr oder doch eben so sehr den Stachel des Fleisches rege machen, nicht verbothen? Man findet unter den Carthäusern die gesündste, vollste, stärkste Leuthe; und diese haben doch, bey der strengsten Abstinent, das unsäglich schwere und lange Chorsingen auszuhalten, und dazu keine Leibsbewegung. Sie essen statt des Fleisches, Dinge, die eine noch feinere Nahrung geben, als dasselbe. Wenn man also mit Ernst diesen Bewegungsgrund, die Abtödung des Fleisches nämlich, für die Abstinenz angiebt, so verräth man eine grobe Unwissenheit.

Nun bringen einige Theologen einen andern Grund zu Markte, der freylich keine Unwissenheit, aber grobe Impertinenz und Tyranney ist. Sie sagen, die Abstinenz sey ein Mittel, wodurch die Kirche den Gehorsam ihrer Unterthanen prüft. – Wie heißt der Monarch, Herr Pfarrer, welcher ein Gesetz macht, das gar keinen würklichen Nutzen für seinen Staat, gar keinen andern Zweck hat, als Gehorsam zu prüfen, und also nur die Freude zu haben, Uebertreter des Gesetzes strafen zu können? Nun kömmt noch dazu, daß dieses Gesetz der Kirche – oder des Pabstes – seinen Unterthanen den Catholiken noch obendrein sehr schädlich ist; denn wie viel Geld kömmt nicht aus den catholischen Ländern für Fische nach Holland, England, Dänemark etc. Wie heißt nun der Mann, der seinen Unterthanen sogar ein schädliches Gesetz vorschreibt, nur um ihren Gehorsam zu prüfen, und Übertreter strafen zu können?

Man konnte seiner Zeit noch einen wenigstens einträglichen Finanzgrund von dem Abstinenzgebot angeben. Die Dispensationen waren ergiebig; aber jezt sind diese Quellen durch die Klugheit der Fürsten ziemlich verstopft: Inzwischen dauert das Gesetz noch in seiner ganzen Kraft, ohne daß es zweckmäßig in Absicht auf die Abtödung des Fleisches, und zugleich ohne daß es der heiligen Kammer einträglich sey! Fragen Sie mich um die Ursache, Herr Pfarrer, so kann ich Ihnen nicht ganz aushelfen. Eine Nebenursache ist wohl dieses, daß der römische Hof es lieber auf das aüßerste ankommen läßt, ehe er einen Schritt zurück thut. Seine Maximen sind von Stahl und Demant. Sie sehen, wie sehr sich der gelehrige, biegsame Ganganelli doch noch gegen Portugals, Spaniens und Frankreichs Klagen über die Jesuiten, bey allen den mißlichen Begegnungen seines Vorfahrers gesträubt hat. Es ist seine Hofregel: Nicht einen Augenblick eher nachzugeben, bis man aufs Lezte kömmt – bis man nahe an der Verzweiflung ist. Das ist aber nur eine Nebenursache, wenn man bedenkt, was in unsern Tagen catholische Fürsten gegen den römischen Hof unternommen haben. Warum sie sich gegen das Abstinenzgebot, welches den meisten Staaten doch viel schädlicher ist, als eine Menge Gegenstände ihrer Protestationen gegen den Pabst – warum sie sich dagegen noch nicht vereinigt haben – kann ich Ihnen nicht sage, Herr Pfarrer. Die Erhforcht des grossen Haufens für alles Alte – noch mehr die Ehrforcht für das Mönchswesen, dessen Diener in jedem Staate ein so ansehnliches Corps ausmachen, ist zum Theil Schuld daran; aber doch lange nicht allein hinlänglich, irgend einen muthigen Fürsten, bey dessen Unterthanen es ohnehin schon zu tagen anfängt, von der vortheilhaften Abstellung der Abstinenztäge abzuschrecken. Vielleicht ist der einträgliche Handel der Franzosen mit Stockfischen auch mit Schuld – denn sie haben grossen Einfluß zu Rom. – – Wenn Sie nun zur Unterdrückung ihres Fleischstachels eine Diät beobachten wollen, Herr Pfarrer, so nehmen Sie sich vor allem aus besonders für blähenden Speisen und Getränken in Acht. Dinge, die Nahrung geben, sind eben nicht alle auch stimulant. Essen Sie ihr Stückchen Rindfleisch, eine gute Suppe davon; leichtes Zugemüsse, gekochtes Obst, einen Braten; trinken Sie, wenn Sie können, ihr Gläschen Wein dazu; oder der Kaffee ist wohlfeiler, trinken Sie aufs Essen eine Schaale; er ist gegen Stimulationen fürtrefflich, weil er die Blähungen unterdrückt, und hilft Ihnen verdauen. Eyer, Hirn, Kalbsfüsse, sehr flegmatische Gemüse, wie Blumenkohl, Spargeln, Schnecken, Austern, Bohnen, Erbsen, Linsen, Erdäpfel, und besonders Bier, müssen Sie meiden. Je leichter Ihr Magen verkocht, desto weniger sind Sie mit dem Stachel des Fleisches geplagt; deswegen machen Sie sich täglich einige Zeit nach dem Essen eine Bewegung. Sie werden dabey doch manchmal die Foderungen der Natur empfinden; denn gesunde Leiber, wenn sie nicht eitel Wasser in den Adern haben, haben nun einmal den Teufel in sich selbst; aber diese natürliche Foderungen sind viel sanfter, lange nicht so ungestüm, wie die Gährung eines aufgeblähten Magens. Wie sie Ihnen aber Genüge leisten sollen, kann ich Ihnen nicht rathen, Herr Pfarrer: Es ist grausam von mir, daß ich es Ihnen sage; und – Paphnucius war ein gescheuter Mann. Dem heiligen Vater Franziscus können Sie es freylich nicht nachthun, denn Sie brauchen Kräfte und Gesundheit. Für einen Menschen, der in der Wüste sich vertoben will, ist ein herrliches Mittel gegen sein Fleisch, wenn er seine Glieder krumm und lahm peischt; und da schickt sich nun das erbauliche Liedlein treflich dazu: He, Bruder Esel, so muß man dich prügeln.

So redet der heilige Franziscus mit sich selbst, oder doch mit der Hälfte von sich selbst, mit seinem Leib: Eja frater asine; sic te decet verberare, sic te subire flagella!

Es ist der kürzeste Weg, den Begierden des Fleisches zu entgehn, wenn man seinen Körper verstümmelt. Pythagoras fieng sein Entkörperungsgeschäft auf einem sehr krummen Wege an. Er wollte mit gesunden geraden Gliedern seine Schüler zu Engeln machen; aber zerhauen, geschnitten, gebrennt, in Dörner herumgewälzt, sich zu Stein frieren lassen – da ist es gleich geschehn. Wie uns doch die Möncherey gewöhnt hat, eine Menge Dinge für heilig anzusehn, die wir an den alten Egyptiern, unsern gleichzeitigen türkischen Kalendern, den Bramanen und andern Unmenschen als Rasereyen verlachen! Und doch ist die Quelle alles dieses Unsinns die nähmliche; die Franziscanerey und Kalenderey, alles aus dem finstern, altheidnischen Egypten! – Mein Schulmeister hat mich unterbrochen, lieber Bruder! Er ist doch ein wunderlicher Kopf – Da sagt er mir eben, daß er es nicht länger habe können übers Herz bringen, mich von der Gemeind so mishandelt zu sehen: Wir seyen zwar sündige Menschen; aber er kenne mich zu gut, als daß er so einen Fehltritt von mir glauben sollte: Weil wir zu einer Compagnie gehörten, und einen gemeinschaftlichen Feind – das Mönchswesen – gegen uns hätten, so sey ihm an meiner Ehre gar zu viel gelegen: Wenn so was wahr befunden würde, so hätten unsre Gegner über uns Freygeister – wie sie uns nennten – einen grossen Vortheil erhalten. Nach diesem feyerlichen Eingang bat er mich um Verzeihung, daß er meine Magd ohne mein Wissen examinirt habe. Er sey ihr hart zu Leibe gegangen; sie habe vorgewandt, daß ich ihr verboten hätte, die Wahrheit auskommen zu lassen; er habe ihr aber mit aller Gewalt zugesezt, und wüßte nun, daß der Mönch der Thäter sey. Er käme eben aus dem Wirthshause und vom Schulzen, wo er förmlich auf Ehre und Gewissen den Leuthen die reine Wahrheit betheuert hätte. Die jungen Pursche im Dorf seyen alle einig den Fulgentius zu steinigen, wenn er sich noch einmal blicken liesse; keiner habe sich unterstanden ihm zu widersprechen; denn den Ruhm, sagt er, habe ich nun einmal im ganzen Dorfe, daß mich noch niemand auf einer Lüge erwischt hat. Ich war sehr aufgebracht, und gab ihm einen derben Verweis; aber er blieb dabey, daß es seine Schuldigkeit gewesen sey, meine Ehre zu retten. Leb wohl, Bruder!


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