Johann Kaspar Riesbeck
Briefe über das Mönchswesen
Johann Kaspar Riesbeck

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Vorrede.

Warum der Herausgeber des ersten Theils der Briefe über das Mönchswesen nicht auch der Herausgeber dieses zweyten Theils ist, könnte man dem Leser leicht begreiflich machen. Die Briefe könnten durch die dritte, vierte, fünfte etc. Hand gegangen; in der Küche, in der Kiste oder dem Bette einer Köchin, oder auf dem ... gefunden worden seyn. Wenn aber auch der Herausgeber in der Vorrede sonnenklar und in bester Form Rechtens bewiesen hätte, daß er seinen Lesern würkliche Originalien vorlegte; wie er durch irgend einen gläublichen Zufall dazu gekommen sey; daß Gutmann und der Pfarrer die Nämlichen seyen, die sie im ersten Theil haben kennen gelernt etc.; so ist doch der Vorwurf, der aus den Briefen selbst gegen ihre Authenticität entstehen muß, viel zu stark und auffallend, als daß eine noch so künstliche Vorrede ihn heben oder nur schwächen könnte. Der Abstand zwischen den Personen des ersten Theils, und dem Gutmann, Pfarrer, Dechant und den Mönchen des zweyten Theils ist zu groß, Gutmanns Ton und Betragen ist nicht mehr so männlich und bieder; er läßt sich herab, mit dem Dechant und den Mönchen zu spielen; vergißt sich einigemal so weit, daß er, anstatt den jungen Pfarrer zu belehren, gegen die Mönche pasquilliert; freylich läßt sich schon aus seinen Grundsätzen im ersten Theil schließen, daß er die Mönche überhaupt für Personen hält, an denen man sich durch eine Pasquille nicht versündigen kann. Der junge Pfarrer fängt hier auf einmal an, in der Kreutz und Quere zu räsonieren und zu radotiren. Der Dechant hat auch seine Originalität verlohren. Die Mönche sind viel impertinenter geworden. Der Styl der Briefe ist nicht mehr so rund und leicht, und wird einigemal ganz kindisch. Das Datum derselben verderbt endlich vollends die ganze Sache. Zwischen dem letzten Brief des ersten Bandes, und dem ersten des zweyten, ist eine Pause von etlichen Jahren, die um so weniger mit Fleken von Käs, Fleisch, Häringen etc. kann entschuldigt werden, als die Materie dieser zwey Briefe ganz zusammenhängend ist. Das Beste, was der Herausgeber thun kann, um sich mit Anstand und als ein ehrlicher Kerl aus der Sache zu ziehen, ist, daß er seinen Lesern geradezu gesteht, daß die Briefe als Briefe eine platte Erdichtung sind; wohlgemerkt – als Briefe; denn der Inhalt ist nichts weniger als Erdichtung. Sie enthalten viele Thatsachen, die mit so unwidersprechlichen Urkunden könnten belegt werden, als irgend ein historisches Factum in der Welt. Vielleicht wird mancher Leser gerade das für eine plumpe Erdichtung halten, was man ihm actenmäßig beweisen könnte; und in diesem Fall findet der Herausgeber für nöthig, seine werthesten Leser zu bitten, wohl zu beherzigen, daß es seine Schuld nicht ist, wenn – um ontologisch zu sprechen – jedes Ding das ist, was es ist, und daß er weder was dazu, noch davon thun kann, wenn das mönchische Steckenpferd, welches er in diesem zweyten Theil und vermuthlich auch in einem dritten seinen Lesern in puris naturalibus produciren will, leichtern Rittern bis zur Unwahrscheinlichkeit plump und bleyern vorkommen muß. Da diese Briefe nie als Documente einer streitigen Provinz, oder zur Bestimmung der Form einer Kapuze zum Grunde gelegt werden können noch sollen; so glaubt der Herausgeber, weder sich noch irgend einem seiner Leser durch dieses Geständnis der Falsification das Geringste vergeben zu haben.

Andern Lesern werden einige Dinge in diesem Werklein zu ungedacht, zu unreif scheinen: Diesen muß der Verfasser sagen, daß er ganz einerley Meinung mit ihnen ist; daß er aber durch einen Zufall ist gezwungen worden, diese Früchte seines Authorbettes ein wenig unzeitig zur Welt zu bringen. Die Erzählung dieses Zufalls könnte ihn zwar wenigstens in etwas rechtfertigen; da er aber weiß, daß sich das hochgeschäzte Publicum schon sogar Mißgeburten ohne Murren hat aufdringen lassen; so glaubt er die Delicatesse desselben im geringsten nicht zu beleidigen, wenn er ihm seine Kindlein ohne weiter Ercusation [Recusation] und Recommendation geradezu als Abortus producirt.

Der Verfasser ist der Mann nicht, der auf die Kapuzen mit Koth werfen will, so wenig, als das die Absicht des Herausgebers des ersten Theil gewesen ist. Das Vehiculum seiner Briefe gegen das Mönchswesen ist etwas viel anständigeres, als bloßer Muthwillen.

Wer die Anstalten kennt, die seit 10. bis 12. Jahren gemacht worden, die Bärte und Kutten ausser Cours zu setzen; wer weiß, was in Folio und Duodez, directe, und par bricol, methodisch und rhapsodisch, weinerlich und lächerlich gegen das Mönchswesen ist gesagt worden, der wird nicht begreifen können, wie wie man noch weiter etwas neues und zweckmäßiges wider dasselbe vorbringen oder unternehmen könne. – Ich gestehe sehr gern, daß ich eben keine ganz neue Waare zu Markte bringe; auch will ich mir – behüte Gott nicht das ernsthafte feyerliche Ansehen geben, als wenn ich der Welt einen wichtigen Dienst leisten, und für die Princesse Vernunft ein Abentheuer gegen einen Drachen bestehen wollte: Aber daß ich doch eine Absicht, und zwar eine gute, fromme Absicht habe, werden vielleicht diejenigen einsehen, die wissen, wie tief die Möncherey noch bis unter den Fußschemmel der Thronen eingewurzelt ist – trotz dem Schütteln, und trotz dem Zweigeabbrechen.

Wer gewisse sehr anschauliche Provinzen unsers lieben Deutschlands nicht augenscheinlich kennt, und sie nur nach dem Zeitungsgeschrey, nach einzelen Schriftstellern, oder auch nach den Verordnungen der Fürsten beurtheilt, der sollte Wunder meynen, wie licht es in gedachten Provinzen seyn müsse; und käme er selbst hin, wie würde er betroffen seyn, wenn er noch die dicke Nacht mit Händen greifen könne. – Es giebt gewisse Dinge, die nicht durch Ueberzeugung ihrer Zweckmäßigkeit gängig können gemacht werden; sie müssen bloß durch Geschrey, allgemeines Geschrey, aufgedrungen werden. Nicht als wenn sie wegen ihrer Sublimität schwer zu fassen wären, sondern bloß wegen der Dickhäutigkeit des Subjecti adpercipientis Es sind gemeiniglich die trivialsten Dinge. Auch haben wir schon Beweise genug, daß das Schreyen gewürkt hat – und sollte es nun nicht schon eine gute verdienstliche Arbeit seyn, über diese Dinge nur mitzuschreyen?

Natürlich zu schließen sollte man glauben, das Mönchswesen stühnde bey der Aufklärung unsers Jahrhunderts wie Butter in der Sonne. – Ja, wo Aufklärung ist, wo die Sonne scheint: Aber unser katholisches Deutschland hat eine dicke, dicke Atmosphäre; einzelne Stralen dringen wohl hie und da durch; die andern brechen sich darauf, und geben ihm auch wohl von aussen einen blenden Glanz; daß einer, der sich nicht in da Innere des Landes gewagt hat, viel Licht ahnden sollte: Aber mein Gott! wer nur ein wenig in die Steppe hineinwandert. – Einmal ich habe gefunden, daß bey genauer Untersuchung gerade die Gegenden die neblichsten waren, die den meisten Schein von aussen um sich warfen. So oft ich einen Protestanten treffe, der mir die herrlichen Anstalten unsrer katholischen Fürsten rühmt, das Mönchswesen zu beschneiden, hohl ich immer mit einem Seufzer den patriotischen Wunsch aus der Brust: »Wenn doch diese herrlichen Anstalten nur endlich einmal das Eis brächen.« Bis jezt sind sie noch alle samt ihrer Herrlichkeit darauf abgegleitet. Wenn man ein sehr schlechtes, in seiner Natur schädliches Ding vor sich hat, und will es nicht ganz und mit Einem Schlag vertilgen, sondern mit aller Gewalt das elende Ding zustutzen, damit es von aussen ein erbauliches Ansehen bekomme, so müssen alle Anstalten ihren Zweck verfehlen. Man nimmt dadurch doch das Wesentliche dieses Dings in Schutz; den Leuthen, welchen man die Execution dieser Anstalten überläßt, kann es nie wahrer Ernst seyn, weil sie sehen, daß man doch selbst noch Ehrforcht für den Popanz hat – desto schlimmer, wenns nur ceremonielle Ehrforcht ist; die Anstalten verlieren also in ihrer Vollführung ihre Kraft. Ist der Mann, der Theil an der Execution hat, ein heller Kopf; sieht er, daß er an dem Popanz flicken soll, aber den Huth unter dem Arm, und das Knie gebogen – so wird er zur Gleisnerey privilegirt, dazu gezwungen. Wer an gewissen katholischen Höfen gesehen hat, wie weit es die Hofmänner in dieser Kunst gebracht haben, wird meine Meinung durch die Erfahrung bestätigt finden. Ist der Mann ein Dummkopf, so wird er nie mit Muth Hand an das heilige Unding legen: Und so schaden im Grunde alle diese Anstalten mehr, als sie nützen. Gleisner giebt es freilich an jedem Hof; aber Religionsgleisner sind die schädlichsten; und hier ist die Rede von dem Grad der Gleisnerey, und – daß sie der Hof selbst dazu privilegirt.

Ich mögte das ein wenig deutlicher auseinander setzen. Es wäre zum Beyspiel ein Hof, der eine mächtige Noblesse hat, die durch Clima, Erziehung, Mangel an gründlichen Einsichten, Ton etc. ohnehin sehr viel Hang zum Leichtsinn hätte. Dieser Hof gäbe zum Theil zu verstehen, daß er das Mönchswesen eben nicht für heilig, oder nur für gut halte; machte allerley Anstalten zur Reformation desselben; und vorzüglich suchte er den Mönchen die Beute für seine Kammer abzujagen, die sie aus dem Bienenkorbe des Staates zusammenschleppen. Auf der andern Seite machte dieser nämlich Hof drohende ernstliche Verordnungen, sich vor der Kapuze zu beugen; und gleich darauf erschiene wieder ein Mandat, daß die Mönche ziemlich deutlich für Hummeln erklärte, die sich vom Schweiß des Publicums nährten: Kaum hätten die Höflinge das Mandat gelesen, so müßten sie in Gala, und in Gegenwart des Hofs in der andächtigsten Stellung und mit der zuversichtlichsten Miene von einem Mönche auf der Kanzel sich beweisen lassen, daß die heiligen Dominicus, Elias, Augustinus, Franciscus etc. die größten Wohlthäter der Welt gewesen wären, indem sie ihre heiligen Orden gestiftet haben. Muß sich diese Noblesse nicht aus dem Betragen des Hofs den Begriff abstrahiren, die ganze Religion sey eine Täuschung, wodurch die Häupter des Volks die Unterthanen zu blenden suchen? Ist es nun ein Wunder, wenn die muthwilligste Freygeisterey der Hofleuthe mit dem schwerfälligsten Aberglauben des Volks in unsrer katholischen Welt so buntschekigt contrastirt? Und was für schlimme Folgen hat das für die bürgerlichen Verhältnisse! Der Cavalier sezt den gemeinen Mann mit seinen Aberglauben tief unter sich, bis zur Classe der Thiere; wird sein Tyrann, und sucht aus seinem Aberglauben Vortheile zu ziehen. Und bringt ihm nicht der Hof eben diesen niedern Begriff von seinen Unterthanen bey? Alten Täuschungen, und grauem Aberglauben durch Flicken, Beschneiden, Aufpuzen, noch den Credit zu behaupten suchen, ist das gefährlichste Unternehmen eines Fürsten, wenn schon ein ansehnlicher – und besonders der mächtigere Theil des Staats herausgebracht hat, daß es Täuschung, Aberglauben ist, und sieht, daß der Hof selbst nur zum Schein drauf hält. Es sind sehr wenige katholische Staate, wo man sich nicht durch traurige Erfahrung von dem Schaden dieser Gleisnerey überzeugen kann.

Gegen meinen Willen bin ich in Eifer gerathen. Ich hoffe, es werde einigen meiner Leser zum Beweis dienen, daß wir Katholiken noch Ursache genug haben, über die Möncherey zu schreyen; und daß mit allen unsern Reformations=Anstalten noch bis jezt so viel als Nichts gethan ist.


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