Johann Kaspar Riesbeck
Briefe über das Mönchswesen
Johann Kaspar Riesbeck

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Siebenzehnter Brief.

Den 28. Ocktob. 1779.

Bruder! In mir geht eine wunderbare Veränderung vor. Auf Herr Gutmanns Anrathen mische ich mich seit einiger Zeit in allerley häusliche Angelegenheiten. Er hat meine ganze Wirtschaft reformirt. Mein Pfarrgütchen, welches ich sonst einem Bauer um die Hälfte des Ertrags überließ, muß ich nun selbst bauen. Er hat mir vorgeschrieben, wie ich dabey zu Werke gehen müßte. Ich soll dadurch das zeitliche Wohl meiner Pfarrkinder befördern lernen. Er hat mir zwey Kinder, keines über sieben Jahre, aus der Stadt recommandirt, die ich wirklich schon seit 6. Wochen bey mir habe, und die ich nach seinem Plan erziehen soll. Das Kostgeld, welches mir die Eltern monatlich zahlen, ist mir eine ganz artige Beysteuer; ich hab von einem neun Gulden; muß sie aber in allem frey halten. Da es außer der Zeit, wenn die Mönche auf den Termin schwärmen, auf meiner Pfarre ziemlich ruhig ist, so habe ich immer Zeit genug, einige Stunden des Tages auf ihre Erziehung zu wenden. Und was das in der kurzen Zeit meinen Kopf und mein Herz umgestimmt hat! Die Welt fängt mir an ganz neu zu werden. Tausend Dinge, die mir zuvor nie eingefallen wären, machen jezt meine Sinne rege. Die zween Knaben sind ein allerliebstes Pärchen. Bruder, du solltest nur sehen, solltest fühlen, was ich eine Freude an ihnen habe; und wie einen das aufheitert! Ich möchte würklich so ein Paar Jungens fabricirt haben – Gott bewahre mich davor! Ich fange nun an einzusehn, daß man weder wahre Einsicht in die Verbindungen der menschlichen Gesellschaft, noch warme thätige Liebe gegen dieselbe bekommen kann, wenn man nicht durch wirthschaftliche Handlungen mit ihr verkettet ist; und daß man seinen Kopf und sein Herz um so mehr bessern kann, je unmittelbarer und ursprünglicher die Beschäftigungen sind, wodurch man ein würksames Glied der Gesellschaft wird. Ackerbau und Kinderzucht – wenns doch meine eigne wären! Nun begreife ich die Steife, Trotzige, Unbiegsame, Fühllose unsers Adels, unsrer Dechante, Mönche, unsrer Magisters und Professoren auf der Universität. Herr Gutmann hat mir ein Buch gegeben; es ist zwar sehr profan, denn es gehört unter die Romanzen; ist noch oben drein aus dem Englischen übersezt; aber ich kann dich versichern, lieber Bruder, daß ich in keiner Legende, nicht einmal in den Lebensbeschreibungen der heldenmüthigsten Märtyrer, den Trost finden kann, den mir das Buch giebt. Es heißt der Landpriester von Wakefield. Wenn ich doch auch so eine Familie hätte, wie der Mann! Wie gern wollte ich all das Ungemach aushalten, welches ihm durch seine Kinder verursacht wurde! Bruder, das ist ein Mann! Wenn er nur noch lebt! Ich bin eben heute damit fertig worden, und schicke es dir also, daß du auch mit dem armen guten Mann eine Thräne weinen, und dann hinten in den lezten Kapiteln wieder so froh werden sollst, als wenn dir einer weiß nicht wie viel Säcke voll Geld geschenkt hätte. Das ist ein Mann! Du must es mir aber bald zurückschicken; denn Herr Gutmann hat es meinem Schulmeister versprochen, und der treibt mich erschrecklich, ich soll es ihm geben. Ich beneide meinen Schulmeister, daß er das Buch noch besser geniessen kann, als ich; denn er kann sich ordentlich vorstellen, als wenn er der Mann selbst wäre. Ich mußte ihm vorgestern einige Kapitel daraus vorlesen, und ich kam gerade auf die rührendsten; er fuhr gleich auf: Schaut, was unser einer, der dem Befehl Gottes, die Welt zu vermehren, aus allen Kräften nachkömmt, für Hudeleyen, Kreutz und Elend ausstehen muß, wovon ihr Herren euch nichts träumen laßt; aber dafür wollen wir auch trotz euerm schwarzen Rock eine ganz andere Figur im Himmel spielen; denn dort seyd ihr die Herren nicht mehr; da gehts ganz anderst zu. Ich mögte mich gern, lieber Bruder, meiner Einsamkeit entreissen, und ein Mittel haben, mich meiner Gemeinde besser mitzutheilen. Das Wort Einsamkeit fällt dir vielleicht auf; du wirst nicht begreifen können, daß unser einer, der so viel mit Leuthen zu thun hat, einsam seyn soll; aber ich sage dir, daß wir Pfarrers eben so einsam seyn können, mitten im Dorfe, bey täglichem Umgang mit den Leuthen, als der Einsiedler im Wald, wenn wir nicht durch die allgemeinen Beschäftigungen und Wirthschaftsgeschäfte mit ihnen verbunden sind. Ich mache so meine Betrachtungen: Du hörst zur Beicht, gehst zu den Kranken, predigst, wirst auch unter die Leuthe gerufen um Zank und Uneinigkeiten beyzulegen; und da könnte nun einer Wunder denken, wie weit du von der Einsamkeit entfernt seyst: Aber bey allen diesen Beschäftigungen mit den Menschen bist du so ganz allein, so einsam, als der Karthäuser unter seinen Bildern, besonders wenn du nicht zuvor durch verschiedene Gradationen der Gesellschaft durchgegangen bist. Daß allenfalls einem Mann, der, ehe er Pfarrer wurde, schon in einem gewissen Kreise von menschlicher Gesellschaft ist herumgewirbelt worden, und also den Bezug dieser geistlichen Beschäftigungen auf seine Nebenmenschen besser kennt, und weiter ausdehnt; daß diesem Mann das Predigen, Beichthören, das Sterbebette nicht mehr so öde ist, wie mir, das begreife ich wohl: Aber sage mir Bruder, wie weit bin ich von dem wahren Umgang mit den Menschen durch alle meine geistliche Verrichtungen entfernt; ich, der brühewarm von der Schule hieher kam? Selbst meine Handlungen, meine geistlichen Geschäfte, entfernen mich von den Menschen, wenn ich auch in der Mitte von hunderten stehe. Was hat zum Beyspiel das Predigen für eine Beziehung und Verbindung mit der ganzen gesellschaftlichen Verwicklung meines Dorfs? Der Bauer betrachtet mich auf der Kanzel als ein Ding von einer ganz andern Gattung, als er ist; ich bin ihm dadurch so fremd, wie der Popanz auf dem Felde den Vögeln. Mein schwarzer Rock schon verrammelt mir den wahren Sinn des bürgerlichen Umgangs. Das Heilige, Ceremonische meiner Handlungen macht mich meinem Nächsten so unverständlich, wie er mirs in seiner bürgerlichen Lage ist. Nun habe ich dir gesagt, wie ich meinen ehelosen unbürgerlichen Stand betrachte. Durch die Veranstaltungen des Herrn Gutmanns komme ich nun meiner Gemeinde ein wenig näher. Es hat sehr grossen Einfluß würklich schon auf meine geistliche Verrichtungen; denn ich fühle, es geht alles mehr ad hominem, wenn man selbst auch ein ordinärer homo mit ist. Es wird immer noch besser mit mir werden. – Wenn nur die zwey Buben meine wären!

Ich ersuchte Herr Gutmann, mir über die Entstehung des Celibats in der Kirche Erläuterung zu geben; er that es wie folgt.

Die erste Erwähnung des Celibats in der Kirchengeschichte finden wir in dem Provincialconcilium von Elvira in Spanien, zu Anfang des vierten Sekulums. Es folgten ihm einige andre Provincialconcilien nach; und die Art, wie man das Celibat regulirte, war diese. Man fragte die geistlichen Candidaten, ob sie Willens wären sich zu verheyrathen, oder nicht; wenn sie nein sagten, so war es ihnen nicht mehr erlaubt, ein Weib zu nehmen; wann sie aber in den Ehestand tretten wollten, so erlaubte man es ihnen nach dem Eintritt in ihre geistliche Stelle zu thun. Man besezte aber diesen leeren Plaz nicht eher mit einem, der sich verheyrathen wollte, als bis man keinen andern, der ledig zu bleiben versprach, dazu haben konnte. Das geschah nun nicht, weil man die Ehe für einen Widerspruch des Clericats ansahe, sondern wegen der Armuth der Kirchen, die einen Pfarrer mit einer grossen Familie nicht ernähren konnten. Man brauchte diese Vorsicht, damit sich die Kirchengüter durch Vertheilung unter die Familien der Diener nicht schmälerten; oder daß nicht die natürliche Zuneigung der Hirten gegen ihre Familien sie in ihren geistlichen Verrichtungen hinderte. Diese angegebene Bewegungsgründe, welche die einzigen sind, werden sehr unzulänglich, wenn man bedenkt, daß die Kirchengüter von der Erbschaft der Diener leicht zu trennen waren; daß in jedem Staat die Hälfte seiner Glieder nicht von würklichem Eigenthum, sondern nur von einer Art von Nutzniessung lebt; daß wenn die Pfarrer keine Weiber und Kinder haben sollten, sie auch keine Eltern, Geschwistere, Vettern, Baasen haben müßten, die alle auf ihre natürliche Zuneigung Ansprüche machen könnten. Und dann glaube ich nicht, daß diese Zuneigung einem Diener der Kirche schädlich seyn soll; ich behaupte im Gegentheil, daß er ohne dieselbe zu den liebevollen Geschäften der Seelsorge sehr untauglich wird. Das Band der Blutsfreundschaft macht seine Empfindungen rege; giebt ihm Eifer, Thätigkeit und Gelegenheit, den wahren Zustand seiner Gemeinde in ihren häuslichen Angelegenheiten kennen zu lernen, ohne welches er für sie ganz unbrauchbar wird. Unterdessen fieng man an, den ehelosen Stand für einen Weg zu geistlichen Pfründen anzusehen; und durch einige Provicialconcilien waren nun die Vorsteher der Kirche dazu disponirt, daß auf dem allgemeinen niceischen Concilium die Frage aufgeworfen wurde: Ob es gut sey, die Diener der Kirche zu verbinden, sich von der Ehe zu enthalten; sogar diejenigen, welche würklich schon Weiber und Kinder hätten? Alle waren einig, das Celibat zu einem Gesetze zu machen. Ich muß Ihnen anmerken, Herr Pfarrer, daß dieses im Jahr 325. vorfiel; und also das Christenthum schon über drey Jahrhunderte beweibte Diener hatte; und daß die Familienbande gewiß sehr viel zu der originellen Wärme der alten Kirche beygetragen haben. Wie nun das niceische Concilium eben das Gesetz niederschreiben wollte, so stand Paphnucius, ein Mann von grossem Ansehn auf, der für das Evangelium gelitten hatte, und der selbst im Celibat lebte. Er widersprach der Kirchenversammlung mit so viel Nachdruck, daß ihm alle Beyfall geben mußten. Er bewies aus der Schrift, Heb. 13. v. 4. daß die Ehe allen Menschen anständig sey. Er drang durch, und das Concilium begnügte sich damit, daß es denen, die schon wirklich zu Dienern der Kirche geweyht wären, und noch keine Weiber hätten, verbot sich zu verheyrathen. Das Celibat war also nach dem Concilium noch kein allgemeines Kirchengesetz; denn man findet, daß sich hernach noch viele Bischöfe verheyrathet haben. Hieronymus, Nizephorus, und Athanasius sagen es ausdrücklich, daß es weder ein Befehl Gottes, noch der Kirche war, ledig zu bleiben. Nach dem nicäischen Concilium haben sich noch der heilige Hilarius, der heilige Gregorius Nazianzensus, und viele andre verheyrathet; und vor dem Concilium findet man sogar unter den ersten Mönchen in Egypten verheyrathete in der Wüste. Gegen das Ende des vierten Jahrhunderts fiel es dem römischen Bischof Syricius ein, aus eignem Antrieb den Geistlichen die Ehe zu verbieten. Daß sein Decret keine allgemeine Beachtung gefunden, und also die Unfehlbarkeit des Pabstes, und seine unumschränkte Gewalt über die Kirche damals noch etwas ganz unbekanntes war, folgt daraus, daß man in der Geschichte noch bis in die Mitte des zehnten Sekulums verehelichte Geistlichen findet. Salvianus sagt uns, daß berühmte Lehrer der Kirche sich dem Celibatgesetze entgegengesezt haben. Noch mehr: Man kennt Bischöfe von Rom, die zuvor Seelenhirten und doch dabey verheyrathet waren; wie Bonifacius I., Felix III., Gelasius I. es giengen also viele Jahrhunderte vorüber, ehe dies Unheil mehr durch Gewohnheit, als durch ausdrückliche Befolgung eines Gesetzes allgemein wurde. Das Celibat, wodurch die Kirchendiener aus aller menschlichen Activität gesezt wurden, war hauptsächlich an der schrecklichen Unwissenheit der Geistlichen, und besonders der Bischöfe im achten Sekulum, mit Schuld. Baluzius bemerkt, daß damals die Priester nicht lesen und schreiben konnten; und Carl der Grosse mußte den Bischöfen befehlen, das Vater Unser zu lernen. Von der Geistlichkeit hieng damals die ganze Cultur der christlichen Welt ab: Das Celibat trug also auch viel zu der ganz allgemeinen Unwissenheit bey, welche zu dieser Zeit unsern ganzen Erdkreis bedeckte. Hätten die Ehrwürdigen häusliche Verbindungen gehabt, so hätte sie doch ihr weltliches Interesse bewegen können, daß A B C zu studiren, und auch allenfalls ein Recherchen zu probiren. Und in dieser dicken Nacht, Herr Pfarrer, wo alle Vernunft schlief, alle gute Empfindungen der Menschheit unterdrückt, und die Europäer unsre Voreltern nichts als Klötze waren, ohne alle sittliche Mittheilung; da kam das Celibat zu seiner Würde. Als Hildebrand anfieng die Unwissenheit unsers Welttheils zu seinen politischen Absichten zu benuzen, mußte er seinen Absichten gemäß solches in seinen Schutz nehmen. Nun wurde aus allerley politischen Absichten der Begriff von Keuschheit verdreht, und der ehelose Stand trotz dem alten Paphnucius geheiligt. Nun erfoderte es das Staatsinteresse des römischen Hofs, daß die Kirchengüter unter keine Familien getheilt; durch Absterben der Priester ohne Erben vergrössert, der Unterschied zwischen geistlichen und weltlichen Gütern durch gänzliche Trennung der Priester von allen Gesellschaftsbanden bestimmter, und also der Begriff von Immunität deutlicher werde. Er mußte darauf sehen, daß von den Kirchengütern so viel Diener leben konnten, als nur möglich war, weil die Vergrösserung ihrer Zahl ihm unendlich wichtig schien, und die Personalimmunität ihn gegen die Fürsten mächtig machte. Es war ihm zugleich daran gelegen, daß seine Diener handveste, unbiegsame, trotzige Leuthe seyen, ohne zärtliche Verbindung mit der übrigen Gesellschaft; und daß sie durch keinen Reiz von geselligen Vergnügen je zu bewegen wären, von ihren und des Pabstes Prätentationen nur das Geringste zu vergeben. Nun kamen die Ordensstifter, und stellten dem römischen Hof ein Heer streitbarer Männer hin, die besonders durch das Gelübde der übelverstandenen Keuschheit ganz nach seinen Absichten disciplinirt waren. Unter ihnen trieben die Jesuiten den Eifer zur engelreinen Keuschheit auf den höchsten Grad. Sie thaten es aber auch nur aus der politischen Absicht, dem schönen Geschlecht alle Wege, in ihre Mysterien einzudringen, zu verriegeln. Ich habe die geheime Instruction ihrer Provinzialen und Rectoren als Manuscript aus sehr authentischen Händen bekommen, worin es ausdrücklich steht: Es wird darin den Obern befohlen, das Glied, welches einen zu vertrauten Umgang mit Frauenzimmern hätte, und in ihren Mysterien noch nicht initiirt wäre, entweder aus der Gesellschaft zu stossen, oder nie zu den Geheimnissen beyzulassen; wenn es aber schon initiirt wäre, so müßte es in die genauste Verwahrung genommen werden; denn nichts sey der Gesellschaft gefährlicher, als der Umgang mit dem andern Geschlecht. Wenn man nun unter ihnen bekannt war, und sieht, daß ihre Keuschheit gegen schöne junge Knaben eben nicht so spröde that, so wird man leicht überzeugt, daß eben nicht die Seelenbefleckung die Ursache ihrer sauern Miene gegen das schöne Geschlecht war. Das Concilium von Trient konnte, wegen dem päbstlichen Einfluß, durch seine Creaturen, die es über die Hälfte besezten, von dem Interesse des römischen Hofs nichts vergeben; auch war bey sehr vielen Vätern der Kirchenversammlung das Interesse ihres Ordens zu wichtig, als daß sie dem Credit des Celibats Abbruch thun sollten; und nun ist es nicht mehr zu bewundern, daß dieses Concilium in seiner vier und zwanzigsten Sitzung im neunten und zehnten Canon das Celibat so sehr heiligt. Es klingt sehr sonderbar, was es sagt. Der neunte Canon lautet also: Si quis dixerit, clericos in sacris ordinibus constitutos, vel regulares, castitatem solemniter professos, posse matrimonium contrahere, contractumque validum esse non obstantelege ecclesiastica vel vote; & oppositumnil aliud esse, quam damnare matrimonium; posseque omnes contrahere matrimonium, qui se nonsentiunt castitatis, etiamsi eam voverint, habere donum; anathema sit: Cum deus id recto petentibns [tetentibus ?] non deneget, nec patiatur nos supra id, quod poissumus, tentari.Si ... – Wenn einer sagen sollte, daß es Geistlichen, die sich in einem heiligen Orden befinden oder die nach der Mönchsregel leben, die das Gelübde der Keuschheit feierlich abgelegt haben, eine Ehe eingehen dürfen, daß der Vertrag gültig bleibt und Kirchengesetz und Gelübde nicht im Wege stehen ... daß alle eine Ehe eingehen können, auch wenn sie die Keuschheit gelobt haben, also das Geschenk der Keuschheit erhalten haben, der soll verflucht sein: Obwohl Gott die Ehe denen, die ihn darum bitten, nicht verweigert, duldet er nicht, daß wir darüber hinaus in Versuchung geführt werden. Was denken Sie sich bey dem Ausdruck donum castitatis, Herr Pfarrer? Fällt Ihnen nicht der der frigidus und maleficiatus ein? Sagt das Concilium nicht eben so viel, als Gott wird und muß alle Priester, die gesundes Blut und tüchtige Glieder haben, maleficiren, wenn sie recht darum bitten? Ist es nicht würklich kühn von einer Kirchenversammlung, die Leuthe, welchen man nicht helfen kann, an ein ausdrückliches Mirakel Gottes zu verweisen? Und dieses Mirakel heißt frigus & maleficium! Wozu denn ein Gelübbe, keusch zu bleiben, wenn Gott denjenigen, der ihn darum bittet, kalt wie Eis machen muß? Ist denn die Keuschheit eine Tugend, ein Verdienst, wenn sie ein Mirakel Gottes, ein donum ist? O die hochwürdigen Kirchenväter! Paphnucius, Herr Pfarrer – vielleicht hätte er auch nicht Muth genug gehabt, zu Trient eben so dreiste zu thun. In dem zehnten Canon wird nun allen unsern neuern Philosophen, Statistikern, und allen heutigen europäischen Fürsten geflucht. Si quis dexerit, statum conjugalem anteponendum esse statui virginitatis, vel celibatus, & non esse melius ac beatius manere in virginitate, aut celibatu, quem jungi matrimonio; anathema sit.Si quis ... – Wenn einer sagen sollte, daß der Stand der Ehe dem Stand der Jungfräulichkeit oder dem Zölibat vorzuziehen sei, und daß es nicht besser und glücklicher sei, in der Jungfräulichkeit oder im Zölibat zu verbleiben, als sich in der Ehe zu verbinden, der soll verflucht sein. Wehe unsern Fürsten! Ich will Ihnen nichts mehr bey diesem Canon bemerken, als die sorfältige, wiederholte Unterscheidung der Kirchenväter zwischen Jungfrauschaft und ehelosem Stand. Mancher der Kirchenväter zu Trient wollte wohl seines Celibats unbeschadet eben nicht zu dem Chor der heiligen Jungfrauen gezählt werden; es war ihm eigentlich nicht so viel daran gelegen, die Feinde der Jungfrauschaft, als die des Celibats zu verfluchen; und deswegen machte man die ängstliche Distinction. Mit dem vorigen Canon hienge es viel besser zusammen, wenn es hiesse: Qui donum castitatis nonhabet, qui non frigidus & maleficatus est, anathema sit.Qui donum ... – Wer das Geschenk der Keuschheit nicht hat, wer nicht kalt oder böswillig ist, der soll verflucht sein. Es ist doch sehr natürlich, daß einer, der den Stachel des Fleisches fühlt, und also die Gabe der Keuschheit nicht hat, den Ehestand dem Celibat vorziehe. Thut ers, so ist er nach dem Ausspruch des Conciliums verdammt. Die Menschen sind entweder alle verflucht, oder sie müssen alle Gott um die Gabe der Keuschheit bitten, die sie auch nach der Kirchenversammlung von ihm richtig erhalten; denn keiner darf sagen, ich finde meinem Leibe eine Frau zuträglicher als das Celibat. Ich kann den Canon niemal lesen, Herr Pfarrer, ohne daß mir die römische Hurenpolizey einfällt. Ja wenn sich jeder ehrliche Pfarrer, dem seine Menschheit zu rebellisch wird, wie die Kardinäle in Rom Mätressen halten dürfte, so könnte er sich von dem donum castitatis und der Würde des Celibats vielleicht den Begriff machen, den die Kirchenväter zu Trient damit verbunden haben. Paphnucius war ein grosser Mann, nicht wahr, Herr Pfarrer?

Ich konnte Herrn Gutmann mit nichts als einem Seufzer antworten. Glaube eben nicht, Bruder, daß ich über meine Schwachheit, dem Teufel nicht widerstehen zu können, geseufzet habe. Mir fiel der gute Landpriester von Wakefield ein, der so stolz auf die Früchte seines Ehebettes war, daß ihm allezeit die Geschichte des Grafen Abensberg einfiel, so oft er unter seinen Kindern stand. Dieser Graf Abensberg stellte bey der Durchreise Heinrichs II. durch Deutschland seine 32. Kinder, als das beste Geschenk, welches er geben konnte, seinem Monarchen vor, da die übrigen Hofleuthe allerhand Kostbarkeiten zu Geschenk machten. Der Mann ist so gut, und hält so viel auf die Ehe, und der Graf Abensberg auch; und sie sollen darum beyde verdammt werden? Darüber habe ich geseufzet, lieber Bruder! Aber Herr Gutmann tröstete mich damit, daß das Concilium von Trient eben nicht so allgemein angenommen sey; daß selbst viele catholische Provinzen dagegen protestirten; und so, denke ich, wird der Fluch meinen lieben Landpriester zu Wakefield nicht treffen. Denn ich muß dir gestehn, lieber Bruder; so frey und unpäbstlich ich auch sonst denke, so zittre ich doch, wenn ich besonders von einem Concilium das Wort Anathema aussprechen höre. Es hängt mir noch so von Jugend auf an; denn bey diesem Wort kömmt mir allezeit die Beschreibung vor Augen, welche uns unsre Schulmeister von einem verbannten, und von der Kirche excommunicirten Menschen gemacht hat: Wie ihn der böse Feind bey Tag und Nacht herumpeitscht, daß er nie Ruhe hat; wie seine Speisen bald zu Kröten, Läusen, Schlangen und allerley giftigen Thieren werden; wie er in seiner Verzweiflung bald die Wände hinanklettern will; bald an Flüsse und Seen sprengt, um sich zu ersäuffen, wo ihn aber allezeit der böse Feind wider wegpeitscht; wie er in seiner Beängstigung die Berge und Thürme über sich zusammenstürzen will.

Diese Vostellung der Würkungen der päbstlichen Excommunication ist in Italien und Spanien unter dem Volk noch ganz allgemein nach den neuesten Nachrichten. D. H.

Herr Gutmann hat mir nun diesen Begriff von römischen Bannwirkungen benommen; aber der Eindruck, den er auf meine Phantasie gemacht hat, und dann die Scheiterhaufen, die das Wort Anathema angezündet, und die ich erst von Herrn Gutmann habe kennen lernen, machen mich immer noch zittern, wenn ichs höre. Ehe ich dir weiter schreibe, Bruder, must du einen ganzen Brief hören, so wie ich ihn eben von meinem Dechant geschickt bekomme.


Dilecte in Christo!

Nachdeme nunmehro eine geraumige Zeit verflossen ist, daß wir mit mehr als väterlicher Langmuth und Indulgenz seinen mehr als freygeisterischen Narredeyen und Insolenzen nachgesehen, und durch die Finger geschaut; so haben wir endlich nicht länger unterlassen können, an ihne diese Zeilen zu schreiben, um ex motu spiritus sancti seine Ungläubigkeit zu Schanden zu machen, und zu confundiren, prout spiritus sanctus dabat eloqui illis.prout spiritus ... – so wie es der Heilige Geist uns gegeben hat, zu jenen zu sprechen (Apg. 2.4) Act. Apost. C. 2. V. 4. Höre er uns junger ausgelassener Hengst, contra stimulum recalcitrans, höre er seine Mutter, die christcatholische Kirch, wenn er nicht unsern Zorn fühlen, seine Pfarre verliehren, den Keil der Excommunication über seinen frevelhaften Kopf provociren, und als ein Ethnicus & Publicanus declarirt werden will. Höre er uns; und das sey ihme hiemit zum letztenmal gesagt: non medicabile vulnus ense recidendum est. Sag er, was haben ihme die ehrwürdigen P. P. Franciscaner zu leid gethan, daß er sie in ihren heiligen Exorcismis, wovon er junger Schulbube doch keinen Gänsedreck s. v. versteht, zu stöhren trachtet; daß er sie zur Aergernuß seiner ganzen Gemeinde prostituiert: Weiß er den Ausspruch des ewigen Wort Gottes, vae homini per quem scandalum venit? Wenn uns die P. P. Franciscaner nicht selbst inständigst ersucht hätten, die Sache geheim und mit Gelindigkeit zu tractiren, damit das Aergernuß, welches er zu geben sich unterfangen, nicht noch mehr Seelenschaden anrichten mögte; dann rührt man den Koth, so stinkt er weit; so wären wir stante pede zur Execution geschritten. So seye ihme hiemit unter seinem geistlichen Gelübbe des Gehorsams befohlen, daß er längstens in Zeit von acht Tagen, wo wir uns in eigner Person zu ihme bemühen werden, um seine Seele zu erretten, parat seye, eine General=Beicht und Glaubens=Bekanntnuß abzulegen, und in unsrer Gegenwart den ehrwürdigen P. P. Franciscanern Abbittung zu thun. Bis zum Verlauf dieser Zeit seye es ihme auch verbotten, mit dem Gutmann zu reden; noch weniger ihme was von diesem unserm Schreiben zu vermelden; das auch sub obedientia. Ferner seye ihme auch alles alles anderweitige Vergehen gegen unsre Willensmeynung, als der ist, Bücherlesen, Räsonniren über Glaubenssachen, besonders mit dem verketzerten Schulmeister, ihn so lange sub obedientia verbotten, bis wir ihme von dem Consistorium, oder der gesammten catholischen Kirche, nämlichen unserm heiligen Vater, J. H. dem Pabst, nach einem von uns, nach unserm selbsteignen Gutbefinden eingerichteten rechtlichen Bericht, ausgewirkten mandato speciali weiters Ordre geben werden wollen. Pro clausula müssen wir noch beyfügen, daß das alles, was wir ihme hier zu wissen gethan haben, letzthin, als ich ihne bey seinem feinen Kameraden, dem Holunken Gutmann, attrappirt habe, schon ihme insinuirt worden wäre, wenn der Höllenbraten nicht durch allerley Verstellungen und profane Kunstgriffe unsre Benevolenz captirt hätte. Wir hatten uns schon mir apostolischem Eifer, und dem Wort Gottes, wie auch der Kirche, einige Wochen zuvor ganz unermüdet gerüstet und gewapnet, und lange deliberirt, wie wir seinen Unglauben angreifen wollten. Weil aber geschrieben steht, man solle das Wort Gottes den Hunden nicht vorwerfen, so ware es sehr gut, daß wir uns damit nicht vergangen haben; denn er ist obstinat und auf keinerley Weise von dem Reich des Satans zu erretten. Zeig er durch Befolgung meiner hier gegebnen Befehle, daß er würdig ist, das Wort Gottes zu hören, und von den Hunden separirt zu seyn, hört ers! Und so verspreche ich ihme meine väterliche Huld und Gnade, und das ewige Leben.

Sein

seiner Seele eifrigst beflissener Dechant.


Also zu meinem Dechant eilten die Mönche von dem Schulzen weg. Und was sie da ihrer Sache einen so heiligen Anstrich gegeben haben! Wie ihnen die Aergerniß meiner Gemeind so nahe geht! Natürlich haben sie ihm den Umstand, daß das Gespenstermährchen ihre eigne Anstalt war, verschwiegen; und wenn wir auch die geschriebene Rolle des Geistes aufweisen, und auf Ehre und Seligkeit versichern, und auch der Wagnersjunge eidlich betheuern wollte, daß sie Schurken sind, so wären sie doch unverschämt und mächtig genug, das schöne Prädikat auf uns zu retorquiren. Der Jung müßte bestochen, und alle unsre Aussagen müßten Lügen seyn. Was können nicht so ein paar Mönche, und ein Dechant thun? Diesem wollte ich noch verzeihen; ich nehme seine Proceduren für Unwissenheit und Amtseifer an: Aber die Mönche! – – Ha ha, Bruder! Ich muß lachen, wenn ich meinen Dechant betrachte, wie er wohlmeinend mit dem Heil meiner armen Seele mir Excommunication droht; dann wieder väterliche Huld und Gnade will angedeihn lassen – und wenn ich mir ihn vorstelle, wie er mit apostolischem Eifer, mit dem Wort Gottes und der Kirche gerüstet und gewappnet, zu Herrn Gutmann kam – Mir fällt ein herrlicher Sentenz ein, den mir Herr Gutmann einmal aus einem alten Franzosen, Rabelais genannt, und zugleich auch eine artige Klosterreformation von einem handfesten Mönch selbst projectirt, vorlas: Das Sprüchelchen lautet also: Ein Scheißhaus bleibt ein Scheißhaus, und wenn mans auch wie einen Altar baut. Mein Dechant mit Bannstral und Gnade, mit apostolischem Eifer und dem Wort, bleibt doch der dicke drollige Dummkopf, der, ohne eben das Wort den Hunden vorzuwerfen, doch nie mit seiner Rüstung dem Himmel eine Seele gewinnen wird.

Ich fürchte mich gar nicht für seinem apostolischen Eifer, lieber Bruder! Denn wenn mein Fuß übermorgen besser ist, so reise ich mit Herrn Gutmann nach Hofe. Ich muß freylich unterdessen meine Schaafe einem Mönch überlassen, und das ist eben so viel, als den Wolf zum Hüter setzen; aber es ist unumgänglich nothwendig, um dem Gezerre mit den Mönchen und meinem Dechant ein Ende zu machen. Herr Gutmann hat da einen guten Freund, der viel vermag, und mich in Schutz nehmen soll. Doch seh, bald hätte ich vergessen, dir zu sagen, was es mit meinem Fuß eigentlich ist. Der Gnädige Herr ist für das zeitliche Wohl seiner Unterthanen eben so wenig besorgt, als für ihr ewiges. Unser Chirurgus war sein Kammerdiener, und hat die Köchin aus politischen Ursachen geheyrathet: Er bekam dadurch in der hiesigen und benachbarten Herrschaft das Physikat. Er kann nichts, als rasieren und frisieren; denn im Aderlassen ist er so unglücklich, daß ihm noch keine ganz gelungen ist. Er hat schon einige krumme Füsse hier gemacht: Ich hoffe noch mit graden Gliedern davon zu kommen; denn der Geschwulst legt sich schon. Er giebt den Bauern Laxirungen daß sie in die Stadt zum Doctor laufen müssen um die Wirkung zu stillen; und da haben sie allzeit ein halbes Jahr vonnöthen, um wieder zu Kräften zu kommen. Er hat ein gebrochenes Bein dem Kind meines Nachbars curirt, daß der Chirurgus aus der Stadt dasselbe wieder brechen mußte, um es recht heilen zu können; und obendrein verklagt er die Leute noch wegen den Eingriffen in sein Physikat, und der gnädige Herr straft sie erbärmlich, wenn sie einen andern Arzt nehmen. Mit ihrem Seelen=Arzt wären meine Pfarrkinder eben so gut durch die treflichen Anstalten ihres Landesvaters versorgt gewesen, wenn nicht der verfolgte Gutmann sich die Mühe genommen hätte, ihn zu inspiriren. Ich erschrecke, Bruder, wenn ich daran denke, was ich für ein geistlicher Orangoutang worden wäre, wenn ich unter der Leitung der Mönche und meines Dechants meiner Gemeinde hätte sollen einen Pfarrer repräsentiren. Es ist doch wunderbar, wozu der große Haufen des gemeinen Volks – der doch den wichtigsten Theil der Schöpfung ausmacht – bestimmt ist. Nehme mir nicht übel, Bruder, wenn ich dir manchmal meine philosophische Betrachtungen in die Kreuz und Quere vorplaudere. Eine einzige Grille des regierenden Herrn kann entweder sein Volk glücklich oder unglücklich machen, und das in den kleinsten, wie in den grösten Staaten. Und von diesen Grillen hängt das Wohl der Allheit ab! Auch sogar der Glanz der berühmtesten Nationen resolvirt sich oft auf eine Laune des Regenten. Wenn mein Barbier nur die Mätresse eines grossen Königs geheyrathet hätte, wäre er Minister worden: Oder ich, ohne einen Gutmann, Mufti! Lebe wohl, Bruder!


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