Johann Kaspar Riesbeck
Briefe über das Mönchswesen
Johann Kaspar Riesbeck

 << zurück weiter >> 

Anzeige. Gutenberg Edition 16. Alle Werke aus dem Projekt Gutenberg-DE. Mit zusätzlichen E-Books. Eine einmalige Bibliothek. +++ Information und Bestellung in unserem Shop +++

Vierzehnter Brief.

Den 20sten Jun. 1779.

Herr Gutmann fährt nun mit dem besten Erfolg fort, mir die Schuppen von den Augen wegzuwischen: Ceciderunt ex oculis ejus tanquam squamniae.Ceciderunt ... – Sie fielen von seinen Augen wie Schuppen. Vgl. Apg 9.18, die Bekehrung des Saulus vor Damaskus Deute es mir nicht übel aus, l. Bruder, wenn ich dir sage: Der Mann ist mir mehr als Schrift und Kirchenväter; denn was ist mir auch das Allerheiligste, wenn ich den Sinn nicht habe, es zu schmecken? Was ist mir alle Schönheit, wenn ich den Stahr in den Augen habe? Er ist's, der mir die Augen öffnet, um in das Heiligthum der Wahrheit zu schau'n. Ich kann dir nicht sagen, l. Bruder, welche Beruhigung ich in mir fühle, daß ich ohne alle Präsumption jedem Stral der Wahrheit, woher er auch komme, Kopf und Herz offen habe; daß ich nicht bin von dem Schlag des Dechants und der Mönche, qui dura cervice & incircumcilis cordibus & auribus semper spiritui sancto resistunt.qui ... – der hartnäckig und mit hochmütigem Herzen und verschlossenen Ohren dem Heiligen Geist Widerstand leistet Halte das nicht für das Gebeth des Pharisäers – es ist so ganz ohne Eitelkeit. – Doch bey dir bedarf ich keiner Entschuldigung; du bist ja ohnehin der Mann nicht, der gerne Sünden macht.

Gestern ließ mich Herr Gutmann zu sich rufen: Hier haben Sie, sagte er, die Licenz verbotene Bücher zu lesen, und den Index dazu. Wir hätten einen kürzern Weg nehmen können; denn würklich finden sich die meisten unsrer Vicariaten und Consistorien beleidigt, wenn man sie übergeht. Ich wollte Ihnen aber beweisen, wie leicht man in Rom ohne alle Kenntniß der Person, der Absicht, des Orts etc. dispensirt, nur um einige elende Pfennige einzustecken. Man hat hier bey der Licenz, sehen Sie Herr Pfarrer, noch einige Bücher reservirt. Ich bedaure keines davon; denn sie waren alle so glücklich, durch einen Schwarm Refutatoren allgemein bekannt zu werden. Anstatt des reservirten Febronius sollen Sie mir Herr Pfarrer eine tüchtige Refutation davon mit ungleich besserer Würkung lesen, wenn Sie sie mit den Quellen zusammenhalten, woraus Febronius geschöpft hat, und wovon man keine reservirt hat. Nun muß ich Ihnen von der Geschichte und dem Endzweck dieses indicis expurgatoriiindicis expurgatorii – Index der verderblichen Bücher, also der berühmte Index der für Katholiken verbotenen Bücher einige vorläufige Kenntniß geben.

Ein Reich, das auf Meinungen gebaut ist, hat keinen förchterlichern Feind, als eine Art, seine Gedanken andern schnell mitzutheilen, und sie populär zu machen. Denken, Selbstdenken ist an sich schon eine böse Krankheit für ein Reich von dieser Gattung; aber so lange der Schaden nur in einzeln, äußern Gliedern sitzt, kann es sich durch Schneiden und Brennen immer noch eines tödlichen Brands erwehren; wenn es nur dafür sorgen kann, daß aus dem Uebel keine ansteckende Seuche entstehe, die zu geschwind um sich greife.

An unserm lieben Rhein, Herr Pfarrer, wurde dem päbstlichen Reich von einigen harmlosen Bürgern der gräßlichste Streich gespielt. Die guten Leuthe erfanden das Buchdrucken. Bis dahin war es seinen Widersprechern, deren es schon gleich bey seiner Entstehung gnug hatte, allezeit gewachsen. Die Gährung blieb nur in den Schulen; oder wenn irgend ein gefährlicher Satz unter dem Volk zu laut wurde, so verdammte man ihn zur Hölle, und seine Anhänger zum Scheiterhauffen. Man hatte die Mittel noch nicht eine Lehre schnell zu verbreiten; und jede Lehre war für den gemeinen Mann hieroglyphisch. Die Schulen hatten ihre eigne heilige Sprache, die kein Ungeweihter verstehen konnte. Die Bücher waren rar und theuer, weil sie mußten geschrieben werden. Der langsame Gang einer Ketzerey ließ dem römischen Hof immer Musse genug, seine Kräfte zu sammeln, und der Gefahr vorzubeugen. Aber als zu Luthers Zeiten die Buchdruckerkunst schon zu einer erstaunlichen Vollkommenheit gebracht war; als man es sogar wagte, in der platten, verständlichen Muttersprache Dinge zu sagen, die zuvor nur im hohen mystischen Schulton gesungen wurden, da war nun der Damm gebrochen, der bis dahin der schnellen Mittheilung unsrer Gedanken im Weg stand; und nun war es nicht mehr so leicht, die Ketzereyen zu ersticken. Wenn Hans Huß die Vortheile einer populären Sprache und des Buchdruckens gehabt hätte, so hätte er schon eine geraume Zeit früher dem päbstlichen Reich den Stoß beygebracht, den ihm hernach Luther versetzte.

Wenn ich sage, päbstliches Reich, Herr Pfarrer, so verstehe ich nicht die catholische Kirche. Ich glaube, ich habe Ihnen diese Distinction schon oft wiederhohlt. Unter päbstlichem Reiche verstehe ich den Hof, der nicht lange vor Luther dritthalb Millionen Gulden aus Deutschland zog, ohne mit unsrer Staatsverfassung eine andere Verbindung zu haben, als daß er uns bald an die Saracenen, bald an die Franzosen, dann an die Venetianer, bald wieder an Sicilien oder Mayland hetzte, nachdem ihm irgend einer von diesen Feinden zu nahe auf den Hals kam. Ich verstehe den Hof, gegen den schon vor Luthers Epoche der deutsche Reichstag hundert Beschwerden zu Papier gebracht hatte; über den sich selbst unsre geistlichen Churfürsten beklagten, er habe die freye deutsche Nation zinsbar gemacht, vergreiffe sich an den Rechten unsrer Könige, und mißbrauche seine geistliche Gewalt zur Ausdehnung seiner irdischen Herrschaft.

Mit Zittern sah der heilige Vater, welches Ungewitter durch die unselige Buchdruckerkunst sich über seinem Haupt zusammenzog. Es war also sehr natürlich, daß Alexander VI. ohngefähr im Jahre 1496. ein Edickt herausgab, wodurch allen Buchdruckern unter Bannstrafe verbotten ward, irgend was ohne Erlaubniß des Pabstes oder seiner Legaten unter die Presse zu nehmen. Wenn auch dieses Präservative nicht von dauerhafter Würkung seyn sollte, wie leicht auszurechnen war, so war es doch ganz in der Manier des Pabstes, selbst von den Werkzeugen seines Untergangs so viel zu profitiren, als möglich war. – Homer lobt am Helden Ajax, daß er sogar auf seiner Flucht dem Feind noch allen möglichen Abbruch that. So passend das Gleichniß ist, womit er den Helden in den Augen seiner Leser erheben will, so darf ich es doch auf den heiligen Vater nicht anwenden, wenn es gleich auf ihn noch passender wäre, als auf Ajax – denn einige Criticker behaupten, es wäre für den alten Heiden zu niedrig – wie viel niedriger müßte es für die Person des heiligen Vaters seyn? – Der Pabst also suchte den unglücklichen Bücherverlag, so lang es thunlich wäre, zum Besten des heiligen Aerariums zu benutzen. Wir haben nun schon zween Beweggründe, Herr Pfarrer, die dem heiligen Vater den Plan des Bücherverboths eingeben mußten. Der erste ist – das Denken einzuschränken, oder wenigstens die Communication eines nachtheiligen Gedankens zu hemmen: Der zweyte – mit den Drukprivilegien einen einträglichen Handel zu treiben.

Nun führt uns die Geschichte dieses Index auf den dritten Beweggrund, der bloß in dem Charakter Leo des X. seinen Ursprung hat. Dieser Mann, dem Künste und Wissenschaften so viel zu danken haben, hatte Nichts geringeres vor, als Rom zur Schule der ganzen Welt zu machen. Seine Absicht war, Rom nicht nur zum Mittelpunkt der Religion, sondern auch der ganzen Scholastik zu machen. Sprache, Philosophie, Rechte, Theologie etc. alles sollte römisch seyn. Zwar war schon vor seiner Regierung Italien für die gesittetern Europäer das, was ihnen jezt Frankreich ist; und die beste Empfehlung für einen Gelehrten war, wenn er in Bologna studirt hatte: Aber es geschahe mehr aus Gewohnheit, die dadurch veranlaßt wurde, daß Italien mit den griechischen Künsten und Wissenschaften eher bekannt war, als die übrigen europäischen Reiche. Leo der zehnte aber war der erste, der dieses Monopolium in einen Plan bringen, und dadurch für Italien eine unsäglich reiche Nahrungsquelle öffnen wollte. Er publicirte im Jahr 1515. eine Bulle, worinne er nebst dem Bannstral, dem Verlust und der Verbrennung der ohne päbstliche Censur gedruckten Bücher, dem Verleger, in welchem Land es auch seye, eine Strafe von hundert Dukaten dictirte; und um dieser Bulle allen Nachdruck zu geben, machte er sie zu einem Dekret des Lateran=Conciliums.

Unterdessen war schon unter die Deutschen die Schreiblust gekommen. Die Philosophie hatte schon bewunderungswürdige Schritte gemacht; und sie war dem päbstlichen Stuhle schrecklicher, je mehr sie von Liebe zur Freyheit, der Phantasie eines neü[u]cultivirten Volks, und von Nationalstolz belebt war. Wir hatten Reuchlin, Anselm von Rotterdam, Hutten, Luther etc. Köpfe, die schon weit über die Querbalken hinausgeflogen waren, die der Pabst dem menschlichen Wissen setzen wollte. Sogar vor den Thronen unserer Fürsten fand izt die Philosophie Gnade, und unter ihrem Schuz gediehe die Reformation zur Ehre des menschlichen Verstands.

Das tridentische Concilium, das der heilige Vater nach eigener Art und Weise zu beorgeln sich vorgenommen hatte, sollte dem schrecklichen Bücherunfug kräftigen Einhalt machen. Pius IV. ließ mit der größten Hastigkeit schon in der zwoten Sitzung, die unter ihm gehalten wurde, eine Büchercommission vorschlagen. Diese Commission hatte bis zum Ende des Conciliums nichts, als die allgemeinen Regeln, die hier dem Index vorgedruckt sind, zusammengeflickt. Es war dem päbstlichen Hof zuviel daran gelegen, daß der Index – so wie alle Dikreta des Conciliums – sein eignes Werk sey; und doch wollte er von dem Concilium einiges Ansehn dazu borgen, wenn gleich im Grunde das Concilium so viel als nichts bey dem Index gethan hat. Hören Sie Herr Pfarrer, wie sich das Concilium zu Ende ausdrückt: Sacrosancta synodus in secunda sessione sub sanctissimo domino nostro Pio IV. Celebrata, delectis quibusdam patribus commisit, ut de variis censuris, ac libris, vel suspectis, vel perniciosis, quid facto opus esset, considerarent; atque ad ipsam sanctam synodum refferent; audiens nunc huic operi ab eis extremam manum impositam esse; nec tamen ob librorum varietatem & multitudinem distincte & commode a sancta synodo possit dijudicari: Proecipit ut quidquid ab illis praestitum est, sanctissimo romano pontifici exhibeatur, ut ejus judicio & authoritate terminetur & evulgetur.Sacrosancta synodus ... – Die hochheilige Synode in der zweiten Sitzung unter unserem Heiligsten Herrn Pius IV. Sie (die Synode) hat einige der Väter ausgewählt, damit sie verdächtige Bücher prüfen und sich über diese eine Meinung bilden. Die Synode bestimmt, daß ihr Urteil dem Heiligsten Römischen Papst vorgelegt wird, damit er mit seiner Autorität bestimmen kann, welche Bücher für die Gläubigen als verderblich zu verbieten sind.

Es wäre freylich für die Kirchenversammlung zu langweilig gewesen, sich über jedes verdächtige Buch von der Commission referiren zu lassen, und nach genauer Prüfung darüber zu urtheilen; aber es ist unverzeihlich, den Index ganz zu einem Werk des Pabstes zu machen; und nichts, als allgemeine, zweydeutige Regeln – um dem Ding doch Credit zu geben – dazu zu verfertigen.

Die französische und deutsche Nation hatten mit dem Stuhl Petri ihre heiligen Verträge. Man wußte doch, wie eifrig der römische Hof die Schranken seiner Gewalt zu erweitern suchte; man wußte, wie ungern er in den bemelten Verträgen das Geringste zum Vortheil der tractirenden Nationen nachgegeben hat; man wußte, daß das Concilium eigentlich dadurch ist aufgetrozt worden, weil der Druck des päbstlichen Hofs den europäischen Fürsten unerträglich geworden war. – Hätte also das Concilium nicht dafür sorgen können und sollen, daß eine immerwährende, aus den interessirten Partheyen bestehende Commission niedergesetzt würde, die vom Pabst unabhängig die Rechte der verschiednen Nationen vor allem Eingriff gesichert hätte? Ist es für die Gegenparthey des Pabstes, für die weltliche Macht nicht eben so wichtig, daß das Ansehn der Schriftsteller, welche ihre Sache übernehmen, unangetastet bleibe? War nicht zu beförchten, daß man diese am sorgfältigsten expurgiren würde? Unterdessen wurde zu Rom der Index fertig. Sehr ängstlich hatte man alle die Bücher ausgemerzt, die für das Ansehn und die Rechte der Fürsten, und gegen die päbstliche Gewaltthätigkeit zu Felde zogen. In Frankreich verwahrte man sich feyerlich gegen den römischen Index, und in Deutschland machte der Kaiser eigenmächtige Bücherverbothe kund. Dort suchte man den Index durch Emissärs gängig zu machen, und hier wollte man durch Machtsprüche das heilige Officium rächen. Beydes war ohne Würkung.

Nicht lange darnach bekam der gute Index eine ganz andere Gestalt. Die Jesuiten fiengen allgemach an, sich dem päbstlichen Hof nothwendig zu machen. Nichts konnte ihnen, zu ihrem Plan, sich zu Herren der Schulen, zu Depositärs der Wissenschaften, und zu Gewissensdespoten zu machen, besser dienen, als der Index expurgatorius. Der Index, den sie fabricirten, kündigt nicht nur den Ketzereyen, sondern allem Denken und Schreiben überhaupt den Krieg an; auch sogar gutgesinnte erzcatholische Schriftsteller, die nur von einer andern Schule oder einer andern Uniform waren, mußten Haare lassen. Sie werden in ihrem Catalog sehen, Herr Pfarrer, wie übel der Schulgeist der Jesuiten zum Beyspiel dem heiligen Thomas mitgespielt hat; Sie werden auch sehen, daß die Bücher, die bloß gegen die Jesuiten geschrieben sind, und also auf die Religion überhaupt gar keinen Bezug haben, unter allen Classen bey weitem die beträchtlichste Zahl ausmachen.

Die alten Regimenter des Pabstes hatten damals schon viel von ihrem Diensteifer verloren. Die Jesuiten hingegen waren noch in ihrer ersten Hitze. Durch die vielen Singularitäten, die sie vor den andern Orden hatten, gewannen sie auch mehr esprit du corps, ihr Orden hatte mit dem Plan des römischen Hofs mehr Analogie; es war also natürlich, daß sie den andern vordrangen, und des Pabstes Leibgarde wurden, gegen den aus Norden so förchterliche Armeen vorrückten.

Nun war ihr Emporstreben ohne Gränzen. Die ganze Gelehrsamkeit sollte ihr heiliges Eigenthum seyn, die sie wieder ganz hieroglyphisch zu machen suchten: Fluch also über alle Bücher, worinn irgend eine Wissenschaft populär vorgetragen wurde. So sehr man auch hin und wieder gegen den Index protestirte, so waren doch die Jesuiten im Stande, ihm in den Schulen und Beichtstühlen einigen Kredit zu verschaffen. Ihre glücklichen Feldzüge gegen den gesunden Menschenverstand in Süden, ihre Missionen unter spanischem und portugiesischem Geleite in die neuentdeckten Länder, ließ sie immer noch hoffen, mächtig genug zu werden, auch den europäischen Norden wieder zu erobern, wo sie unterdessen Nichts angelegners hatten, als durch Scharmützel gegen die Freyheit im Denken so viel Feld noch zu erhalten, als möglich war. Sie schlichen sich in die Häuser der Privatleuthe ein; hielten besonders strenge auf Beobachtung der vierten Regel des Index, worin das Lesen der Heil. Schrift verboten wird; wußten sehr viel von Trug und Tand des menschlichen Wissens zu sprechen, empfahlen ihren Index, und bewiesen die Unfehlbarkeit des Pabstes, worauf sein ganzer Kredit beruht. Ihren wackern Bemühungen, Herr Pfarrer, haben wirs zu danken, daß noch so mancher unbeschnittene lieblose Dechant auf gesunde Vernunft und reines Gefühl Jagd macht. Das dicke Dunkel, welches noch über so vielen Provinzen Deutschlands liegt –

Indem klopft es an, und siehe da trat herein mein vierekigter Dechant. So betroffen ich war, daß er mich bey Hrn. Gutmann traf, so erfreut war ich, daß ich ihm meine Licenz unter die Nase stossen konnte. Er sahe mich quer über die linke Achsel an, nahm einen Stuhl, drückte sich den Hut in die Augen, und sprach also:

D. Bona dies.

G. Willkommen Euer Hochwürden. Es ist mir sehr unerwartet, Sie bey wir [mir] zu sehen.

D. (zu mir) Er kann nur gehn, junger Herr – Wenn wir Gelehrten –

G. Ich bitte um Verzeihung, Herr Dechant. Der Herr Pfarrer ist mein sehr guter Freund – ich hab für ihn kein Geheimnis –

D. (indem er mir seinen Stock gab) Es ist ein hübsches Ding um die mores – wenn man jedem Mann von Stande seine behörige [gehörige] Titulatur –

G. Euere Magnificenz erweisen mir sehr viel Ehre –

D. O der Herr ist bekannt als ein Mann von Edukation; aber der Herr wird auch wissen, daß man mit der feinsten Edukation kann dem Teufel in A** fahren. (zu mir) Was macht denn er für ein Geräusche mit dem Papier da? Was ist das für ein Fetzen?

Ich. Es ist die Licenz verbotne Bücher zu lesen.

D Was? Woher? Für wen?

G. Sie ist von Rom aus der heiligen Curia selbst.

D. Was ohne meinen amtsrechtlichen Bericht? Nihili valet, junger Herr. (er wollte sie zerreissen; aber Herr Gutmann riß sie ihm aus der Hand).

G. Sachte, sachte, Herr Dechant – Euer Hochwürden Magnificenz vergessen sich. Ich hab sie dem Hrn. Pfarrer von Rom beschrieben.

D. Quousque tandem – Wie weit will der Herr noch seine Frechheit treiben? (hier stuhnd er auf) Mir in mein Amt zu greifen! Mich und das Konsistorium um die Amtsgebühre zu bringen! Quosque tandem? Weiß der Herr, warum ich gekommen bin? Herr, ich bin hier, ihn als obstinatum haereticum, als pestem patriae vor das Konsistorium zu fodern, wo er ein Glaubensbekenntniß ablegen, oder in ein Loch kriechen kann, wo er gewiß sein Gift nicht weiter ausbreiten wird. Ich bin hier, seine Bücher zu konfisciren – Er ist durch mich und die hochwürdigen P. P. Franziskaner oft genug gewarnt worden – aber sine fructu – Er war frech genug, uns hintendrein noch ein Eselsohr zu stechen. Aus christlicher Sanftmuth hat man seiner Tollheit nachgesehen; aber jezt soll er sehen, daß die catholische Kirche, die auf einen Felsen gebaut ist, und die die Pforten der Höll nicht überwältigen können, (er schlug mit geballter Faust auf den Tisch) sich so eines Geschmeisses, wie er ist, leicht erwehren kann – Und will der Herr vielleicht die Impertinenz so weit treiben, und mir nicht augenblicklich Gehorsam leisten, so muß der Herr wissen, daß es ein brachium saeculare giebt, (er trat einen Schritt näher) das zur Execution der Kirchenbefehle bereit und aufgehoben seyn muß. (Er hob seinen Arm auf)

G. (der ihm ohne aus der Fassung zu kommen, die ganze Zeit steif ins Gesicht gesehen.) Besinnen sich Euer Magnificenz; Sie sind auf einem freyherrlichen Schlosse –

D. Contra jura ecclesiae nulla exemptio.

G. Euer Magnificenz haben allezeit vollkommen Recht. Ich werde nie gegen die Kirche oder ihre Vorsteher, wie Euer Magnificenz sind, die geringste Widerspenstigkeit zeigen. Sie legen mir einige Dinge zur Last, worin ich wirklich ganz unschuldig bin. Nie ist mir eingefallen, Ihnen in Ihr Amt einzugreifen. Ehe ich in die hiesige Diöces gekommen bin, habe ich die Licenz durch eben den Weg bekommen, wodurch ich sie Herrn Pfarrer verschafft habe. Sie sehen ja selbst, daß ich als ein treues Kind der Kirche gehandelt habe, da ich ihm ohne diese Licenz kein verbotenes Buch geben wollte. Jezt weiß ich, daß er sie auf Dero amtsrechtlichen Bericht von unserm Konsistorium hätte bekommen sollen, und begreife nun auch sehr leicht, daß Euer Magnificenz Ihre Amtsgebühr verlangen können – Euer Magnificenz müssen mich nicht für so unerfahren halten, daß ich nicht wissen sollte, daß man seiner Pfarre die jura stolae bezahlen muß, ob man gleich in einer andern Pfarre getauft, kopulirt, begraben wird etc. – Sehen Sie, hier, glaub ich, wird für die Amtsgebühre Euer Magnificenz genug seyn. Ich bin ein gehorsamers Kind, als Sie wohl glauben –

D. Audiatur & altera pars, sagt der Jurist –

G. (indem er eine Bouteille Markgräfler auftrug). Um Sie von meinem Gehorsam zu überzeugen, so bitte ich Euer Magnificenz, mir die Zeit zu bestimmen, wenn ich mich dem Konsistorium stellen soll. – Unterdessen wünschte ich recht sehr, Ihnen eine bessere Meinung von mir beyzubringen –

D. Audiatur & altera pars – Die Mönche, mein Herr, sind doch überhaupt Leuthe – so – so crassae mentis – crudi cordis.

G. Richtig Euer Magnificenz. Ich wünsche sehr, daß unsre Clerici recht fühlen, wie weit sie über den Mönchsstand erhaben sind –

D. Sie haben keine Edukation die Leuthe –

G. Vermutlich sind sies, die mich bey Euer Magnificenz so übel beschrieben haben.

D. Richtig, mein Herr; aber audiatur & altera pars –

G. Ich würde mich sehr freuen, wenn ich mir bey Euer Magnificenz einiges Zutrauen erwerben könnte –

D. Das haben Sie vollkommen, mein Herr, vollkommen – Es ist mir recht leid, daß ich vorhin so unnöthiger Weise in die Hitze gerieth –

G. Wir sind ja Menschen von Fleisch und Blut –

D. Und nun muß ich Ihnen sagen, daß ich Sie eigentlich nur in dem casu vor das Konsistorium fodern soll, wenn ich Sie nicht durch meine eigne gute Vermittlung auf einen bessern Weg bringen kann.

G. Ich hoffe Sie zu überführen, daß ich auf keinem schlimmen Weg war – Euer Magnificenz Wohlseyn!

D. Gutes Vernehmen, mein Herr –

G. Wir sind doch nun schon eine geraume Zeit Nachbarn; und so sehr ich es gewünscht habe, Ihre Freundschaft zu besitzen, so war ich doch nie so glücklich –

D. Keine Komplimente, mein Herr – doctis pauca – Ich bin ihr Freund.

G. Auf die Dauer unsrer Freundschaft!

D. Wenn ich über die Limmel, die Franciscaner komme, ich will ihnen die Kutte ausstäuben –

G. Kein Groll, Euer Magnificenz!

D. Ich will sie pläuen, daß es eine Art haben soll. Lassen Sie mich nur über sie her –

G. Ich setze die Mönche in die Classe der Leuthe, die mich nicht beleidigen können –

D. Pecora campi, mein Herr – Hören Sie, der Fulgentius ist schon derbe bezahlt worden – Hören Sie – o das ist zum Krepirn! Da hats nun der Schlingel schon einmal so bey mir eingerichtet, daß ich ihn wenigstens zweymal den Monat durch zum Cooperiren auf dem Hals habe. Die vorige Woche kam er nun, wie er sagte, wieder ein wenig zu verschnauffen. Just hatte der gnädige Herr ein Jagen. Mein Fulgentius nicht faul, die Kutte aufgeschürzt, den Hirschfänger an seinen Gürtel, die Flinte auf dem Rücken, und so mit hinaus. Der gnädige Herr und die Jäger wollten nun bersten für Lachen – Saul inter prophetas!Saul inter prophetas – Saul unter den Propheten. s. Saul im Dictionnaire – Ha! Ha! – Nun da war's gut. Mein Rindvieh wußte nicht, quid stili, und schießt eine trächtige Kuh. Sapperment, meine Jäger her, den Franciscaner übergelegt, und piff paff abgeschmiert, daß es gepfiffen hat. Der gnädige Herr: Bravo, bravo; und wir alle zusammengeklatscht und gelacht – Meinen Sie aber, der Mönch hat sich was daraus gemacht! – Jezt bin ich doch zum Jäger geschlagen, schrie er, und schlug einen Schneller dazu.

G. Ich bedaure den ehrwürdigen Pater von ganzem Herzen –

D. O da ist Nichts zu bedauren. Kein Streich verlohren, als der daneben fällt – Doch – mein Stündchen kömmt (er rieb sich die Augen) Der Pater Fulgentius soll leben, mein Herr! (er leerte sein Glas und nickte).

Als er eingeschlafen war, hieß mich Herr Gutmann nieder sitzen; denn ich war die ganze Zeit über wie ein Stock hinter des Dechants Stuhl gestanden. Lassen Sie uns einen Blick auf den Pater Fulgentius werfen, sagte er, und dann in der Materie über den Index wieder fortfahren. Glauben Sie wohl, Herr Pfarrer, daß der Mönch den Beyfall seines Guardians und seines ganzen Convents hat, und daß er dem gnädigen Herrn eine Kurzweil gemacht hat, wenns gleich auf Kosten der Ehre seines Habits geschehen ist. Was mir an dem ehrwürdigen Pater Unverschämtheit, Ausgelassenheit, Frechheit nennen, das betrachtet sein Kloster als ein vorzügliches Talent zu einem braven Terminanten. Wenn er sich kann hudeln lassen, wenn er alles fein mitmacht, um den gnädigen Herrn in gute Laune zu bringen, wo er denn besser aufgelegt ist etwas in die Küche zu schenken, so heißt: »Wir sind doch mit einem ganzen Terminanten geseegnet.« So sehr schon seine ganze Klosterdisciplin dahin abzielt, alle Schaam, alles Gefühl von Ehrbarkeit in ihm zu unterdrücken, so tragen doch die Terminantenkniffe, woraus sich die Mönche ein besonders Studium gemacht haben, das meiste bey, den Bettelmönchen zur Insolenz zu privilegiren. Und nun ist es auch sehr natürlich, daß selbst ein Mann, wie der Dechant hier, den die Mönche für einen besondern Patron halten, bey dem geringsten Anlaß sie niederträchtiger behandelt, als ein gesitteter Weltmann, der übrigens gar nicht Patron der Mönche seyn will. Sie haben gehört Herr Pfarrer, welche schöne Titulaturen der Herr Dechant ihnen beygelegt hat. Er hat keine wahre Achtung für sie, so sehr er auch sonst ihre Parthey nehmen will. Er achtet sie nur, insoweit sie ihn amusiren, ihm kriechende Schmeicheleyen machen, und sie Leuthe sind, unter denen er doch mit seinem Verstand und Witz eine Figur spielen kann. So lange den Mönchen das Terminiren erlaubt ist, so lange die Polizey sie als Leuthe betrachtet, die außer ihrer Sphäre sind, muß Unverschämtheit ihr auszeichnendes Merkmal seyn. Wie ganz anders sieht es in den Klöstern in Oestreich aus, seitdeme –

Dechant (dehnt sich, uhah!) Oestreich – ja ja – laßt izt nur einmahl die Oestreicher über die Preuß kommen. Der Kaiser Joseph wird ihn lehren, wie er die katholische Kirche respectiren soll. Der gibt sich Mühe die Ketzereyen recht aus dem Grund auszurotten, und den Schaafstall Christi zu säubern. Ein guter Freund hat mir catalogum librorum prohibitorum aus Wien geschickt, und dabey geschrieben, wie genau sie einen visitiren, damit keins von den giftigen Büchern kann hineingebracht werden. Wen ich Ihnen mit dem Catalogo dienen kann – –

G. Ich danke Ihnen – ich hab ihn selbst.

D. 's ist wahr, 's ist all eins; Sie haben ja den Index von Rom –

G. Mit Ihrer Erlaubniß, es ist ein großer Unterschied.

D. Wie so? Wie so?

G. Im dem Wiener=Catalog sind Bücher verbothen, die es in dem römischen nicht sind, & vice versa

D. Ey das ist ja nicht möglich –

G. Hier sehn Sie, belieben Sie nur die zwo ersten Seiten zu vergleichen –

D. Ey das können Ihro kaiserliche Majestät nicht – Bücher verbieten kömmt nur den Pabst zu –

G. Daß es der Kaiser thun kann, ist schon dadurch sattsam bewiesen, daß er es würklich, auch sogar ohne päbstliche Protestation, thut. Es waren freylich Päbste die sich gegen dergleichen angebliche Eingriffe sträubten; zum Beyspiel Pius der vierte; aber die Zeiten sind vorbey –

D. Aber der Pabst muß ja doch besser wissen, was der catholischen Religion schädlich ist, als der Wiener=Hof.

G. Und der Wiener=Hof weiß gewiß besser, was seinen Unterthanen vortheilhaft oder schädlich ist, als –

D. Als Ihro päbstliche Heiligkeit? Ey, ey, mein Herr! – Hm, hm, –

G. Ja ja, als der Pabst. Der Bücherverboth ist zu Wien eine Polizeysache, die ihre guten Gründe hat, und wobey auf den römischen Index wenig Rücksicht genommen wird. Die Censur verfährt ganz eigenmächtig.

D. Glauben Sie das nicht –

G. Es ist hier nichts zu glauben – Belieben Sie nur die Catalogen zu vergleichen.

D. Ich müßte es ja wissen –

G. In Wien hat die Polizey gute Ursach, sich ein besonder wichtiges Geschäft aus dem Bücherverboth zu machen. Es hat wohl kein Publikum in irgend einer grossen Stadt so viel Instinct zum Lesen; auch ist wohl keins, bey welchem jede Gattung von Lectüre so leicht Ton giebt, als bey dem Wiener=Publikum. Wie viel Geld würde für alle die Bücher, womit die Stadt aus allen Gegenden von Europa überschwemmt wird, außer Lands gehen? Zu welchem Leichtsinn würde es durch eine indiscrete Lectüre hingerissen werden, wozu es ohnehin schon zu viel natürliche Anlage hat? Die Polizey sorgt dafür, daß von dem lesenden Publikum nur inländische Producten – inländisch als Producten der Presse – consumirt werden. Es wird mit unter manche Zeile gedruckt und gelesen, gegen welche seine päbstliche Heiligkeit viel einzuwenden hätten –

D. Larifari, mein Herr, lauter Larifari – Merk er sichs, Pfarrer – was der Herr da sagt, ist lauter Larifari –

G. In Frankreich wird der Bücherverboth eben so profan behandelt. Ich könnte Ihnen Beyspiele anführen, daß der Hof sogar in Qualificirung gewisser Schriften, der Sorbonne aufs nachdrücklichste widersprochen hat –

D. O die Franzosen sind Jansenisten. Behalt er das, Pfarrer; die Franzosen sind Jansenisten.

G. Und die Sorbonne ist doch sehr weit entfernt, sich vom römischen Hof vorgeigen zu lassen. Wenn Sie sich einmal die Mühe nehmen wollten, den Amelot, Sarpi, und besonders den van Espen über diesen Punkt zu befragen, so würden Sie freylich zu Ihrem Erstaunen überzeugt werden, daß der Grundsatz des Wiener=Hofs, sich in Rücksicht des Bücherverboths gar nicht nach dem Index der römischen Congreation zu richten, sehr vernünftig, und in den meisten catholischen Staaten schon in praxi angenommen ist. Sie würden sich wundern, was in Venedig, Neapel, Spanien, Portugal für Anstalten sind gemacht worden, den römischen Index um seinen Credit zu bringen –

D. Sed papa est infallibilis; atqui index iste authoritate papali munitus est; ergo &c.Sed ... – Aber der Papst ist unfehlbar, und dieser Index ist durch die päpstliche Autorität befestigt, darum etc. (er zog seine Perücke übers linke Ohr vor, und sah aus, als wenn er seinem Todesfeind den Herzstoß beybringen wollte).

G. Was werden Sie aber sagen, wenn ich Ihnen ein halbes Dutzend Beyspiele anführe, daß sich die Päbste und ihre Congregationen in ihrer Censur selbst widersprochen haben. Die mabillonische Schule des P. Ceppi wurde mit päbstlicher Erlaubniß in Rom gedruckt, und erst 34. Jahre darnach verbotten. Joannes Trithemius de Steganographia wurde 1676. von der Inquisition verdammt, und 1703. durch ein besonders Dekret von ihr wieder zu lesen erlaubt. Die Werke des Nicol Machiavelli wurden in Rom mit einem päbstlichen Breve gedruckt, und nachgehends von der Inquisition aufs Schärfste verbotten. Erasmi epitome Annotationum steht hier im Index, obschon Leo X. das Buch in einem Breve gebilligt hat. Sixtus V. verboth Bellarmins Buch vom römischen Pabst, und nach seinem Tod ward es aus der Liste verbothner Bücher ausgestrichen. Die Lectionen der heiligen Catharina von Siena sind von Urban VIII. dem Brevier einverleibt worden; hernach fiel der Congregation ein, sie zu expurgiren –

D. Sed papa est infallibilis –

G. Wenn Sie erst alle die nichtsbedeutenden Ursachen wüßten, welche die meisten der bemeldten Widersprüche veranlaßt haben, sollten Sie wohl Ihren Satz so unbedingt stehen lassen?

D. Distinguo; si loquitur ex cathedra, est absolute infallibilis, si nonDistinguo ... – Ich unterscheide; wenn er als Papst (»vom Katheder«) spricht, ist er völlig unfehlbar, sonst nicht – (Er sah mir triumphierend ins Gesicht)

G. Ich kenne die Distinctionen, womit vorzüglich die Jesuiten in den Schulen auspariren Aber wie soll man die Grenzen der päbstlichen Catheder bestimmen? Wenn der Pabst durch seine Congreation spricht, oder ein Breve publiciert, wie in benannten Fällen, so spricht er doch wahrhaftig ex cathedra; also muß ihn noch auf seiner Catheder eine Distiction retten, oder –

D. Larifari – Pfarrer, lauter Larifari –

G. Wenn Eure Magnificenz jezt wieder in die Schule kämen, wie würden Sie staunen, daß sogar die Herren Exjesuiten von der Unfehlbarkeit des heiligen Vaters erstaunlich viel vergeben, seitdem Ganganelli sie gestürzt hat. Wenn Sie sich die Mühe nehmen wollten, die theologischen Theses von zween berühmten Doctoren, die mir seit einigen Jahren von benachbarten Universitäten sind zugeschickt worden, durchzulesen, so würden Sie die Lehrsätze des verfluchten Febronius, zwar mit einem leichten Pallium, von Exjesuiten öffentlich defendirt hören; und eben diese Ehrenmänner fochten sonst am hitzigsten für die Monarchie des Pabstes. Eine Hand wäscht die andre, sagt man, und dieses Sprüchwort gilt, wie es scheint, in den Schulen und in der Theologie selbst so viel, als bey den Trödlerinnen auf dem Markte. So lange der Pabst ihnen diente, dienten sie ihm auch. Freylich ist es nicht sehr politisch gehandelt, durch dergleichen schnelle Uebergänge der Welt so offenbar zu zeigen, auf welche reine innerliche Ueberzeugung ihr Lehrgebäude gestützt war. Einer der bemeldten Herren Doctoren wurde auch von dem Ministerium eines sehr angesehnen geistlichen Fürsten wegen der gähen Veränderung seines Schulsistems derbe gezüchtigt, mit beygefügter Erklärung: Daß es gegen die Wahrheit seiner defendirten Sätze nicht das Geringste einzuwenden habe; daß aber seine so offenbar geäusserte Rachbegierde gegen den heiligen Vater sehr beleidigend sey, und Züchtigung verdiene. Nun das genau beherzigt – sollte wohl der Wiener=Hof, Euer Magnificenz, Unrecht haben, wenn er sich über die schwankende, partheyliche Schullehre, über die vorgreifliche trügliche römische Censur ganz hinaussetzt, und nach seinem eignen Polizeysisteme die Büchercensur einrichtet? Wenn er die Schriftsteller in Schutz nimmt, die sich eine besondre Angelegenheit daraus machen, die Grenzen der geistlichen Gewalt zu bestimmen, und die weltliche Macht gegen allen nachtheiligen Eingriff zu sichern? Es fällt auch dem heiligen Vater nicht mehr ein, etwas dagegen einzuwenden; hart muß es ihm freylich fallen, daß von 20. Millionen Menschen, die etwa die östreichischen Erblande zählen, nichts für Licenzen in die päbstliche Kammer kömmt – und das ist auch wohl das Einzige, was heut zu Tage, wo man so viele Quellen dem heiligen Aerarium schon verstopft hat, dem heiligen Vater bey der Sache wehe thut. Die Leichtigkeit, womit man dem Herrn Pfarrer da seine Licenz ausgefertigt hat, ist, denk ich, Beweis genug; hämisch lacht man zu Rom über die Einfalt des ehrlichen Deutschen, der noch seine Pfennige opfert. Lassen sich, Euer Magnificenz, ein Späßchen erzählen: Ein gewisses Frauenzimmer spielte rasend auf Kosten des päbstlichen Beutels. Dem Schatzmeister wurde warm, und er nahm sich die Freyheit, ihr zu sagen, daß sie schon eine ansehnliche Lücke hineingemacht habe. Es sind ja nur deutsche Sünden, die ich verspiele, erwiederte die Donna, und rümpfte die Nase. Wie gefällt Ihnen die Antwort?

D. Vermuthlich war das seine Schwester, oder seine Baase, oder seine Nichte, oder –

G. Nein, sie war dem heiligen Vater noch näher verwandt. Aber – Euer Magnificenz sind doch auch ein Deutscher; sagen Sie, wie gefällt Ihnen die Antwort?

D. Spaß, 's ist nur Spaß. Spaß in Ehren, kann niemand wehren.

G. Aber uns Deutschen macht der Spaß wenig Ehre.

D. Ah! Sie sind ein Grübler –

G. Wenn es darauf ankömmt, Euer Magnificenz, meinen Bündel Thorheit gestehe ich gern ein. Ich gebe Ihnen zu, daß es eine Art von Thorheit ist, durch dergleichen Räsonniren oder Deräsonniren die Welt bessern zu wollen. Aber ich fühle gar zu lebhaft die Wahrheit der Worte unsers Erlösers: Gebt dem Kaiser, was des Kaisers ist, und Gott, was Gottes ist. Ich habe nun würklich Nichts wichtigers zu thun, so denke ich, es wäre doch immer leichter zu verzeihen, wenn man so was frisch weg von der Brust redet, als wenn man, seine müßige Stunden auszufüllen, Anschläge auf den guten Namen seines Nebenmenschen macht, und mit lauernder Schadenfreude herumschleicht, sie auszuführen –

D. Vae homini per quem scandalum venit – Mein Weg ist der weiteste, mein Herr – Leben Sie wohl!

Ich mußte nun Wohlstandswegen dem Dechant das Geleite zum Dorf hinaus geben. Lieber Bruder! Was mir der Mann unterwegs für tolles Zeug vorgeschwäzt hat! Er wollte mich bereden, daß eine einzige Distiction von Busenbaum alle Vernünfteley des Herrn Gutmann zu Schanden machte. Er bewies mir, daß er ihn mit dem ex cathedra, & non & c. aus aller Fassung gebracht habe. Er folgerte daraus, daß ich sehr übel thun würde, wenn ich auf solches superficielles Mischmasch mehr Acht hätte, als auf solide Studia. Man pocht an – Leb wohl, lieber Bruder!


 << zurück weiter >>