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Der Bauernspiegel. Quellen zur zeitgenössischen Völkerkunde in Bauernromanen

Herausgegeben von Jean Paul d'Ardeschah

Deutschlands Bevölkerung verändert sich in der Neuzeit bemerkenswert. Verschiebungen im Innern des Volksganzen gehen mit einer Intensität vor sich, die allein schon ziffernmäßig das Wort von der gewaltigen, den Umfang einer Völkerwanderung erreichenden modernen Unruhe bestätigen. Stadt und Land, Stamm und Stamm mischen sich, wo Großstadtentwicklung und Industrie eingreifen, besonders stark.

Unter diesen Verhältnissen fangen die altbehüteten Lebensformen einer einst stolzen und lebensstarken Bauernkultur selbst im fernsten Winkel an, ihre Eigenart immer rascher zu verlieren. In der Erkenntnis, daß die industriell und international gesinnte Großstadt sich ihre eigenen Lebensquellen unterbindet, wenn sie dem Land seine alte Kultur und Schönheit entreißt, ohne irgend welchen nennenswerten Ersatz dafür zu bieten, hat die Heimatkunde und Heimatkunst eingesetzt, um das Interesse an bäuerlicher Kultur wieder zu beleben, aber noch wenige deutsche Dichter beschäftigen sich in ihren Werken mit dem heutigen bäuerlichen Leben, obgleich verwandte Schilderungen von Björnson, Tolstoi, und Selma Lagerlöf allgemeines Interesse finden und der große Einfluß der altnordischen zum Teil bäuerlichen Volkskunst selbst auf solche Führer der Moderne wie Henrik Ibsen ganz klar nachgewiesen werden kann, wie es z. B. Arthur Bonus in seinen Isländerbüchern getan hat.

Was den modernen Bauernroman besonders beachtenswert macht, hängt eng mit unserer Literaturentwicklung zusammen, die zum Epischen hindrängt. Die durch den Naturalismus ermöglichte Schärfe im Erfassen des Wirklichkeitsbildes und die damit verbundene neue Ausdrucksfähigkeit (auch die zielbewußte Anwendung des Dialekts) kommen ihm ebenso zugute, wie die ergebnisreichen folkloristischen Forschungen der modernen Heimatkunde, die das Volksleben in einer bisher kaum geahnten Saftigkeit und Farbenfrische erscheinen lassen. Auch die Überwindung des rein psychologischen Einzelschicksals durch Schilderungen des Typus könnte hier zu besonderer Geltung kommen, und von größter Wichtigkeit ist der rassepsychologische Einschlag dieser Werke.

Das Interesse auf das Bauernleben hinzuleiten, soll die Aufgabe des »Bauernspiegels« sein, der eine Sammlung von fremden Bauernromanen umfassen wird. Aus einer Reihe von modernen Werken aller Nationen, die in guten Verdeutschungen erscheinen sollen, will er die Völkerphysiognomien in ihrer intimsten und ausdrucksvollsten Eigenart vor den Augen des deutschen Lesers entstehen lassen, soweit sie heute schon einen künstlerischen Ausdruck gefunden hat. Die Gruppierung der in Frage kommenden Romane erfolgte unter besonderer Berücksichtigung des deutschen Lesers und der deutschen Interessen. Es werden zunächst Bauernromane erscheinen, die für die Probleme der deutschen Grenzmarken von Wichtigkeit sind. Den großzügigen, im gleichen Verlage bereits erschienenen dreiteiligen Roman des dänischen Dichters Henrik Pontoppidan »Das gelobte Land« schließen wir mit in diese Folge ein. Als wichtiger Beitrag für das Studium der Ostmark wird das demnächst erscheinende große Bauernepos des Polen W. S. Reymont: »Die Polnischen Bauern« gelten können. Reymont ist als der begabteste moderne Schilderer des polnischen Bauernlebens von der maßgebenden polnischen Kunstkritik anerkannt worden. Es folgen, sobald die Publikationen dem erforderlichen Interesse begegnen: ein russischer, ein französischer, ein wallonischbelgischer, ein holländischer und ein tschechischer Bauernroman, womit die Serie der Grenzmarkenromane vollendet wird.

Dem Leser des »Bauernspiegels« wird dabei das Charakteristische einer jeden nationalen Rasseeigenart in einer konzentrierten plastischen Gestalt viel leichter aufgehen können, sie wird zu Folgerungen und Schlüssen anregen, die sonst nur nach einem längeren gut orientierten Aufenthalt im Lande selbst oder nach langwierigem rassepsychologischen Studium einzig möglich gewesen wären. Und die Möglichkeit solcher Erkenntnisse in unserer vielbewegten Zeit, wo wir uns mit den Elementen der auf uns einflutenden Völkerwogen auf Schritt und Tritt auseinanderzusetzen haben, ist nicht allein für den Rassepsychologen und Realpolitiker wertvoll, sondern auch für den Kaufmann und Unternehmer und für jeden, der mit offenen Augen mitten im bewegten Gegenwartsleben steht; in diesem Sinne ist der »Bauernspiegel« auch ein Versuch, das rassepsychologische Wissen unserer Zeit in unmittelbaren Kontakt mit dem Leben zu bringen.

Mit dem Unternehmen ist gleichzeitig die Hoffnung verbunden, zum Werden des deutschen Bauernromans, den wir von unserer Zeit der vollzogenen politischen Einheit Deutschlands und des immer stärker hervortretenden Wollens zum monumentalen Stil mit Recht erwarten zu dürfen glauben, einen Teil beitragen. Für eine solche zusammenfassende Dichtung ist die deutsche Kunst von heute berufen, und es gibt kaum eine reizvollere Aufgabe für den deutschen Epiker der Gegenwart, als mit den unserer heutigen Kunst zu Gebote stehenden Ausdrucksmitteln an die Gestaltung eines solchen Stoffes heranzutreten.

Jean Paul d'Ardeschah.


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