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InitialLeg dich endlich hin und laß einen schlafen!« brummte Mathias ärgerlich, sich auf die andere Seite drehend.

Schymek legte sich auf einen Augenblick nieder; kaum aber, daß der andere wieder eingeschlafen war, fing er an, leise aus der Banse hervorzukriechen, denn es war ihm, als wäre in die Scheune, in der sie schliefen, das erste Morgengrauen gedrungen.

Tastend sammelte er die schon seit gestern auf der Tenne bereitliegenden Geräte; er eilte sich so, daß ihm immer wieder etwas mit lautem Gepolter aus den Händen glitt und Mathias im Halbschlaf vor sich hinfluchte.

Über der Erde lag noch die Dunkelheit, nur die Sterne waren schon im Verblassen; im Osten hellte sich der Himmel schon etwas auf, und man hörte die Hähne mit den Flügeln schlagen und zum erstenmal heiser krähen.

Schymek legte alles, was er sich geholt hatte, auf seine Karre, und, sich leise um das Haus herumschleichend, gelangte er bis nach dem Weiher.

Das Dorf lag wie tot da, nicht einmal ein Hund bellte auf, und in der Stille hörte man nur das Gurgeln des Wassers, das sich durch das Stauwerk der Mühle zwängte.

Auf den von Obstbäumen beschatteten Wegen war es noch so dunkel, daß sich nur hier und da erst eine gekalkte Wand abzuheben begann, und der Weiher war nur aus dem Schimmern der sich spiegelnden Sterne zu sehen.

Als er aber an das Haus der Mutter kam, verlangsamte er seine Schritte und begann eifrig aufzuhorchen, denn es war ihm, als ginge irgend jemand, ununterbrochen leise etwas vor sich hinmurmelnd, auf und ab.

»Wer ist da?« hörte er plötzlich die Stimme seiner Mutter.

Er erstarrte und stand mit verhaltenem Atem da, ohne zu wagen, sich von der Stelle zu rühren; die Alte begann aber, da sie keine Antwort erhalten hatte, wieder hin und her zu gehen.

Er sah sie sich unter den Bäumen wie einen Schatten vorbeischieben; sie tastete sich mit dem Stock vorwärts und sprach halblaut im Gehen ihre Litanei vor sich hin.

»Die treibt sich hier des Nachts wie Markus in der Hölle Wie Markus in der Hölle: eine Redensart. herum,« dachte er und seufzte leise und wehmütig auf; dann schlich er ängstlich weiter. »Das Unrecht, das sie mir angetan hat, das frißt an ihr! Es frißt!« wiederholte er voll Genugtuung. Er betrat jetzt die breite, ausgefahrene Landstraße hinter der Mühle und schob plötzlich, ohne auf die Steine und Löcher zu achten, seine Karre so schnell vorwärts, als ob einer hinter ihm dreinjagte.

Er hielt erst am Kreuz an, von wo sich der Weg nach der Waldmeierei abzweigte. Es war noch zu dunkel zum Arbeiten, darum setzte er sich unter dem Kreuz nieder, um sich noch ein wenig auszuruhen und zu warten.

»Das ist so die rechte Stunde für die Diebe, man kann den Acker nicht vom Wald unterscheiden«, murmelte er und sah sich um. Die Felder lagen noch versunken in der wogenden nebligen Dämmerung, doch am Himmel leuchteten schon die goldigen Streifen des Frühlichts immer heller.

Die Zeit wurde ihm lang, so daß er sich ans Beten machte; jedesmal aber, wenn er mit der Hand die betaute Erde streifte, verlor er die Worte des Gebetes und dachte mit Behagen daran, daß er nun auf dem Seinen wirtschaften sollte.

»Ich halt' dich und laß dich nicht los,« dachte er mit freudigem Trotz und versuchte mit einem heißen Blick voll unendlicher Liebe die sich am Wald zusammenballenden Dunkelheiten zu durchdringen; dort warteten ja auf ihn schon jene sechs Morgen, die er von dem Gutsherrn gekauft hatte.

»Ich werd' schon wie ein Vater für euch sorgen und lasse nicht von euch, solange ich lebe!« murmelte er, den Schafpelz über seiner nackten Brust zusammenziehend, denn die Morgenkühle machte sich empfindlich bemerkbar, und gegen das Kreuz mit dem Rücken gelehnt und in das Werden des kommenden Tages starrend, schlief er bald ein.

Die Felder lagen schon grau schimmernd da, wie weit sich hindehnende Gewässer und die silbrig betauten Halme stießen ihn mit ihren schaukelnden Ähren an. Er sprang plötzlich auf.

»Da haben wir wieder den Tag, groß wie ein Ochs ist er schon, da wird es Zeit, sich an die Arbeit zu machen,« murmelte er, seine Glieder reckend, und kniete am Kreuz zum Gebet nieder. Aber heute haspelte er es nicht wie sonst herunter, um nur damit fertig zu werden, heute war es ihm nicht darum zu tun, bloß zu seufzen, sich vor die Brust zu schlagen und sich so oft zu bekreuzigen, bis der Arm fast lahm wurde; es war ganz etwas anderes über ihn gekommen, er flehte inbrünstig und aus voller Seele um Gottes Beistand, und die Tränen strömten ihm übers Gesicht. Er hielt die Füße des Herrn Jesu am Kreuz umfangen und betete, mit seinen treuen Augen in sein heiliges gemartertes Gesicht starrend:

»Hilf, barmherziger Jesus! Die eigene Mutter hat mich benachteiligt, du bist allein mein einziger Schutz! Hilf! Ich komm' doch als ganz Armer an das schwere Leben heran! Ich weiß, daß ich sündig bin, aber du wirst mir doch in deiner Gnade helfen, dann will ich dir schon eine Messe lesen lassen oder zwei! Kerzen will ich dir auch kaufen, und wenn ich mal zu Geld komme, dann kauf' ich selbst einen neuen Traghimmel!« bat und versprach er, seine Lippen inbrünstig gegen das Kreuz pressend. Er bewegte sich, auf den Knien rutschend, vorwärts rund um das Kreuz herum und küßte demütig die heilige Erde; dann stand er gekräftigt und voll Selbstvertrauen auf.

Er fühlte sich stark und war bereit, allem die Stirn zu bieten und war so voll guter Dinge, daß er die schwere Karre vor sich hinschob, als ob sie federleicht wäre; dabei sah er trotzig auf Lipce herab, das etwas tiefer, ganz in Nebel gehüllt, dalag. Nur der Kirchturm ragte deutlich und hoch empor, mit seinem goldenen Kreuz im Morgenlicht glitzernd.

»Warte du mal ab! Hei! Was ich da alles machen will!« rief er freudig aus, seinen Boden betretend. Das Land lag gleich am Wald und schloß sich an die letzten Felder von Lipce an. Aber, Gott erbarm, was das überhaupt für ein Boden war! Ein Stück verwildertes Brachland, voll zurückgebliebener Löcher von einer Ziegelei, voll von Schutt und Steinhaufen, auf denen Dornensträucher wuchsen. Königskerzen, Hundekamillen und Sauerampfer wucherten üppig auf den Hügeln, hier und da strebte mühsam eine verkrüppelte Kiefer empor, Erlenbüsche und Wacholdersträucher bildeten stellenweise ganze Gruppen, und an den tieferen feuchteren Stellen wogten Ried und Binsen wie ein junger Wald. Kurzum, um das Ganze hätte nicht einmal ein Hund gebellt, so daß selbst der Gutsherr ihm davon abgeraten hatte, aber der Bursche hatte sich nun einmal darauf versteift.

»Das paßt mir gerade! Mit dem werd' ich auch schon fertig!«

Auch Mathias riet ihm davon ab, besorgt auf diese wüste Sanddüne blickend, wo höchstens die Hunde der Waldmeierei sich herumtrieben; aber Schymek redete immerzu das seine und sagte schließlich hart:

»Ich hab's gesagt! Jede Erde ist gut, wenn der Mensch sich darum müht!«

Und er nahm sie sich denn, weil auch der Gutsherr sie ihm noch billig anrechnete, und zwar für sechzig Rubel den Morgen, und schließlich noch eine Beigabe von Holz und verschiedenen Dingen zusagte.

»Hale! Warum ich mit der nicht fertig werden soll!« rief er freudig aus und überflog mit leuchtenden Blicken sein Land; er ließ die Karre am Feldrain stehen und machte sich daran, die Grenze seines Besitzes, die mit Buschwerk umsteckt war, zu umgehen.

Er schritt langsam und voll heimlicher, tiefer Freude vor sich hin, das Herz klopfte ihm wie ein Hammer in der Brust, und die Kehle war ihm wie zugeschnürt. Er ging um sein Grundstück herum, sich alles, was zu machen war und womit man anfangen sollte, der Reihe nach im Kopf zurechtlegend. Er mußte doch hier für sich, für die Nastuscha, für das kommende Geschlecht der Patsches schaffen; so raffte er denn voll wilden Tatendrangs alle Kräfte in sich zusammen und stürzte sich auf seine Arbeit wie ein hungriger Wolf, der frisches Fleisch wittert.

Nachdem er seinen Rundgang um das Feld beendet hatte, fing er an, sich sorgsam die Stelle auszusuchen, an der er das Haus zu errichten gedachte.

»Hier paßt es mir gerade, das Dorf liegt mir gegenüber, und der Wald ist dicht dabei, es wird leichter sein, Holz heranzuschaffen, und im Winter wird man besseren Schutz haben,« überlegte er und bezeichnete mit Steinen die vier Ecken. Er warf seinen Schafpelz ab, bekreuzigte sich, spuckte in die Handflächen und ging daran, den Erdboden zu ebnen und vom Buschwerk zu säubern.

Der Tag war schon goldig aufgestanden. Vom Dorf klang das Brüllen der Herden herüber, die man auf die Weide trieb, die Brunnenschwengel knarrten und man konnte hören, wie die Menschen zur Arbeit auszogen; Wagen rollten über die Wege, und das leise Lüftlein, das im Korn herumschäkerte, brachte noch verschiedenerlei Stimmen zu ihm hin. Alles ging seinen gewohnten Gang; Schymek jedoch hatte, ohne auf etwas zu achten, sich ganz in seine Arbeit vertieft, hin und wieder nur reckte er seinen Rücken gerade, holte tief Atem, strich sich über die Augen, um den heruntertropfenden Schweiß abzuwischen und machte sich wieder gierig an seine Arbeit. Dabei murmelte er in einem fort etwas vor sich hin, wie das so seine Art war, und redete mit allen Dingen, als ob sie lebendig wären.

Er war gerade damit beschäftigt, einen großen Stein aus der Erde zu heben und sprach für sich:

»Du hast hier genug gelegen und ausgeruht, da kannst du mir jetzt auch mein Haus stützen.«

Und als er die Dornsträucher ausrodete, sagte er spöttisch lächelnd:

»Auch noch verteidigen. Dummes! Denkst, daß du dich mir hier widersetzen kannst! Hale! Sollt' ich dich hier vielleicht lassen, damit du mir meine Hosen zerreißt, das möchtest du wohl?«

Zu dem uralten Steinhaufen aber sprach er:

»Euch will ich auch auseinanderbringen, denn sich so auf einem Haufen zusammenzudrängen, das ist beschwerlich. Das gibt ein feines Pflaster vor dem Kuhstall ab, wie Boryna eins hat!«

Und manchmal, wenn er sich einen Augenblick zum Atemschöpfen gönnte, ließ er seine Augen auf seinem Besitz ruhen und flüsterte liebevoll:

»Meiner bist du! Meiner! Da kann mir keiner kommen und dich wegnehmen!«

Und voll Mitleid für dieses unkrautüberwucherte, unfruchtbare und öde Land fügte er noch zärtlich wie zu einem Kind hinzu:

»Wart' nur noch, sollst nicht mehr lange verlassen sein, ich werd' dich schon bestellen und herausfüttern und pflegen, daß du wie die anderen Frucht tragen wirst. Brauchst keine Angst zu haben, ich werd' dir schon dein Recht zukommen lassen.«

Die Sonne hatte sich soeben über die Felder erhoben und leuchtete ihm gerade in die Augen.

»Gott bezahl's!« sagte er, sie zusammenkneifend. »Es gibt wieder heißes und trockenes Wetter,« fügte er dann noch hinzu, denn die Sonne war ganz rot aufgegangen.

Bald darauf ließ sich von der Kirche her die Betglocke vernehmen, und aus den Schornsteinen von Lipce begannen langsam die bläulichen Rauchsäulen aufzusteigen.

»Du würdest jetzt etwas essen wollen, Herr Hofbauer, was?« Er zog seinen Gurt fester zusammen. »Nur daß dir jetzt die Mutter keine Zweierkrüge hinaustragen wird, nein,« seufzte er traurig auf.

Auch auf den Feldern der Waldmeierei sah man allmählich Menschen herumhantieren; sie machten sich, wie er, auf den kürzlich gekauften Feldern an die Arbeit. Er sah den Stacho Ploschka, der mit einem von zwei tüchtigen Pferden bespannten Pflug das Feld bestellte.

»Mein Jesus, wann wirst du mir auch nur ein solches Pferd geben,« dachte er.

Der Josef Wachnik fuhr Steine zusammen zum Fundament für sein Haus, der alte Klemb grub mit seinen Söhnen einen Graben um seinen neuen Besitz, und Gschela, der Bruder des Schulzen, maß an der Landstraße gerade am Kreuz sein Feld und hantierte lange mit einer großen Stange herum.

»Der Platz ist wie ausgesucht für eine Schenke,« überlegte sich Schymek.

Gschela kam heran, um ihn zu begrüßen, nachdem er den abgemessenen Platz mit Pflöcken bezeichnet hatte:

»Ho, ho! Ich sehe, du arbeitest für zehn!« Ein Staunen war in seinen Augen.

»Als wenn ich das nicht müßte? Ich hab' doch sonst weiter nichts als die paar Hosen und die bloßen Fäuste!« brummte er, ohne in der Arbeit innezuhalten. Gschela riet ihm dies und jenes und kehrte wieder auf sein Feld zurück; und nachher kamen auch andere, nach ihm zu sehen, der eine mit einem guten Wort, der andere um etwas zu plaudern und noch mancher, um eine Zigarette zu rauchen und etwas zu lachen. Schymek antwortete immer ungeduldiger, und schließlich schrie er unwirsch den Pritschek an:

»Du könntest lieber deine eigene Arbeit tun, als andere stören! Wollen sich hier was feiern!«

So blieb er denn allein, keiner kümmerte sich mehr um ihn.

Die Sonne erhob sich immer höher, sie stand schon hoch über der Kirche und stieg unaufhaltsam, die Welt mit einer blendenden Helle und sengenden Glut überflutend; der Wind hatte sich irgendwo hingetan, so daß die Hitze ungehindert über die Erde ihren flimmernden Dunsthauch legte, in dem die Getreidefelder lagen, als wären sie in ein lautlos siedendes Wasser getaucht.

»Mich wirst du nicht leicht fortjagen,« sagte er, der Sonne zum Trotz, und als er die Nastuscha mit dem Frühstück kommen sah, eilte er ihr entgegen; er machte sich bald gierig über die Zweiertöpfe her.

Nastuscha besah sich etwas verdrießlich ihre Felder.

»Wird denn da auf diesem Sand und Sumpf etwas wachsen?«

»Alles wird wachsen, du sollst schon sehen, daß du selbst Weizen zum Kuchen haben wirst.«

»Wart' du mal, bis dir die Wölfe die Stute auffressen.«

»Sie werden sie schon nicht auffressen! Der Boden ist da, da darf es uns nicht schwer werden, etwas Geduld zu haben, wir haben doch jetzt ganze sechs Morgen,« redete er, eilig essend, auf sie ein.

»Versteht sich, da wird man wohl Erde essen müssen! Und wie werden wir denn überwintern?«

»Das ist schon meine Sache, du brauchst dich nicht darum zu sorgen! Über alles hab' ich nachgedacht, und für alles werde ich einen Rat finden!« Er schob die leeren Zweierkrüge von sich, reckte sich und begann ihr alles zu zeigen und zu erklären.

»Hier wird das Haus stehen!« rief er freudig aus.

»Das Haus? Das willst du wohl aus Lehm zusammenkleben wie eine Schwalbe?«

»Aus Holz, Zweigen, Lehm und Sand oder aus sonst was, wenn man nur darin ein Jährchen aushalten kann, bis wir uns etwas weiter geholfen haben.«

»Einen feinen Hof willst du mir hier aufbauen, scheint mir!« knurrte sie unwillig.

»Selbst einen Schuppen würd' ich noch vorziehen, als bei anderen Leuten auf Miete zu wohnen.«

»Die Ploschkabäuerin hat mir gesagt, wir sollten für den Winter zu ihr ziehen; sie hat sich freiwillig angeboten, uns eine Stube abzugeben, die Frau hat ein gutes Herz.«

»Gutes Herz ... Versteht sich, die tut das bloß, um die Mutter zu ärgern, die sind zueinander wie zwei bissige Köter. Dieser pestige Mehlsack! Ich will ihre Güte nicht haben! Du brauchst dich nicht zu fürchten, Nastuscha, ich werd' dir schon so ein Haus bauen, daß darin auch ein Fenster und ein Herd und alles was du brauchst, sein wird. Du wirst es sehen, es ist sicher, wie Amen im Gebet, in drei Wochen steht es fertig da; und wenn ich mir die Hände zuschanden arbeiten sollte, das wird fertig.«

»Hale, jetzt will er selber ein Haus bauen.«

»Mathias wird mir helfen, er hat es mir versprochen.«

»Würde denn deine Mutter nicht doch irgend etwas zugeben?« fragte sie ängstlich.

»Und wenn ich verreck', die will ich nicht bitten,« rief er aus; da er aber sah, daß sie immer trübseliger wurde, wurde er ganz besorgt, und als sie sich in der Nähe eines Roggenfeldes niedergesetzt hatten, begann er ihr, schon ganz kläglich geworden, alles noch einmal auseinanderzusetzen.

»Ich kann doch nichts mehr ändern daran, Nastuscha! Sie hat mich doch aus dem Haus herausgejagt und hat nur immerzu auf dich geflucht.«

»Mein Gott, wenn sie uns doch nur eine Kuh geben wollte, sonst sind wir doch wie die schlimmsten Bettler dran, ganz ohne etwas; es wird einem angst und bange, daran zu denken.«

»Auch eine Kuh wirst du haben, Nastusch, die kriegst du sicher, ich hab' mir schon überlegt, wo ich sie hernehme.«

»So ohne Haus und ohne Vieh und ohne irgendwas!« Sie weinte los und drückte sich fest an ihn; er wischte ihr die Tränen von den Augen und streichelte ihr übers Haar, doch es wurde auch ihm so kläglich zumute, daß er fast selbst geweint hätte. Er sprang auf, griff nach dem Spaten und rief mit einer Stimme, die mächtig böse klang:

»Mein Gott, so viel Arbeit, und die klagt einem noch die Ohren voll!«

Sie erhob sich mit einem ganz sorgenvollen Gesicht.

»Wenn wir nicht Hungers sterben, dann fressen uns noch die Wölfe hier in dieser Einöde.«

Er wurde nun wirklich böse, und indem er sich an die Arbeit machte, sagte er hart:

»Wenn du heulen willst und das erste beste Zeug zusammenreden, dann bleib' lieber bei den Deinen.«

Sie wollte sich an ihn heranschieben und ihn besänftigen, doch er schob sie beiseite.

»Hale, als ob jetzt Zeit für Liebschaften wäre, jawohl!« Er ließ sich schließlich doch besänftigen, obgleich er auf ihr Weibergeplapper wütend war; schließlich ging sie beruhigt und selbst froh von dannen.

»Herrgott noch einmal! So ein Frauenzimmer ist doch auch ein Mensch und versteht nicht, wenn man menschlich zu ihr redet. Immer nur heulen und flennen, als wenn alles von selber kommt, wenn man es nicht mit den eigenen Fäusten erarbeitet! Gerade wie die Kinder sind sie, mal weinen sie, mal lachen sie, mal ärgern sie sich, dann klagen sie wieder ... Du lieber Gott!« murrte er, die Arbeit anpackend, und bald hatte er die ganze Welt vergessen.

So arbeitete er Tag für Tag, stand beim ersten Morgenschimmer auf und kehrte erst spät am Abend heim, so daß er oft den ganzen Tag lang keine Gelegenheit hatte, mit einem zu reden; das Essen brachte ihm mal Therese oder irgend jemand anders, denn Nastuscha hatte sich beim Pfarrer verdingt, um die Kartoffeln zu behäufeln.

Zuerst besuchte ihn mal dieser, mal jener; da er sich aber ungern in Unterredungen einließ, so blickten sie nur von weitem zu ihm herüber, und wunderten sich über seinen unermüdlichen Fleiß.

»Ein hartes Biest! Wer hätte das gedacht,« murmelte der alte Klemb.

»Das ist ja doch der Dominikbäuerin ihr Blut!« rief einer der Dabeistehenden lachend aus; doch Gschela, der ihn von Anfang an eifrig beobachtet hatte, sagte:

»Der schuftet wie ein Lasttier, dem sollte man irgendwie beispringen!«

»Das ist schon wahr, das müßte man, denn von selbst wird er nicht fertig, der ist es schon wert!« Sie pflichteten ihm bei, doch niemand ging daran, als Erster etwas zu tun, jeder wartete, daß er selbst darum bitten möchte.

Doch der Schymek ging zu niemand bitten, er dachte nicht daran und war sehr erstaunt, als er eines Tages einen Wagen kommen sah, der auf ihn zufuhr.

Jendschych kutschierte und rief ihm schon von weitem froh zu:

»Zeig' her, wo ich dir was umpflügen soll! Ich bin es ja!«

Der Schymek wollte es erst nach einer längeren Weile glauben.

»Daß du dich das getraut hast, na, wird sie dich Armen durchprügeln, du wirst schon sehen.«

»Laß nur! Wenn sie mich anfassen sollte, dann komme ich ganz zu dir herüber.«

»Hast du dir das selbst so ausgedacht, mir zu helfen?«

»Selbst! Lange wollt' ich es schon, aber ich hatte Angst, sie hat erst mächtig aufgepaßt, und die Jaguscha hat mir auch abgeraten,« erzählte er ausführlich, sich an die Arbeit machend. Sie pflügten dann den ganzen Tag lang miteinander, und beim Weggehen versprach Jendschych, noch am nächsten Tag zu kommen.

Er kam auch bei Sonnenaufgang wieder angefahren, und Schymek merkte gleich, daß er im Gesicht blaue Stellen hatte; doch er fragte ihn erst gegen Abend:

»Hat sie dir die Hölle heiß gemacht?«

»Ih ... sie ist doch blind, da kann sie sich nicht so leicht zurechtfinden, und freiwillig werd' ich ihr doch nicht unter die Fäuste kommen,« sagte er etwas mürrisch.

»Hat dich denn die Jagna verraten?«

»Die Jaguscha würde das doch nicht tun.«

»Solange ihr da nichts zu Kopf steigt, wer weiß da mit den Frauensleuten Bescheid!« seufzte er wehmütig und verbot ihm, nochmals herauszukommen.

»Ich werde jetzt schon selbst damit fertig, du kannst mir später bei der Aussaat helfen.«

Und wieder blieb er allein und arbeitete unermüdlich weiter, wie ein Pferd in der Tretmühle, ohne auf die Müdigkeit noch auf die Hitze zu achten. Es kamen heiße, glühende und schwüle Tage, die Erde wurde rissig, das Wasser trocknete aus, das Gras welkte, und das Getreide stand wie leblos da in dieser Höllenglut. Auf den Feldern war es ganz leer und still geworden, das leibhaftige Feuer strömte vom Himmel herab, und die Sonne blendete die Augen. Der weißliche dunstverhüllte Himmel war wie ein flimmerndes Feuertuch, das die ganze Erde überspannte; weder ein Lüftchen ließ die Bäume aufrauschen, noch ein Vogel stimmte sein Singen an, keine Menschenstimme ließ sich in der Runde vernehmen, und Tag für Tag wandelte die Sonne ihre Bahn von Osten nach Westen und sandte unerbittlich Dürre und sengende Hitze aus.

Schymek aber erschien Tag für Tag auf seinem Arbeitsposten, ohne sich von der Hitze verjagen zu lassen, selbst die Nächte verbrachte er im Feld, wo er auch schlief, um nur keine Zeit zu verlieren, und als Mathias seinen Eifer beschwichtigen wollte, entgegnete er nur kurz: »Am Sonntag will ich ausruhen!«

Sonnabend abend stellte er sich auch in seiner Wohnung ein, doch er war so übermüdet, daß er bei der Schüssel einschlief, und auch den Sonntag verschlief er fast ganz. Erst um die Vesperzeit stand er von seinem Lager auf, und nachdem er seine Sonntagskleider angetan hatte, setzte er sich an die hochgehäufte Schüssel; die Frauen mühten sich um ihn, wie um eine wichtige Persönlichkeit, legten reichlich Essen nach und gaben auf jeden seiner Winke acht; er aber lockerte, nachdem er sich satt gegessen hatte, seinen Gurt, reckte seine Glieder und rief freudig:

»Schönen Dank, Mutter! Und jetzt gehen wir uns etwas amüsieren!«

Er machte sich mit Nastuscha zur Schenke auf, und hinterdrein folgten Mathias und Therese.

Der Jude dienerte vor ihm und stellte ihm den Schnaps auf den Tisch, ohne daß man ihn erst zu rufen brauchte; er nannte ihn Herr Hofbauer, worauf Schymek ganz stolz war, und als er sich dann schon ordentlich einen getrunken hatte, fing er an, sich unter die Ersten zu drängen, redete überall laut und deutlich und gab seine Meinung zum besten.

In der Schenke waren viele Menschen; die Dorfmusik spielte, um die Leute anzufeuern, aber niemand dachte noch ans Tanzen, man trank einander nur zu, klagte über die Hitze und die böse Vorerntezeit, wie das so in der Schenke üblich ist.

Selbst die Borynas waren mit den Schmiedsleuten gekommen, aber sie begaben sich gleich in den Alkoven und mußten da ganz ordentlich feiern, denn der Jude trug ihnen immer wieder Schnaps und Bier hin.

»Der Antek guckt heute in einem fort nur auf die Seine, wie die Krähe auf einen Knochen, nicht mal wiederkennen tut er einen,« klagte Ambrosius mißmutig, nachdem er ein paarmal vergeblich in den Alkoven geguckt hatte, von wo das lockende Klirren der Gläser erklang.

»Die eigene Latsche sitzt ihm wohl besser, wie Stiefel, die über jedermanns Bein passen,« bemerkte Gusche lachend.

»Die scheuern aber niemand die Füße wund!« fügte noch einer hinzu, und die ganze Schenke brach in ein Gelächter aus, da jeder begriff, daß das auf Jaguscha zielte.

Nur Schymek lachte nicht mit; er hielt Jendschych umhalst, küßte ihn und redete mit einer schon ganz schweren Zunge auf ihn ein:

»Du mußt auf mich hören, bedenke, wer zu dir spricht.«

»Ich weiß schon, versteht sich ... aber die Mutter hat befohlen ...,« stotterte der andere weinerlich.

»Was da, Mutter! Auf mich hast du zu hören, ich bin ein Hofbauer.«

Die Musikanten spielten einen Gehetanz, ein Lärm erhob sich, Absätze klappten, die Dielen quietschten auf, hier und da sang schon einer mit, und bald drehten sich die Paare im Tanz. Schymek packte Nastuscha um die Taille, ließ seinen Kapotrock fliegen, schob die Mütze aufs Ohr, donnerte ein »Da-dana« Da-dana: Tanzruf. los und schob sich bis ganz an die Spitze der Tanzenden vor; er juchzte am lautesten von allen, stampfte verwegen auf, drehte sich am forschesten im Takt und kam in lauter Fröhlichkeit dahergeschoben, wie ein machtgeschwelltes Wasser zur Frühlingszeit.

Nachdem er ein paarmal herumgetanzt hatte, machte er sich mit den Frauen auf den Heimweg und blieb dann, schon ganz nüchtern geworden, noch einige Zeit mit ihnen vor dem Hause sitzen; auch Gusche hatte sich eingefunden. Sie redeten noch eine Weile miteinander, denn Schymek konnte, obgleich es schon spät war, immer noch nicht fort finden, er zögerte und verschob seinen Aufbruch immer wieder, schob sich immer dichter an Nastuscha heran und seufzte vor sich hin, bis die alte Täubich zu ihm sagte:

»Bleib doch, in der Scheune kannst du schlafen, was sollst du jetzt noch durch die Nacht laufen.«

»Dann will ich ihm sein Lager im Schuppen zurechtmachen,« erklärte Nastuscha.

»Laß ihn doch lieber unter dein Federbett, Nastuscha,« ließ sich Gusche vernehmen.

»Was ihr euch nicht alles denkt! Hale, das wäre noch besser!« wehrte Nastuscha beschämt ab.

»Was willst du denn, das ist doch dein Mannsbild! Eine Sünde ist da nicht bei, wenn da der Priester erst ein bißchen später seinen Segen gibt, der Junge arbeitet wie ein Ochs, da kann er auch seinen Lohn kriegen.«

»Recht hat sie! Nastusch! Hör' doch!« Er rannte ihr nach und bekam sie irgendwo im Obstgarten zu fassen; er schloß sie heftig in seine Arme, küßte sie und begann zu betteln:

»Willst du mich denn wirklich fortjagen, Nastusch? Jetzt mitten in der Nacht, Liebes?«

Die Mutter machte sich irgend etwas auf dem Flur zu schaffen und Gusche sagte im Weggehen:

»Laß ihn nur, Nastusch! So viel Gutes gibt es nicht in der Welt, daß man es nicht nehmen soll, und passiert es einem wie dem blinden Huhn, das ein Korn findet, dann soll man es auch nicht wieder aus den Fingern lassen.«

Sie begegnete im Heckenweg Mathias, der, als er durchs Fenster sah, was die beiden da drinnen hatten, dem Schymek zurief:

»Das ist schon recht, ich hätte nicht so lange gewartet!«

Und vor sich hinpfeifend lief er wieder ins Dorf seinem Vergnügen nach.

Am nächsten Morgen schon beim ersten Tagesgrauen war Schymek wieder wie immer an der Arbeit; er arbeitete unermüdlich, nur als ihm Nastuscha das Frühstück brachte, langte er gieriger nach ihren roten Lippen, als nach den Zweierkrügen.

»Und wenn du das ausplauderst, dann gieß' ich dir gleich einen Kessel heißes Wasser über den Kopf,« drohte sie, sich an ihn pressend.

»Jetzt bist du mein, Nastusch ... und freiwillig bist du mein geworden ... jetzt geb' ich dich gar nicht wieder her,« stotterte er leidenschaftlich, und ihr in die Augen sehend, meinte er: »Aber ich will gleich einen Lohn.«

»Dumm bist du! Hale, was der nicht gleich alles im Kopf hat!« Sie schob ihn beiseite und lief mit roten Wangen davon, denn sie hatte plötzlich den Herrn Jacek kommen sehen. Er kam, die Pfeife rauchend, mit seiner Geige unter dem Arm des Wegs daher, und nachdem er Gott zum Gruß geboten hatte, fing er an, den Schymek über verschiedenes auszufragen. Dieser prahlte stolz, was er schon alles an Arbeit bewältigt hätte, verstummte aber plötzlich und machte große Augen, denn der Herr Jacek legte mit einem Male ganz ruhig die Geige beiseite, warf den Rock ab und begann den Lehm in der Kuhle zu mischen.

Schymek ließ seinen Spaten fallen und stand mit offenem Munde da.

»Was wunderst du dich da, ha?«

»Wie soll das denn? Der Herr Jacek werden doch nicht mit mir zusammen arbeiten?«

»Das werd' ich, ich helf' dir beim Bau; glaubst du, daß ich kein Haus bauen kann? Du sollst sehen.«

Sie arbeiteten von nun an zu zweien; allerdings hatte der Alte nicht viel Kraft und war die Bauernarbeit nicht gewohnt, aber er hatte so mancherlei schlaue Mittel, daß die Arbeit viel rascher und geschickter vonstatten ging. Natürlich hörte der Schymek eifrig auf ihn und murmelte nur hin und wieder etwas dabei vor sich hin:

»Du lieber Gott, hat man je so was gesehen? ... Daß so ein Gutsherr ...«

Der Herr Jacek lächelte nur und fing an, über verschiedenes zu erzählen; er redete so viel Seltsames von der Welt, daß Schymek vor Staunen und Dankbarkeit ihm fast zu Füßen gefallen wäre, er hatte nur keinen Mut dazu; aber des Abends rannte er, um alles der Nastuscha zu erzählen.

»Sie haben gesagt, der soll ein Dummer sein, und der ist wie der klügste Priester!« schloß er seine Erzählung.

»Manch einer redet klug und tut Dummes! Das ist so, denn wenn sein Verstand richtig wäre, dann würde er dir doch nicht helfen oder gar die Kühe der Veronka hüten gehen ...«

»Das ist wahr, man kann sich das gar nicht so denken!«

»Das ist nichts anderes, als daß ihm was im Kopf schlecht geworden ist.«

»Aber einen besseren Menschen findet man doch nicht in der Welt.«

Er war ihm sehr dankbar für seine Hilfe, und obgleich sie tagaus tagein zusammen arbeiteten, gemeinschaftlich aus einem Zweierkrug aßen und unter einem Schafpelz schliefen, wagte er doch nicht, ihm gegenüber vertraulicher zu werden.

»Er bleibt doch immer einer von den Herrschaftlichen,« dachte er voll tiefer Achtung und sah voll Freude auf sein Haus, das unter dieser Beihilfe rasch aufschoß wie Teig, unter den man Hefe gemengt hat; als dann noch Mathias zum Helfen hinzukam und Klembs Adam alles, was zum Bau an Holz nötig war, aus dem Walde heranfuhr, kam bald eine ganz feine Kate zustande, die man sogar von Lipce aus deutlich sehen konnte. Mathias arbeitete eine ganze Woche daran und feuerte noch die anderen an, soviel er konnte, und als sie Sonnabend mit dem Bau des Hauses fertig geworden waren, steckte er noch einen grünen Zweig an den Schornstein und lief gleich wieder an die eigene Arbeit.

Schymek war gerade noch mit dem Säubern der Stube von Sägespänen und Bauschutt beschäftigt, als der Herr Jacek seinen Rock überzog, seine Geige unter den Arm klemmte und lachend sagte:

»Das Nest ist jetzt fertig, nun setz' dir mal die Glucke 'rein! ...«

»Morgen nach der Vesper ist doch meine Hochzeit.« Er eilte auf ihn zu, um ihm zu danken.

»Ich hab' nicht umsonst gearbeitet! Wenn man mich aus dem Dorf jagt, dann komm' ich zu dir wohnen.« Er zündete seine Pfeife an und stapfte ruhig in der Richtung des Waldes davon.

Schymek aber, der schon mit allem fertig war, konnte doch nicht zur Ruhe kommen; er reckte seine müden Glieder und sah voll freudiger Überraschung auf sein Haus.

»Das ist nun mein Haus. Jawohl, das ist es,« redete er vor sich hin, als könnte er es selber noch nicht glauben; er betastete die Wände, ging ums Haus herum und sah durchs Fenster hinein, mit Behagen den herben Geruch von frischem Kalk und nassem Lehm einatmend. Erst bei eintretender Dunkelheit machte er sich auf den Weg ins Dorf, um sich für den kommenden Tag bereit zu machen.

Natürlich wußte jeder über die bevorstehende Hochzeit Bescheid; so hatte es auch eine der Nachbarinnen der Dominikbäuerin zugetragen, aber die Alte tat, als hörte sie nicht, worüber man redete.

Am folgenden Tag aber, der ein Sonntag war, schlich sich Jaguscha schon von frühem Morgen an immer wieder mit großen Bündeln nach Nastuscha hinüber; doch die Alte, obgleich sie wohl gemerkt hatte, was da vor sich ging, widersetzte sich nicht, sie wandelte finster und schweigend im Hause umher, so daß Jendschych erst nach dem Hochamt den Mut fand, sein Anliegen vorzubringen.

»Dann geh' ich wohl jetzt, Mutter!« sagte er schüchtern, sich vorsichtig in einer gewissen Entfernung von ihr haltend.

»Du solltest lieber die Pferde aufs Kleefeld treiben ...«

»Schymek hat doch heute Hochzeit, wißt ihr das nicht, Mutter ...«

»Dank du Gott, daß du das nicht bist,« lachte sie höhnisch. »Und wenn du dich betrinkst, dann wirst du noch sehen, wie ich dir beikomme!« Sie drohte wütend nach ihm hin und machte sich schließlich, als er sich noch zu putzen begann, auf den Weg ins Dorf.

»Ich besauf' mich, gerade darum!« murmelte er vor sich hin, nach dem Haus von Mathias gehend. Die Hochzeiter traten gerade aus dem Haus, um nach der Kirche zu gehen, sie kamen still, ohne Singen, ohne frohe Zurufe und ohne Musik daher. Die Trauung ging bei nur zwei Kerzen ganz ärmlich vonstatten, so daß Nastuscha in ein klägliches Weinen ausbrach und Schymek ganz trotzig dastand und die wenigen Leute, die in der fast leeren Kirche waren, herausfordernd ansah. Als sie schon im Hinausgehen waren, spielte noch der Organist zum Glück ein paar fröhliche Weisen auf, daß alle dabei lustiger ausschritten und ihnen froher zumute wurde.

Jaguscha kehrte gleich nach der Trauung zur Mutter zurück und sah nur später hin und wieder bei ihnen ein. Mathias spielte auf der Geige, Borynas Pjetrek begleitete ihn auf der Flöte, und irgendwer trommelte aus ganzen Kräften dazu. Es wurde in der engen Stube getanzt, und andere, die auch noch Lust zum Tanzen hatten, drehten sich einfach draußen zwischen den Tischen und Bänken im Tanz, an denen der größte Teil der Hochzeitsgäste essend und trinkend und leise miteinander redend saß, denn es schickte sich nicht, daß man schon bei hellem Tag und noch nüchtern in Geschrei ausbrach und eine laute Lust zeigte.

Schymek lief in einem fort seiner Frau nach und küßte und drückte sich mit ihr in allen Ecken herum, so daß man sich allgemein über ihn lustig machte und Ambrosius gewichtig sagte:

»Freu' du dich, menschliche Seele, heute tust du feiern, und morgen wirst du weinen!« Dann gingen seine Augen wieder gierig dem Schnapsglas nach.

In Wirklichkeit war man auch nicht so recht in Gang gekommen, und es war keine Aussicht, daß die rechte Lust noch kommen sollte, darum gingen die meisten, nachdem sie etwas gegessen und, wie es schicklich war, ihre Zeit abgesessen hatten, kaum daß die Sonne gesunken war, nach Hause. Mathias allein war in einer rechten Feststimmung, er spielte und sang, nötigte die Mädchen zum Tanz, bewirtete sie mit Schnaps; und als Jaguscha kam, machte er sich gleich an sie heran, sah ihr in die Augen und redete leise auf sie ein, ohne auf die tränenblitzenden Augen Thereses zu achten, die ihm überallhin folgten.

Jaguscha ließ ihn gewähren, sie fühlte für ihn weder Zuneigung noch Abneigung, hörte zu, was er sagte, und achtete nur eifrig darauf, ob die Anteks nicht kamen, denen sie um nichts in der Welt hätte begegnen mögen. Zum Glück kamen sie nicht, es war auch keiner von den ersten Hofbauern gekommen, obgleich sie nicht abgesagt hatten; jeder hatte aber seine Hochzeitsgabe, wie das üblich war, eingeschickt; als nun aber am Abend jemand darüber zu reden anfing, legte Gusche laut los, wie sie das so gern tat:

»Hättet ihr Leckerbissen hier aufgetischt und ihnen eine Kufe Schnaps unter die Nase gehalten, dann hätte man die Ersten selbst mit einem Stock nicht von sich abhalten können; aber umsonst lieben sie nicht ihre Wänste durchzurütteln und mit den trockenen Zungen zu dreschen.«

Da sie aber schon etwas angetrunken war, so holte sie sich Jaschek den Verkehrten heran, der irgendwo in einer Ecke saß, kläglich vor sich hin seufzte, sich in einem zu schneuzte und stumpf auf Nastuscha sah, und begann sich über ihn lustig zu machen.

»Tanz' mal mit ihr, laß dir mindestens das nicht nehmen, wenn dir schon die Mutter das Heiraten verboten hat, gib dir mal Mühe um sie, dann wird sie vielleicht gnädig sein und dir was zugeben, sie hat ja jetzt ihr Mannsbild, ob sie dazu denn noch einen mehr hat, darauf kommt's nicht an.«

Und sie wurde schon so geradeaus in ihren Reden, daß sich die Ohren sträubten, all das mit anzuhören, und als dazu noch Ambrosius ins Trinken kam und den Mund dabei auf seine Art vollnahm und die beiden sich zusammentaten, konnte keiner gegen sie ankommen; sie brachten soviel Verschiedenes vor, daß sich alle vor Lachen die Bäuche hielten; so lustig waren sie geworden, daß sie gar nicht merkten, wie schnell die kurze Sommernacht vorüber war.

Und mit einem Male war von den Gästen niemand mehr als Ambrosius da, der noch die übriggebliebenen Flaschen leer trank. Die jungen Eheleute aber hatten beschlossen, auf ihr Eigenes überzusiedeln; Mathias versuchte sie noch zu überreden, eine Zeitlang bei ihm zu bleiben, aber Schymek hatte eigensinnig auf seinem Willen bestanden. Er borgte sich ein Pferd von Klemb, lud die Holzkoffer, Geräte und Betten auf den Wagen, half Nastuscha feierlich hinauf, fiel der Schwieger zu Füßen, küßte den Schwager, verneigte sich tief vor der Verwandtschaft, schlug das Zeichen des Kreuzes, ließ die Peitsche sausen und fuhr davon; neben dem Wagen gingen die Angehörigen.

Schweigend verfolgten sie ihren Weg. Die Sonne war gerade aufgegangen, die Felder blitzten voll Tau, Vogelgesang erklang in der Runde, die schweren Ähren fingen an, sich zu bewegen, und über die ganze Welt kam die Freude des neuen Tages, die wie ein heiliges Gebet durch jeden Grashalm zuckte und sich in einem Lobgesang zum hellen Himmel erhob.

Erst hinter der Mühle, als zwei Störche über ihnen zu kreisen begannen, machte die Mutter eine verstohlene Handbewegung und sagte:

»Unberufen! Das ist ein gutes Zeichen, ihr werdet viel Kindersegen haben.«

Nastuscha wurde etwas rot, und Schymek, der gerade den Wagen stützte, da der Weg hier und da uneben war, fing an, verwegen vor sich hin zu pfeifen und blickte trotzig um sich.

Als sie schließlich allein geblieben waren, fing Nastuscha, die sich in ihrem neuen Heim umgesehen hatte, an, kläglich zu weinen, so daß Schymek schließlich auf sie einschrie:

»Weine nicht, Dumme! Manch eine hat auch das nicht! Die werden dich noch beneiden,« fügte er hinzu, und da er sehr müde und etwas angetrunken war, warf er sich in die Ecke aufs Stroh und schlief bald ein. Sie aber setzte sich vors Haus, und ab und zu aufweinend, sah sie auf die weißen Häuserwände von Lipce, die hier und da aus den Obstgärten zu ihr herübergrüßten.

Und sie weinte noch manches Mal über ihre Armut, wenn auch immer seltener, denn es war als hätte sich das ganze Dorf verabredet, ihnen zu helfen. Als erste kam die Klembbäuerin mit einer Glucke unter dem Arm und einer Schar Kücken im Korb; sie hatte den guten Anfang gemacht; denn darauf kam fast jeden Tag irgendeine andere Bäuerin und auch nicht mit leeren Händen.

»Womit soll ich euch all das nur vergelten,« sagte Nastuscha gerührt.

»Mit einem schönen Dank, das ist genug,« sagte die Sikorabäuerin, die ihr einen Ballen Leinwand gebracht hatte.

»Wenn du mal zu Besitz gekommen bist, kannst du es jemand Ärmeren geben,« fügte die ganz außer Atem gekommene Ploschkabäuerin hinzu und zog unter der Schürze ein großes Stück Speck hervor.

Sie hatten ihr so viel gebracht, daß es für lange ausreichen konnte; und eines Tages kam in der Dämmerung selbst Jaschek angelaufen, band seinen Hund Krutschek vor dem Hause fest und rannte schnell davon, als säße ihm Feuer im Nacken.

Sie lachten darüber und erzählten es der Gusche, die gerade aus dem Wald kam; die Alte verzog das Gesicht zu einem verächtlichen Lachen und sagte:

»Heute mittag hat er dir Beeren gesammelt, Nastuscha, aber die Mutter hat sie ihm weggenommen.«


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