Franziska Gräfin zu Reventlow
Der Selbstmordverein
Franziska Gräfin zu Reventlow

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Es kam dann auch so, daß sie sich in der nächsten Zeit häufig sahen, aber das gemeinsame Abenteuer wurde nicht mehr erwähnt. Henning begegnete ihr mit Korrektheit, die sogar einen Anflug von Strenge hatte. Er rügte ihr zerfahrenes Wesen und hatte jeden Augenblick etwas an ihrer Toilette oder ihrem Benehmen auszusetzen. Sie lachte dann wohl, nahm es sich aber doch mehr zu Herzen, als wenn ihre bisherigen Beschützer sie zu erziehen versuchten. So bemühte sie sich, ihre Wohnung besser instand zu setzen, und lud ihn dann ein, sie einmal wieder zu besuchen. Aber er lehnte es kurzweg ab, man traf sich immer nur in Gesellschaft der anderen oder machte nach ihrer Theaterstunde einen Spaziergang miteinander.

Werner war inzwischen wieder abgereist, nachdem er Doktor Augustin kennengelernt und des längeren mit ihm über seine Nichte gesprochen. Er hatte sich inzwischen noch eingehender mit ihr beschäftigt und äußerte sich in unbestimmten Ausdrücken. Gewiß, es sei alles mögliche da, was sich entwickeln und herausbilden ließe, aber auch ihm gab die eigenwillige Sprunghaftigkeit des Mädchens zu denken. Wenn man eine Rolle mit ihr durchnahm, war sie manchmal ganz bei der Sache und zeigte die besten Ansätze, aber gleich darauf hatte sie Gott weiß was für andere Gedanken im Kopf und war zu nichts mehr zu brauchen. «Strenge künstlerische Zucht tut ihr not», sagte Werner, «und Abschleifen in jeder Beziehung. Vielleicht ein rauher Diamant, der die Mühe lohnt, vielleicht auch nur ein hübscher blanker Kieselstein.»

Das gab den Käuzen viel zu denken und zu reden. Sie hatten zwar schon häufig ähnliche Erwägungen gemacht, aber sie waren dabei unter sich gewesen. Das Problem war sozusagen in der Familie geblieben, jetzt begannen sich auch andere dafür zu interessieren, das störte und beunruhigte sie.

Eines Nachmittags saß Henning wieder bei ihnen, und zufällig hatte sich auch Käthe eingestellt, was sonst selten vorkam.

«Was macht Ihr Diamant?» fragte Henning, «geht es gut vorwärts mit dem Abschleifen?» Er hatte Elisabeth in der letzten Woche nur flüchtig gesehen. Aber Augustin war herzlich schlechter Laune und sagte mit einem Anflug von Galgenhumor, der eine neue Erscheinung an ihm war: «Nein, wir kommen nicht damit zu Rande. Entweder muß ich jetzt heiraten, damit das Mädchen eine Art Familie hat, oder man muß sie selbst unter die Haube bringen, mit einem Mann, der sie zu beeinflussen weiß.»

Weintrapp und Leidhecker wechselten erstaunte, befremdete Blicke, solche gewaltsame Scherze lagen sonst gar nicht in seinem Stil. Er fühlte das auch selbst und lenkte wieder in die gewohnte, an diesem Stammtisch herkömmliche Redeweise ein: «Ich gedachte hiermit keine Frivolität zu sagen, sondern meinte es ganz im Ernst», sagte er. «Das Kaffeehaus ist zwar nicht der geeignete Ort, um darüber zu sprechen, aber da wir hier unter uns sind... Kurzum, Sie wissen, daß Elisabeth inzwischen einige Bälle besuchte, und bei dieser Gelegenheit hat ein Herr sie kennengelernt, der sie zu heiraten wünscht. Ich möchte selbstverständlich noch keinen Namen nennen, aber er war schon bei mir, hat nicht grade direkt um sie angehalten, sondern – wie soll ich sagen – mich nur darauf vorbereitet, daß dieses geschehen würde, sobald er sich ihrer Zustimmung einigermaßen sicher fühlt...»

Käthe mußte unwillkürlich lachen, dieser vorsichtige Bewerber würde sich sicher gut mit den Käuzen verstehen. Henning aber ärgerte sich. Da wurde so viel über das Wohl und Wehe dieses Mädchens geschwätzt, und schließlich war es doch allen am bequemsten, sie mit dem ersten besten Trottel zu verheiraten. Er hatte sie gern und fand es schade um sie. Sie war ein warmherziges, impulsives Wesen und zeigte ihm gegenüber eine fast kindliche Anhänglichkeit. Er nahm sich vor, sich wieder mehr um sie zu bekümmern, eben jetzt hatte er sie ein wenig vernachlässigt, weil ihm andere Dinge im Kopf lagen.

«Was sagt sie denn selbst dazu?» fragte er brüsk.

«Das eben», sagte Augustin, «das eben hat mich ein wenig aus der Fassung gebracht. Sie lachte erst und fragte, ob er Geld habe, viel Geld, und schilderte mir aufs ausführlichste, wie sie sich dann das Leben zu gestalten wünsche. Dann wurde sie wieder ernst, sagte, sie dächte gar nicht daran und fände den betreffenden Herrn unausstehlich. Ferner erklärte sie mir noch an demselben Tage, vom Theater habe sie vorläufig genug, es habe sie anfangs gelockt und gereizt, aber als dauernder Beruf sei es eben doch nichts für sie. Jetzt sehne sie sich nur danach, Musik zu treiben. Sie ist tatsächlich musikalisch recht begabt, aber es wird allmählich eine Kalamität mit all ihren Talenten und dem gänzlichen Mangel an Ausdauer... Nach dieser Aussprache ist sie dann nicht mehr bei mir gewesen, so suchte ich sie dieser Tage in ihrer Wohnung auf» – Augustins Augen weiteten sich, als habe er dort ganz ungewöhnliche Eindrücke erlebt –, «sie sitzt den ganzen Tag am Klavier und spielt. Nein, das kann nicht so weitergehen.»

«Elisabeth ist ein Kind», sagte der schweigsame Leidhecker, «das meinte die Frau Kommerzienrat auch – ich sprach gestern mit ihr über die Aufführung, bei der Elisabeth jetzt plötzlich nicht mehr mitwirken will.»

Käthe fragte, um was für eine Aufführung es sich handle, und Augustin erzählte, es solle im Hause Schönlank ein Diner gegeben werden mit nachfolgenden künstlerischen Darbietungen, an denen sich auch talentvolle Dilettanten beteiligten.

Man vertiefte sich in Einzelheiten, das Gespräch drehte sich nun endlos und ausschließlich um dieses Diner sowie die kulinarischen und künstlerischen Genüsse, die es bieten sollte. Die Käuze hatten einige interessante alte Rezepte ausgegraben und sie ausführlich mit der Frau Schönlank besprochen, Elisabeth hatte schon mit jenem Herrn, der sich um sie bewerben wollte, eine Rolle geprobt und mußte unter allen Umständen dazu bewogen werden, ihren Widerstand aufzugeben. Auch an Henning wandte Augustin sich mit einer dringenden Ermahnung, die Einladung nicht auszuschlagen. Er antwortete ausweichend und brach gleich danach auf.

«Lassen Sie ihn doch mit Schönlank zufrieden», sagte Käthe, als er gegangen war, «er mag die Leute nicht, und das Zureden verstimmt ihn nur.»

«Es ist aber tatsächlich von Wichtigkeit für ihn, gnädige Frau... Ich kann Ihnen das nicht im einzelnen auseinandersetzen, es ist gewissermaßen noch Geschäftsgeheimnis. Nur so viel möchte ich sagen, daß der Kommerzienrat von den besten Absichten für unseren gemeinsamen Freund erfüllt ist, wenn ihm dieser nur ein weniges entgegenkommen wollte.»

«Etwa eine von seinen Töchtern zur Baronin machte – ja, das glaube ich gern.»

«Sie tun dem Mann unrecht. Er ist, wie ich ihn kenne, durchaus kein berechnender Charakter. Seine Eitelkeit, wenn man es schon so nennen will, liegt auf ganz anderem Gebiet. Er ist ein mächtiger und einflußreicher Mann, und wo er einmal Sympathie für jemanden gefaßt hat, macht es ihm die größte Freude, jene beiden angenehmen Dinge für ihn geltend zu machen.»

«Warum hat er nur diese auffallende Sympathie für Henning», meinte Käthe nachdenklich.

«Viele haben Sympathie für ihn», bemerkte Leidhecker, «aber er hat keine Verwendung dafür.»

Augustin liebte es nicht, wenn man ihn durch Zwischenbemerkungen störte, er quittierte daher diese nur mit einem flüchtigen Lächeln und fuhr dann fort, wie schon gesagt, könne er keine Einzelheiten darüber sagen, aber Schönlank habe eine Stellung für ihn im Auge, welche für Henning den Ausweg aus allen Schwierigkeiten bedeute.

«Meinen Sie denn, daß er überhaupt in einer Stellung irgend etwas leisten wird?»

Ihre Frage klang sehr ungläubig.

«Der Baron ist begabt», sagte Leidhecker, und Weintrapp, der Zeitungen las, nickte zustimmend.

«Selbst das wäre hier nicht einmal nötig. Für die Leistungen sind andere Leute da. Er braucht nur zu repräsentieren, vorhanden zu sein und, ich wiederhole, dem Herrn Schönlank ein wenig entgegenzukommen.»

Auch diese beiden Fähigkeiten traute Käthe ihm nicht recht zu, aber sie sprach das nicht aus.

«Reden Sie ihm zu», sagte Augustin geheimnisvoll und eindringlich. «Tun Sie Ihr möglichstes, gnädige Frau, daß Henning das Diner nicht versäumt. Man legt Wert darauf, daß er gerade bei dieser Gelegenheit erscheint.»

«Gewiß, gerne, soweit ich da etwas ausrichten kann. Wenn man Ihnen heute zuhört, lieber Doktor, möchte man beinah glauben, dieses Diner sei eine magische Veranstaltung, wo jeder, der ernstlich danach trachtet, sein Lebensglück ausgehändigt bekommt – Ihre Nichte, Henning –, vielleicht findet sich auch für mich noch etwas.»

«Sie brauchen es nicht, Frau Käthe...»

Sie war schon aufgestanden, Augustin begleitete sie bis an den Ausgang: «Allen Scherz beiseite, gnädige Frau», sagte er, «ich hatte kürzlich einen Brief von dem alten Baron, er macht sich schwere Sorgen um seinen Sohn – und ich auch. Durch einen Zufall habe ich allerhand über ihn erfahren, ich fürchte, er ist da in Dinge hineingeraten, die ihm den Hals brechen können, wenn nicht etwas geschieht...»

«Wenn er nicht zum Diner des Kommerzienrats geht», antwortete Käthe mit einer Nuance von Gereiztheit. «Gewiß ja, er hat auch mir gegenüber so etwas geäußert. Es scheint, daß er spielt – was weiß ich. Es wird auf die Dauer langweilig und ermüdend, wenn ein ausgewachsener Mensch immer Sorgenkind bleibt.»

Und als sie Henning das nächste Mal traf, sagte sie ihm: «Nun, wie steht's? Sie werden doch hingehen... zu Schönlanks, meine ich. Man will Sie retten. Ich weiß nicht, inwieweit Sie Rettung brauchen, aber überlegen Sie es sich rechtzeitig. Natürlich gehe ich auch hin, und wenn wir einen stimmungsvollen Platz finden, können wir ja wieder einen Annäherungsversuch machen... Übrigens werde ich Hans Burmann heiraten, um diese Frage endlich aus der Welt zu schaffen.»

Henning lachte: «Aber Käthe, was ist denn in Sie gefahren? Sie werden ja ganz brutal. Natürlich wünsche ich Ihnen alles Glück und Hans ebenfalls.»

Er machte seinen Besuch bei Schönlanks und wurde mit strahlender Liebenswürdigkeit empfangen. Dann gab es eine längere Privatunterhaltung mit dem Kommerzienrat, der ihn ungemein vorsichtig behandelte und sich nur in Andeutungen erging. So sondierte er flüchtig, ob Henning wohl gewillt sei, es mit einer Stellung zu versuchen, die nur geringe Ansprüche an Fachkenntnis stellte, aber diese und jene Vorteile böte – deutete an, daß er Gelegenheit haben würde, die maßgebenden Persönlichkeiten bei dem geplanten Fest kennenzulernen – es sei auch dies nur Formsache, als solche aber von Wichtigkeit.

Henning war an diesem Vormittag in friedfertiger Stimmung und ließ alles mit stummer Resignation über sich ergehen. Nur als Schönlank äußerst behutsam andeutete, daß sich wohl auch ein Modus finden würde, pekuniäre Schwierigkeiten zu arrangieren, zuckte er ein wenig und dachte an den Pferdefuß. Wenn dieser Mann wirklich genau über ihn orientiert war, mußte etwas ganz Besonderes dahinterstecken, oder aber er war von einer sinnlosen Nächstenliebe besessen.

Vielleicht hatte Schönlank dieses Zucken bemerkt, denn er sprang rasch wieder von dem heiklen Punkt ab, erzählte von den künstlerischen Darbietungen des Abends und erwähnte so nebenbei, es werde auch ein schwedisches Tänzerpaar erwartet, das schon voriges Jahr hier geweilt habe, ohne jedoch aufzutreten. Er nannte auch die Namen, und Henning fiel dabei die Visitenkarte des verdammten Schweden ein:... spätestens am 15. Februar. Es stimmte alles ganz genau und war vielleicht ein eigentümliches Zusammentreffen, aber er wunderte sich nicht darüber. Der Kommerzienrat war sichtlich dazu ausersehen, sein Schicksal in die Hand zu nehmen und ein ganzes Füllhorn erwünschter Dinge über ihn auszuschütten. Nur kam er wahrscheinlich damit zu spät.

Es war Mittag vorbei, als sie sich unter herzlichem Händeschütteln trennten. Der Kommerzienrat begab sich zu seiner Familie, und Henning ging nach Hause. Man hatte Elisabeth eingeladen, und er fand sie und Burmann schon bei Tisch. Die beiden verstanden sich ausnehmend gut, und Henning machte eine Bemerkung darüber, als er in das Zimmer trat. Er meinte, sie sähe heute ganz besonders artig und gesetzt aus, gewiß habe Burmann ihr gerade wieder eine ihrer neuesten Launen ausgeredet, sogar die Locke, in der ihr ganzer Eigensinn stecke, sei ausnahmsweise am rechten Platz. Worauf das Mädchen mit raschem Aufblick antwortete: ja, hier im Hause sei ihr am allerwohlsten, und dann verhielten sich auch ihre Launen und Locken ruhiger.

Dann erzählte Henning von seinem Besuch, erklärte ohne weiteres, Elisabeth möchte jetzt ihre Proben wiederaufnehmen, es sei eine ausgemachte Sache, daß sie alle beide das Fest mitmachen würden. Wenn er zu Kreuz krieche, solle sie ihm wenigstens dabei Gesellschaft leisten. Elisabeth nickte.

«Warum ist denn Käthe nicht erschienen?» fragte er, «oder kommt sie noch?»

«Nein, sie war verhindert, du wirst die Herren Onkel nachher beruhigen müssen, daß wir ihre Nichte ohne Gardedame empfangen haben.»

«Sie mag mich nicht», meinte Elisabeth, «und übrigens möchte ich das Recht haben, hier im Hause aus und ein zu gehen, wie es mir und Ihnen paßt.»

Man versuchte ihr diesen Gedanken auszureden, warum sollte Käthe etwas gegen sie haben, aber die beiden Freunde fühlten, daß wohl etwas Richtiges daran sein mochte, und dann versprachen sie, die Frage des unbeschränkten Gastrechts näher zu erwägen.

«Wenn ich wieder zurück bin», sagte Burmann, «ja, ich denke nämlich auf ein paar Tage fortzugehen. Jetzt mitten im Winter, einerlei, ich bin überarbeitet und muß ein wenig ausspannen.»

Noch während er darüber sprach, rasselte das Telephon, und Josias meldete, daß ein Patient dringend seinen Besuch wünsche. Burmann legte die Serviette weg: «Da können Sie sich einen Begriff machen, Elisabeth, was Pflicht heißt. Ein schönes, bittres Wort, das Sie nur vom Hörensagen kennen.» Damit ging er.

Henning nahm sie mit herüber in sein Zimmer, das sie gerne sehen wollte. Sie betrachtete alles, entdeckte schließlich auch den vergoldeten Schuh auf dem Schreibtisch und fragte, ob der aus seiner eigenen Kindheit stamme. Nein, und Henning begann ihr die Geschichte dieses Schuhes zu erzählen. Elisabeth saß dabei auf dem Schreibtisch und ließ die Füße herabhängen. Es wunderte ihn, daß es sie so erregte, aber sie wurde bleich bis in die Lippen und schauderte sichtlich.

«Ja, mein Gott», unterbrach er sich, «was haben Sie denn? Wenn Sie dies fremde Schicksal so erregt – und Sie wollen Schauspielerin werden?»

«Nein, das will ich nicht mehr», und sie nahm sich wieder zusammen, «ich tauge nicht dazu. Ich tauge überhaupt zu nichts. Was ich auch anfange, immer dasselbe. Aber das sind nicht nur Launen, wie ihr meint. Und mit dem Leben geht es mir genauso. Es ist ja», sie bekam plötzlich wieder Farbe und sprang auf, «es ist manchmal so schön, leichtsinnig zu sein, und dann ist auch das wieder nichts.» Dabei hatte sie ein frivoles Lächeln und sah ihn sonderbar an, dann verschwand das Lächeln, und ihre Augen wurden matt und dunkel. Sie nahm den Schuh noch einmal in die Hand: «Wissen Sie was, Henning», sagte sie langsam und ohne Pose, «am liebsten möchte ich denselben Weg gehen wie diese Hedy, ich habe nur den Mut nicht. Und vor allem nicht allein.»

«Warten Sie noch, vielleicht leiste ich Ihnen Gesellschaft.»

«Warten, worauf?»

«Nun, zum mindesten warten wir noch das berühmte Diner ab. Vielleicht denken wir nachher alle beide anders darüber.»

Sie schwieg, und er versuchte diese Szene absurd zu finden, aber es wollte ihm nicht recht gelingen. Wenn sie nur jetzt nicht anfängt zu weinen wie die Kleine damals. Dann werde ich sie zu trösten suchen, und wer weiß, wie das endet, aber Elisabeth weinte nicht, sondern sah ihn gerade an und sagte: «Ist das Ihr Ernst... ich meine, daß Sie auch solche Gedanken haben?»

Er zuckte die Achseln: «Mir ist eigentlich nie etwas Ernst. Ich hänge weder am Leben, noch sehne ich mich danach, es los zu sein... aber», fuhr er halb gedankenlos fort, mit einer tiefen Falte zwischen den Augen, «es könnten Umstände eintreten, die mir nicht viel Wahl lassen. Übrigens spreche ich das heute zum erstenmal aus, komischerweise gerade Ihnen gegenüber. Das ist vielleicht ebenso sinnlos wie unser Irrtum an jenem Abend. Oder es ist nur Hedys Schuh daran schuld.»

«Wieso? Was für Umstände?» wollte sie wissen. Er setzte sich in den Sessel vor dem Schreibtisch und spielte mit dem Federhalter, der vor ihm lag.

«Geldgeschichten, Elisabeth. Ja, sehen Sie mich nur so an. Sie denken, ich sei ein Gentleman, das denken bisher alle, die mich kennen. Ich halte mich ja auch selbst dafür, aber – verstehen Sie – meine Geldaffären sind auf einen Punkt geraten, wo ich eventuell nicht mehr dafür gelten könnte. Das liegt mir nicht, wenn ich auch ein äußerst indolenter Mensch bin, es würde mich doch wohl zu einem Entschluß treiben, der die ganze Sache erledigt. Sie haben doch gewiß schon hin und wieder gehört, daß sich Männer wegen derartiger Angelegenheiten eine Kugel vor den Kopf schießen.»

Das Mädchen sah ihn immer noch an, als habe sie nicht recht begriffen.

«Aber, wie gesagt, ich habe noch eine Weile Zeit, es mir zu überlegen. Jedenfalls gehen wir erst zusammen zu dem Diner. Und jetzt wollen wir spazierengehen, um auf andere Gedanken zu kommen.»

Unterwegs erzählte er ihr, daß auch Lucy da sein werde. Er sei recht neugierig, wie es nun diesmal mit ihr ausgehen werde. Jedenfalls würde sie nun wohl aufhören, ein Phantom zu sein.

«Und Sie werden uns wohl nicht noch einmal miteinander verwechseln», sagte Elisabeth nachdenklich.

 


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