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III.

Mit neuem Muthe hatte Guido Metthorst die Heimath verlassen und wieder seine Verfolgungsreise angetreten. Er wollte nicht eher heimkehren, bis es ihm gelungen war, eine Spur des Mannes aufzufinden, der ihn in so schmählichen Verdacht gestürzt.

Ehrenwerth im höchsten Grade besaß dieser junge Mann ein Ehrgefühl, das auf einer krankhaften Empfindlichkeit beruhete. Es schien ihm kein Opfer zu groß, um den Flecken zu tilgen, den eine Unbesonnenheit auf ihn geworfen. Pünktlich und gewissenhaft im Geschäftsverkehr, wie selten ein Mann, der von Provisionen leben muß, hatte er bis dahin noch nie Gelegenheit gehabt, mit Schwindlern, wie die Zeit sie geboren, zusammen zu treffen; deßhalb war es ganz natürlich, daß er arglos dem ersten dieser heillosen Menschenrace zum Opfer fiel, der sich ihm näherte. Guido Metthorst hatte sorglos Wechselgeschäfte für diesen Fremden übernommen, der sich wie ein reicher Mann benahm und sich ihm als den Bruder des sehr wohlbekannten reichen Prassers Albert Bekon präsentirte. Er hatte bedeutende Wechsel für diesen Fremden verwerthet, die von dem wohlbekannten, verschwenderisch lebenden Albert Bekon acceptirt waren, und als der Tag erschien, wo sie verfallen waren, da protestirte Albert Bekon lachend gegen die Richtigkeit dieser Wechsel und erklärte, daß er gar keinen Bruder besitze und das Accept durchaus nicht anerkenne.

Wie von einem Donnerschlage betäubt hörte Metthorst zu, als ihm voller Hohn diese Mittheilung gemacht wurde, und da er zu wissen meinte, wo der fragliche Bruder des Albert Bekon sich zur Zeit aufhalte, so erachtete er es für's klügste, ohne weiteres dorthin abzureisen. Seine Uebereilung trug böse Früchte. Nicht allein, daß sie seine Gattin in eine peinliche Unruhe stürzte, sondern auch, daß sie einen leichten Verdacht bestärkte und zu allerlei Muthmaßungen führte. Leider war sie auch ganz vergeblich gewesen. Und zum zweitenmale handelte er übereilt, als er, mit neuen Mitteln versehen, unter den Segnungen Adelheids, wieder fort eilte, sich keine Rast und Ruhe gönnend.

»Ihn suchen! Ihn finden!« hallte es in ihm, wie mit Dämonsgewalt. »Ihn suchen! Ihn finden!« war sein Losungswort. Es handelte sich um eine bürgerliche Existenz, es handelte sich um einen guten Namen, es handelte sich um ein ganzes Lebensglück! Eine entehrende Untersuchung bedrohete ihn, seine Vermögens-Verhältnisse, die überhaupt nicht glänzend waren, erhielten einen so gewaltigen Stoß, daß er sich als verloren betrachten mußte, wenn es ihm nicht gelang, den Mann herbeizuschaffen, der seine Sorglosigkeit mißbraucht hatte.

Vorwärts eilte er ohne Rast und Ruh, allein er versäumte keine Gelegenheit, sich umzusehen und zu forschen und zu fragen. Vergebens! Endlich langte er in der schönen Gebirgsstadt an, die als eine Provinzialhauptstadt zu betrachten war und als solche den umwohnenden Edelleuten und Gutsbesitzern zum Versammlungsorte diente.

Hier machte Guido Halt! In dieser Stadt und in deren wunderschönen Umgebungen hatte der Fremde, der ihn betrogen, zu genau Bescheid gewußt, um nicht die Gewißheit zu wecken, daß er hier gelebt habe. Schon der erste Abend versprach dem hoch erfreuten jungen Manne einen sichern Erfolg. Der Kellner des Hotels erinnerte sich eines Mannes, welcher Bekon geheißen und nannte ihm ein nahe gelegenes Rittergut, wo derselbe als Volontair sich ausgehalten, um sich in der Landwirthschaft zu vervollkommnen. Die Beschreibung paßte. Als Oekonom hatte sich der fragliche Bruder des Albert Bekon bei ihm eingeführt und den Ankauf eines Gutes zum Vorwand gebraucht, die Wechsel zu verwerthen. Der Fremde war also kein Betrüger – nur Mißverständnisse schienen obzuwalten – denn der Herr Bekon, welcher als Volontair hier in der Gegend gelebt, war nach den Betheurungen des Kellners ein sehr reicher Mann.

O, wie jubelte der arme Metthorst, daß er sich am Ziele fand, daß alle Noth, alle Sorge nun ein Ende hatte. Zwar sollte der Oekonom Bekon nicht mehr in dieser Gegend verweilen, aber der Kellner behauptete zuversichtlich, daß seine hiesigen Freunde seinen Aufenthaltsort genau angeben konnten. Er rieth mit riesig wachsender Klugheit, dem Besitzer des Gutes einen Besuch zu machen, wo Bekon eine Zeitlang gelebt habe.

Guido Metthorst säumte nicht, diesem Rathe zu folgen. Kaum grauete der Tag, so erhob er sich von seinem Lager, welches, zum erstenmale seit seiner schweren Prüfung, von holden Traumgebilden umgaukelt worden war, und rüstete sich zu der kleinen Tour, die er, wegen der Ersparniß, zu Fuß machen wollte.

Wohlgemuth trat er seine Wanderung an. Das Wetter begünstigte sein Vorhaben. Der Himmel war heiter und unbewölkt, und wenn auch der Wind etwas eisig wehte, so milderten doch die warmen Sonnenstrahlen seine Wirkung. Es war ja Frühling, nur kämpfte derselbe noch mit der Macht des Winters. Guido's heitere Stimmung steigerte sich durch den belebenden Hauch, der die ganze Natur durchdrang. Wenn der Mensch krank gewesen ist oder wenn er lange Zeit ein schweres Leid getragen hat, so empfindet er den Einfluß der Luft und der Sonne stets gleich einem Balsam, der alles in ihm heilen kann. Guido hatte gelitten, mehr gelitten, wie je in seinem Leben, das bis dahin gleichmäßig friedlich verlaufen war; darum hob sich erleichtert sein ganzes Wesen, als er auf der Landstraße dahin schritt, sicher seines Zieles, wie seines Erfolges. Aufmerksam betrachtete er die Schönheit der Gegend, die weltberühmt war, und die Erinnerung an die letzten Wochen tiefer schmerzlicher Sorgen erlosch beinahe in dem Entzücken, das ihn durchschauerte. Eine prächtige Chaussee schloß sich endlich an den Waldweg an, zur Seite rauschte ein kleiner Bach, der gelegentlich die Schneeballen auf und nieder spülte, welche von der Höhe der Felsenkanten, wo sie gelagert, herabgestürzt waren. Mitunter schüttelte der Wind die Tannenbäumchen, die noch vom Schnee gebeugt dastanden, so daß es wie eine silberne Wolke im Sonnenglanze erschien, wenn die gefrorenen Nebelmassen umhersprühten. Immer enger wölbten sich die Felsen neben ihm, immer toller rauschte der Bach, da wendete sich der Weg und er stand plötzlich vor einem hübschen Hause mit Balkonfenstern, die dem Frühlingssonnenschein geöffnet waren.

Dies Haus war sein Ziel. Freudig musterte er es und ließ dann den Blick über die Landschaft gleiten, die völlig verändert, statt der Felsen und Steinblöcke eine weite, schöne Au, umgrenzt von den Höhen, welche er durchwandert hatte, aufwies.

Rasch erstieg er die Freitreppe. Es war ihm zu Sinne, als werde er den Mann hier finden, den er so schmerzlich gesucht. Rasch stieß er die Thür auf. Das helle Geläut derselben lockte die Bewohner herbei. Ein stattlicher Herr im Schlafrock trat aus der Stubenthür – Guido's Blicke begegneten den seinigen – »Willkommen in Beroda!« rief der Herr laut und herzlich – »was führt Sie denn zu mir, Herr Metthorst.«

Dem armen Guido sank das Herz. Er ahnte sogleich, daß er sich vergeblich gefreut, denn diesen Herrn hatte er erst kürzlich in seinem Wohnort gesehen und zwar als Gast von Albert Bekon. Verwirrt und niedergedrückt von der Erkenntniß seines vergeblichen Hoffens antwortete er, daß er einem Herrn Bekon nachspüre, der hier in dieser Gegend gelebt haben solle.

»Ei wohl hat Herr Bekon hier gelebt, mein Herr,« war des Hausbesitzers treuherzige Gegenrede, während er den jungen Mann an der Hand ins Zimmer führte. »Doch nehmen sie erst Platz und restauriren Sie sich mit einigem Frühstück. Nachher sollen Sie mir erzählen, wie Sie darauf kommen Herrn Beton hier zu suchen, da er Ihnen doch sehr wohl bekannt ist und in Ihrer nächsten Nahe lebt.« Er winkte einer hübschen Frau in mittleren Jahren und sagte vorstellend: »Herr Wechselagent Metthorst – meine Frau!« Nachdem diese kleine Förmlichkeit beseitigt war, ließ sich der Herr von Beroda in sein Fauteuil fallen, bat seinen Gast gleichfalls Platz zu nehmen und setzte nun sein unterbrochenes Frühstück so sans gêne fort, als sei niemand außer ihm im Zimmer.

Guido gewann dadurch Zeit, seine Gedanken zu ordnen und sich im Zimmer umzusehen. Er bemerkte erst jetzt, daß außer der Dame des Hauses noch zwei Knaben und ein kleines Mädchen am Frühstückstische saßen alle gleichmäßig stumm beschäftigt ihren Morgenimbiß einzunehmen. Guido folgte endlich diesem Beispiele. Es gehörte jedenfalls zur hergebrachten Ordnung stumm zu sein so lange man aß, denn kaum hatte der Hausherr seine Portion Butterschnitte mit Eiern, Schinken und Käse verzehrt, so bog er sich behaglich in seinen Lehnsessel zurück und begann rasch hinter einander zu fragen:

»Also Sie suchen Herrn Bekon bei mir, mein bester Herr?«

Guido beendete eiligst seine Mahlzeit und antwortete mit bekümmertem Tone:

»Aber nicht Herrn Albert Bekon suche ich, Herr von Beroda.«

»Gibt's denn noch einen andern Bekon, mein Herr?«

»Es hat ein Herr Bekon meinen Credit und meinen guten Ruf benützt, um ansehnliche Wechsel zu verwerthen. Er nannte sich mir gegenüber einen Bruder des Albert Bekon.«

»Albert Bekon hat keinen Bruder, mein Herr!« entschied Herr von Beroda sehr bestimmt.

Guido Metthorst neigte düster seine Stirn bei diesem Ausspruche. Sein Blick glitt dabei über die kleine Familie Berodens und er sah, daß die Augen des ältesten Knaben seltsam leuchteten, daß Worte auf seinen Lippen zu schweben schienen, die nur von respektvoller Artigkeit zurückgehalten wurden.

Ueberhaupt drängte sich ihm die Bemerkung auf, daß die ganze Familie von der Eigenthümlichkeit des Hausherrn in enge Grenzen gehalten wurde. Die Haltung der Mutter sowohl, wie der Kinder, verrieth eine strenge Handhabung der Etikette, welche mit militärischer Disciplin geordnet war. Metthorst schloß daraus, daß er es mit einem jener Sonderlinge zu thun hatte, die von ihrem eigenen Verstande eine sehr große Meinung haben und sich mit ihren Ansichten unfehlbar dünken. Selbst in seiner Sprache und in seinen Manieren zeigte sich eine vorherrschende Neigung, nur seine Weisheit gelten zu lassen. Mit solchen Leuten läßt sich nur fertig werden, wenn man sich ihren Aussprüchen unbedingt unterordnet. Die Ueberlegung einer Sache wird unmöglich, weil sie bestimmt annehmen, daß nur sie die Verhältnisse der Welt mit der erforderlichen Menschenkenntniß beurtheilen können. Solche Leute dominiren in ihren Kreisen, nicht weil sie die klügsten, sondern weil sie die anmaßendsten ihrer Umgebung sind. Metthorst respectirte sogleich dieß Uebergewicht und antwortete leise:

»Leider scheine ich diese Gewißheit mit dem Frieden meines Lebens und mit der Zerrüttung meiner ganzen Existenz bezahlen zu müssen. Herr Albert Bekon verhöhnte mich mit meiner Leichtgläubigkeit.«

»Wenn Sie aber einen andern Bekon suchten, als unsern guten Albert, weshalb kamen Sie hieher, mein Herr Metthorst?« fragte Herr von Beroda mit spöttischer Ueberlegenheit.

»Weil der Mann, der mich betrogen, in dieser Gebirgsgegend, ja selbst in Ihrem Hause, wie ich mich jetzt überzeugt habe, so gut Bescheid wußte, als sei er hier geboren.«

»Ist das nicht eine lächerliche Ausgeburt Ihrer aufgeregten Phantasie?« meinte der Herr mit weisem Lächeln.

»Auf keinen Fall,« betheuerte Metthorst.

»Sie verwechseln wahrscheinlich Albert Bekons Erzählungen von seinem hiesigen Aufenthalte mit denen des Fremden, der sich Bekons Namen angeeignet.«

»Mir ist niemals zu Ohr gekommen, daß Albert Bekon jemals hier gelebt habe.«

»Und doch suchten Sie ihn hier?«

»Nicht ihn, sondern den Fremden, der mir von dieser Gegend erzählt hatte.«

»Hat dieser Fremde mein Haus als seinen hiesigen Aufenthaltsort bezeichnet?«

»Nein. Er hat mir aber die Ueberraschung geschildert, die er beim ersten Anblick Ihres Hauses mit seiner Umgebung empfunden. Die fruchtbare Au zwischen Felsen, die wie ein Paradiesesgarten erscheint, wenn man aus dem Felsenlabyrinthe hervortritt.«

Bei diesen Worten, die Metthorst gleichsam recitirend sprach, blickte die Dame des Hauses lebhaft überrascht zu ihm auf. Sie hatte augenscheinlich dieselben Worte schon einmal und zwar in Bezug auf ihr Eigenthum, vernommen.

»Wunderbar,« sagte sie halblaut, mehr für sich, als zu den beiden Männern sprechend.

»Was ist wunderbar, liebe Frau?« fragte Herr von Beroda schnell.

»Herr Bekon pflegte dieselben Worte aus Beroda anzuwenden, wenn er die schöne Lage unsres Gutes bezeichnen wollte,« erwiderte die Dame ruhig.

Metthorst fuhr freudig zusammen. So war doch vielleicht eine Verbindung Bekons mit dem Fremden zu ermitteln? Er mußte diese Worte von ihm selbst gehört haben. Vielleicht war er jemand im Hause bekannt nur unter einem andern Namen. Seine Hoffnungen, noch vor wenigen Stunden so glänzend, waren so tief gesunken, daß ihm jetzt der kleinste Schimmer einer Möglichkeit genügt hätte. Ehe er aber eine weitere Forschung anstellen konnte schnitt ihm Herr von Beroda den Faden dazu ab, indem er zurechtweisend sagte:

»Diese Worte sind von andern Leuten auch angewendet und wenn ich mich recht erinnere, so habe ich sie selbst zuerst gebraucht. Also dabei ist nichts wunderbares!«

Die Dame lächelte schwach und blieb die Erwiderung schuldig. Metthorst mußte die Richtigkeit der Bemerkung anerkennen und wagte nicht weiter zu fragen. Ein peinliches Stillschweigen folgte. Metthorst, von der unliebenswürdigen Zurechtweisung des gestrengen Hausherrn verletzt, blickte theilnahmvoll auf die Dame, welche sich zu ihren Kindern gewendet hatte. Wieder begegnete ihm ein seltsam leuchtender Blick aus dem Auge des ältesten Knaben. Ermunternd nickte er ihm zu. Der Knabe erwiederte dieß mit einer wichtigen Geberde. Metthorst stutzte.

»Hast du mir etwas zu sagen?« fragte er gütig. »Sprich nur – dein Vater erlaubt es dir sicherlich, wenn es mein Interesse betrifft.« Herr von Beroda gab ihm die Erlaubniß zu reden.

»Es gibt aber noch einen Herrn Bekon,« platzte nun der Knabe heraus. »Es gibt wahrhaftig noch einen Herrn Bekon und der ist auch hier gewesen!«

»Der Junge träumt wohl!« bemerkte der Hausherr lakonisch, während Metthorst fest die Hände zusammendrückte und tief bewegt flüsterte: »– Großer Gott – wär's möglich!«

»Geben Sie sich keinen Illusionen hin, junger Herr,« warnte Beroda. »Hören Sie zu – ich will den Knaben examiniren und Sie werden sich bald überzeugen, daß sich ein Kind mancherlei einbildet. Wo hast du denn noch einen Herrn Bekon gesehen, mein Junge?«

Der Knabe schlug schüchtern die Augen nieder. Wo er den Mann gesehen hatte wußte er wirklich in diesem Momente nicht zu sagen. Die Frage erdrückte seine Gedächtnißkraft. Hätte sein Vater, statt dessen, ihn nach kindlicher Manier ruhig erzählen lassen, so wäre gewiß ein befriedigendes Resultat erzielt worden.

»Nun mein Junge,« herrschte ihn der Hausherr an, »beweise uns einmal, daß es noch einen Herrn Bekon hier in der Gegend gibt! Jetzt krame deine Weisheit aus – ich erlaube es dir nicht allein, sondern befehle dir zu sagen, was du weißt!«

Der Knabe schwieg hartnäckig. Wußte er wirklich nichts näheres anzuführen oder hemmte die Furcht seine Worte?

Als er jeder Aufforderung zum Sprechen mit Schweigen begegnete, sagte sein Vater mit drohendem Tone:

»Künftig schweigst du, mein Junge, wenn dein Vater gesagt hat, ›es gibt nur einen Herrn Bekon‹ – hörst du. Wenn dein Vater etwas behauptet, so ist dies wahr – verstehst du?«

Der arme Knabe senkte seine Stirn so tief nieder, daß niemand die Röthe der Beschämung sah, die sein ganzes Gesichtchen überflammt hatte. Abermals folgte ein peinliches Stillschweigen. Metthorst beschloß aufzubrechen. Da erhob das kleine Mädchen ganz unerwartet höchst keck und zuversichtlich ihr silberhelles Stimmchen und sagte auf den jüngsten, kaum fünfjährigen Knaben deutend:

»Papa – einmal als ich mit Georg im Garten spielte, da kam ein Mann, der sah aus wie Herr Bekon, aber er war anders wie Herr Bekon – nicht wahr, Georg?«

Der junge dicke Weltbürger Georg schüttelte, statt jeder Antwort mit dem Kopfe und stopfte mit der Hast des ungestillten Appetites den letzten Rest seines Butterbrodes in's kleine Maul. Herr von Beroda lachte.

»Sie sehen, mein bester Herr Metthorst, die Phantasie meiner Familie wird Ihnen zu lieb geschäftig. Man geht förmlich darauf aus, Sie irre zu führen. Daß meine Kinder sich in Gedanken lebhaft mit Herrn Bekon beschäftigen ist natürlich, denn er hat sich auf die allerliebenswürdigste Weise mit ihnen befreundet. Ist's da zu verwundern, daß meine Kleine in jedem Fremden Herrn Bekon zu sehen meint? – Sie wollen schon aufbrechen. – Nehmen Sie von mir das feste Versprechen mit auf den Weg, daß ich Ihre Angelegenheit nicht vergessen, sondern dergestalt Notiz davon nehmen werde, um Ihnen auf jede Weise zu nützen. Hören Sie nun meinen Rath. Gehen Sie ruhig in Ihre Heimath zurück und übergeben Sie dem Gerichte die weitere Verfolgung dieses Betruges. Betrogen sind Sie – das steht fest! Aber von einem wirklichen Bekon sind Sie nicht betrogen, denn das sind so reiche Männer, daß sie niemand zu betrügen brauchen. Der alte Bekon ist faktisch ein Millionär und sein Sohn Albert ist sein einziger Erbe, Punktum! So ist es und nicht anders!«

»Es ist mir auch niemals eingefallen, einen Verdacht auf diesen allgemein beliebten Albert zu werfen,« warf Metthorst ein. »Man hat nur den enormen Credit dieses jungen Lebemannes ausgebeutet und mir dabei eine Falle gestellt.«

»Haben Sie denn aber dem Fremden so unbedingt Glauben geschenkt, daß Sie es gar nicht für nöthig gehalten, mit Albert Bekon Rücksprache zu nehmen?«

Metthorst zuckte die Achseln. »Darin habe ich gefehlt! Aber der Fremde sah aus wie Herr Bekon –«

»Siehst du, Papa,« rief das kleine Mädchen wieder keck und triumphirend dazwischen, »er sah aus wie Herr Bekon, aber er war ganz anders wie Herr Bekon.« Ein zorniger Wink des Vaters gebot dem Kinde Schweigen. Metthorst empfahl sich. Die unerbittliche Herrschsucht des Herrn von Beroda schloß seinen Kindern den Mund, wenn sie Mittheilungen machen wollten, die vielleicht einen Funken Licht in die dunkle Begebenheit werfen konnten, und dann? Was nützte ihm auch Kindergeschwätz!

Rathlos trat er seinen Rückweg an. Seine verstörten Gesichtszüge verriethen, daß er nach diesem verunglückten Versuche nichts mehr auf eigene Hand unternehmen mochte. Er beschloß zurückzureisen und dem Gerichte die nöthige Verfolgung anheim zu geben.


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