Friedrich von Raumer
Geschichte der Hohenstaufen und ihrer Zeit, Band 5
Friedrich von Raumer

 << zurück weiter >> 

Anzeige. Gutenberg Edition 16. Alle Werke aus dem Projekt Gutenberg-DE. Mit zusätzlichen E-Books. Eine einmalige Bibliothek. +++ Information und Bestellung in unserem Shop +++

II. Landwirthschaft, Gewerbe, Handel.

1) Vom Ackerbaue.

Beim AckerbauGründlich und vollständig hat Anton diesen Gegenstand in seiner Geschichte der deutschen Landwirthschaft abgehandelt; hier werden nur einige Andeutungen aus eigenen Untersuchungen mitgetheilt. benutzte man im zwölften und dreizehnten Jahrhunderte gewiß schon die Erfahrungen früherer Zeiten und hatte sich über die ersten rohen Versuche erhoben: allein von einer eigentlich wissenschaftlichen Behandlungsart war damals so wenig die Rede, als von einem allgemeinern Austausche gemachter Erfahrungen. Dies Gewerbe ging seinen ruhigen, einfachen Gang, so daß es jeder leicht in einer hinreichenden Vollkommenheit ausübte, und von dem verdoppelten Gewinne, wie von der verdoppelten Unruhe nichts erfuhr, welche beide mit dem wissenschaftlich-handelsmäßigen Ackerbau unserer Tage verbunden sind.

Schon damals geschieht all der Getreidearten Erwähnung, deren Anbau itzt statt findetAuch des Speltes.  Guden. III, 684.  Monum. boica V, 307.  Meliga kam erst 1204, nach der Eroberung Konstantinopels, in die Lombardei.  Michaud III, 615.; Handelspflanzen, Färbekräuter u. dergl. hatten dagegen noch nicht ihre 365 spätere Wichtigkeit. Wem ward von Botzen bis Sachsen, aber natürlich in abnehmender Güte und Menge gewonnenOtto Fris. vita II, 27.  Guden. I, 163.. Allgemeiner noch konnte der Obstbau seyn. Beide Gewerbe genossen eines so ausgezeichneten Schutzes, daß, nach den Landrechten, derjenige, welcher z. B. Obstbäume umhieb, den zwölfjährigen Ertrag bezahlte, andere Stämme gab und noch außerdem gestraft wurdeSachsensp. II, 53. Schwabensp. 224.. Ja laut des Landfriedens von 1187 stand auf das Zerstören von Weinbergen und Obstgärten, Acht, Bann und Strafe, so wie auf BrandstiftungUrsp. 316.  Meichelb. hist. Fris. I, 2, 568.  Lünig cod. diplom. I, 362..

Von der Viehzucht gilt im ganzen das oben Gesagte. Gänse, Hühner, Kapaunen wurden nicht nur auf jedem Hofe gehalten, sondern auch in sehr großer Zahl als Zins eingeliefert. Übergeflogene Hühner sandte der Nachbar mit verschnittenen Flügeln zurückGuden. Syll. 70.  Sächs. Weichb. 120.. Die Schweinezucht war beliebter, als in unsern Tagen; die Schafe hatten in allen Ländern an den Wölfen gefährliche FeindeAnnal. Saxo zu 1119.  Concil. XII, 1207.. Nach dem Schlusse einer Kirchenversammlung von Kompostella im Jahre 1114, sollten alle Sonntage nicht bloß die kriegspflichtigen Bauern, sondern auch die Priester Wölfe jagen. – Wer über drei Hufen Land oder Wiesen besaß, durfte einen eigenen Schafhirten halten; sonst mußte alles Vieh von dem Gemeinehirten getrieben werdenSachsensp. II, 54. Schwabensp. 226.. Beim Pferdehandel gewährte man: das Thier sey nicht staarblind, stätig, herzschlägig oder gestohlenSächs. Weichb. 97.. Die zahlreichen Fasten beförderten die Fischerei und wirkten nachtheilig auf die Viehzucht. Der Gebrauch vieler Wachslichter in den Kirchen und des Honigs statt des unbekannten Zuckers, erweiterte die Bienenzucht. Hingen sich schwärmende Bienen in den ersten drei 366 Tagen an einen Baum oder an ein Gebäude, so schlug man mit Äxten oder Stangen dagegen. Die herabfallenden gehörten dem ersten Herrn, die welche sitzen blieben, dem Eigenthümer des Baums oder GebäudesSchwabensp. 374..

Wir finden in Zinsbriefen Vorschriften über die Erhaltung der Gebäude und die Größe der jährlich zu düngenden GrundflächeWürdtw. subsid. V, 414.. Reichten jene nicht hin zur Unterbringung der Ärnte, so setzte man Miethen oder DiemenGuibert. 482.. Allmählich ward immer mehr und mehr Land, größtentheils durch Klöster und Kirchen, urbar gemachtWürdtw. subsid. VI, 425.  Guden. I, 712.; und insbesondere dankte man den Cistertiensern mehre Fortschritte des Ackerbaues. So werden z. B. ihre Bewässerungsanstalten von Feldern und Wiesen in der Lombardei sehr gerühmtAntich. Longob. Milan. II, 133.. Gleich vortheilhaft wirkte die große Zahl neuer Ansiedelungen, welche im zwölften und auch im dreizehnten Jahrhunderte vom Ausflusse der Weser an bis nach Pommern und selbst nach Schlesien, theils von Holländern und FlamländernErschöpfend handelt hievon Wersebe. – 1216 siedelten sich z. B. deutsche Kolonisten in Schlesien an.  Regesta Honot. III, Jahr I, Urk. 253., theils von andern Deutschen gegründet wurden; alle zeichneten sich aus durch Kenntnisse und Betriebsamkeit; sowie Freiheit von Leibeigenschaft, sicheres Eigenthum und unbeschränkte Vererbung, mäßige Abgaben und Beibehaltung eigener Rechte diese Neubauer, und mittelbar ihren Ackerbau, über manche andere strenger behandelte Bauern erhob.

Von deren verschiedener Stellung ist bereits obenSeite 27 ff. die Rede gewesen; hier fügen wir aus den Landrechten folgendes hinzu: nur der Erbzinsmann darf Steine brechen, Lehm graben, Holz hauen; keineswegs der bloße Zinsmann. Was dieser erbaut, kann er, oder seine Erben beim Abzuge 367 mitnehmen; doch steht dem Herrn frei, Haus, Zäune und Dünger nach einer Abschätzung zu behaltenSachsensp.I, 54; II, 53, 59.  Schwabensp. 340.. Die Bauern welche nicht zum Gute geboren sind, sondern kündigen dürfen, ziehen sechs Wochen vor Ostern ab. Wer des Landmanns Vieh oder Ackergeräth gewaltsam zu rauben sucht, wird ehrlos und ersetzt das Genommene vierfachGesetz Friedrichs II von 1220.  Bullar. Rom. I, 64.. In Bauergemeinen muß sich die Minderzahl den Beschlüssen der Mehrzahl unterwerfenSchwabensp. 408.. Niemand soll die künftige Ärnte kaufen oder verkaufenDies untersagte unter andern 1227 eine Kirchenversammlung in Trier den Geistlichen als Bedrückung der Armen und Wucher.  Harzheim III, 532.  Ähnliches Verbot in Verona.  Campagn. c. 22.. Nur aus dringenden Gründen darf man an Sonn- und Fest-Tagen Heu oder Getreide einfahren1247 Erlaubniß des päpstlichen Gesandten für Norwegen.  Münter Beiträge I, 104..

In dem Abschnitte von den Abgaben wird auch über die der Bauern gesprochen; hier bemerken wir vorläufig: daß es außerordentlich schwer ist darüber zu richtigen Ergebnissen zu kommen, weil Maaß, Münze, Gewicht, Güte des Landes, sonstige Verhältnisse, Strenge oder Milde darauf einwirkt, und in der Regel kaum einer von diesen Punkten, aber fast nie alle bekannt sindNach dem Heberegister für das Kloster der heil. Afra in Regensburg (Monum. boica XXII, 133), giebt z. B. die Hube (hoba) Land: von 3 bis 12 Schillinge Geld, von 6 bis 16 modii Weitzen, und ein bis zehn Schweine. Was ist hier hoch, oder niedrig, oder nur Folge der Verschiedenheit des Bodens?. Bei Unglücksfällen, Kriegs- und Hagel-Schaden u. dergl. ward bisweilen vertragsweise ein Erlaß der Abgaben zugesichertWürdtw. subs. IX, 119.. Als Heuschrecken das Land überzogen, befahl Friedrich II., daß jeder Landmann 368 vor Sonnenaufgang eine gewisse Menge sammeln und den Dorfgerichten zum Verbrennen abliefern solleRich. S. Germ. 1026.  Reineri chron. zu 1197, 1200, 1212,.1217..

Der Durchschnittspreis des Getreides und dessen Verhältniß zu den Wirthschafts- und Bestellungs-Kosten ist fast nicht auszumitteln; nur findet sich eine größere Verschiedenheit, als in unsern Tagen, wo die Ausgleichung durch lebhaftern Verkehr und Handel doch bis auf einen gewissen Punkt möglich wird. In Hungerjahren stieg das Getreide wohl auf den zehnfachen WerthCorner 863. Friedrich I setzte 1157 fest. daß anfangs September der Graf und sieben unbescholtene Männer den Getreidepreis festsetzen, und höhern Verkauf fürs Malter mit zwanzig Pfund strafen sollten.  Lünig cod. dipl. I, 358., und die dagegen angewandten Mittel: Festsetzung der Preise, Beschränkung des Handels, Zwangsablieferungen u. a. m. konnten das Übel nicht vertilgen. Selbst in der fruchtbaren Lombardei brach sehr oft Hungersnoth aus1202, 1212, 1227, 1243, 1257 waren Hungerjahre.  Rovelli II, CCXXIII. – 1224 Anlegung eines Magazins in Mailand; 1259 in Modena; 1225 Aufhebung der Verpflichtung mehrer Gemeinen, ihr Getreide nur in Mailand zu verkaufen.  Giulini 391.  Vedriani II, 206. – 1226 Freibrief Friedrichs II für ein Kloster in Ravenna, seinen Bedarf, ohne Rücksicht auf städtische Verbote, von jeder Seite nach Gefallen zu beziehen.  Margar. II, Urk. 246., zum Theil eine Folge der verwüstenden Kriege, zum Theil des unsinnigen Gesetzes, die Ländereien der großen Zahl von Verbannten unbebaut zu lassen. Die Anlegung von Vorrathshäusern gab z. B. in Modena und Mailand einige Hülfe; öfter nahm die Gemeine, ohne selbst hiefür Sorge zu tragen, die Vorräthe der Geistlichen in Anspruch, sobald der Preis über eine gewisse Höhe stieg. Am zweckmäßigsten wirkten Gesetze, die den Ackerbau selbst beförderten. Dergleichen ergingen 1220 in Modena über Austauschen, Trennen und Zusammenlegen der zu sehr vereinzelten und zerstreuten GrundstückeMurat. antiq. Ital. II, 340.. 369 Unter Aufsicht obrigkeitlicher Personen, welchen man große Gewalt einräumte, wurden diese Geschäfte vorgenommen, die Gränzen gerade gezogen, über Anlagen von Gräben, Verschaffung der Vorfluth und Mittheilung von Bewässerungen zweckmäßige Maaßregeln ergriffen.

 
2) Von den Forsten und der Jagd.

Die Wichtigkeit der Forsten war damals in den verschiedenen Theilen Deutschlands sehr verschieden. Während z. B. Heinrich der Löwe bei seinen Schenkungen an die nordelbischen Bisthümer erklärteHelm. chron. I. 83.  Crummed. 395.  Guden. sylloge 112, 122, 133.: die Wälder sollten als unbrauchbar nicht in Anrechnung kommen, ergingen in Süddeutschland Vorschriften über die Schonung gemeinschaftlicher Forsten und über das Verhüten von Holzverwüstungen. Selbst das Holen von Raff- und Lese-Holz ward bereits festen Bestimmungen unterworfen. Die anfangs bedeutenden Reichsforsten, welche unter kaiserlichen Oberforstmeistern standen, verringerten sich allmählich durch Bewilligungen und VergabungenBestallung Friedrichs II für die Ritter Waldstromer.  Lünig Reichsarchiv, cont. IV, Abs. 35, Urk. 2.  Schöpfl. Alsat. dipl. I, Urk. 310.. Von einer Forstwissenschaft ist nirgends die Rede; doch wußte man, daß in einigen Monaten des Jahres besser Holzschlagen sey, als in andernSanut. 66..

Holznutzung und Jagd waren oft in verschiedenen Händen, und die letzte galt damals für das wichtigereMiraei op. dipl. I, 53.  Kindlinger Beiträge II, Urk. 29.  Gaufr. Malat. I, 40.  Bened. Petrob. 418.. Wenigstens behandelte man Wilddieberei als ein viel größeres Verbrechen, denn Holzdiebstahl, und die niedern Klassen der Einwohner hatten wie kein Kriegsrecht, so auch kein Jagdrecht. Da wo dies fehlte, durfte man sich in seinen eigenen Forsten nicht mit Hunden oder Gewehr blicken lassen. Über 370 Koppeljagd, Jagdfolge, Schließung der Wälder, Schonzeiten mußten, bei der großen Theilnahme an diesen Dingen, bald Streitigkeiten und daraus Verträge und Gesetze entstehenHüllmann Gesch. der Regal. 24.  1266 nimmt Herzog Ottokar von Österreich bei der Bewilligung der Jagdfolge Bezug aufs römische Recht.  Meichelb. hist. Fris. II, 2, Urk. 33, 100.  Auch für die Fischerei gab es Schonzeiten und z. B. in Verona eine Vorschrift, daß durch jede Masche der Netze wenigstens zwei Finger hindurchgehen sollten.  Campagn. 172, 223.. Niemand sollte, aber schwerlich ward es immer gehalten, über Felder jagen und hetzen, sobald Getreide das zweite Blatt getrieben hatteSachsensp. II, 61.  Schwabensp. 359.. Entflohene Jagdvögel gehörten nach drei Tagen dem Finder, früher wurden sie zurückgegeben. Niemand durfte Schlingen, Fallen, Netze stellen, außer nach Bären, Wölfen und SchweinenLünig cod. dipl. I, 358.  Gattula III, 316, 318.. Fing bei Montekassino ein Unedler einen Bären, so mußte er das Fell, und von einem Eber das Vorderviertel mit einigen Rippen abliefern. Die Bürger in den lombardischen Städten hatten sich mit in den Besitz größeren oder geringern Jagdrechtes gesetzt, und Mailand klagte laut über dessen Beschränkung zur Zeit Friedrichs IIn Ravenna durfte jeder Wachteln, Repphühner und Fasanen jagen.  Fantuzzi IV, No. 340. Friedrichs I Kriegsgesetze enthalten auch mehre Bestimmungen über die Jagd, aber nicht sowohl zum Besten der Lombarden, als zum Verhüten des Streites unter den Jagdliebhabern in seinem Heere.  Radev. I, 26..

Fast keine Art der Jagd ward so geehrt, als die mit Falken. Man nahm sie während der Kreuzzüge selbst nach Palästina mit, und als dem Könige Philipp August bei der Belagerung von AkkonSchahabeddin 642. ein wunderschöner weißer Falke davonflog, bot er den Türken vergebens 1000 Goldstücke für die Rückgabe.

Leidenschaft für die Jagd führte mannichmal zu Freveln. 371 So ließ Ingeram von Coucy drei edle Jünglinge aus Flandern, welche in einem französischen Kloster erzogen wurden und bei der Jagd sein Revier betraten, gefangen nehmen und aufhängen; wofür Ludwig IX in gerechtem Zorne die gleiche Strafe über ihn aussprach und nur durch dringende Fürbitte dahin gebracht wurde, 10,000 Pfund zu milden Zwecken von ihm anzunehmenGuil. Nang. 365.  Vie de S. Louis, mscr., f. 43.. Vielleicht als ähnliche Buße verwandelte Herzog Gottfried der Bärtige von Lothringen einen Thiergarten in ein KlosterMiraei op. dipl. I, Urk. 81.. Verwerflicher jedoch, als Einzelnheiten dieser Art, waren die allgemeinen Forst- und Jagd-Gesetze, welche die normannischen Könige in England erließen, und wonach man Jagdfrevel, selbst an Edlen, auf wild grausame Weise mit Blendung und Entmannung bestrafteRog. Hov. 784.  Waverl. ann. zu 1087.. Geistlichen ward durch Kirchenschlüsse mehre Male Jagd und Vogelfang verboten, allein immer ohne großen ErfolgConcil. XIII, 695.  Thomass. III, 3, c. 46..

 
3) Von den Gewerben und Zünften.

Obgleich sich im Ablaufe der Zeit die Zahl der Gewerbe und ihre Vollkommenheit erhöht hat, so waren doch im Mittelalter schon alle die vorhanden, welche nothwendigen Bedürfnissen abhelfen, und einzelne Erzeugnisse von solcher Güte, daß sie seitdem nicht übertroffen worden sind.

Bäcker, Müller, Schlächter und Brauer, deren Handwerk immer einen goldenen Boden hat, standen an vielen Orten unter näherer Aufsicht der Obrigkeit. In Ravenna z. B. war die Zahl der Bäcker, Gewicht und Preis des Brotes, Art und Umfang des Verkaufrechts genau vorgeschriebenFantuzzi IV, No. 227-228., und, wie es scheint, eine besondere Abtheilung vorhanden, welche nicht zum Verkaufe, sondern 372 nur das ihnen zugebrachte Brot für eine gewisse Vergütung und nach der Reihefolge des Meldens buck. Bäcker und Müller wurden auf ihre Pflichten vereidet. Ähnlich verfuhr man in Basel und stellte Probebacken anOchs I, 340, 343, 352, 355, 393. – 1156 in Regensburg Strafen für schlecht Bier und Brot.  Lori Lechrain, Urk. 5., wenn die Bäcker behaupteten bei den Vorschriften nicht bestehen zu können. Altmeister führten die Aufsicht und straften für schlechtes Backen, Hinzuthun von ungebührlichen Dingen u. dergl. Im Jahre 1202 ließ König Johann von England eine Brottaxe anfertigen, welche festsetzt, wie viel der Bäcker für Holz, Salz, Hefen, Licht u. dergl. in Ausgabe stellen, und wie viel er gewinnen dürfe an Kleie, Brot für die Arbeiter und an baarem Gelde. Hienach ward nun Gewicht und Preis des Brotes für höhere und niedere Getreidepreise berechnet. Bei Erneuerung der Brottaxe im Jahre 1262 geht die Berechnung auf den Werth des Quarters Weitzen von einem bis zu zwanzig Schilling, was auf einen Mittelpreis von zehn Schillingen schließen läßtMath. Par. 145.  Smith Wealth of nations I, 279.. Übertreter obiger Vorschriften stellte man an das Halseisen. In Parma erhielten die Tertiarier des Humiliatenordens durch Wahl die Aufsicht über das Gewicht des Brotes und die Ächtheit des WeinesHohenst. Band III, S. 602.  Affò Parma III, 78..

Unter ähnlicher Aufsicht standen mehrentheils die Fleischer. Sie sollten kein Fleisch von kranken oder gestorbenen Thieren, sie sollten es nach dem Gewicht und nach festgesetzten Preisen verkaufenPosto dal consiglio generale il prezzo alle grasse.  Malavolti II, 1, 2.  Campagnola 166.  Schöpfl. Als. dipl. I, Urk. 310.  Dumont I, Urk. 202..

Es gab Wasser-, Schiff-, Wind- und Roß-MühlenVinisauf I, 33.  Iperius 617.  Dachery spicil. II, 911, No. 70.  Erath. cod. Quedlinb. 166. - Etabl. de S. Louis I, 105.  Moriondus II, Urk. 146.  Miraei op. I, Urk. 35, 86, 116.  Beckmann Erfind. II, 35.. Man findet Bannmeilen und Zwangsgemahl, andererseits 373 aber auch strenge Aufsicht über die Müller. In Ravenna z. B. ward das Getreide auf öffentlichen Wagen, und eben so das abgelieferte Mehl gewogenFantuzzi IV, 229, 279-284.  Oder es gab auch geaichte Scheffel auf den Mühlen.  Murat. antiq. Ital. IV, 552.. Der Müller bekam ein Zehntel des Mehls, oder dessen Geldwerth; stieg aber das Getreide über einen gewissen Preis, so wurde dieser Antheil herabgesetzt. Auch in den öffentlichen Mühlen begnügte man sich mit einem niedrigern Gewinne. Für eine feststehende Vergütung holten die Müller das Getreide mit ihren Pferden und Eseln ab und brachten das Mehl zurück.

Das Recht des Bierbrauens übte in der Regel die Grundherrschaft ausschließlich und mit ansehnlichem VortheileMuraei op. III, Urk. 64.  Hund metrop. I, 238.  Orig. guelf. IV, 181. Lünig Reichsarch., cont. IV, Abs. 39, Urk. 1.  Hüllmann Gesch. der Stände III, 119.; bald aber gewannen die Klöster dasselbe, wenigstens in Hinsicht ihres eigenen Bedarfs, und allmählich verschafften sich viele Städte eine gleiche Erlaubniß für jeden einzelnen Bürger. Nicht selten ging aber hieraus das Reihebrauen vorzugsweise Begünstigter, oder das Verbot der Einfuhr fremden Bieres und der Alleinhandel der Rathskeller hervor. Die Güte der Biere war, wie immer, sehr verschieden; man braute gewöhnlich aus Gerste, doch aber auch aus Weitzen oder HaferMonum. boica IV, 21..

Ein Hauptgewerbe war die Weberei, nach allen Abstufungen der Vollkommenheit. In Deutschland gehörten die scharlachnen Tücher aus Flandern und RegensburgOrig. guelf. IV, praef. 87.  Holst. cod. II, 181.  Marrier bibl. 1359, XVIII., die Berkane und mit bunten Mustern versehenen Zeuge dieser Stadt zu den berühmtesten und gesuchtesten. Besondere Schaumeister hielten daselbst auf Befolgung der Gesetze über Länge, Breite, Güte, Feinheit, Gewicht der Wolle und des TuchesGemeiner Chron. 381.  Lang Jahrb. 364.. Auch sollte niemand dasselbe von Landleuten weben lassen. Schon im zwölften Jahrhunderte gewannen die englischen Tücher neben den deutschen und flandrischen Beifall, und Richard Löwenherz befahlWenn der Graf von Kleve 1172 dem Kaiser an Zollpacht geben soll drei Tücher: bene rubeos, anglicanos, ardentis coloris, so sind doch wohl englische gemeint.  Lünig cod. II, 1739, Urk. 1.: das Tuch soll zwei Ellen breit, und in der Mitte und an den Seiten von gleicher Güte seyn. Alle Färbereien, die auf schwarz allein ausgenommen, werden, bei schwerer körperlicher Strafe, nur in den Hauptstädten eingerichtetMath. Par. 134.  Roger Hov. 774.. Niemand darf die Tücher auf rothem oder schwarzem Grunde auslegen und die Käufer hiedurch täuschen.

Älter, als die Webereien Deutschlands und Englands, waren wohl die in einigen Theilen Italiens; daß man aber auch hier noch fortschreiten konnte und wollte, beweisen viele, mehr oder weniger zweckmäßige, Gesetze aus dem zwölften und dreizehnten Jahrhundert. Im Jahre 1242 ward ein Wollenweber (maestro di lana) von Pisa nach Volterra berufen, um sein Gewerbe vier Jahre lang zu üben und zu lehrenEr bekam dafür achtundvierzig Lire.  Codice di Volterra, Urk. 522, 689.. Florenz, Siena, Bologna, Padua, Verona beförderten die Weberei auf alle Weise; sie war die Hauptbeschäftigung der Humiliaten im obern ItalienRovelli II, CCXXVIII.  Verci Trivig. I, 104.  Della Valle lett. I, 15.. Bisweilen reihte sich aber hieran das Streben nach dem Alleinhandel. In Parma z. B. beschwur der Podesta nicht bloß Wollen- und Tuch-Weber zu schützen, sondern auch alle fremde Waare wegzunehmen, zu verbrennen und die Verkäufer zu strafenAffò Parma III, 325, zu 1211..

375 Seidenwebereien blühten schon um die Mitte des zwölften Jahrhunderts in Sicilien und VenedigAuct. inc. ap. Urstis. zu 1143.  Hugo Falc. in praef. Monach. Patav. 678.  Marin. III, 224.  Daniele 112 sucht zu beweisen, daß in Sicilien und Spanien schon Seidenwebereien waren, ehe König Roger griechische Arbeiter nach Palermo verpflanzte., und bald verbreitete sich dies aus Konstantinopel dahin verpflanzte Gewerbe auch nach andern Städten, z. B. nach Bologna und VeronaGhirard. I, 139.  Verci Trivig. I, 104.. In dieser Stadt wurden viele Vorschriften über die beste Behandlung der Seidenwürmer und Seidenwebereien erlassen, und eine obrigkeitliche Person zur Aufsicht angestellt. Man begnügte sich übrigens nicht mit dem Weben leichter und schwerer Zeuge in allen Farben; sondern verstand auch mehre Farben mit einander zu verbinden, Muster einzuwirken, ja Pflanzen, Thiere, Menschen und ganze Geschichten wurden bildlich dargestellt; obgleich nicht ganz deutlich ist, inwieweit man Sticken und Malen damit verband und vielleicht den Unvollkommenheiten der Weberei abhalfInnocenz III schenkte an Kirchen: pluviale de candido examito granatibus et aurifrigiis decenter ornatum; regale pannum cum sus imaginibus mirabiliter auro contextum et unum amplum mantile et toalleam de opere alamannico; pannum imaginibus aurea textura, pannum de seta auto contextum, vestem cum pavonibus aureis, pallium sericum cum leopardis.  Gesta ap. Breq. 145.  Ludwig IX schenkte dem Chan der Mongolen: pannellos habentes levem et subtilem bordaturam, in qua bordatura tentorio affixa ea, quae Christus in corpore pro nobis gessit, erant satis honestissime exarata.  Guil. Nang. 350.  Anon. de laud. Papiae c. 13..  Stickereien erwähnt Murat. antiq. Ital. II, 402.. Gewiß wurden Goldfäden und Perlenschnüre bisweilen aufgenäht, eingestickt und eingewirkt. Manches dieser Art kam aus Griechenland, z. B. Tapeten mit eingewebten Jagdhunden, welche der König von Ungern an Friedrich I schenkteArnold. Lub. III, 29.; anderes ward aber ohne Zweifel im Abendlande gefertigt, 376 und die englischen GoldbortenAurifrisiae.  Math. Par. 473. waren bereits in der Mitte des dreizehnten Jahrhunderts so vortrefflich, daß sie Innocenz IV nach Italien kommen ließ.

Im Liede der Nibelungen werden erwähntNibel. Vers 1422, 1461, 1465, 1609, 1747, 2287, 2825.: Matratzen eingewirkt mit guten Bilden von Golde, arabische Seide mit eingestickten Steinen, Überzüge von fremden Fischhäuten, wohlgepolsterte Sättel mit schmalen seidenen Vorbugen und Schellen. Großen Fleiß verwendete man auf Goldschmiedearbeiten, besonders für kirchliche Zwecke. Arm- und Kron-Leuchter von Erz, Silber, Gold, künstliche Einfassungen von Bildern und Reliquien finden sich häufigMarrier bibl. Cluniac. 1368, 52.  Anon. de laud. Pap. c. 13.. Desgleichen Glasöfen und gläserne Lampen. Ein in Elfenbein gefaßter Spiegel, welchen Landgraf Ludwig seiner Gemahlinn, der heiligen Elisabeth schenkte, war vielleicht morgenländische ArbeitCorner 868.  Siehe noch erläuternde Stellen: Alberic. zu 1209 und 1218.  Math. Par. 500.  Briton Phil. 112.  Lünig cod. II, 1739, Urk. 1.  Beckmann Erfind. III, 320.; doch werden gläserne, mit Blei oder Zinn belegte Glasspiegel im dreizehnten Jahrhundert öfter erwähnt.

Nicht bloß die oben genannten, sondern auch noch manche andere Handwerker standen hier und da unter strenger polizeilicher Aufsicht und sollten durch Taxen in Ordnung gehalten werden: z. B. Maurer, Dachdecker, Zimmerleute, Schmiede, Mäckler in mehren italienischen StädtenFantuzzi IV, No. 312-314.  Campagn. 147, 148.  Giulini zu 1211.  Murat. antiq. Ital. II, 424.; ja in Mailand gab es eine öffentliche Taxe für den Hufbeschlag, und in Ferrara für die Schneider. Diese Mittel mochten aber um so weniger zum Ziele führen, da selbst die Taxen für Bäcker und Schlächter weder Übertheuerung, noch umgekehrt Ausbrüche des Volkszornes verhüteten, wobei selten die Schuldigen und noch seltener in richtigem Maaße gestraft wurden. Einst setzte König Johann die Preise des 377 Weins fest, mußte aber seine Vorschrift wieder aufheben, weil die Kaufleute ihn dafür nicht anschaffen konnten; und nun füllte sich, wie der Geschichtschreiber sagt, das Land wieder mit Getränk und TrinkernRepleta est terra potu et potatoribus.  Reg. Hov. 797..

Von den Gewerbsteuern wird an anderer Stelle die Rede seyn. Selbst hörige Handwerker konnten ihren Herrn oft eine größere Summe zahlen, als bei einer andern Lebensweise möglich gewesen wäre; was zu ihrer Vermehrung und Begünstigung, mittelbar aber auch zu ihrem Freiwerden beitrug. Das Verbot, ihre Stellen nicht an Unabbängige, sondern nur an Leute zu überlassen, welche unweigerlich dieselben Pflichten übernahmen, blieb wohl oft unberücksichtigt, oder ward über den Haufen geworfenLudw. reliq. II, 200, 389.  Torquati series 382.  Kirchner I, 88..

Nichts trug zur Erhöhung der Kraft und Bedeutung aller Handwerker mehr bei, als das natürliche Zusammentreten in Genossenschaften, in Zünfte. Wir sagen das natürliche Zusammentreten: denn überall, wo nicht Verbote hindern, oder eine Auflösung aller Lebensverhältnisse statt findet, werden sich Gleichgestellte, Gleichbeschäftigte, Gleichgesinnte zusammenfinden, und dadurch aus dem Zustande der Vereinzelung hervorarbeiten. Die Zünfte nahmen zunächst ihre Richtung auf das Gewerbe selbst, und so finden wir sie schon im zwölften Jahrhundert in den meisten LändernAnderson I, 511.  Fischer I, 785.  Otton. Fris. chron. zu 1154.. Die zweite Richtung ging auf den Krieg: die Zunftglieder mit den sich daran anschließenden Personen, bildeten eigene Kriegesschaaren. Die dritte Richtung ging auf die Theilnahme an der Regierung. Von den beiden letzten Punkten wird anderwärts gesprochen; hier möge nur noch die Bemerkung Platz finden: daß eine Verbindung dieser Richtungen aus Gewerbsthätigkeit, Vertheidigung des Vaterlandes und innere Regierung, viel heilsamer, 378 eigenthümlicher, zusammenstimmender, durchgreifender und großartiger wirken muß; als wenn Vereine für Gewerbefleiß, Einstellung zu Kriegsdienst, und Repräsentantenwahl nach Köpfen und Stadtvierteln vereinzelt nebeneinander herlaufen, und alle verknüpfende, die Einheit des Ganzen nachweisende und hervorhebende Fäden abgeschnitten sind. Allerdings zeigten sich auch Mängel nach allen drei Richtungen: z. B. bei der GewerbsthätigkeitSartorius I, 313.  In Basel gab man Eintrittsgeld für Aufnahme in die Zunft, und der Fremde mehr als der Bürger. – Bezahlte ein Kunde nicht, so sollte kein anderer Meister Arbeit für ihn übernehmen.  Ochs I, 355–393. unbillige Ausschließung von Bewerbern, erzwungener Markt, überspannte Preise u. dergl.; bei dem Kriegswesen Gewalt und Fehdelust; bei den Ansprüchen auf Theilnahme an der Regierung das Verkennen und übertriebene Beschränken fremder Rechte –: allein dies und ähnliches sollte zu jeder Zeit möglichst geregelt und beseitigt, zu keiner Zeit aber verkannt und weggeworfen werden, was an trefflichen Keimen und Mitteln für jene großen Zwecke, hier von der Natur gegeben ist, und sich immerdar geltend zu machen und zu erneuen strebt. Mehre, z. B. die von Friedrich I und II erlassenen, anderwärts erläuterten GesetzeHohenst. Band III, S. 709.  Hüllmann Gesch. der Stände III, 143.  Herder Ideen IV, 237. – Von den eigentlichen Zünften muß man die Verbrüderungen, Gilden unterscheiden, welche nicht selten ohne Beziehung auf den gemeinsamen Boden des Handwerks geschlossen, und Mitbürgern wie Obrigkeiten gefährlich wurden. Wider diese sind die Verbote oft mehr gerichtet, als wider jene.  Concil. XIII, 1313.  Murat. antiq. Ital. IV, 475.  Hieher gehören auch die großen dänischen Gilden, unter denen die Kanuts des heiligen die angesehenste war. Sie hatten ihre Ältesten, Schreiber, Versammlungssäle, unabhängige Gerichte und Proceßformen. Mußte sich ja ein Gildebruder wegen gewisser Gegenstände vor dem gewöhnlichen Richter stellen, so begleiteten ihn die übrigen, und keiner der nicht zur Gilde gehörte, hatte gegen ihn volles Zeugenrecht. Sein Eid galt zu dem eines Fremden, wie drei zu eins. Ähnliche Einrichtungen waren in Schweden, sie mußten aber, als unverträglich mit bürgerlicher Ordnung, allmählich zu Grunde gehn.  Münter Beiträge II, 4, 100., bezweckten die Vertilgung mancher Handwerksmißbräuche, und könnten eher zu streng, als zu milde genannt werden.

379 Abgesehen aber von allem Guten und Bösen des Zunftwesens in öffentlicher Beziehung, steht es auch mit dem Familienleben in enger Verbindung. Zwischen dem Betreiben der Gewerbe durch Sklaven in alter Zeit, und durch sklavenähnliche Fabrikarbeiter in der neuesten Zeit, steht das Bürgerleben des freien Meisters in der Mitte. Die Folge von Lehrling, Gesellen, Meistern und AltmeisternDie Altmeister wurden gewählt.  Ludw. rel. II. 389.  Campagn. 193.  Bisweilen auch noch ein besonderer Beschützer der Zunft im Rathe.  Anon. de laud. Papiae c. 13. mit der angemessenen Abstufung von Rechten und Pflichten, gab für sich schon ein ungemein reiches Leben und eine große Zahl löblicher Wechselbestimmungen; und wie vortheilhaft wirkte es nicht, daß der Lehrling, ja der Geselle zur Familie des ehrbaren Bürgers gehörte, und neben der Erziehung für das Gewerbe, auch die für Rechtlichkeit und Tugend erhielt. Täglich sah er das erfreuliche Ziel seines Strebens als Meister und Hausvater zugleich vor Augen, nahm künstlerischen Theil an dem Gelingen jeder Arbeit, menschlichen an jeder Freude, wie an jedem Leide. In dem Meister und seiner Hausfrau fanden die Jünglinge ihre zweiten Ältern, in diesen fanden jene ihre Kinder wieder; und wenn uns jemand erinnert, daß auch Übelstände eingetreten seyen, so wollen wir diese Wahrheit zwar nicht leugnen, aber sie nur als Ausnahme anerkennen und die Gegenfrage aufwerfen: ob nicht zwischen dem Fabrikherrn und Hunderten von maschinenartig arbeitenden Kindern das Mißverhältniß, oder vielmehr der Mangel alles Wechselverhältnisses Regel sey und seyn müsse? und ob der etwanige Überfluß mechanischer Erzeugnisse allen Ausfall an Innigkeit, Tugend, Theilnahme, Erziehung, an menschlichem Leben und Segen jemals aufwiegen könne? Darum scheide man das Gute 380 der Einrichtungen des Mittelalters vom Mangelhaften, enthalte sich aber der Lobrednerei auf Städte und Bürgerthum, solange man noch beides in seinen wesentlichsten Grundlagen verwirft, oder diese mit dem Unwesentlichen verwechselt.

 
4) Vom Handel.

Der europäische Handel hatte im Mittelalter weder den Umfang, noch die Bedeutung, welche ihm in den letzten Jahrhunderten zu Theil geworden sind. Die Entdeckung so vieler Länder und Völker, der Reiz unbekannter Erzeugnisse und schnell gewonnenen Reichthums, die Leichtigkeit großer Eroberungen befeuern den Kaufmann und dessen Kunden mehr als zu irgend einer andern Zeit; und tausend Vortheile kommen ihm zu Hülfe, welche man im Mittelalter entweder nicht herbeischaffen konnte, oder deren Mangel man kaum ahnete. Hieher gehören z. B. sichere und wohlgebaute Straßen, See- und Land-Versicherungen, Zeitungen, Posten, ein fester Münzfuß u. dergl. Indeß war der Schauplatz des Handels, wie wir weiter unten sehen werden, im Mittelalter keineswegs auf wenige Nachbarstaaten beschränkt, der Reiz neuer Entdeckungen und Erzeugnisse fehlte nie ganz; und überhaupt bestimmt die Größe des Umfangs und der Massen nie allein die Wichtigkeit, Würde und Geschicklichkeit des Handelsstandes.

So dürfte ein Kaufmann des Mittelalters keinen der oben genannten Vorzüge leugnen, vielleicht aber bemerken: der Gang des Verkehrs in einer blühenden, selbständigen altdeutschen Stadt hatte keine Einmischung von Fürsten und Beamten zu fürchten; niemand wurde, von Staats und Reiches wegen, mit wechselnden Handelsgrundsätzen gequält, und wenn die hohe Obrigkeit weniger gegen Weglagerung schützte, so verlangte sie auch keine Abgaben und man konnte, bei dieser Ersparung, seinen Lastwagen und Frachtschiffen füglich eine Bedeckung mitgeben. Ferner stören und hemmen die großen Handelskriege neuerer Staaten den Verkehr 381 auf viel ärgere Weise, als im Mittelalter die Willkür einzelner Junker, und obenein soll man itzt gewöhnlich in dem Maaße mehr zahlen, als der Verkehr abnimmt.

Daß übrigens die Obrigkeit auch im Mittelalter auf den Schutz der Kaufleute bedacht war, versteht sich von selbst und erhellet näher aus folgenden Beispielen. Nach einem Gesetze Kaiser Lothars von 1134 zahlte jeder, welcher Kaufleute belästigte, 100 Pfund Goldes, wovon die kaiserliche Kammer eine, der Beeinträchtigte die zweite Hälfte erhieltLeisn. diplom. No. 13.  Godofr. mon. zu 1188.. Kaiser Friedrich I zerstörte alle Schlösser, von welchen Räubereien unternommen und ungebührliche Abgaben beigetrieben wurden. Kaiser Friedrich II nahm alle Kaufleute, die zur frankfurter Messe reiseten, in besondern SchutzLünig Reichsarch. von Frankfurt, Urk. 1, von Hansestädten, Urk. 4., und eine ähnliche Zusicherung ertheilte Markgraf Dietrich von Landsberg denen, welche nach Leipzig handelten. Der Herzog von Niederlothringen brach im Jahre 1240 die Burg eines Grafen von DalhemBelg. chron. magn. 258., weil dieser Kaufleute beraubte. König Heinrich III von England sicherte in seinen Landen den braunschweigischen Kaufleuten ungestörten Handel zu, und schon früher setzte der große Freiheitsbrief von 1213 festRymer foed. I, 42.  Sprengels Gesch. von England 511.: alle Kaufleute dürfen frei und sicher nach England kommen und aller Orten Handel treiben. Bricht ein Krieg in ihrem Vaterlande aus, so versichert man sich ihrer Personen und Güter, jedoch ohne alle Härte und ohne ihnen sonst Schaden zuzufügen. Sie erhalten ihre Freiheit wieder, sobald man erfährt, daß den englischen Kaufleuten in dem fremden Staate keine Gewalt geschehen ist. Verständiger und gerechter, als bisweilen in den neuesten Zeiten, versprach Markgraf Dietrich von Landsberg im Jahre 1268 den LeipzigernHüllmann Gesch. der Stände III, 115.: die Waaren der dahin handelnden 382 fremden Kaufleute selbst dann nicht in Beschlag zu nehmen, wenn er mit ihren Landesherrn in Krieg gerathe.

Aber freilich kamen die guten Gesetze und Versprechungen nicht immer zur Vollziehung, und insbesondere kostete es Mühe Genugthuung in fremden Ländern zu erhalten. Diese suchte z. B. Erzbischof Christian von Mainz bei dem Könige Ludwig VII von FrankreichEpist. ad Ludov. VII, 457.  Camici zu 1180, p. 95.  Cod. Reg. Christ. No. 179, p. 229., weil ihm der Graf von Macon einige Kaufleute niedergeworfen habe, und bemerkte zugleich: dies Verfahren sey um so widerrechtlicher, da die französischen Kaufleute in Deutschland geschützt würden. Halfen weltliche Obrigkeiten nicht hinreichend, so wandte man sich auch an die kirchliche, und Innocenz III befahl z. B. dem Bischofe von Chur und dem Abte von S. GallenInnoc. III regist. Imp. epist. 152., einen Grafen von Montfort, welcher Kaufleute aus Piacenza geplündert hatte, zum Schadensersatz anzuhalten. Um sicherer zu seyn, zahlten die Kaufleute oft für den Schutz ein GeleitsgeldConcil. XIII, 898, No. 44.; und es ward mit Recht Grundsatz und Ehrensache: daß der Geld Nehmende auch wirklich schützen, oder Entschädigung herbeischaffen müsse. Ging eine Straße durch mehrer Herrn Länder, so vereinigten sich diese zu gemeinsamem Schutze und theilten die EinnahmenSo der Herzog von Baiern und der Bischof von Regensburg.  Hund metrop. I, 13.. Die den Kaufleuten gegebene Erlaubniß, Waffen zu tragen, ward natürlich sehr gern benutzt; ja bisweilen thaten sich jene in so großer Zahl zusammen, daß sie nicht bloß Anfällen trotzen konnten, sondern dann wohl selbst mancherlei Unbilden begingenLandfriede Friedrichs I.  Lünig cod. I, 358.  Hüllmann Gesch. der Stände I, 216..

Gegen den Seeraub erklärte sich besonders die Kirche 383 aufs nachdrücklichsteLünig Reichsarch., cont. IV, Abschn. 23, Urk. 13–16.  Concil. XIV, 63.  Math. Par. 399. Die Genueser hingen gefangene Seeräuber auf.  Barthol. zu 1228. – Die Einwohner Dalmatiens, welche oft die italienischen Küsten beunruhigten, wurden erst 1259 durch einen Vertrag mit Manfred für einen geordneten Handel gewonnen.  Dumont I, Urk. 402.: allein weder Bann, noch die härtesten weltlichen Strafen konnten dies Übel ganz vertilgen. In Dänemark errichtete man deshalb um die Mitte des zwölften Jahrhunderts eine eigene Gilde zu diesem ZweckeSaxo Gramm. XIV, 405.. Die Theilnehmer beichteten vor dem Auslaufen, erhielten vollkommenen Ablaß, sicherten sich durch Kundschafter gegen unerwartete Unfälle und holten mit ihren unbelasteten Schiffen gewöhnlich die slavischen Seeräuber ein. Ja sie durften, selbst wider den Willen der Eigenthümer, jedes Schiff besteigen; nur mußten sie ihnen alsdann den achten Theil des den Seeräubern Abgenommenen überlassen. – Kaperei ward bisweilen im Kriege unbedingt, bisweilen nur als letztes Mittel erlaubt, wenn mildere nicht halfenPetr. Vin. V, 48.. Als z. B. die Ankonitaner neapolitanischen Kaufleuten ein Schiff geraubt und alle Genugthuung abgeschlagen hatten; gab Friedrich II den Verletzten einen Kaperbrief gegen jene, bis auf vollen Ersatz des Schadens.

In nächster Verwandtschaft mit dem Seeraube steht das StrandrechtIm Jahre 1111 erklärte Heinrich VI, daß kein Strandrecht gegen Venetianer geübt werden solle (Lünig cod. dipl. Ital. II, 1053). Im Jahre 1112 hoben es der Erzbischof und der Vicomte von Narbonne für alle Christen auf und straften hart die Übertreter (Hist. de Lang. II, preuv. 359). Dasselbe thaten der Graf von Bretagne und Heinrich II von England. Richard I fügte hinzu: die Güter sollten an den König fallen, wenn der umgekommene Eigenthümer keine Kinder oder Geschwister hinterlasse. Auch hielt Richard selbst Raubschiffe im mittelländischen Meere (Hemingf. II, 39.  Rog. Hov. 678.  Coggesh. chron. Angl. 830.  Bromton 1152). Kaiser Heinrich VI hob alles Strandrecht auf, und gleich strenge und umfassend sind in dieser Beziehung die Gesetze Friedrichs II (Schöpfl. Als. dipl. I, 359.  Bullar. Rom. I, 64). Besondere Freibriefe und das Recht, die geraubten Sachen überall zurückzufordern, erhielten Wien, Straßburg, Lübeck, Regensburg (Lünig Reichsarch., Suppl. zu Österreich, Urk. 168; cont. IV, Abschn. 23, Urk. 7, 10; Abschn. 30, Urk. 2; Abschn. 58, Urk. 4.  Gemeiner Chron. 295). Ähnliche Begünstigungen empfingen deutsche Städte von den nordischen Mächten (Rehtmeyer chron. 468.Sartorius I, 205, 211.  Hüllmann Gesch. der Stände III, 121.  Fischer Geschichte des Handels I, 730.. Vom Anfange des zwölften bis zu Ende des dreizehnten Jahrhunderts finden wir viele theilweise und 384 auch einige ganz allgemeine Aufhebungen desselben: allein eben die Wiederholungen des Verbots und das Bestreben, durch besondere einzelne Freibriefe dagegen geschützt zu werden, beweisen die Rückfälle in das alte Übel. Noch ärger war es, wenn, wie an vielen niedersächsischen Küsten bis ins dreizehnte Jahrhundert, nicht bloß die Güter in Anspruch genommen, sondern auch die Personen zu Leibeigenen gemacht wurdenPotgiesser 19.  Um die Mitte des dreizehnten Jahrhunderts wurde das Strandrecht noch an den pommerschen Küsten geübt, aber doch als usurpatio bezeichnet. 1260 befreite Herzog Wratislav von Demmin alle Einwohner der Insel Rügen davon: ne dolor supra dolorem addatur.  Dreger cod., Urk. 237, 320, 441.. Am thätigsten zeigte sich die Kirche gegen all diese Frevel: aber die Päpste Gregor VII, Paschalis II, Honorius II, Alexander IIIConcil. Later. XII, 1151.  Bullar. Rom. I, 33.. u. a. m. konnten mit ihren löblichen Grundsätzen nur allmählich und nur da durchdringen, wo die Bischöfe an Ort und Stelle in gleichem Sinne wirkten1257 verlangte der König von Dänemark, daß der Bischof von Lund an den Ufern der Kirchengüter kein Strandrecht ausübe; vielleicht aber um es selbst zu behalten.  Langeb. V, 589.. Gesetzlich wurde schon 1110 ausgesprochen: wer die Güter von Schiffbrüchigen nimmt, soll wie ein Räuber und Brudermörder von der Kirche ausgeschlossen seyn. Nur Karl von Anjou, der die großen Ansichten der Päpste und der Hohenstaufen gleichmäßig verwarf, war 385 frech genug, gestrandete Güter selbst seiner Unterthanen und Freunde mit Bezugnahme auf älteres Recht zu behalten, und sich über die ausdrücklichen Bedingungen eines deshalb mit Genua geschlossenen Vertrages hinwegzusetzenStanconus zu 1270..

Dem Strandrechte nicht unähnlich wirkte der Mißbrauch, wonach man Pilger, Kaufleute und Fremde aller Art hinderte letztwillig zu verfügen und ihre hinterlassenen Güter in Beschlag nahm. Kaiser Friedrich II verbot jene Beschränkung und setzte fest: daß, wenn jemand ohne Testament sterbe, sein Besitzthum nicht dem Wirthe oder Ortsherrn zufalle, sondern bei Strafe des dreifachen Ersatzes, den natürlichen Erben durch den Bischof übermacht werdeBullar. Rom. I, 64.  Murat. antiq. Ital. VI, 83.. Auf gleich löbliche Weise befahl Otto IV für Stade: kein Bürger dürfe die Güter eines Ausländers in Beschlag nehmen, ohne bei dem Richter desselben einen gehörigen Antrag gemacht zu haben; und Herzog Birger von Schweden bewilligte im Jahre 1261 auf den Antrag der Hamburger und Lübecker: man solle alles von einem Fremden nachgelassene Gut verzeichnen und jedem ausliefern, der binnen Jahresfrist sein Erbrecht beweiseLünig Reichsarchiv, cont. IV, Abschn. 23, Urk. 10.  Fischer I, 548..

Daß die Kaufleute nicht, wie so lange eine große Zahl der Handwerker, hörig seyn konnten, ergiebt die Natur ihrer Beschäftigung, und dies erleichterte das Errichten der Genossenschaften zur Abhaltung der Gewalt und zur Verstärkung eigener MachtGemeiner Ursprung von Regensb. 28, 36, 53.. Sonst hing die Achtung und der Einfluß, welchen sie genossen, mehr ab von dem Umfang ihrer Geschäfte und ihrem Reichthume, als von einer festen staatsrechtlichen Bestimmung. Nicht minder waren die Ansichten in verschiedenen Ländern ungleich, und während z. B. das schwäbische Landrecht des Kaufmanns Wehrgeld niedriger festsetzt, wie das des freien Bauern; gab 386 Friedrich I dem Adel in der Gegend von Asti das gewünschte Vorrecht, unbeschadet seines Standes Handel zu treibenSchwabensp. 402.  Molino II, 68..

Nach der allgemeinen Weise des Mittelalters strebten die Kaufleute dahin, ihre eigenen Obern zu haben. So entstanden in Italien die Konsuln der KaufleuteMurat. antiq. Ital. II, 887., und mit Genehmigung des Kaisers in mehren deutschen Städten die erwählten, oder vom Rathe gesetzten Hansgrafen, welche manche Handelssachen anordneten und entschieden, und insbesondere auf auswärtigen Jahrmärkten die Kaufleute schützten, ihre Rechte darlegten und vertratenLünig Reichsarch., von Reichsstädten, Abschn. 39, Urk. 1.  Gemeiner Chron. 295, 325.  Urspr. von Regensb. 57, 70.  Monum. boica XI, 357..

Diese Jahrmärkte und Messen hielt man damals, und mit Recht, für ein Beförderungsmittel des Handels. Sie durften ursprünglich ohne königliche Genehmigung nirgends angelegt oder gehalten werden, allmählich ertheilten aber auch Fürsten diese Erlaubniß, und die Könige schwiegen oder stimmten bei. Ja schon im Jahre 1140 setzte Konrad III festHund metrop. I, 157. Lünig Reichsarch. von Savoyen, Abschn. 12, Urk. 6.: niemand solle wider den Willen des Bischofs im Bisthume Freisingen einen Markt anlegen, und 100 Jahre später erschien die Verlegung des Marktes in Kirchheim von einem Wochentage auf den andern so wichtig, daß der Markgraf von Meißen und der Graf von Bren darüber förmliche Urkunden ausstelltenLudwig reliq. I, 59, 62., und vom Abte des Klosters vier Mark Silber und zwei Scheffel Hafer erhielten. Bisweilen bestätigte der Papst Jahrmarktsrechte, zu größerer Festhaltung derselben; bisweilen ertheilte er sie Klöstern und Stiftern aus eigener Macht, unbekümmert um weltliche EinsprücheReg. Greg. IX, Jahr IV, p. 216.  Bouquet XV, 37.. In der Regel sollte auf die 387 Entfernung einer Meile vom berechtigten Orte kein zweiter Jahrmarkt angelegtSachsensp. III, 66., und das etwa zu erhebende Marktgeld mäßig und angemessen bestimmt werdenCamici zu 1210, Urk. VII, 92.. Von dieser Abgabe ist aber das Recht noch zu unterscheiden, auf öffentlichen Plätzen immerfort Buden, Fleischscharrn u. dergl. zu haltenKindlinger Beiträge II, Urk. 17, von Höxter.. Solche höher bezahlte Stellen konnte man verkaufen, vererben und verpfänden. Nicht selten war die Marktabgabe für Fremde höher gesetzt, wie für Einheimische, oder auch jenen der Handel mit einigen Gegenständen ganz untersagtZ. B. kein Fremder soll in Hannover pannum incidere.  Freibrief von 1272.  Orig. guelf. IV, 197.; bisweilen erhob man die Steuer nur von dem wirklich Verkauften und erlaubte freie Rückführung der übrigen WaarenSo geschah es in Ravenna.  Fantuzzi IV, 308-311.. Für Unterschlagen der Abgabe und betrügerisches Einführen stiegen an einigen Orten die Strafen von einem Viertel bis zum ganzen Werthe. Nicht minder schuldig war der Bürger welcher fremde, höher besteuerte Güter für die seinigen ausgab.

In ansehnlichen Städten hielt man wöchentlich öfter, z. B. in Lübeck zweimal MarktCorner 721.  Fischer I, 547.  Wochenmärkte in Venedig.  Marin. III, 248.; die größern Messen legte man hingegen auf Gedächtnißtage der Apostel und gerühmtesten Heiligen; wo dann Gottesdienst den Handel belebte und die herbeiströmenden Fremden den Gottesdienst wiederum feierlicher machten. In den wichtigern Handelsstädten, z. B. in Ens, Passau, Achen, dauerten die Messen wohl 14 TageLang Jahrb. 347, 353.  Dumont I, Urk. 145.  Vom magdeburger Markte.  Reg. Hon. III, Jahr V, Urk. 563, von 1220.; und dasselbe gilt von den italienischen Messen zu Parma und Ferrara, welche letzte den Handelsneid der Venetianer erweckteAffò Parma III, 126.  Ferrar. chron. 483.. Die leipziger Messe 388 entstand erst um die Zeit des Untergangs der Hohenstaufen. Von den verständigen und umfassenden Meßeinrichtungen Friedrichs II für das apulische Reich ist bereits anderwärts gesprochen wordenHohenst. Band III, S. 539..

Zu Beförderung des Handels wurden in mehren Städten Waarenniederlagen, Kaufhäuser angelegt, z. B. in Achen, in SienaIn Achen ein kaiserliches Haus Friedrichs II, in qua panni integri venduntur.  Würdtw. subs. nov. XI, 21. – 1194eine loggia mercatorum in Siena.  Della Valle lett. I, 15.  Caffari 283. Lünig Reichsarch., von Hansestädten, Abth. IX, Urk. 1.  Rigord. 11. u. a. O. Die Obrigkeit Genuas kaufte Häuser am Meere zu bequemen Ausladeplätzen, und die Gildehallen der Hanse dienten später wohl als Waarenlager. Philipp August ließ in Paris große, bedeckte Hallen erbauen, welche des Nachts verschlossen wurden und wo die Kaufleute am Tage ihre Güter feil boten. Sonntags sollten jedoch diese, wie alle Läden, uneröffnet bleibenSchwabensp. 16..

Der Aufkauf und Vorkauf von Waaren, ehe sie auf den Markt kamen, war an sehr vielen Orten verbotenDumont I, Urk. 202.  Sächs. Weichb. 19.; und wiederum kaufte kein Höcker eher, als bis ihm, nach gewissen Fristen und Stunden, dazu die Erlaubniß durch ein Zeichen gegeben ward. In Verona z. B. sollte niemand auf dem Markte vor neun Uhr Früchte, Gemüse u. dergl. zum Wiederverkauf erstehnCampagn. 201.. Geflügel, Eier und einige andere Gegenstände waren ganz dem mittelbaren Handel entzogen, und überhaupt durfte man Lebensmittel und Holz nie aus der zweiten Hand kaufen, es sey denn in ganz kleinen Massen. In Ravenna stand den Gastwirthen und Schenkwirthen Getreidekauf und Verkauf freiFantuzzi IV, 266-269; 293-296.; erst spät aber wurde das Verbot aufgehoben, wonach auch sie, bis zu einer gewissen Stunde, keine Gänse, Enten, Hühner, 389 Eier, Käse, Äpfel, Feigen, Weintrauben u. dgl. kaufen und nie mit diesen Dingen weitern Handel treiben sollten.

Zu den Handelsbeschränkungen umfassenderer Art, gehören zunächst Ausfuhr- und Einfuhr-Verbote. Sie betrafen am häufigsten Lebensmittel; bisweilen indeß auch einige andere Gegenstände. Wir geben Beispiele. In Ravenna war die Ausfuhr von Hühnern, Enten, Gänsen, Eiern und Käse ganz, die Getreide-Ausfuhr aber dann verboten, wenn der Starius über zehn Schilling galtFantuzzi IV, 310-316.. Wer fremdes Getreide zum Verkauf einführte, zahlte zwölf Denar vom Starius; wer es selbst verbrauchte, war frei von der Abgabe. Laut eines Vertrages zwischen Komo und Chur, durfte diese Stadt dorther kein Getreide und Gemüse beziehenRovelli II, 217.. Aus Verona sollte man Kalk, Steine und Öl nicht in fremde Besitzungen verkaufen. Dasselbe untersagte 1260 Padua hinsichtlich des Leinsamens, damit man ihn in der Stadtmark aussäeVielleicht nur vorübergehende Bestimmungen. Das Nähere hat Campagn. 114, 231.  Verci storia Trivig. I, 102.. Herzog Friedrich von Österreich hemmte 1235, auf Rath der Juden, die Ausfuhr von Wein und GetreideSalisb. chron. Canis. 482.  Hund metrop. I, 13.; was aber nur zur Folge hatte, daß die benachbarten Länder ihren Bedarf aus Schwaben, Franken und Italien bezogen. Kaiser Friedrichs II Verbote der Ausfuhr von Pferden, Waffen und Schiffszwieback ergingen in Beziehung auf KriegszweckeRich. S. Germ. 1048.  Saba Malasp. VI, 2.  Gesch. der Hohenst. Band III, S. 535; IV, 558.; Karl von Anjou hingegen sperrte viele Häfen in Apulien und Sicilien und brachte die Städte in Verfall, weil ihn sein Eigennutz täuschte und verblendete. Vorsichtiger setzte Ludwig IX fest: die Obrigkeiten sollten ohne aufrichtige und reifliche Prüfung kein Verbot der Ausfuhr von Getreide, Wein und andern 390 Dingen erlassen; wenn es aber einmal aus dringenden Gründen geschehen sey, so dürften sie es nicht leichtsinnig aufheben, oder während der Dauer desselben aus Gunst besondere Ausnahmen gestattenGuil. Nang. 364.  Martene thes. I, 440.. Diese Ausfuhrverbote hinderten Theurung und Hungersnoth nicht, weshalb man einige Male die Handeltreibenden zum wohlfeilen Verkauf ihrer Vorräthe zwang: allein sie ließen sich dies nicht immer gutwillig gefallen, und Karl von Flandern wurde hauptsächlich um eines solchen Befehls willen im Jahre 1127 erschlagenVelly III, 75.  Ferrar. chron. 483, zu 1230.. Mehr half es allerdings, wenn die Reichen, wie in Ferrara, freiwillig ihre Böden öffneten, um gemäßigte Preise zu bewirken: aber solche Erscheinungen konnten nur in freien Städten eintreten, wo die öffentliche Bedeutung eines Mannes zum Theil von der Volksgunst abhing, oder doch aufs innigste mit dem Volkswohle zusammenhing.

Bisweilen, besonders in den Kriegen der italienischen Städte, wurden die einzelnen Ausfuhrverbote zu einer vollen und strengen Handelssperre gesteigertBenigni I, Urk. 22.  Dandolo 225.  Math. Par. 396.  Wer in Genua mit einem feindlichen Staate handelte, oder verbotene Waaren einführte und ausführte, dem wurden sie weggenommen und seine Häuser niedergerissen.  Caffari zu 1196–1197.  Moriondus I, Urk. 93, 144., oder gar die fremden Kaufleute gefangen gesetzt und ihre Güter hinweggenommen. Rechtfertigen läßt es sich dagegen, wenn man jemand durch Vorenthaltung eines ihm unentbehrlichen Gegenstandes zur Nachgiebigkeit zwingen konnteRoland. Patav. I, 13; II, 1.  Dandolo 225, 316, 320.. So schloß z. B. der Bischof von Belluno Frieden mit den Venetianern, weil diese ihm kein Salz oder andere überseeische Waaren zukommen ließen. Umgekehrt finden wir auch Fälle, daß einzelne oder Gemeinen zum Ankauf oder Verkauf von Gegenständen gezwungen wurdenSo heißt es 1160 in einem Freibriefe Wilhelms I für Messina: servos autem et ancillas, pannos vel alias res curiae, de caetero nullus vestrum invitus emere compellatur.  Gallo ann. II, 22. – 1238 Klage, daß der Graf von Flandern die Unterthanen eines Stiftes zwinge ihre Tücher in seinem Gebiete zu verkaufen.  Miraei op. dipl. III, Urk. 35.. Bloße Gewalt, 391 obgleich aus Handelsrücksichten erzeugt, war es, als Heinrich der Löwe die Salzquellen des Grafen Adolf von Holstein bei Thodeslo verschütten ließ, damit sich der Absatz in Lüneburg vermehreHelmold I, 76.. Geschickter brachte Venedig einen Vertrag mit Ravenna zu Stande, wonach aus Ligurien und der Lombardei in diese Stadt nur das eingeführt werden solle, was sie selbst verbrauche, oder was sogleich weiter nach Venedig geheDandolo zu 1261.. Als aber die Ravennaten Klage erhoben, daß sie hiebei sehr übervortheilt wären, zahlte ihnen Venedig zur Beruhigung jährlich eine Summe Geldes. Verwandte Beschränkungen enthält der zwischen Pisa und Arles 1221 geschlossene VertragMurat. antiq. Ital. IV, 396.. Finden sich, so heißt es daselbst, während des Krieges zwischen Pisa und Genua, Arelater oder ihre Güter auf genuesischen Schiffen, so können sie genommen und behalten werden, ohne daß es Friedensbruch wäre. Von der Küste bei Genua bis Pisa dürfen die Arelater kein Salz verkaufen, und zwischen Pisa und Civitavecchia kein Getreide aufkaufen; es sey denn um es unmittelbar nach Pisa oder Arles zu führen.

Fremde und Einheimische wurden überhaupt hinsichtlich des Handels bald gleich, bald ungleich gestellt. In England z. B. sollten jene während des 12ten Jahrhunderts nur mit Bürgern, nicht mit Landleuten handeln, sich nur eine gewisse Zeit aufhalten, ihre Schiffe nicht verlassen, oder mit andern Fremden nur durch Dazwischenkunft eines Einheimischen verkehrenSartorius I, 291.. Bologna ließ in einen Freibrief Kaiser Heinrichs V aufnehmen, daß kein tuscischer Kaufmann jährlich öfter als zweimal auf der Hauptstraße über den Apennin zu den Messen kommeSavioli I, 2, Urk. 96, von 1116.. In Köln durfte, nach einer erzbischöflichen Urkunde von 1259, kein Kaufmann länger als jährlich dreimal sechs Wochen verweilen, mit gewissen Gegenständen (z. B. Gewürze, Weihrauch, Alaun) nicht im einzelnen handeln und kein Silber ankaufenSecuris 252.. Manche von diesen Bestimmungen beruhten auf Irrthümern, andere ließen sich als verständige Begünstigungen der Bürger rechtfertigen; bisweilen aber meinte man auch Fremde und Einheimische ganz gleich stellen zu müssen, um jene anzulocken und Handelsverkehr erst zu begründen. Dies that z. B. Heinrich der Löwe in seinen Besitzungen mit den Juden und DeutschenOrig. guelf. III, 491.  In einer Urkunde Lothars von 1133 für Quedlinburg heißt es: Händler mit Leinen, Tuch und Pelzen de forensibus stationibus tributum non reddant.  Erath cod. Quedlinb. 80..

Überhaupt trat jenen auf Beschränkung hinwirkenden Ansichten oft die Überzeugung entgegen: freier Handel sey ein Gut, das man befördern und sogar, wo möglich, im Kriege erhalten müsse. Deshalb sicherte Konrad IV den regensburger Kaufleuten zuGemeiner Chronik 361.: selbst Güter seiner Feinde sollten in ihrer Stadt Sicherheit haben; und in einem Vertrage zwischen Florenz und Siena ward ausbedungen, daß über die meisten Handelsgegenstände weder Einfuhr- noch Ausfuhr-Verbote, noch Steuergesetze erlassen werden dürftenCamici zu 1260, Urk. VII, 89.  Della Valle lettere I, 15.. Im Jahre 1237 versprach der päpstliche Abgeordnete an S. GinesioBenigni I, Urk. 32.: man werde einseitig die Getreideausfuhr nicht verbieten; und dasselbe versprach 1248 der König von Frankreich an MontpellierHist. de Langued. III, 112., sofern nicht Theurung oder andere große Noth eintrete.

Als eine eigenthümliche Art von Handelsbeschränkung ist das Stapelrecht zu betrachten, auf welches manche Städte nach altem Herkommen, wie Köln, oder nach 393 kaiserlichen Freibriefen, wie Wien, Anspruch machtenSecuris 252.  Nach dem wiener Stadtrecht von 1193, sollte niemand aus Schwaben über Wien nach Ungern handeln.. Allmählich folgten die Fürsten auf diesem Wege nach: Markgraf Johann von Brandenburg ertheilte z. B. der Stadt Landsberg im Jahre 1257 das NiederlagsrechtDepositionem mercium.  Gerken V, Urk. 105. – Lünig Reichsarch., von Hansestädten, Abschn. 2, Urk. 1, 4.  Archiv für Süddeutschl. I, 238, Freibrief für Inspruck.; und Herzog Heinrich setzte ums Jahr 1273 fest: nur in Breslau, und in keiner andern seiner Städte, solle eine Waarenniederlage seyn, und eine Meile rund um Breslau dürfe sich kein Bäcker, Fleischer, Schuster, Gastwirth, Krämer, Ausschnitthändler u. a. m. ansetzen. Im Jahre 1277 war Gemona im Besitze des Rechtes, daß alle über die Alpen gehende und kommende Waaren eine Nacht daselbst blieben, bestimmte Abgaben zahlten, und mit dem Gespann und den Wagen der Bürger weiter gefahren wurdenLiruti 74.  Aber schwerlich konnte man diese Beschränkung lange durchsetzen..

Einer besondern Aufmerksamkeit und Behandlung unterlag der Handel mit den Saracenen. Schon 971, also lange vor den Kreuzzügen, erließ Venedig in dieser Beziehung einschränkende GesetzeLe Bret I, 218.; allein jene Unternehmungen gaben allerdings nähere Veranlassung, die Sache ins Auge zu fassen, bis die Kirche endlich allen unmittelbaren und mittelbaren Handel nach saracenischen Ländern, sowie alle Gemeinschaft auf die Dauer der Kriege, schlechthin untersagte. Als sich indeß die Venetianer hierüber beschwerten, weil sie, beim Mangel des Ackerbaues, nur durch Handel und Schiffahrt bestehn könnten, milderte Innocenz III das Verbot dahinInnoc. epist. I, 539.  Math. Par. 95.  Concil. XIII, 1015.  Honorius III verbot den Marseillern nach Alexandrien zu handeln.  Reg. V, 111.: es solle an die Saracenen nicht verkauft, vertauscht oder verschenkt werden: Eisen, Werg, Pech, Stricke, Waffen, 394 Schiffe und Schiffsbauholz. Später wollten Sachverständige darauf Verbote gründen, daß bei dem morgenländischen Handel überhaupt ein Ausfall zum Nachtheile der Christen statt findeSanutus 26.: allein ihre Rathschläge fanden, und wohl mit Recht, keinen EingangMath. Par. 382.. – Oft wurden die Juden angeschuldigt und bestraft, weil sie den Ungläubigen Waffen und verbotene Waaren zuführten. Von den Handelsabgaben wird in dem Abschnitte vom Steuerwesen ausführlicher die Rede seyn; hier bemerken wir nur, daß sie häufig, am meisten in der Gestalt eines Zolles erhoben wurdenMehre Zollrollen und Waarenverzeichnisse in Murat. antiq. Ital. II. diss. XXX. – Zollfreiheit zugesichert. Orig. guelf. IV, 111.  Erath. cod. Quedlinb. 80 u. a. a. O. – 1243 ward zwischen Polen und dem deutschen Orden festgesetzt: die Waaren und Güter der Ritter und Pilger gehn überall frei, Kaufleute zollen in Banchin, Posen, Gnesen und Guben.  Dreger cod. I, Urk. 150., und das Bestreben dahin ging, wo nicht eine gänzliche Befreiung, doch eine wechselseitige Gleichstellung desselben zu erhalten1119 bestimmen z. B. Florenz und Bologna gleichen Durchgangszoll für Waaren.  Savioli II, 2, Urk. 481. – 1191 verspricht Heinrich VI an Pavia: niemand solle die Stadt mit neuen und höhern Handelsabgaben bedrücken.  Gatto 112.. Sehr oft bewilligte man Geistlichen und Klöstern Freiheit von allen Abgaben für ihren eigenen Bedarf; sie trieben aber nicht selten größern HandelFantuzzi IV, No. 359. – Für eingeführte und durchgeführte Waaren hob man (nur mit wenigen Ausnahmen) in Verona gewisse Siegelgelder.  Campagn. c. 272..

Über das Verfahren bei Handelsschulden wurden mehre Bestimmungen nöthig. Mehre Städte und Staaten versprachen bei wechselseitiger Beitreibung hülfreiche Hand zu leisten; wogegen eigenmächtiges Auspfänden ohne RechtsverfahrenReg. Greg. IX, Jahr VII, Urk. 455, an den Bischof von Konstanz., und vor allem der häufig vorkommende Gebrauch 395 untersagt wurde, vermöge dessen man sich nicht bloß an den eigentlichen Schuldner oder Bürgen, sondern an jeden andern Kaufmann desselben Staates hielt und ihn zur Zahlung für seine Landsleute zwangMurat. antiq. Ital. IV, 339.  Meichelb. hist. Fris. II, 2, Urk. 17.. Selbst der Bürge sollte nicht vor dem Schuldner, und mehre Bürgen nur in richtigem Verhältnisse beigezogen werden. Zur Begünstigung Achens setzte Friedrich I fest: daß man Kaufleute daselbst bloß wegen solcher Schulden und Geschäfte in Anspruch nehmen könnte, die auf den Messen selbst abgeschlossen wärenVedriani II, 141.  Savioli II, 2, Urk. 353, 416.  Eichhorn episc. Cur., Urk. 67.  Hist. de Langued. III, pr. 112.; und um die Mitte des 13ten Jahrhunderts findet sich in einem Friedensschlusse der Grafen von Flandern die Bestimmung: kein Schiff eines fremden Kaufmanns dürfe von ihren Unterthanen, ohne Rechtsspruch, wegen Schulden angehalten werdenDumont I, Urk. 145.. Wer zum Feste des heiligen Petronius nach Bologna kam, war acht Tage vorher und acht Tage nachher gegen seine Gläubiger gesichertLünig cod. II, Urk. 52..

Höchst wichtig für den Handel und den gesammten Verkehr waren die Ansichten über Geld und Zinsen. In dem Maaße als jener wuchs, wurde das Bedürfniß des Geldes allgemeiner, und die Nothwendigkeit einer Ausgleichung mittelst desselben, größer. Mehr aber als irgendwo trat die Kirche hier hemmend dazwischenSigon. hist. Bonon. 54. – Nach den Gesetzen des lateinischen Kaiserthumes, durfte kein villanus ins Gefängniß gesetzt, oder ihm sein Gut abgenommen werden; sofern nicht sein Herr darin willigte, oder ihm zum Handel Erlaubniß ertheilte.  Canciani III, lib. consuet. Rom. §. 215., nannte (einige biblische Sprüche falsch auslegend) jede unmittelbare Benutzung des Geldes, jedes Zinsennehmen einen Wucher; während man allen andern Handelsgewinn selbst bis zehn vom Hundert 396 erlaubtePhilipp August und Richard Löwenherz erlaubten dies beim Antritte des Kreuzzuges.  Dumont I, Urk. 202.. Natürlich wurden alle nur denkbaren Kunstmittel angewandt, die Zinszahlung zu verstecken. Man nahm z. B. Getreide oder andere Erzeugnisse statt des GeldesGiulini 134, zu 1197.  Die Urkunden von S. Bartol. di Pistoja zu 1195–1198, geben Beispiele von sehr großen Getreidelieferungen für Geldanleihen., ließ sich in den Besitz nutzbarer Hypotheken setzen, oder Geschenke geben, oder mehr verschreiben, als man zahlte u. dergl. Dem zu steuern, ward itzt verboten aus dem Geldverleihen Vortheil irgend einer Art zu ziehen; also weder Erzeugnisse, noch Pfandnutzung, noch VerzugszinsenHarzh. III, 532.  Verci Ecel. III, Urk. 282. u. s. w.; alles in dieser Beziehung Erhaltene sollte am Hauptstuhle abgerechnet werden, und überdies Strafe eintreten. Hierauf ließen sich die Darleiher von den bedürftigen Schuldnern eidlich versprechen, sie würden den Hergang nie bekannt machen, oder das Gegebene zurückfordernInnoc. epist. VIII, 16.  Decret. Greg. V, tit. 9.: allein die Kirche befahl, daß man von Amts wegen dergleichen Verfahren untersuche und den Empfänger zur Rückzahlung zwinge. Als sich die weltlichen Gerichte hiebei lässig zeigten, erklärte Papst Alexander III: alle Schuldsachen solcher Art gehörten lediglich vor das geistliche GerichtConcil. XIII, 320.  Innoc. epist. X, 61.. Zinsnehmer wurden gebannt und weder zum Abendmahle, noch zu ehrlichem Begräbnisse gelassenConcil. XII, 1503; XIII, 430, 798.. Sofern man aber diesen Bann oft nur im allgemeinen, ohne namentliche Anklage oder Beweis aussprach, bekümmerten sich die meisten gar nicht darum; bis irgend ein Ereigniß, oder Todesgefahr ihr Gewissen so rührte, daß sie die Zinsen zurückzahltenMolina II, 173.  Innoc. ep. VIII, 16., oder zur Rettung ihrer Seele Kapellen bauten, Stiftungen 397 gründeten u. dgl. – Die Juden, auf welche kirchliche Drohungen und Strafen keine Anwendung fanden, sollten von aller Gemeinschaft und allem Verkehre mit Christen ausgeschlossen, diejenigen von den letzten aber gebannt werden, welche sich daran nicht kehrten, oder dies Gesetz zu vollziehen säumtenConcil. XIII, 1142.. Für besonders strafbar hielt man es Pilgern Zinsen abzunehmen, oder Feinden Geld zu leihenInnocenz IV gebietet, daß alles Bezogene auf den Hauptstuhl abgerechnet werde: cum hujusmodi beneficium non multum videatur habere dispendii, quod solutionem sic prorogat, quod debitum non absorbet.  Concil. 63.  Gallia christ. X, preuv. p. 452..

All diese Gesetze und Strafen konnten aber das natürliche Bedürfniß des Geldes und den natürlichen Wunsch des Zinsnehmens nicht unterdrücken; vielmehr stieg der Zinsfuß in dem Maaße, als das Geschäft Vorwürfe und Gefahren nach sich zog. Zehn vom Hundert war der geringste, zwanzig gar kein ungewöhnlicher SatzZehn vom Hundert am Rheine gewöhnlicher Zinsfuß um 1250.  Hüllmann Gesch. der Stände II, 245.  Loskauf von Abgaben zu gleichem Fuß.  Senkenberg ungedr. Schriften IV, 230, Urk. 1. – Zwanzig vom Hundert nimmt 1259 ein Jude in Freisingen.  Lang Jahrb. 337. – Zwölf vom Hundert im Jahre 1221, zwanzig vom Hundert im Jahre 1234 in Toskana gezahlt.  Cartep. di S. Salvat., Urk. 378 und von d. Jahren.  Innoc. ep. VI, 15; VII, 29; X, 92.  In Pisa waren zwei Denare monatlich vom Pfunde der gesetzliche Zins, und nur bei Bodmerei (ad proficuum maris) ward dieser Satz nicht angewandt.  Statuta Pisana fol. 19, 117, 411.  1255 Beschluß der rheinischen Städte, wöchentlich nur zwei Denare vom kölnischen Pfunde, und bei Verträgen auf ein Jahr nur vier Unzen vom Pfunde zu nehmen.  Leibnitz mantissa VIII, 96.. Laut eines mailändischen Gesetzes von 1197 sollte die Stadt nicht über zehn, andere Personen nicht über funfzehn vom Hundert gebenGiulini 134.. In Verona konnte man ums Jahr 1228 Zinsen bis 12½ vom Hundert einklagen; was drüber ging, ward auf den Hauptstuhl abgerechnetCampagn. c. 26. – Zwei Schillinge vom Pfunde heißen 1268 in Brescia legitimae usurae.  Verci Eccl. III, Urk. 282.. Solche, der kirchlichen Gesetzgebung geradezu widersprechende Bestimmungen hätten die Geistlichen und Päpste aufs nachdrücklichste verwerfen müssen: allein sie brauchten selbst zu oft Geld, und übertraten dann ihre eigenen Gesetze. Mit Recht sorgten die Päpste, daß jeder Prälat Anleihen nöthigenfalls selbst aus dem Kirchenvermögen zurückzahleInnoc. epist. VI, 215; VII, 15.  Petr. Vin. V, 94, 95.  Würdtw. nova subs. IV, 128; IX, 8.: allein sie konnten das Abziehen der versprochenen Zinsen nicht immer durchsetzen, und Honorius III bestätigte einen Vertrag, worin ein Bischof sienensischen Darleihern versprach, daß, sofern er nicht zur rechten Zeit bezahle, ihn und seinen Sprengel der Bann treffeReg. Hon. III, Jahr II, Urk. 790.. Ja selbst Geistliche erlagen dem Reize des Geldgewinns und trieben Wucher, weshalb Untersuchungen gegen sie eingeleitet und die Schuldigen abgesetzt wurdenDecret. Greg. V, lit. 9.  Tiraboschi Moden. IV, Urk. 743.  Concil. XIII, 302.. Vorsichtiger fanden andere ein Erwerbsmittel darin, daß sie Wucherer auskundschafteten und große Geldstrafen von ihnen beitriebenWadding III, 500..

Sogar Innocenz III erlaubte die sicilischen Staatseinnahmen zu verpfänden und bei Kaufleuten zinsbare Anleihen zu machenEpist. V, 84.  Amalr. vitae Pontif. 409.; und wie hart die Darleiher später mit den Päpsten umgingen, die Geld für ihre weltlichen Zwecke brauchten, geht aus ihren eigenen Schreiben nur zu deutlich hervor. So bannte Klemens IV die Stadt Siena, nahm aber die Kaufleute aus, welche ihm und Karl von Anjou Geld geliehen hatten. Bei wucherlichen Geschäften dieser Art, klagt jener, nimmt die unersättliche Gier der Gläubiger einen großen Theil des Hauptstuhls hinwegMartene thes. II, 101, 188, 190.. Ein anderes Mal eröffnete er eine Anleihe auf 100,000 Pfund, erhielt aber nur etwa 50,000 und sagt: wenn man die Zinsen abrechnet, so schwindet das Ganze auf ein weniges 399 zusammen. – Ähnlich erging es weltlichen Herrschern in Zeiten der NothÜber die Anleihen Friedrichs II, Hohenst. Band IV, S. 56. Über die Anleihen Manfreds und Konradins in Siena, Malavolti II, 1, 12-15.. Der Graf von Flandern z. B. lieh im Jahre 1221, um sich aus der französischen Haft zu lösen, 26,186 Pfund, verschrieb aber 31,090 Pfund mit dem Zusatze, daß seine Gläubiger, wenn er nicht am bestimmten Tage zahle, die Güter aller Kaufleute in Flandern und Hennegau wegnehmen dürftenMartene thes. I, 886.. Als der römische Stuhl dem Könige Heinrich III von England das sicilische Reich für seinen Sohn überließ, ward er dem Papste die ungeheure Summe von 500,040 Mark Sterling schuldig, deren Zahlung Kaufleute aus Florenz und Siena gegen Verpfändung der geistlichen Zehnten in England und gegen anderweite Sicherheit übernahmenRymer foed. I, 2, 33.  Math. Par. 286.. Von Zinsen bis zum Verfalltage ist zwar nichts erwähnt: wenn sie aber auch nicht, wie gewöhnlich, schon mit in die Hauptsumme eingerechnet seyn sollten, so finden sie sich auf andere Weise in ungeheurer Größe. Bei der Gewißheit nämlich, daß der König auf keinen Fall am Zahlungstage alles berichtigen könne, fügte man hinzu: er trägt die Kosten eines Reisekaufmanns und seines Pferdes und Dieners, bis die ganze Anleihe zurückgezahlt ist, und giebt als Ersatz für Schaden, Auslagen, Belohnung u. dgl. vom Verfalltage an, für jede zwei Monate Zögerung auf zehn Mark, eine Mark, das heißt also jährlich sechzig Mark vom Hundert.

Wenn man auf die Seltenheit des Geldes, die Gefahren des Darleihens, die Schwierigkeit des Beitreibens, die Kosten des Übersendens und die Gleichgültigkeit Rücksicht nimmt, mit welcher man oft seinen eigenen Credit verdarb; so dürfte dennoch der Gewinn der Banker und Wechsler jener Zeit im Durchschnitt keineswegs größer gewesen seyn, als heutiges Tages; und wenn auch Betrug und Wucher 400 im einzelnen gewiß nicht fehlten, so wurde doch manches mit diesem Namen bezeichnet, was jetzt, und mit Recht, für ein erlaubtes Gewerbe gilt. Im Fall Geistliche oder Bettelmönche mit übertriebenem Eifer gegen das Zinsennehmen predigten, hielt sich die Menge sehr gern für berechtigt zum Plündern, Mißhandeln, Niederreißen der WohnungenGhirard. I, 154.  Mauris. 43. u. dgl., wofür die Banker natürlich ihre Darlehne im Preise steigerten, oder sich zu Bildung einer mächtigen Partei enger an einander schlossen, und dann diejenigen sogar straften, welche päpstliche Schreiben gegen den Wucher ausgewirkt hattenReg. Greg. IX, Jahr I, S. 119, zu 1227, von den Lombarden.. Nicht minder natürlich widersprachen sie manchen städtischen Gesetzen: daß z. B. in MailandGiulini 134, zu 1197. eine über drei Jahr alte Schuldverschreibung nur dann gültig sey, wenn der Schuldner sie anerkenne, oder sich noch im Besitze der Sache befinde um derentwillen die Anleihe gemacht wurde.

Doch konnten all diese Gesetze, Schwierigkeiten und Gefahren von dem so reizenden, zuletzt immer einträglichen Geldverkehr so wenig abschreckenMurat. antiq. Ital. I, 890., als in unsern Tagen Staatsbankerotte, Herabsetzung von Zinsen, oder allgemeine Zahlungsfristen. Insbesondere legten sich die lombardischen Handelsstädte so eifrig auf dies Gewerbe, daß der Name eines Lombarden in allen Ländern mit dem eines Bankers und Wechslers gleichbedeutend wardAsti soll zuerst 1226 den Geldhandel emporgebracht haben: allein wir finden schon viel frühere Darlehen (z. B. 1168 der Florentiner und Genueser zum Kreuzzug König Amalrichs von Ungern). Das Geschäft selbst aber ward künstlicher, umfassender getrieben.  Anon. Ast. 1045.  Wilh. Tyr. zu 1168.  Molina II, 173.  Selbst adeliche Italiener betrieben das Geschäft in Frankreich und Flandern.  Codic. bibl. Taurin. II, 314, 316.. Als der Papst im Jahre 1256 mit Asti zerfiel, ließ er 150 Astenser, welche sich hauptsächlich solcher Geschäfte wegen in Frankreich 401 aufhielten, verhaften und sechs Jahre in Lyon gefangen haltenAlfer. zu 1256.  Ogerius nennt schon zu 1213 banci cambiatorum.  Malespini 165.  Mauris. 40.  Della Valle lett. I, 137.  Carli III, 16, 20.. Desungeachtet dauerten die Wechselbänke fort, und die reichen Banker liehen gleichmäßig allen politischen Parteien, sofern sie nur Sicherheit und Gewinn dabei sahen. Damit man aber auch Sicherheit an ihnen habe, ergriffen einige Städte Vorsichtsmaaßregeln: jeder venetianische Wechsler mußte z. B. 3000 Dukaten niederlegen, woran man sich nöthigenfalls halten könnteTentori saggio IV, 74..

Aus dem einfachen Geldwechseln und Geldleihen entwickelte sich allmählich in Italien die Lehre von den Wechseln und das Wechselrecht. Schon im dreizehnten Jahrhunderte finden wir statt baarer Übersendungen, wechselseitige Anweisungen und AbrechnungenRohte chron. Thur. 1735., welche den Übergang boten zu den spätern theils verwickeltern, theils noch mehr abkürzenden Formen.

In England ließ sich, ohne Rücksicht auf Kirchengesetze und Würde seines Standes, Richard von Kornwall der geldreiche Bruder König Heinrichs III, von diesem ein so ausschließliches Recht zum Geldhandel ertheilen, daß jeder gestraft wurde, der wegen irgend eines Geschäfts von einem andern Geld borgteMath. Par. 639.. In Deutschland stieg dieser Verkehr nicht zu einer gleich bedenklichen HöheGeldgeschäfte auf der achener Messe zur Zeit Friedrichs I werden erwähnt, Dumont I, Urk. 145., sondern hielt sich lange innerhalb der natürlichen Gränzen des Auswechselns verschiedener Münzsorten.

Was nun die Handelsgegenstände und Handelsstraßen anbetrifft, so wird sich eine Übersicht derselben am besten ergeben, wenn wir nacheinander von den einzelnen Handelsstaaten sprechen.

Niemals lebten die Völker im Mittelalter ohne allen auswärtigen Handel, ja fast keine einzige Handelsstraße der 402 alten oder neuern Welt (die Wasserverbindung mit Indien und Amerika ausgenommen) war damals unbekannt oder unbenutzt, und der Hauptunterschied beruhte mehr auf Verschiedenheit der bezogenen Gegenstände und am meisten darauf, daß der Verbrauch damals geringer war, als in früherer oder späterer Zeit.

1. Italien hat nicht sowohl eher Handel getrieben, als andere Länder; wohl aber bildeten sich Amalfi, Pisa, Genua und Venedig zu eigentlichen Handelsstaaten, bevor man anderwärts im Abendlande über den Verkehr des täglichen Bedürfnisses hinausging.

a) Amalfi trieb schon in sehr früher Zeit einen ausgebreiteten Handel, unter andern nach Syrien und ÄgyptenGuil. App. III, 267.: als aber die Stadt in die Hände der Normannen kam, sank ihre Bedeutung in jeder Rücksicht; obgleich nicht übersehn werden darf, daß ihre Lage in einem engen, mit hohen Bergen eingeschlossenen Felsthale, den Anbau und die Vergrößerung äußerst erschwert, und ein eigentlicher sicherer Hafen fehlt.

b) Genua suchte sich hauptsächlich des Handels in dem westlichen Theile des Mittelmeeres zu bemächtigen, fand aber Nebenbuhler, bisweilen an den Provenzalen und Aragonesen, vor allen an den Pisanern. Während der hieraus entstehenden Handelskriege, wagten es die einzelnen Kauffahrteischiffe nicht unbeschützt zu segelnBarthol. ann. zu 1247, 1249.  Oger. Pan. zu 1211.  Caffari an vielen Stellen.; sondern man gab ihnen, freilich mit Erhöhung der Kosten, eine Begleitung von Kriegsschiffen. Im Jahre 1168 vertrieb der König von Aragonien die Pisaner und übergab den Genuesern die, welche er gefangen, und die Hälfte der Schiffe, welche er in Beschlag genommen hatteAlbert. 320.  Caffari 377.. Um dieselbe Zeit erlaubte der König von Marokko den Genuesern, gegen mäßige Abgaben in allen seinen Staaten sicher Handel 403 zu treiben, und spanisch-maurische Könige bewilligten einige Male nothgedrungen wohl noch mehr.

Im Jahre 1156 schloß Genua einen Handelsvertrag mit König Wilhelm I von Sicilien und versprach: es werde nichts gegen seine Ehre und Sicherheit unternehmen, Friede halten und allen etwa durch Raub oder Gewalt entstehenden Schaden ersetzen; wogegen er versprach, die Genueser in allen seinen Staaten zu schützen und den zeither bedeutenden Handel der französischen und provenzalischen Kaufleute nicht weiter zu duldenCaffari 268.  Murat. antiq. Ital. IV, 254.. Ein anderer, 1170 zwischen Genua und Narbonne geschlossener Vertrag setzte fest: diese Stadt darf im Genuesischen Gegenstände aller Art ohne Erhöhung der Abgaben einkaufen, jährlich aber nur ein Schiff mit Pilgern, und nicht mit Waaren, befrachtet, nach Asien absendenHist. de Langued. III, pr. 112, 114.. Den Pisanern ist für gewisse Fälle die Aufnahme in Narbonne untersagt. Umgekehrt versprach Ludwig IX an Montpellier, kein Genueser sollte sich in Aiguesmortes ansiedeln und das Bürgerrecht erhalten. Im Jahre 1236 kamen Genua und Arles überein: das Strandrecht höre auf und wechselseitig werde jede Erbschaft verabfolgtBouche hist. de Provence II, 210.. Andere Bestimmungen betreffen die Zölle, die Ausfuhr, und daß arelatische Konsuln in Genua über die dasigen Arelater Recht sprechen. Genuas Handel nach dem Kirchenstaate ward jedesmal begünstigt, wenn die Stadt die Partei des Papstes hielt, und Alexander IV bewilligte ihr sogar Freiheit von allen HandelsabgabenLünig cod. dipl. Ital. II, 2093..

Seit den Kreuzzügen wuchs Genuas Handel nach Syrien, und später auch nach ÄgyptenCaffari und Oger zu 1154, 1204, 1211, 1217.  Ottobon. 362. so sehr, daß große Handelsflotten hin und zurückgingen und unterwegs oft auf den griechischen Inseln, z. B. in Kreta, anlegten. Mit 404 Konstantinopel, woher man nicht bloß Fabrikate und morgenländische Waaren, sondern bisweilen auch Getreide holteOttobon. 355.  Caffari 265., stand Genua schon während des zwölften Jahrhunderts in freundschaftlichen Verhältnissen. Im Jahre 1155 bewilligte z. B. Kaiser Emanuel der Gemeine jährlich 200 Goldstücke und zwei Mäntel, dem Erzbischofe von Genua sechzig Goldstücke und einen Mantel, den Kaufleuten ein Grundstück und eine Kirche in Konstantinopel, und die Herabsetzung der Handelsabgaben vom zehnten auf den fünfundzwanzigsten Pfennig.

Die Gründung des lateinischen Kaiserthums gab den Venetianern in diesen Gegenden ein entschiedenes Übergewicht, weshalb die Genueser trotz aller kirchlichen Verbote, mit größtem Eifer für die Herstellung der griechischen Macht wirkten. Aus Dankbarkeit und zum Theil auch aus Schwäche, bewilligten die griechischen Kaiser den Genuesern die größten Vorrechte. Ein mit Michael Paläologus geschlossener Vertrag setzte festDu Fresne hist. de Constant. Recueil de cartes 5.  Barthol. zu 1261.  Robertson Untersuch. über Indien.: die Genueser unterstützen den Kaiser auf Verlangen mit funfzig Schiffen, führen keine Waaren fremder Kaufleute ein, kein Gold und Silber aus dem Lande. Dagegen erhalten sie Niederlassungen und Gerichtsbarkeit in mehren Städten, Freiheit von allen und jeden Abgaben, und nebst den Pisanern den ausschließlichen Handel nach dem schwarzen Meere. Smyrna, Pera die wichtigste Vorstadt Konstantinopels, ein Theil der Krimm kam in ihre Hände, und sie erhoben Kaffa zum Stapelort für alle Waaren, die aus dem innern Asien aus mehren Handelsstraßen dahin geführt wurden. So wurde Genua eine Zeit lang die erste Handelsmacht in Europa, und würde es länger geblieben seyn, wenn nicht unverständiger Wechsel der Regierungsform und frevelhafte Neuerungssucht die Stadt innerlich geschwächt hätten; während Venedig durch die größte 405 Klugheit und durch Festigkeit der Regierung, aller Unfälle Herr zu werden wußte.

c) Pisas Handel war in gewissen Zeiträumen fast noch bedeutender und seine Macht noch größer, als die Genuas; aber mit dem Sinken der Ghibellinen, zu denen es sich immer hielt, begann sein Verfall und das Steigen des guelfischen Florenz. Auch lag die Stadt nicht so günstig für den See- und Land-Handel, als Genua und Venedig. Handelsstraßen, Umfang und Zwecke sind am besten aus einem Verzeichniß der Handelsverträge zu entnehmen, welches wir in der Note mittheilenNach dem Ristretto cronolog. im Archive zu Florenz: Im Jahre 1154 (pisanischer Zeitrechnung) verleihen Rainald und Konstanze von Antiochien den Pisanern Grundstücke im Hafen von Laodicea und erlassen ihnen die Hälfte der Abgaben. – 1156 Erweiterung ihrer Rechte und Grundstücke in Tyrus, durch Balduin und Melisende. – 1157 ähnliche Begünstigungen für Joppe von Amalrich, damaligem Grafen von Askalon.  Ughelli Ital. sacra III, 398. – 1168 neuer Freibrief desselben über die Gerichtsbarkeit. – 1169 Urkunde, wodurch ihnen die größten Rechte in Ägypten und Kairo für den Fall der Eroberung bewilligt werden. – 1170 Bestätigung und Erweiterung des Freibriefs von 1154 durch Boemund.  Ughelli It. s. III,406. – 1177 Handelsvertrag zwischen Pisa und dem König Abdalla von Tunis, der Schutz verspricht, Sklaven frei läßt und die Abgabe vom Alaun aufhebt. – 1182 Freilassung einiger genommenen Schiffe, bei dem Könige Joseph Ebuis Jakob in Tripolis nachgesucht. – 1182 Beschwerde bei demselben über die Beschränkung des Handels mit Häuten, Leder, beccumi und andern Waaren. – 1185 Friede mit den afrikanischen Staaten geschlossen. – 1187–1189 Freibriefe gegeben und bestätigt von Konrad von Montferrat, Guido von Lusignan, Heinrich von Champagne für den in Syrien geleisteten Beistand. Sie betreffen Maaß und Gewicht, eigene Obrigkeit, geringere Abgaben u. dgl.  Murat. antiq. Ital. II, 911-920. – 1194 Streit zwischen Pisa und dem Erzbischofe von Tripolis über Handelsabgaben. – 1198 Anweisung für pisanische Gesandte, dem griechischen Kaiser mancherlei zu versprechen, wenn er ihre Schiffe in allen Theilen seines Reiches zulasse. – 1200 Vorschriften über die Handelsniederlagen, Abgaben und Steuerberechnungen in Pisa. – 1202 Handelsfreiheiten in Syrien, vom Herrn von Botrys bewilligt. – 1207 Versprechen Kaiser Heinrichs von Konstantinopel, den Pisanern alle frühern Rechte zu bestätigen und sie aller Orten aufzunehmen, wenn sie ihm Treue schwören wollen. – 1208 Abderamen rettore di tutti i Christiani della provincia d'Africa schreibt aus Tunis nach Pisa: daß zwei pisanische Schiffe im Hafen von Tunis, drei saracenische Schiffe mit Gütern und Mannschaft weggenommen hätten. Auf erhobene Beschwerde beim Kadi und dem Könige Ebuis sey befohlen, zum Ersatz alles Getreide der Pisaner und Lukkaner aus ihren Vorrathshäusern zu verkaufen. Die Pisaner möchten Strafen und Ersatz bewilligen, damit nicht noch größerer Schaden entstehe. – 1208 ein saracenischer Paß vom Könige aus Tunis nach Pisa geschickt. – 1209 Freibrief Kaiser Ottos IV, wonach die Pisaner im Reiche frei handeln dürfen und niemand sie zu Kauf und Verkauf zwingen soll. Ohne ihre Erlaubniß soll keiner zwischen Civitavecchia und Porto Venere Hafen anlegen, landen oder handeln.  Lami deliz. III, 212. – 1214 Verhandlungen mit Gaeta, Zara, Nizza, Grasse, Marseille, über wechselseitigen Schutz, Frieden, Vertilgung des Seeraubes. – 1216 Vertrag mit Rupinus in Antiochien. – 1221 Handelsvertrag zwischen Pisa und Arles. Die Bürger der letzten Stadt dürfen auf keinen genuesischen Schiffen fahren, und müssen Salz und Getreide bloß nach Pisa bringen. Getreide das sie zwischen Civitavecchia und Pisa laden, darf nur nach Pisa oder Arles geführt werden.  Tronci zu 1221. – 1229 Friedrich II giebt den Pisanern in Akkon Freiheit von allen Abgaben und eigene Gerichte. – 1230 erhalten sie neue Handelsvorrechte in Ägypten. – 1234 Privilegium wegen Handelsabgaben in Sicilien. – 1256 Freiheit davon und Richter für ihre Landsleute bewilligt König Alfons von Kastilien. – 1264 Friedens- und Handels-Vertrag zwischen Pisa und Tunis. Nur die Pisaner sollen in den Städten des Königs Niederlagen, Kirchen, Bäder, Backöfen und eigene Gerichte haben. Sie kaufen keine saracenischen Sklaven und keine Waaren, die saracenische Seeräuber andern Saracenen abgenommen haben. Sie entrichten den Zehnten von ihren Waaren und haben freien Zutritt zum König und dessen Beamten.  Tronci.  Lünig cod. Ital. I, 1067. – 1269 Freibrief Konradins, worin er Beschränkungen und Verbote Karls von Anjou aufhebt und verspricht, er wolle keiner Stadt größere Rechte ertheilen, als Pisa.  Lami deliz. III, 283.. Afrika, Syrien, Griechenland, Spanien, Sicilien und Südfrankreich wurden besucht, 406 und aus all diesen Ländern kamen auch Kaufleute nach Pisa. Wenigstens schilt Domnitzo die Stadt schon am Anfange des zwölften Jahrhunderts gottlos: denn es fänden sich da 407 selbst Türken, Libyer, Parther, Chaldäer und andere HeidenDomnitzo I, 20..

d) Florenz führte mehr innern Land- und später auch Geld-Handel, als wie auswärtigen Waarenhandel; doch erzwang es bisweilen durch kriegerische Überlegenheit vortheilhafte Bedingungen von seinen Handelsnachbaren. So mußte ihm Pisa 1256 Freiheit von allen Abgaben für eingehende und ausgehende Waaren zugestehn, und Gewicht, Ellenmaaß und Münzfuß von Florenz annehmenMalespini 155..

e) Venedig. So wie Genuas Handel zunächst im westlichen Theile des mittelländischen Meeres vorwaltete: so der Venedigs im adriatischen Meere und der östlichern Hälfte des Mittelmeeres. Doch segelten Venetianer schon am Anfange des zwölften Jahrhunderts nach MarseilleFoscarini 39.; wogegen sie allerdings im adriatischen Meere eine bestimmtere Herrschaft und Ausschließung von Handelsgenossen auszuüben suchten, und zwar gestützt auf ihre Macht, nicht auf die fabelhafte Verleihung Papst Alexanders IIITentori II, 344.  Amiani I, 140.. Mit den Byzantinern standen sie, in der Regel, seit der frühsten Zeit in freundschaftlichen Verbindungen und widersetzten sich z. B., mit aus Handelsneid, den normannischen Eroberungen im untern ItalienLe Bret I, 350.. Zum Theil für diesen Beistand erweiterte Kaiser Emanuel im Jahre 1147 ihre RechteCornelio Eccl. Veneta X, 93.  Marin. III, 62, 282.  Anna Comn. VI, 129., gab ihrem Dogen und Patriarchen Gehalt und Titel, ihren Kaufleuten Niederlassungen und Abgabenfreiheit, und befahl, daß ihnen die Amalfitaner von allen Waarenlagern im griechischen Reiche eine Abgabe für die Markuskirche zahlen sollten. Hiedurch, und weil Kreta, Cypern 408 und einige andere Länder, nach welchen sie früher nicht handeln durften, nun auch geöffnet wurden, kam fast der ganze griechische Handel in ihre Hände, was sie stolz und anmaaßend machte und keineswegs abhielt sich auch mit den Normannen in vortheilhafte Verbindungen einzulassenDandolo 286, 300.. Dies gab dem Kaiser Emanuel den Vorwand, die Venetianer im Jahre 1171 plötzlich auf frevelhafte Weise zu verfolgenMarin III, 167, 255.  Hohenst. Band II, S. 228.; sie erhoben aber dafür einen so heftigen Krieg, daß die Griechen endlich 15,000 Pfund Gold als Schadensersatz zahlten und ihnen in neuen Freibriefen von 1188 und 1200 die frühern Rechte nicht bloß bestätigten, sondern auch vermehrten. Die Gründung des lateinischen Kaiserthumes gab den Verhältnissen eine neue und für Venedig höchst günstige GestaltHohenst. Band. III, Buch 6, Hauptst. 7.; und selbst die Herstellung des griechischen zerstörte diese Vortheile nicht ganz, da ihnen doch manche Landschaften und Inseln verblieben und Michael Paläologus mit ihnen Verträge schloß, damit Genua kein zu gefährliches Übergewicht erhalte. Die Gefangenen wurden frei gelassen, den Schiffbrüchigen Hülfe, den Sterbenden freie Verfügung über ihre Habe zugesichert, neue Ansiedelungen, unabhängige Kirchen, eigene Gerichtsbarkeit, eigenes Maaß und Gewicht, endlich Freiheit von Abgaben für alle venetianische, jedoch nicht für die Waaren fremder Kaufleute bewilligtTentori IV, 150.  Navagiero 1000.  Marin IV, 326.  Tentori saggio IV, 150..

Während dieser Zeit hatten die Venetianer auch ihren Handel mit den Saracenen, ohne Rücksicht auf kirchliche Verbote, sehr ausgedehnt. Nach einem z. B. im Jahre 1229 geschlossenen Vertrage, stiegen die Handelsabgaben in Aleppo nicht über 6 vom 100, und eigene Waarenlager und Gerichte wurden ihnen daselbst zugestanden. Als Gegenstände der Ausfuhr sind Baumwolle und Pfeffer genanntMarin IV, 247, 262, 280.  Dumont I, Urk. 432.. 409 Um dieselbe Zelt hob der Sultan von Ikonium bis 10 vom 100 des angegebenen Werthes mehrer Waaren; Federn, Perlen, rohes und verarbeitetes Gold gaben hingegen nichts, und das Strandrecht hörte auf. Nach Ägypten führten die Venetianer Holz, Eisen, Wein und Sklaven; diese meist Heiden aus der Gegend des Kaukasus, mannichmal aber doch auch wohl Christen. Zurück brachte man Getreide, Salz und morgenländische Waaren.

Aus Tunis, wo die Venetianer im Jahre 1251 große Vorrechte erhielten, holte man abgabenfrei Gold, Silber, Perlen, Edelsteine, Blei, und durfte Getreide aufkaufen, wenn der Preis nicht über eine gewisse Höhe stieg.

Überall, wohin die Venetianer handelten, suchten und erhielten sie in der Regel die Erlaubniß, Richter, Handelsaufseher und Hebungsbeamte anzustellen: so in mehren afrikanischen Städten, Tunis, Alexandrien, KairoDiese führt Marin IV, c. 9, und V, 180 für den Anfang des dreizehnten Jahrhunderts auf. Schon 1117 war ein venetianischer Handelskonsul in Syrien.  Foscarini 15. – Um 1228 schickte Verona Abgeordnete nach den Orten, wohin die Kaufleute der Stadt handelten, um über Zölle, Abgaben, Wege, Waarenlager, Wirthshäuser u. dergl. die nöthige Erkundigung einzuziehen, auf Abstellung der Übelstände und Mißbräuche zu dringen, und etwa nöthige Gegenmaaßregeln vorzuschlagen.  Campagn. c. 248., in Syrien, Kleinasien, Cypern, Armenien, Damaskus, Aleppo, in Tana am asowschen Meerbusen, in Frankreich, Spanien, Flandern und England. An der Spitze der obrigkeitlichen Personen stand gewöhnlich der Bailo, welcher nicht bloß Gesandter, sondern in manchen Städten Herr und Richter der daselbst wohnenden und verkehrenden Venetianer, bis auf Leben und Tod war. Doch standen ihm, um Mißbrauch der Gewalt zu verhüten, gewöhnlich zwei Räthe zur Seite; ja für gewisse Fälle ward, nach dem Vorbilde in Venedig, eine größere Zahl Richter und Rathgeber berufen. Nach der Rückkehr mußte übrigens der Bailo eine strenge Rechenschaft von seiner Verwaltung ablegen.

410 Der Handelsverträge mit italienischen Städten findet sich eine große ZahlDer älteste ward nach Foscarini 1193 mit Verona abgeschlossen, aber er spricht vielleicht nur von lombardischen Städten. Schon 1167 versprach z. B. Pisa Steuer von morgenländischen Waaren an Venedig zu zahlen, wofür diese Stadt Schutz im Archipelagus und Ersatz etwa dennoch statt gefundenen Seeraubes versprach.  Marin III, 268. – 1260 wechselseitiger Erlaß von Zöllen und Handelsabgaben zwischen Venedig und Vicenza.  Verci stor. Trevig. II, Urk. 100., wobei nicht selten die Überlegenheit offenbar wird, so z. B. in einem mit Treviso vom Jahre 1261. Venedig versandte die meisten Waaren abgabenfrei nach Deutschland und Frankreich, und gab nur einen geringen Zoll für die Kähne, welche die Piave herabkamen. Noch strengern Bedingungen mußte sich das abhängige Ragusa unterwerfen. Es heißt in dem Vertrage von 1232: Ragusa zahlt von allen aus Romanien nach Venedig gebrachten Waaren fünf vom Hundert, von allen aus Ägypten, Tunis und der Barbarei zwanzig vom Hundert, von allen aus Sicilien (wohin damals Venedig nicht frei handeln durfte) zwei und einhalb vom Hundert. Das aus Slavonien Eingeführte war abgabenfrei; allein mehr als vier Schiffe von einer bestimmten Größe sollten unter dieser Begünstigung nicht einlaufen. Kamen mehre an, so zahlten sie zwanzig vom Hundert, ja östlich des korinthischen Meerbusens durfte Ragusa gar nicht mit Fremden handelnAppendini I, 279..

Wilhelm I von Apulien ermäßigte im Jahre 1174, als sich die Venetianer von den Griechen zu ihm wandten, ihre Handelsabgaben und überließ ihnen den Vertrieb des Zuckers und der Seidenwaaren für fremde LänderDandolo 286, 300.  Marin III, 201.. Zur Zeit Friedrichs II. wechselten freundliche und feindliche VerhältnisseHohenst. Band III. S. 534.  Marin IV, 230.. Manfred bestätigte, mit Konrads IV Beistimmung, die letzten Verträge seines Vaters und ließ 411 hinzusetzen: wenn seine Unterthanen Baumwolle und Salz von Zara und Ankona aufwärts gen Venedig führten, dürften die Ladungen weggenommen werden.

Salz erhielt Venedig aus Dalmatien, Sicilien, der Barbarei und dem schwarzen Meere, und verkaufte viel in das Innere des LandesMarin IV, 33, 44.. Getreide bezog man aus Kandia, Morea, Sicilien, Afrika und der Lombardei; doch hinderte dieser ausgebreitete Handel nicht immer den Eintritt theurer ZeitenZ. B. 1268 große Theurung in Venedig.  Martin. da Canale 116., zum Theil weil der Ankauf in jenen Ländern auch wohl verboten wurde, wenn das Getreide über einen gewissen Preis stieg.

Es gab zu Venedig Webereien in Leinen, Wolle, Baumwolle, vorzüglich aber in SeideVenetianische Stoffe gingen nach Syrien.  Ibn Alatsyr 463.. Ausgezeichnet waren die Glasfabriken, Leder- und Gold-Arbeiten. Niemand sollte Arbeiter verführen ins Ausland zu gehn, oder rohe Materialien zur Glasbereitung dahin verkaufen. Eben so blieb die Einfuhr mancher Fabrikwaaren, z. B. des Glases, verbotenMarin IV, 246; V, 256, 270.  Dandolo 390..

f) Konstantinopel. Da von dem Handel der Abendländer nach dem griechischen Reiche, bereits die Rede gewesen ist, so fügen wir nur noch folgende Bemerkung hinzu. Konstantinopel war lange, als Mittelpunkt eines großen und reichen Staates, auch die wichtigste Handelsstadt: allein der Geist der Regierung, Willkür, falsche Handelsgesetze, Ungeschick und Trägheit der Einwohner, Vorliebe für Schauspiele und Hoffeste, so wie noch manche Gründe anderer Art bewirkten: daß die Byzantiner sich zu keinem Handelsvolke bildeten; während die kleinen Freistaaten des Abendlandes ungleich mehr Thätigkeit zeigten, Macht entwickelten und Reichthum gewannen. Mit vielen Gegenständen und den meisten Lebensmitteln, z. B. Wein, Öl, Getreide u. dergl. handelte, auf verkehrte Weise, allein 412 die RegierungAlb. Acq. 203, von der Zeit des ersten Kreuzzuges.; während sich in Konstantinopel nicht bloß abendländische Kaufleute, sondern auch Handwerker ansiedelten, und oft so mächtig wurden, daß die Griechen sie nicht in Zaum halten konnten. Man bezog über Konstantinopel mittelbar morgenländische Waaren, so wie griechische Natur- und Kunst-Erzeugnisse, seidene Stoffe, scharlachne Tücher u. a. m.Ogerius zu 1205.  Le Bret I, 350.  Hüllmann Gesch. des byzantinischen Handels.  Heeren über die Folgen der Kreuzzüge.. Man brachte dahin theils zu Schiffe, theils zu Lande durch Ungern: Waffen, Sattlerarbeit, wollene Zeuge, Leinwand und Metalle.

g) Das Morgenland. Zu jeder Zeit kamen morgenländische Waaren nach dem Abendlande, aber die Masse des Bedarfs und die Handelswege waren sehr verschieden. Anders zur Zeit der Araber, zur Zeit des großen seldschukischen Türkenstaates, der Kreuzzüge, der Eyubiden in Ägypten u. s. w. Mithin haben die Kreuzzüge den morgenländischen Handel nicht ganz neu eröffnet oder begründet, sondern ihn nur lebhafter gemacht; anfangs indeß, bei dem Hasse gegen die Muhamedaner und den mannigfachsten Handelsverboten, auch gestört. Syrien und Palästina selbst boten wenig Gegenstände der Ausfuhr dar: tyrisches Glas mag das trefflichste Kunsterzeugniß dieser Länder, Zuckerrohr das merkwürdigste Naturerzeugniß seynWilh. Tyr. 835.; desto wichtiger wurden aber allerdings die großen Handelsniederlassungen der Abendländer in den SeestädtenDumont I, Urk. 207 und Ughelli Ital. sacra IV, 870 haben mehre Freibriefe für Genua.. Venedig, Genua und Pisa erhielten die größten Vorrechte; geriethen aber nicht selten darüber in schwere Fehden, verweigerten auch die billigsten AbgabenDies geschah z. B. in Akkon zur Zeit König Johanns.  Reg. Hon. III, Jahr VI, Urk. 234. Siena ließ sich von Konradin versprechen, es solle in Akkon nur eins vom Hundert bei der Einfuhr und Ausfuhr bezahlen.  Malavolti II, 1, 37., 413 widersetzten sich den nothwendigsten Maaßregeln der morgenländischen Fürsten, und schmuggelten die Waaren nicht bevorrechteter Kaufleute mit den ihrigen ein. Bisweilen überschritten dann jene in Gegenmitteln das billige MaaßMan nahm z. B. 1155 den Genuesern die Schiffe weg.  Calfari 266., so daß die Päpste mehre Male in letzter Stelle darüber angegangen und zur Entscheidung und Bestrafung aufgefordert wurden. Allmählich suchte man immer mehr Kaufleute aus den verschiedensten Gegenden, so aus Apulien, Marseille, Montpellier, nach Syrien zu ziehn, und bewilligte ihnen ähnliche VorrechteHist. de Langued. III, 531. – 1196 bewilligte Guido von Lusignan den Einwohnern von Trani abgabenfreien Handel nach Cypern.  Davanzati, Urk. 7.: aber die mächtigern Handelsstaaten ließen sich dies nicht immer gutwillig gefallen, und die Theilung des Verkehrs minderte wiederum den kriegerischen Beistand.

Von Syrien aus trat man über Aleppo in Verbindung mit Armenien, und über Bagdad und Bassora mit dem fernsten AsienSanut. 22, 25.  Sprengel Gesch. der geogr. Entdeckungen 248.  Marin III, 131, 156.. Sanutus kennt am Ende des dreizehnten Jahrhunderts, – und der Handel ging früher eben so –, die Häfen von Malabar und Kamboja, von wo die Waaren theils nach Ormus und Bassora, theils nach Aden verschifft wurden. Aus den beiden ersten Orten ging das meiste stromaufwärts nach Bagdad; dann führte ein Landweg zum vordern Asien, hauptsächlich nach Antiochien und Laodicea; das übrige mochte bis in die Gegend des kaspischen Meeres verführt werden und sich mit der andern Handelsstraße vereinen, welche vom Indus nach Baktra und Samarkand, endlich zum Don und zum schwarzen Meere, oder in das Innere Rußlands ging. Dieser Handelsweg ist durch die mongolische Herrschaft wohl nur auf kurze Zeit unterbrochen 414 worden; im allgemeinen mußte jedoch die theurere Landfracht immer der wohlfeilern Schiffsfracht nachstehn, und niemals gingen die morgenländischen Waaren in großen Massen über Rußland nach der Ostsee, und dann stromaufwärts nach DeutschlandHüllmann byz. Handel 98..

Ägypten behauptete seine natürliche Wichtigkeit für den Handel. In neun Tagereisen gingen die Karavanen von Aden nach Chus am Nile, dann über Kairo nach Alexandrien. Äthiopische, arabische und persische Waaren kamen schon um die Mitte des zwölften Jahrhunderts dahin, und zu 1218 wird bezeugtGodofr. monach.: daß Kauffahrteischiffe aus Indien bis Ägypten segelten, und die Güter über Alexandrien und Damiette nach Syrien, Antiochien, Armenien, Cypern, Griechenland u. s. w. verführt wurden. Die Zölle gewährten den ägyptischen Sultanen eine ansehnliche Einnahme; doch durften sie dieselben nicht zu sehr erhöhen: einmal, weil die abendländischen Kirchenverbote oft nur einen Schleichhandel erlaubtenSanut. 22., den niemand ohne bedeutenden Vortheil wagte; dann, weil man sonst die morgenländischen Waaren wohlfeiler zu Lande und über Tauris bezogen hätte. Die schweren und wohlfeilern Waaren gingen in der Regel über Ägypten, nur die leichtern und theurern trugen die Kosten des Landweges. Zu jenen rechnete man Pfeffer, Ingwer, Weihrauch, Zimmt u. dergl.; zu diesen Muskatennüsse, Kubeben, Narden, Gewürznelken. Die ersten konnte man in Ägypten bis auf ein Drittel des Werthes besteuern, ohne den Handelszug hinwegzulenken. Minder klug war es, daß man von Eisen, Holz, Pech und ähnlichen Gegenständen, die Ägypten nicht entbehren konnte, eine Abgabe bis zu einem Viertel des Werthes erhob. Außerdem zahlte man dem Sultan von jedem Schiffsgefäße jährlich drei und einen halben Goldgulden. Der Handel mit Gold gab sechs und zwei Drittel, der mit Silber vier und einhalb vom Hundert. Im allgemeinen 415 waren die Christen in den mongolischen Staaten weniger beschränkt, als in denen des Sultans von Ägypten. Aus diesem Lande bezog man, neben den eigentlich indischen Waaren, Baumwolle, Zucker, leinene und halbseidene Zeuge, Datteln u. dergl. Sonst werden überhaupt als Gegenstände des morgenländischen Handels genannt: Kardamumen, Galant, Aloe, Myrrhen, Terebinthen, Ambra, Moschus, Ebenholz, feine Zeuge, Kassia, BalsamVitriac. hist. hier. 1100.  Caffari 253.  Ogerius zu 1204.  Le Bret I, 348.. Eine arabische oder ägyptische Karavane, welche Richard Löwenherz erbeutete, führte mit sich: Gold, Silber, seidene Zeuge, gewebte und gestickte Kleider mannigfacher Art, Waffen, Zelte, Getreide, Mehl, Arzneien, Pfeffer, Zimmt, Zucker, Wachs, Schläuche, Schachspiele, silberne Gesäße und Leuchter u. a. m.Vinisauf VI, 4. Bromton 1245..

h) Deutschland. Der Handelsweg zwischen Italien und Deutschland ist nie ganz unterbrochen gewesen: denn im Fall auch bestimmte Zeugnisse fehlten, ließe es sich doch gar nicht denken, daß während der Herrschaft der Hohenstaufen, bei dem lebhaftesten politischen und kirchlichen Zusammenhange, den Heereszügen, den großen Pilgerungen u. s. f., nicht auch eine Handelsverbindung statt gefunden habe. Wenn die Kaufmannsgüter von Konstantinopel aus, selbst durch das Reich der Avaren versandt wurden, dann noch weit leichter aus Italien nach Deutschland; und wenn auch die Kreuzzüge jenen Landweg an der Donau neu belebten, so wirkten immer noch weit mehr Gründe, den italienischen, sicherern, kürzern und wohlfeilern emporzubringen und zu halten. Einige morgenländische, ins Gewicht fallende Waaren, z. B. Pfeffer, wurden von den Deutschen in so großer Menge verbraucht, daß diesen die steuerpflichtigen Bauern sehr oft neben Wachs und Weizen abliefertenArnold. Lub. VI, 7.  Guden. II, 83.; und woher hätte dieser Bedarf kommen sollen, wenn nicht aus Italien? und wie 416 hätten die dortigen Handelsstaaten eine so erstaunlich große Einfuhr übernehmen können, wenn keine Ausfuhr nach dem Norden statt gefunden hätte? Um die Mitte des zwölften Jahrhunderts kamen Schwaben, Baiern, Franzosen, Lombarden, Tuscier und Ungern nach Venedig, um ihren Waarenbedarf abzuholen1134 ertheilt Kaiser Lothar Zollfreiheit diesseit der Alpen, was doch einen Gegensatz zum überalpischen Handel andeutet. Zur Zeit König Rogers von Neapel, Kaiser Emanuels und des Dogen Domeniko Morosini, also um die Mitte des zwölften Jahrhunderts: les venoient acheter (die Waaren) droitement en Venise Alemans et Baivers, Franceis et Lombars, Toscans et Ongers et totes gens qui vient de marchandises et les conduisaient en lors pays.  Martin. da Canale, mscr., p. 13.. Der Weg nach Tirol, über den Gotthard, und alle die bei Heereszügen erwähnten Straßen, wurden auch für den Handel benutztBeweise von Handelsverkehr durch Tirol im zwölften Jahrhundert, Archiv für Süddeutschland I, 233. – 1162 wurden die heiligen drei Könige über den Gotthard und Lucern nach Köln gebracht.  Businger 93.  Handel von Verona aus über den Brenner.  Carli III, 16, 20.. Zur Zeit Ottos IV und Friedrichs II war der Verkehr zwischen Venedig und Deutschland so lebhaft und die Zahl der deutschen Kaufleute und Waaren so groß, daß man ein besonderes Lagerhaus für sie errichteteMarin III, 156 u. f. S.. Andererseits zogen auch italienische Kaufleute nach Deutschland, und Hausirer oder Packenträger aus Verona und der Lombardei, trugen Waaren über die Alpen zu einzelnem Verkauf1203 wurden Kaufleuten aus Piacenza ihre Waaren im Herzogthume Schwaben geraubt.  Innoc. III, regist. imp. ep. 152.; ein Verkehr ganz dem ähnlich, welcher bis auf unsere Tage bestanden hat. Sie führten, unter anderem, Ringe, Kränze, Geschmeide, Trinkgefäße, Messer, elfenbeinerne Spiegel, Korallen, Paternoster u. a. m.Rohte 1710..

Dieser italienische Handelszug theilte sich nach mehren 417 Richtungen: er ging gen Augsburg, Regensburg, Wien, oder durch die Schweiz den Rhein hinab. Von jenen Orten handelte man weiter nach Böhmen, Franken, Erfurt und Magdeburg, ja bis Bardewick, und später bis Lübeck, Hamburg und Bremen. Am untern Rhein war KölnÜber den Handel von Köln und Mastricht nach Ens, und weiter bis Rußland, s. Beiträge zur Gesch. von Österreich II, 147. die größte Handelsstadt und erhielt durch Ottos IV Fürsprache große Vorrechte in EnglandRymer foed. I, 1, 42.  Anderson II, 13.  Lünig Reichsarch., cont. IV, Abschn. 3, Urk. 2.. Als es mit Lübeck über manche Handelsfragen in Streit gerieth, bewirkte Friedrich II, daß keine von beiden Städten zurückgesetzt oder verkürzt wurde.

Der zweite Haupthandelszug ging aus Griechenland und Rußland auf Wien, Lorch, Regensburg, und griff mannigfach in den italienischen ein. Ein Nebenzweig desselben mochte sich wieder auf Krakau, Breslau und Prag richten. Schon im Jahre 1165 ward in der westphälischen Stadt Medebach, Geld zum Handel nach Rußland angeliehenKindlinger Beitr. II, Urk. 19.  Gemeiner Chron. 283–286. Lang Jahrb. 345.  Vollständiger ist dies alles behandelt in Hüllmanns Finanzgeschichte 191; Gesch. der Stände I, 215.  v. Hormayr Gesch. von Wien II, 3, 90., und die oben genannten Städte standen in enger Verbindung mit Kiew. Konstantinopels Eroberung durch die Lateiner, und Rußlands durch die Mongolen, störte aber diesen Handel nicht wenig. Der Norden stand mit Deutschland und dem Süden auf mancherlei Weise in Verbindung. Die Seefahrten ungerechnet, ging eine Straße von Danzig nach StargardDreger cod. I, Urk. 32., und eine andere von Schleswig die Küsten hinab nach Flandern, ja bis Frankreich. Flandern war das Stapelland für den nordischen und südlichen Handel, und durch Viehzucht. Fischereien und Gewerbe aller Art eines der reichsten Länder Europas. Schon in der zweiten 418 Hälfte des zwölften JahrhundertsMath. Par. 424.  Briton. Phil. 206.  Sartorius I, 248. färbte Ipern schöne Tücher, Artois trieb Geldgeschäfte; vor allen Städten aber ragte Brügge hervor: edle Metalle, seidene Zeuge, Tücher, ungerische Pelze, französische Weine, kurz Waaren jeder Art und aus allen Gegenden fanden sich hier zusammen; und die Messe von Achen, auf welcher die Kaufleute zollfrei warenDumont I, Urk. 145., erleichterte den Vertrieb nach mehren Seiten.

Wenn nun Deutschland morgenländische Waaren, französische Weine, nordische Pelze u. dergl. empfing, so frägt sich: was es dagegen ausführte? Zunächst nach den angränzenden Ländern einen Theil der Einfuhr selbst; dann höchst wahrscheinlich Getreide, Salz, Wein, Bier, Waffen, Leinwand, Tücher, MetalleErschöpfend gründlich handelt vom tiroler Salzwesen das Archiv für Süddeutschland I, 377; II, 53. Vom Salzhandel in Regensburg, siehe Gemeiners Abhandlung. – Salzkoten zu Kolberg in Pommern.  Dreger Urk. 194.. Heinrich der Löwe brachte bei seinem Kreuzzuge dem griechischen Kaiser zum Geschenk: Schwerter, Harnische, scharlachne und höchst feine leinene KleiderArnold. Lub. III, 4.; und es läßt sich annehmen, daß dies deutsche Kunsterzeugnisse waren.

i) Nordischer Handel. Die slavischen Anwohner der Ostsee trieben allerdings schon mancherlei Verkehr: aber recht eigentlicher Handel nach dem Norden und Nordosten entsprang doch erst durch die deutschen Städte. WisbySartorius I, 191, 225.  Fischer I, 567, 723.  Halem Gesch. von Oldenburg I, 226. stand schon ums Jahr 1135 mit den Sachsen in Verbindung und ward, in allem wesentlichen sich deutsch ausbildend, Haupthandelsplatz zwischen den verschiedenen Ländern. Nach und nach erstreckte sich der Handel über Norwegen, Schweden, Preußen und Liefland, und mit den ungebildeten Einwohnern der letzten Landschaften ward anfangs wohl ein Tauschhandel für sehr wohlfeile Dinge 419 geführt, welcher so viel Vortheile brachte, als später der Tauschhandel der Europäer mit den Wilden anderer Welttheile. Im dreizehnten Jahrhunderte änderten sich allerdings diese Verhältnisse sehr durch bürgerliche Einrichtungen und Bekehrung der Einwohner zum Christenthume: aber nun erhielten die niederdeutschen Kaufleute manche Vorrechte von den Beherrschern, z. B. Schutz gegen Räuber und Strandrecht, Befugniß überall zu landen und Holz behufs der Ausbesserung der Schiffe zu fällen, Erlaubniß Vieh an den Küsten zu weiden, Freiheit von Abgaben u. dergl.Sartorius Hanse I, 186, 199..

Dieser Verkehr mit Liefland und Preußen wurde doppelt wichtig, weil er den schon erwähnten Handel mit Rußland und dem Morgenlande vermittelteVon Nowgorod führen russische Schiffe nach Wisby, Schleswig, Lübeck. Pskow und Smolensk handelten unmittelbar bis Riga.  Evers 123, 185.. Aus diesem mittelbaren Handel, dem ausschließlichen Handel mit den nordischen Naturerzeugnissen, Holz, Hanf, Talg, Pelzwerk u. dergl., endlich auf dem Vertriebe südlicher Waaren nach dem NordenBei Entscheidung von Handelsstreitigkeiten zwischen Preußen und Polen, werden 1243 als Handelsgegenstände genannt: Salz, Leinwand, Tücher von verschiedener Güte, Heringe, Wein, Pfeffer.  Dreg. cod. I, Urk. 150., beruhte die Macht der Hanse, dieses großen gewaltigen Handelsbundes. Nach Flandern und England war ihr Verkehr nicht minder lebhaft, geringer die Verbindung mit Frankreich, und noch unbedeutender die mit SpanienDies alles, die erhaltenen Freibriefe u. s. w. siehe in Sartorius trefflichem Werke und Rymer I, 2, 206.  Lünig Reichsarchiv, cont. IV, Abschn. 9, Urk. 1; Abschn. 23, Urk. 10, 15.. Hamburg, Bremen und insbesondere Lübeck, wurden die Hauptpfeiler der Hanse, und zu dem Anwachse der letzten Stadt hatte unter anderem die Zerstörung Bardewicks, so wie der Umstand gewirkt, daß sie Heinrich der Löwe für einen 420 Freihafen erklärteWolter 52.  Gesch. der Hohenst. Band II, S. 270.. In den drei nordischen Reichen erhielt die Hanse allmählich die größten Freiheiten, und auch in England wurden ihre Kaufleute lange mehr begünstigt, als alle übrigen.

Fischerei betrieb man an jeder Seeküste, besonders wichtig ward aber der Heringsfang an der pommerschen, dänischen und englischen, und der Wallfischfang an der Küste von SchonenArnold. Lub. III, 5.  Fischer I, 689.  Gerken cod. dipl. I, Urk. 18.. 421

 


 


 << zurück weiter >>