J. L. Pyrker
Lieder der Sehnsucht nach den Alpen
J. L. Pyrker

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19. Das Heimweh.

        »Was fehlt dir, Armer? Ach, ich seh dich weinen,
    Dein starrer Blick hängt an den Alpenhöh'n!
Vermissest du, von ihnen fern, die Deinen
    In jener kleinen Hütte, wo so schön
Umher der Fels, der Wald und Bach, erscheinen,
    Und die, geschirmet vor dem wilden Föhn,
Dir winkt am stillen Abend heimzukehren,
Und dort das Glück der Deinen noch zu mehren?«

»Warum denn weinst du? sind nicht hier die Spuren
    Des Reichtums überall im flachen Land,
Das dir gehört, zu schau'n? du willst noch murren,
    Daß hier für dich des Glückes Los sich fand?«
Noch schwieg er still; doch seine Blicke fuhren
    Hin nach den Höh'n, und hingen, wie gebannt,
An ihnen, als sie rosig hehr erglänzten,
Und hoch bis an den Wolkenhimmel gränzten.

»Mich zieht es, ach, zu jenen blauen Bergen« –
    So schluchzt' er auf – »unwiderstehlich hin,
Wo Riesenkuppen meine Hütte bergen,
    Und milde Lüftchen lieblich sie umzieh'n;
Mir widert es, auf diesen Hügel-Zwergen
    Zu weilen mit gebroch'nem Geist und Sinn;
Hier ist's so licht, so flach; dort schatten hohe Wälder,
Und würzig duften dunkelgrüne Felder.«

»Dort hör' ich stets die Alpenbäche rauschen,
    Und über mir das Muh'n der Küh' im Wald;
Wie sollt' ich nicht mit Ohr und Seele lauschen,
    Wenn dann der Senntin helle Stimm' erschallt;
Die Kläng' im Widerhall mit Klängen tauschen,
    Und rings, geweckt mit zaubernder Gewalt,
Die Felsenhöh'n umher, mitjubelnd, tönen,
Und so des Lebens schönste Zeit verschönen?«

»Ich will zurück: – was soll ich hier noch weilen,
    Wo mich der Schlaf allnächtlich flieht,
Und mich kein Herz, des Lebens Glück zu theilen,
    Mit sanften Liebesbanden an sich zieht?
Dort ist mein Alles – wird mein Sehnen heilen –
    Wenn mir dieß irdisch' Eden neu erblüht.
Es möge hier ein And'rer Reichthum erben;
Ich will im Alpthal leben, und auch sterben!«


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