Franz Graf Pocci
Lustiges Komödienbüchlein
Franz Graf Pocci

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Undine, die Wassernixe

Romantische Sage in vier Aufzügen mit Gesang

(19. August 1874)

Personen

       

Kühleborn, ein mächtiger Wassergeist

Undine, Nixe

Ritter Huldbrand von Ringstetten

Kasperl, sein Knappe

Herzog Heinrich

Bertalda, seine Tochter

Peter, ein Fischer

Martha, dessen Weib

Ein Diener des Herzogs

Leibkoch des Herzogs

Ein Trompeter

Ritter und Frauen

Volk und Knappen

Wassergeister

Erster Aufzug

See von Bergen und Wäldern umgeben. Im Vordergrunde ein Fischerhaus. Netze können am Ufer aufgespannt sein.

(Sturm und Gewitter peitschen die Wogen. Allmählich klärt sich der Himmel auf, die Abendsonne beleuchtet die Gegend.)

Chor der Wassergeister (die auf dem See auf- und untertauchen, während des Gewitters).

Im tiefen Gewässer
Da ist unser Leben,
Im Wogen der Wellen
Wir schweben und weben.

Im tiefblauen Grunde
Da stehen so feste
Korallene Säulen
Kristall'ne Paläste.

Und türmen die Stürme
Die schäumenden Wogen,
Und kommen die Wetter
Mit Blitzen gezogen.

Hoch über die Wasser,
Da ist unser Leben;
In Fluten und Wellen
Wir schweben und weben.

(Während das Gewitter sich verzieht, tritt Ritter Huldbrand ein. Kasperl, ein großes rotes Parapluie aufgespannt, folgt ihm.)

Kasperl. Potz Donner und Blitz! Das ist wieder einmal eine angenehme Gegend. Beim schönen Wetter sind wir aufg'sessen. Wie's geblitzt und gedonnert hat, sind Sie von Ihrem Schimmel abg'sessen und mich hat mein Bräunel abg'schmissen. Wir sind alle zwei zu Fuß da g'standen und die Rößl'n sind davon g'laufen. Hätt' ich nicht mein Parapluie unterm Arm gehabt, so wäre ich ohne Zweifel ertrunken und läge jetzt als eine leblose Leiche im schauerlichen Wald, um die Auferstehung zu erwarten. Das heißt man Schicksal.

Huldbrand. Bist du mit deinem Geschwätze zu Ende? Nun sieh dich ein bißchen um, ob für diese Nacht nicht irgendwo Schutz zu finden wäre.

Kasperl. Mich beschützt mein Parapluie, in welches ich mich hüllen kann. Sie haben freilich nichts Derartig's bei sich. Ihre jugendliche Unvorsichtigkeit wird Sie g'wiß noch einmal in ein rechtes Malheur bringen. Nicht einmal Ihren Sommerpaletot haben's heut' mitgenommen.

Huldbrand. Einem Ritter genügen Schwert und Schild.

Kasperl. Ah so! Mit'm Schild können Sie sich wie eine Schildkroten zudecken und mit dem Sabel können Sie die Regentropfen oder gar die Wolken auseinanderhauen. Allein – Frage: Wo bleibt das Wirtshaus – ein dem Menschen unentbehrliches Bedürfnis?

(Ein Strahl der Abendsonne beleuchtet das Fischerhaus.)

Huldbrand. Sieh dorthin. Der Himmel ist uns günstig. Da steht ein Häuschen.

Kasperl. Ah – – da hab' ich Respekt! Jedenfalls finden wir vielleicht ein Federbett, wenn auch keine Matratze, und sind unter Dach und Fach.

Huldbrand. Es scheint die Wohnung von Fischerleuten zu sein. Sieh die ausgespannten Netze am Ufer des Sees.

Kasperl. Auweh! – Da gibt's ohne Zweifel nur Fastenspeisen in diesem Gasthofe; denn von einer Andeutung auf Kalbsbraten seh' ich keine Spur. Nun – ein gebratener Hecht wär' auch nicht schlecht und blau abgesottene Forellen sind ebenfalls nicht zu verachten. Nur ist noch die Frage, wie's mit dem Getränke aussieht? Diese sehr wasserreiche Umgebung läßt auf einen wässerigen Trunk schließen.

Huldbrand. Höre auf mit deinen unnützen Bemerkungen; geh' ans Häuschen und klopfe an, ob wir Herberge finden.

Kasperl (erhaben). Ich werde an das Huischen gehen, ich werde anklopfen mit der Bumerkung, daß zwei arme Handwerksborsche um Herberg bitten.

Huldbrand. Schwätzer!

Kasperl (geht ans Haus und klopft an die Tür). Bitt' gar schön, zwei arme Handwerksburschen bitten um a Herberg. Wir hab'n schon acht Tag' nichts Warmes gessen! Bitt' gar schön.

(Der alte Fischer Peter tritt aus dem Häuschen.)

Peter. Wer ist da?

Kasperl (unwillig). Ich hab's ja schon g'sagt! Zwei arme hungerige Handwerksburschen.

Peter. So seht ihr wohl nicht aus; allein wer ihr auch sein mögt –

Huldbrand. Verzeiht, wenn ich Euch nur für diese Nacht um Einlaß bitte. Für heute bin ich ein »fahrender« Ritter, da ich mich verirrt habe und erst morgen den Heimweg zu meiner Burg suchen muß.

Kasperl (mit Pathos). Ja! Verzoiht, wenn ich Euch nur für diese Nacht um Einlaß bitte und ein kloines Souper. Für hoite bin ich ein gehender Knappe, der sich etwas verwirrt hat und morgen – – –

Peter. Meine schlechte, schlichte Hütte steht euch zu Gebot. Ich bin ein Fischer und bewohne sie mit meinem Weibe und einem Mädchen, ein angenommenes Töchterlein.

Huldbrand. Herzlichen Dank für Eure Freundlichkeit. Ich bedarf nur einer Schlafstätte, wenn auch auf hartem Boden; ein Stück Brot und ein Trunk Wasser genügen mir.

Kasperl. Ah, da muß ich protestieren! Wir wollen ein gutes Bett, eigentlich zwei Betten, ein annehmbares Essen und – nicht einen, sondern mehrere Trünke Wein oder mindestens Hofbräuhausbier, wenn's nicht ausgegangen ist.

Peter. Tretet ein, edler Herr. Das Wenige, das ich habe, steht Euch zu Gebot. (Alle treten in das Haus.)

(Es fängt zu dunkeln an. Im Verlaufe der folgenden Szene wird es Nacht und der Vollmond geht auf.)

Undine (in der Kleidung eines Fischermädchens tritt aus dem Häuschen). Welche Ueberraschung! In unsere Einsamkeit trat ein sonderbares Leben. – Der schöne Ritter! Wie ich nie einen gesehen. Mancherlei Leute wanderten schon an unserem Häuschen vorüber, mancher Wanderer trat schon in die Hütte und nahm ermüdet einen kleinen Imbiß, aber solche Einkehr hatten wir noch niemals. Ich bin erschreckt und beinah ängstlich. Darum trieb's mich heraus in die Abendstille, denn beinah hätt' ich mich gefürchtet, obschon der schöne Ritter sanft und gut scheint und mir gleich so freundlich die Hand reichte. – Wird er wohl länger bei uns verweilen?

Kühleborn (taucht aus dem See auf; höhnisch). Gelt, der schöne Ritter?

Undine (fährt erschrocken zusammen). O weh! Was erschreckst du mich, Kühleborn?

Kühleborn (zornig). Ermahnen will ich dich, erinnern an deine Heimat, die du zu vergessen scheinst.

Undine. Oh, laß mich!

Kühleborn. Hast du vergessen, daß nicht die Erde deine Heimat ist?

Undine. Oh, diese Erde ist so herrlich! Wie gerne bin ich auf ihr!

Kühleborn. Deine Heimat, dein Element ist das Reich der Fluten! Weißt du nicht, was unser ewiges Gesetz befiehlt? Nur eine bestimmte Zeit ist den Wassergeistern gestattet, fernzubleiben.

Undine. Kann ich dafür, daß ich unser Reich verlassen?

Kühleborn. Wohl weiß ich, daß es nicht deine Schuld ist. Allein dies ändert die in den Elementen herrschenden Gesetze nicht. Ich weiß, daß deine unglückselige Mutter, meines Bruders Weib, im Zwiespalte mit ihrem Gatten dich hier an das Land gesetzt hat. Du warst damals ein dreijährig Kind der Fluten. Nun bist du sechzehn Jahre alt. Bald ist die Frist abgelaufen und du mußt zurückkehren zu uns.

Undine. Ich will nicht. Ich entsage aller Zauberkraft der Nixen. Ich kann diesen Erdenreizen nicht entsagen. In der kalten Tiefe dort unten grünen keine Wälder, keine Blumen blühen und duften, kein Vogelsang erfreut die Sinne! Alles ist stumm, kalt und starr. Traurig glänzen im blauen Dämmerlicht die kristall'nen Räume.

Kühleborn. Und dennoch, du bist und bleibst das Kind der Welle!

Undine. Weh mir, oh, wär' ich ein irdisch' Wesen!

Kühleborn. Ja, weh dir! – Darum warne ich dich; denn wenn du von der Erde einmal wieder verstoßen würdest, so müßtest du zurücksinken in die Fluten und würdest zerfließen als Welle, die im Gewässer unterginge. Es wäre um dich geschehen, während alle Elementargeister wogen und weben bis zum Untergange dieser Welt, wenn alles zerfällt und zerfließt in das Chaos der ganzen Schöpfung! Darum sei klug! Bald naht die Stunde der Prüfung. Auf Wiedersehen!

Undine. Wehe! Wehe! (Sinkt zusammen; ein Mondstrahl beleuchtet sie magisch. – Die Wogen des Sees türmen sich an der Stelle empor, in welcher Kühleborn versinkt.)

(Der Vorhang fällt.)

 
Zweiter Aufzug

Dekoration wie im vorigen.

Kasperl (kommt aus dem Hause). Muß doch wieder einmal die schöne Morgenluft am See genießen. Der vierzehntägige Aufenthalt in dieser einsamen pappendeckelnen Gegend und Fischerhütte ist mir nicht mehr so unangenehm, als er anfänglich gedroht – besonders seit sich mein Ritter mit seiner Burg Ringstetten in Verbindung gesetzt und die Verproviantierung regelmäßig vor sich geht. Aber der Umstand bleibt mir doch einigermaßen rätselhaft, daß der Herr Ritter diesen idullischen Zustand seinem bewegten Leben aus Turnieren, Jagden und sonstig üblichem Spektakel vorzieht. Aber – ich bugreife allmählich: Nicht der langweilige alte Fischer und dessen langweiliges altes Weib fesseln ihn an diese feuchten Gestade, sondern dieses liebliche Wesen, das schöne Kind Undine, welches auch mein Herz einigermaßen in Buwegung gesetzt hat! Oh! Oh! – –

(Man hört Undinens Gesang aus dem See.)

Kasperl. Da singt sie wieder! so hold, so fein, wie ein kleines Moosschnepferl oder eine junge Wildanten.

(Undine nähert sich, in einem Kahne sitzend.)

Undine (singt).

Schifflein auf den Wellen schwanke,
Schwebe leicht wie der Gedanke,
Wie mein Lied schweb' auf und ab!

Liebe Wellen, liebe Wogen,
Die ihr ferne hergezogen –
Meine Wiege und mein Grab –

Hebt empor euch, sinket nieder,
Säuselt, plätschert Töne wieder,
Die Er mir zur Laute sang;

Wieget mich in stetem Schwanken
In den süßesten Gedanken,
Der mir aus der Tiefe klang!

Kasperl (lauschend). Ah, ah, – (mit einem Seufzer). Was das wieder so ein schönes wässeriges Lied ist! Einzig! Als hätt's der Richard Wagner komponiert! Oh, oh! – –

Undine. Kasperl, Kasperl! Guten Morgen. Willst du nicht ein bißchen mit mir fahren? Die Wellen sind so schön heute.

Kasperl. Ja freilich! Durchs Wasser und Land möcht' ich mit Ihnen fahren, um die ganze Welt.

Undine. So komm', steig' ins Schiffchen ein.

Kasperl. Ich möcht' schon; aber ich trau' mich doch nicht recht. Sie sind oft so mutwillig. Neulich hätten Sie mich auch in den See fallen lassen, weil Sie so geschaukelt haben im Schiffl.

Undine. Ei was! Das war nur Scherz. Habe keine Sorge, es geschieht dir nichts. Ich bin ja ein Fischermädchen und weiß das Ruder zu handhaben.

Kasperl. Ja, das weiß ich schon; aber vorgestern bin ich doch pudelnaß worden und hab' wenigstens zwei Maß Wasser g'schluckt. So etwas bin ich gar nicht gewohnt.

Undine. Komm nur! Steig' ein; ich halte hier am Gestade. Dann singen wir eins zusammen.

Kasperl. Nun, so will ich halt mein junges Leben riskieren. (Steigt in den Kahn ein mit komischer Aengstlichkeit. Im Kahn.) So – jetzt aber g'scheit! Sonst spring' ich gleich wieder ans Land.

(Undine stößt vom Ufer ab, Kasperl fällt gleich um im Schiff.)

Kasperl. Halt, halt! Jetzt bin ich schon gleich wieder umg'fall'n. Das war wieder ein gefährlicher G'spaß. Nur langsam! (Das Schiff schaukelt auf den Wellen. Undine singt weiter.) Ich bitt' mir aus, nicht so schaukeln!

Undine. Das ist hübsch, das ist lustig.

Kasperl. Nein, nein, keine solche Späß auf'm Wasser! Ruhig! Das Schiff fallt ja um, wenn Sie so fortmachen!

Undine. Sei nur ruhig! es fällt nicht um.

(Das Schiff wird von den Wellen auf und ab getrieben. Allmählich türmen sich die Wogen auf, als ob ein Sturm wäre.)

Kasperl. Nein, das wird mir zu arg! Wir fliegen ja bis an die Wolken in die Höhe und nachher wieder ganz nunter! Hören S' auf!

Undine. Hui! Das ist lustig! Auf und ab! Hoch und nieder.

Kasperl (schreit immer mehr). Halt! halt! Mir wird übel! Ich krieg' die Seekrankheit. Aussteigen, aussteigen will ich.

Undine. Hopsasa, hopsasa!

Kasperl. Gehn Sie mir, mit Ihrem Hopsasa! Aussteigen, ans Ufer, ans Land!

Undine. Nun, wenn du willst, so setze ich dich ans Gestade. (Fährt ans Ufer. Indem Kasperl aussteigen will, stößt Undine wieder rasch ab und er plumpst ins Wasser.)

Kasperl. Auweh! Auweh, ich ertrink'! Zu Hilfe! Helft's mir!

(Zwei Wassergeister mit Fischköpfen tauchen auf und werfen ihn ans Land, wo er auf den Bauch hinfällt. Undine verschwindet mit dem Schiffchen seitab in die Kulissen.)

Kasperl. Nein, da dank' ich, das geht über den Spaß! Ich bin doch kein Karpf, den man so herumschlenkern kann im Wasser. (aufstehend.) Jetzt bin ich durch und durch naß, darf mich von Kopf bis zu Fuß wieder umzieh'n und an einer Welle hab' ich mir einen blauen Fleck am linken Ellenbogen g'schlag'n. Das wären mir die rechten Wasserpartien. (Langsam ins Fischerhaus trottelnd.) Das war das letztemal! Die verflixte kleine Hex'. – – – Potz Schlipperment – (Ab ins Haus.)

Verwandlung

Das Innere des Fischerhäuschens.

(Ritter Huldbrand, Peter, später Martha, treten ein.)

Peter. Nun, Herr Ritter, habt Ihr wirklich den Entschluß gefaßt, meine Tochter zu Eurer Gefährtin zu wählen?

Huldbrand. Volle 14 Tage habe ich nun bei Euch zugebracht und meine Absicht ist keine unüberlegte. Undine soll meine Hausfrau werden.

Peter. Ihr wißt doch, wie ich Euch gesagt habe, daß mir selbst ihre Herkunft nicht bekannt ist. Als ich eines Abends vom Fischen heimkam, eilte mir meine Martha jammernd und händeringend entgegen. Ich war höchst erstaunt und begierig, was etwa geschehen sein möchte. Verzweifelnd sagte sie mir, daß seit dem frühen Morgen unser kleines Töchterchen Maria verloren sei. Das Kind, damals drei Jahre alt, sei wie gewöhnlich gegen den Wald hinausgelaufen, um Beeren zu pflücken, sei mittags schon nicht heimgekehrt. Sie habe gerufen, habe in den Wald weit hineingesucht – keine Spur gefunden – alles vergebens; auch die Holzarbeiter, die tief im Wald gearbeitet, sagten, sie hätten wohl ein kleines Mädchen laufen sehen, haben sich aber nicht weiter darum gekümmert, nur ein weißes Tüchlein gefunden, das sie wohl um den Hals gehabt haben möge. Ach! es war recht traurig.

Huldbrand. Der Wald ist von jeher voll bösen Getiers, wie ich weiß, und Ihr mögt wohl befürchtet haben, daß ein Wolf oder Bär das Kind zerrissen habe.

Peter. Wohl habt Ihr recht, Herr Ritter; denn es mußte auch so geschehen sein. Alle unsere Nachfragen waren vergebens, alle Nachforschungen umsonst! – Ihr mögt Euch vorstellen, in welch jammervollen Zustand wir versetzt waren. Mariechen war ja unser einziges Kind, das einzige, beste Hab und Gut, das wir in unserer Armut hatten! (Weint.) Sieh da: Einige Tage darauf saßen wir so herzenstraurig beisammen. Es war spät und der Mond schien, als ob er mit uns sein Mitleid hätte, freundlich durch die Scheiben herein. Da klopfte es leise am Fenster und ein feines Stimmchen rief: »Macht auf! Euer Kind ist da!« Ihr begreift, Herr Ritter, wie's uns da zumute ward. Ich sprang auf, mein Weib wäre beinah aus Schreck vom Stuhle gefallen. – Doch, um's Euch nicht lange zu machen – als wir aus der Hütte traten, stand ein kleines Mädchen in Größe und Alter wie unsere verlorene Marie beiläufig, lieblich uns anlächelnd vor uns und sprach mit holder Stimme: »Da bin ich, nehmt mich statt eures Kindes zu euch.« – Welch ein Erstaunen! Wir fragten, wo sie herkomme, wer ihre Eltern seien und alles mögliche, allein sie schwieg auf alles und sagte nur: »Oh, fragt mich nicht; aber ich will recht gut sein und euch recht lieb haben! Ich heiße Undine.« Undine? sagten wir beide erstaunt. Da glaubten wir wie ein Echo aus den Wellen des Sees zu vernehmen: »Undine – Undine –«.

Huldbrand. Allerdings eine sonderbare Ankunft des neuen Kindes.

Peter. Kurz: Wir sahen das Kind wie ein Geschenk des Himmels an. Wir nahmen es gerne als ein solches, wenn wir gleich nicht wußten, woher es gekommen war. Das liebe Ding stand so freundlich vor uns da in einem silberblauen Kleidchen, aber ganz durchnäßt, als ob es aus dem Wasser gekommen wäre. Um das Hälschen hatte es eine kostbare Perlenschnur, die wir noch aufbewahrt hatten. Und so pflegten und hegten wir das Mädchen treulich und gewissenhaft bis zu dieser Stunde – es mag wohl an die 13 Jahre her sein, daß es zu uns gekommen.

Huldbrand. Wohl mögt Ihr das Wunderkind treu und sorgsam gepflegt haben, denn Undine ist lieb und gut und auch verständig und spricht so klug, trotz seiner oft kindlichen Launenhaftigkeit, als ob es in der fürnehmsten, besten Schule gelernt hätte. Gerade deshalb, gerade wegen der heiligen Einfalt hab' ich mir das Mädchen auserwählt. Als meine Gemahlin soll sie auch der Vornehmsten nicht nachstehen.

Peter. Wenn's denn so sein soll, gestattet, edler Herr, daß es auch meine Martha bald erfahre.

Huldbrand. Freilich, das muß ja gleich sein. Sie ist ja die Mutter meiner holden Braut.

Peter (ruft in die Türe). Martha, Martha, komm herein.

Martha (tritt ein). Was soll ich? Was willst du von mir?

Peter. Ja, was ich von dir will? Höre und staune! –

Martha. Nun, nun, was wird's denn so Wichtig's sein?

Peter. Der edle Ritter will uns unser Undinchen entführen.

Martha. Der Herr Ritter – wollte – wollte –?

Huldbrand. Ihr mögt vielleicht im stillen schon irgend etwas beobachtet und bemerkt haben. Ich habe mich mit Undinen verlobt.

Martha. Ums Himmelswillen! Ist es denn wirklich also? Freilich muß ich gestehen, daß ich an Undine, seit Ihr bei uns seid, eine gewaltige Veränderung gefunden habe.

Peter. Ja wohl, mir kommt's auch so vor; das Mädchen ist viel ernster geworden seither – –

Martha. Viel stiller und ruhiger. Sonst ging's ja in einemfort mit den tollen Possen.

Huldbrand. Mag sein. Aber ihr kindlich liebes Wesen darf sie nicht verlieren. Die Zeit des Ernstes naht bei den Frauen immer früh genug. Kommt, wir wollen Undinen aufsuchen, damit sie sich euren Segen erbitte.

Martha. Aber Herr Ritter, habt Ihr denn wohlbedacht, was Ihr tut? Wird dieses arglose, arme Kind wohl zur hohen Frau von Ringstetten taugen? Täuscht Ihr Euch nicht? Werdet Ihr diesen wichtigen Schritt nicht einmal zu bereuen haben?

Huldbrand. Habt keine Sorge. Euch ist's freilich nicht lieb, daß ich euch den Schatz entführe. Nicht wahr?

Peter. Hoher Ritter! Wir fügen uns gerne, da wir unser Kind in so edlen Händen wissen.

Martha. Und wie sollt ich anders reden? Gott möge euch beide beschützen. (Alle ab.)

(Undine tritt von der anderen Seite ein, nachdenklich setzt sie sich auf den Stuhl und stützt den Kopf mit dem Arme auf den Tisch.)

Undine. Wie ist mir doch zumute? Wie ernst, wie bang! Mein flüchtiges Element – wie gebannt und gefesselt! – Als ich noch ein kleines Kind war, geboren in der Tiefe der Gewässer, da trug mich meine Mutter ans Ufer dieses stillen Sees. Ich erinnere mich wohl, wie sie mich küßte und sprach: »Leb wohl! Da stehe nun auf fremdem Boden, auf trockener Erde. Das neue Element möge dich aufnehmen, und wenn du ihm getreu bleibst, und wenn dich die gewonnene Liebe nicht selbst verstößt, so weile da und werde glücklich!« – Diese Worte habe ich nie vergessen und sollte ich diesem Muttersegen nicht vertrauen? Menschenliebe hat mich aufgenommen und gepflegt und nun naht sich diese abermals und will mich pflegen und hegen! Huldbrands Frau soll ich werden, tief und ganz und gar soll ich nun eingeweiht werden in den Segen des irdischen Lebens! – Kaum wag' ich's zu denken. Ich soll eine Seele gewinnen und all des Menschenglücks teilhaftig werden, eines Lebens und Webens, das nicht in den Wogen flutet und nicht kalt dahinfließt, wie eine Wasserwelle. In einen neuen Zauberkreis tret' ich; aber weh mir, wenn er sich wieder öffnen würde, um mich in das Nichts hinauszustoßen – –

(Es rauscht wie Wogen an den Fenstern, Kühleborn in blaugrünlichem Mantel, eine Krone von Schilf auf dem Haupte, erscheint, Undinens letztes Wort feierlich wiederholend.)

Kühleborn. – – – Um dich in das Nichts hinauszustoßen. – – Ja, dies ist es, was du zu befürchten hast, und das dir vielleicht bevorsteht – vielleicht?! – O, glaub' es, treulos sind die Menschen und schwankend wie das Schilfrohr an unsern Ufern.

Undine. Weh mir! Du bist's! Was willst du schon wieder von mir? Laß mich die Wege gehn, die mich meine Mutter betreten hieß.

Kühleborn. Du weißt ja, daß der Zwist deiner Mutter, den sie mit ihrem Manne hatte und ihre Trennung von ihm die Veranlassung war, dem Reiche der Gewässer zu fluchen. Dies war die Ursache, dich auf die Erde zu setzen.

Undine. Nun, da die Mutter es so gewollt, war ich nicht bisher durch Menschenhuld geborgen?

Kühleborn. Du warst es, – wirst du es auch bleiben?

Undine. In Huldbrands Augen lese ich Treue. Sein Blick kann nicht lügen.

Kühleborn. Aber auf der Erde herrschen Trug und Lüge. Wohl uns Elementargeistern! Wir gehen die geregelte, uns zugewiesene Bahn. Der Mensch ist ein allzu freies Geschöpf; nur allzuoft verdirbt er sein eigenes Geschick.

Undine. Allein dafür kann er eben durch diese seine Freiheit sich die herrlichste Seligkeit gewinnen.

Kühleborn. Oh, wie du schon zur irdischen Schwärmerin geworden bist!

Undine. Ich lasse nicht mehr von dem Menschen; denn durch ihn und mit ihm kann auch ich Seligkeit erringen.

Kühleborn. Nun, so gehe in dein Unglück, das du dir gewählt haben magst. Allein das Gebot der Wahrheit hast du noch zu erfüllen. Dein unglücklicher Gemahl soll und muß wissen, wer du bist. Wenn er es durch dich selbst erfahren – dann magst du ihn eben dadurch noch selbst prüfen, ob er zu deinem Heile bestimmt ist. Diese Pflicht erfülle auch ihm zulieb'.

Undine. Es sei. Ich gelob' es dir!

Kühleborn. Nun, so lebe wohl. Wir sehen uns wieder. (Verschwindet.)

Huldbrand (tritt rasch ein). Undine, wo bist du denn? Ueberall suchte ich dich.

Undine. Ueberall fändest du mich; denn ich bin ja überall und immer bei dir.

Huldbrand. Im Geiste wohl, da du meine holdselige Braut bist.

Undine. Du sagst es und ich weiß es wohl; allein, bevor ich dein Weib bin, muß ich dir noch ein Geheimnis sagen.

Huldbrand. Ein Geheimnis? – Laß hören! (lächelnd.) Deine Geheimnisse werden wohl nicht schwer zu tragen sein.

Undine. Tritt näher zu mir und vernimm. Aber sei gefaßt!

Huldbrand. So gefaßt, wie du es nur erwarten magst.

Undine. Der Fischer, mein Vater, hat dir ja wohl erzählt, wie ich als kleines Kind zu ihm gekommen, ein rätselhaftes Wesen, wie vom Himmel gefallen.

Huldbrand. Allerdings scheint deine Herkunft besonderer Art; allein, was tut's mir? Ich habe dich auserkoren zu meiner Lebensgefährtin und du bist und bleibst mein eigen.

Undine. Das ist die Frage; denn es könnte eine Stunde kommen, in der du etwa sagen würdest: »ich will nichts mehr von dir wissen – fort mit dir!« –

Huldbrand. Halt ein, versündige dich nicht an meiner Liebe, an unserm Heiligtum!

Undine. Wirst du mich also niemals verstoßen?

Huldbrand. Niemals! – Niemals, wie kommst du zu solch einer Frage?

Undine. Darum, weil, wenn es geschähe – ich in den tiefsten Abgrund stürzte – –

Huldbrand. Schweige, ich bitte dich, von solchen Dingen.

Undine. Nun denn, so höre: Ich bin eine Nixe dieses Sees. Seelenlos wäre ich noch in der Fluten Tiefe, hätte mich nicht Menschenliebe aufgenommen, und untergehen müßte ich wieder, bliebe ich nicht für immer mit Menschenliebe verbunden. Solche Wandlung ist uns gestattet. Wenn aber jemals das Geheimnis meiner Abkunft zutage käme, wenn jemals irgend jemand außer dir erführe, wer ich bin, so wäre ich für dich verloren und versänke in die unergründliche Tiefe der Gewässer – zurück in das mich verschlingende Element.

Huldbrand (erschüttert von Undine zurückweichend. Nach einer Pause). Du, du, – bist eine Nixe? – Du, ein solches Wesen?

Undine. Nun, wie gefällt dir dies Geheimnis? Jetzt ist es noch Zeit, vor der Hochzeit dich abzuwenden von mir. Wenigstens mußt du sagen, daß ich ehrlich gegen dich war. Willst du nun von mir scheiden?

Huldbrand (begeistert). Nie und nimmermehr? Du bist mein; nirgend finde ich dich anderswo. Mein Herz hast du genommen, du bist und bleibst in mir!

Undine (stürzt ihm zu Füßen). Wenn es so ist, Dank, Dank dir, meinem edlen Retter, meinem Befreier!

(Der Vorhang fällt rasch unter Donnergeroll.)

 
Dritter Aufzug

Gemach auf dem Schlosse des Herzogs Heinrich.

(Herzog Heinrich, Bertalda.)

Herzog. Meine teure Tochter, ich brauch' es dir wohl nicht zu sagen, wie sehr ich um dein Glück und Wohl besorgt bin, und da ich mich nun dem Alter immer mehr nähere, wo mir jeder Tag geschenkt ist, möchte ich dich wohl geborgen wissen.

Bertalda. Oh, ich weiß es, Vater, wie Ihr von Kindheit an für mich liebevoll bekümmert ward und mein Leben lang wird meine kindliche Dankbarkeit nicht erlöschen. (Küßt ihm die Hand.)

Herzog. Da ich längst Witwer bin und du nach meinem Tode ganz allein stehen würdest, so ist es an der Zeit, dich zu vermählen, damit du an deinem Gemahl eine Stütze findest; denn du bist so jung noch und unerfahren, daß du einer solchen bedarfst, wenn ich aus diesem Leben scheiden müßte.

Bertalda. Teurer Herzog! Ich sehe dies sehr wohl ein; allein Euch könnte ich niemals verlassen.

Herzog. Nun habe ich zu deinem Besten dir einen Gatten gewählt, und du wirst mit meiner Wahl zufrieden sein. Vor einigen Tagen habe ich an meinen Vasallen, den Ritter Huldbrand von Ringstetten, einen Schreibebrief gesandt, um ihm die Ehre, welche ich ihm durch mein Anerbieten erweisen will, kundzugeben. Stündlich erwarte ich die Antwort.

Bertalda. O mein Vater! wie seid Ihr gütig! Huldbrand von Ringstetten ist einer der edelsten und tapfersten Ritter des ganzen Gaues. Jedes Fräulein, auch des Herzogs Tochter, darf sich glücklich schätzen, ihn Gemahl zu nennen.

Herzog. Ohne Zweifel wird Ritter Huldbrand, statt die Antwort durch einen Boten zu senden, gleich selbst hereilen, um dir zu Füßen zu fallen.

Bertalda. Dies wäre wohl möglich, denn ich traue ihm solche Courtoisie zu.

(Trompetenstoß vom Turmwart.)

Herzog. Hörst du den Hornruf des Wachttürmers? Es mag die Botschaft bedeuten.

(Ein Diener tritt ein.)

Herzog. Was deutet des Wächters Ruf?

Diener. Durchlauchtigster Herzog! Ein Reitersmann hat sich am Tor gemeldet und bittet um Einlaß. Er trägt des Ringstettners Farben und Abzeichen.

Herzog. Er habe Einlaß! Führt ihn sogleich zu mir. (Diener ab – Zu Bertalda, welche an des Herzogs Brust sinkt.) Nun Bertalda, naht die gute Stunde – vielleicht er selbst. Darum geziemt es sich, daß du dich sogleich in deine Kemenate begibst und erst, wenn ich dich rufen lasse, hier erscheinst.

(Bertalda mit tiefer Verbeugung ab.)

Herzog (allein). Ich hoffe, daß Ritter Huldbrand meinen Antrag angenommen hat. Niemand weiß um das Geheimnis, daß Bertalda nicht meine wirkliche Tochter und daß sie ein verlaufen Kind ist, das ich auf der Bärenjagd im tiefen Walde gefunden und zu mir genommen. Ich ließ damals Kunde verbreiten, sie sei mir von entfernten Verwandten übergeben worden. Ich behielt das Kind, weil es mir gefiel – ich möchte sagen mehr zum Zeitvertreib zog ich es auf, und allmählich gewöhnte sich Bertalda gern an das Leben in der Burg eines Herzogs und vergaß endlich selbst ihres Herkommens. Da ich sie fand, sprach sie von einem Vater und einer Mutter in einem schlechten Häuschen, von einem See, von hohem Schilfe und dergleichen. Doch das Kind gefiel mir, und ich wollte es behalten – und so blieb es denn bei mir bis zur Stunde – – –

(Diener tritt ein, mit ihm Kasperl. – Diener gleich ab.)

Herzog. Ah! Ritter Huldbrands Botschaft! (Für sich.) Warum nicht er selbst? (Zu Kasperl.) Willkommen! Ihr kommt von Ritter Huldbrand, meinem edlen Lehensmann?

Kasperl (mit ungeheuren Reverenzen). Untertänigst aufzuwarten. Ich komm von meinem gnädigen Herrn, dem hochwohlgebornen Herrn Ritter Huldbrand auf und zu Ringstetten.

Herzog. Bringt Ihr mir wohl Kunde auf meinen Brief? Wer seid Ihr? Habt Ihr kein Antwortschreiben?

Kasperl. Oh sehr. Ich habe zwar keinen Brief, aber auch kein Schreiben zu übergeben. Ich bin des Herrn Huldbrand Leibknappe und Vertrauter, obschon er mir nichts anvertraut. Er hat mir diesmal den Befehl gegeben, eine schöne Empfehlung auszurichten..

Herzog. Wie, nicht mehr als dies? Und solches durch einen Knappen? – Welche Art ist dies? Warum ist Euer Herr nicht selbst gekommen? Es wäre als Vasall seine Pflicht gewesen.

Kasperl. Mein Herr ist in anderen Umständen und dadurch verhindert.

Herzog. Seid Ihr nicht klug? In welchen Umständen?

Kasperl. Er ist gestern mit seiner schönen, jungen Gemahlin in Ringstetten eingezogen.

Herzog (entrüstet). Wie? Was sagt Ihr? Ist es möglich? Ritter Huldbrand hat sich vermählt?

Kasperl. Ja, durchlauchtigster Herzog. Dieses Eroignis soll ich gehorsamst melden. Mein Ritter hätte dies selbst in einem Briefe geschrieben, allein er hat sich bei seiner Hochzeit den Finger überstaucht und ist dadurch am Schreiben verhindert.

Herzog. Ihr wagt es noch, verwegener Bursche, Spott zu treiben?

Kasperl. Und Eure Durchleuchtigkeit wagen es, eine diplomatische Person, die ich bin, eine halbe Stunde so dastehen zu lassen, ohne ihr eine Magenstärkung anzubieten? Das ist mir noch niemals passiert! Das ist eine Verletzung des Gesandtschaftsrechtes.

Herzog. Oh, sei ruhig; du sollst gefüttert werden, Bursche; aber dann verlasse augenblicklich mein Schloß und sage dem Ritter von Ringstetten, daß wir uns finden werden. Unerhört! solch ein Benehmen! (Geht rasch ab.)

Kasperl (allein). Daß wir uns finden werden – ja, das glaub' ich gern; das ist keine Kunst. Aber ich, scheint mir, werde nichts finden. – Laßt mich da stehen mir nichts, dir nichts! Voll Hunger und Durst – Das ist keine Manier. (Schreit.) Heda, holla! ho – wo ist der Kellermeister? Wo ist die Köchin? Schlipperment! Ich bin der Kasperl Larifari.

(Fährt im Zimmer wütend herum, schlägt an alle Türen. Indem er hinausstürzt, trifft er mit dem zugleich eintretenden Koch zusammen, derart, daß beide rückwärts hinfallen.)

Beide. Oho, oho!

Kasperl (im Aufstehen). Was ist denn das für eine dicke, weiße Figur mit einer Zipfelmütze?

Koch. Was ist denn das für ein komischer Kerl mit einer grünen Zipfelmütze? (Zu Kasperl.) Wer ist Er?

Kasperl. Und wer ist denn Er? Ich bin Flügeladjutant des Ritters von Ringstetten, wohlverstanden?

Koch. Und ich bin der Leibkoch des Herzogs Heinrich, aber soll ich meinen Augen trauen? Bist du nicht mein alter Freund, der Kasperl Larifari –?

Kasperl. Und du – bist du nicht der ehemalige Nudelbäcker Ambrosius Schmalzmeier?

Beide. O holdes Wiedersehen! (Umarmung.)

Duett. (Beide.)
O welches holde Wiedersehn,
Vor Freuden kann ich kaum mehr stehn,
O welch ein himmlisches Entzücken,
Nach langer Trennung dich zu erblicken!

Kasperl. Wo warst du denn die ganze Zeit?
Hat dir das Schicksal nicht gelacht?

Koch. Zu Haus hat's mich halt nimmer g'freut,
Weil ich im G'schäft Bankrott gemacht!
Und du! –

Kasperl. – – Ich weiß nicht, was ich war,
Ich glaub', alle Tag der alte Narr,
Bis ich mir einen Stand erkor'n
Und endlich bin Bedienter wor'n
Beim Ritter Huldbrand von Ringstetten;
Jetzt hab'n wir Hochzeit – das ist a Metten.

Koch. Ich bin bei Seiner Durchlaucht Koch;
Und wenn's mir g'fallt, so bleib ich noch,
Ich wohn' in einem alten Stübel,
Das Uebrige ist auch nicht übel;
Wir essen nicht die schlechtsten Knochen,
Nur einmal Fastenspeis die Wochen.

Beide (wie oben).
O welches holde Wiedersehn,
Vor Freuden kann ich kaum mehr stehn!
O welch ein himmlisches Entzücken,
Nach langer Trennung dich zu erblicken!
Entzücken! Erblicken usw. (Tanzen Arm in Arm hinaus.)

Verwandlung

Bertaldas Gemach. (Es muß ein Spiegel angebracht sein.)

Bertalda (in höchster Aufregung). Was mußte ich vom Herzoge hören? Huldbrand verschmäht mich! Eines Herzogs Tochter! Von allen Rittern des Gaues bin ich angebetet; jeder möchte mich als seine Gemahlin heimführen dürfen, und er, den ich mir selbst erkoren hatte, er wählte sich eine andere! O Schmach und Schande! (Tritt zum Spiegel.) Welche kommt mir nahe? Bin ich nicht schön, wie keine andere? Sagt mir's nicht täglich dieser Spiegel? Der lügt nicht, der schmeichelt nicht! – Und wer mag die Glückliche sein, die jetzt an des Ritters Seite ruht, die ihn ihr eigen nennen darf? Ich möchte vor Schmerz vergehen, vor Zorn und Wut! – Weh ihm, dem Schändlichen! (Wirft sich auf ein Ruhebett.)

Herzog (tritt ein). Teure Bertalda! – Ich begreife, daß dich die Hiobspost angegriffen hat. Auch ich bin höchst erbost über die Schmach, die uns beiden Ritter Huldbrand angetan hat. Er hat mich, den Herzog und seinen Lehnsherrn, aufs ärgste beleidigt! Er hat dich, meine Tochter, ebenso verletzt und gekränkt. Dies soll ihm nicht vergessen sein.

Bertalda. Und ich verlange Rache für die Schmach!

Herzog. Das kann ich dir nicht verdenken. Allein, dergleichen darf nicht übereilt werden. Wir müssen die Gelegenheit abwarten zu seiner Züchtigung. Dies erfordert aber Klugheit. Habe Geduld. Verbirg vor jedermann deine gerechte Entrüstung. Deine Ehre will es, daß sie bewahrt sei durch Gleichgültigkeit und stille Verachtung.

Bertalda. Ja, allerdings. Unbemerkt soll die Glut im Innern brennen, bis es an der Zeit sein wird, daß sie zur hellen Flamme auflodert.

Herzog. Also Verstellung, Ruhe! Ich werde mich bei Ritter Huldbrand zum Besuch ansagen lassen. Du sollst mit mir nach Ringstetten ziehen. Wenn wir dort sind, wird es sich zeigen, wie ich ihn auf die demütigendste Art strafen kann. Verlasse dich auf mich.

Bertalda. Ja, ich zähle auf Euern gerechten Zorn. Was mich betrifft, so werde ich nicht aus der Rolle des edelsten Stolzes fallen.

Herzog. Triff alle Vorkehrungen zur Abfahrt. Nimm deine kostbarsten Gewänder, deinen schönsten Schmuck. Du sollst in höchstem Glanze als des Herzogs Tochter auftreten.

Bertalda. Ich bin bereit. (Beide ab.)

Verwandlung

Burghof auf Ringstetten. Ein Ziehbrunnen ist rückwärts angebracht.

(Huldbrand. Undine in schönster Ritterfrauentracht.)

Huldbrand. Nun, liebes Weib, bist du zufrieden in deiner neuen Heimat?

Undine. Warum willst du mir durch solche Fragen weh tun? Wäre es nicht ein Frevel, wollte ich nicht sagen, daß ich so glücklich bin, wie es nur immer ein Wesen auf Erden sein kann!

Huldbrand. Möge es dir immer so sein, wie es diese ersten Wochen unseres Ehestandes der Fall war. Möge nie ein Wölkchen deine Zufriedenheit trüben. Lasse dir sagen: Trotz des Unmutes des Herzog Heinrich darüber, daß ich den Antrag, seine Tochter Bertalda zur Gattin zu nehmen, von mir gewiesen, was wohl beinah als eine Beleidigung anzusehen ist, ließ er mich seiner Gnade versichern. Ja, noch mehr. Auf mein Anfragen, ob ich ihm meine Huldigung darbringen und dich ihm vorstellen dürfe, ließ er mir sagen, er wolle mich auf Ringstetten selbst mit seiner Gegenwart beehren, da er ohnedies eine Rundfahrt im Gau zu machen vorhabe, um, wie es alljährlich üblich, an einigen Orten rechtzusprechen.

Undine. Das ist wohl sehr gnädig vom Herzoge, aber ich habe eine trübe Ahnung, daß uns dieser huldvolle Besuch nichts Gutes bringt.

Huldbrand. Warum so ängstlich, liebes Weib? Sei versichert, ich werde dafür zu sorgen wissen, daß nichts deine Zufriedenheit stören möge. Der Herzog ist mir viel Dank schuldig, da ich ihm nicht selten mit meinen Kriegsknechten von großem Nutzen war.

Undine. Möge es so sein; allein ich bin und bleibe mit Angst behaftet, wenn ich auch nicht weiß, wie und warum.

Huldbrand. Lasse deine Sorgen. Ich will jetzt in den Forst reiten, um der Spur des wilden Ebers nachzuforschen, der uns so viel Schaden tut. Leb wohl!

Undine. Lebe wohl! bleibe nicht zu lange aus. (Huldbrand ab. Undine allein, ihm nachblickend.) Herrlicher Mann, wie liebe ich dich. Dir, meinem Erretter, gehört meine Seele, mein Leben, das ich dir allein ganz und gar zu danken habe.

(Ein Knappe tritt ein.)

Knappe. Hohe Frau! Es ist ein alter Mann am Burgpförtlein, der Euch zu sprechen bittet, in wichtigen Angelegenheiten.

Undine. Mag sein. Er soll kommen.

(Knappe ab. – Gleich darauf Peter, der Fischer, er eilt auf Undine zu, die ihm entgegenkommt.)

Peter. Hohe Frau!

Undine. Nicht so, mein lieber Vater! Ich bin immer Eure Undine, Euer dankbares Kind. Was bringt Euch zu mir?

Peter. Oh, Ihr müßt es ja vor allem wissen. Meine verlorene Tochter, meine Marie, die Ihr uns ersetzt habt, ist wiedergefunden.

Undine. Ist es möglich! Sprich: Wie und wo?

Peter. Laßt Euch erzählen. Vor wenigen Tagen nahm ich einen erschöpften und bluttriefenden Mann in meiner Hütte auf. Er war in dem nahen Finsterwald, Ihr kennt ihn ja, durch den er ging, von einem Bären überfallen und elend zerfleischt worden. Er schleppte sich in die Nähe unseres Seeufers, wo ich, sein Jammern hörend, ihn fand und dann mit Martha in unser Häuschen brachte. Der Arme war von dem Tier erbärmlich zugerichtet. Wir wuschen seine Wunden, labten ihn auf alle mögliche Weise, allein, es war alles umsonst.

Undine. Der Arme! – sprecht, wer war es denn?

Peter. Vernehmt weiter: Mit gebrochener Stimme, seinem Ende nahe, sprach er: »Hört, gute Leute, damit ich ruhig sterben kann; hört – Euer Kind lebt. – Vor – Jahren fanden wir es verirrt in dem Walde. Herzog Heinrich – wollte es Euch nicht wieder zurückbringen, obgleich er wohl gewußt – wem das Mädchen gehöre. Ich mußte schwören – nichts zu verraten, aber – jetzt muß ich sterben und da drückt mich das Gewissen« – – mit diesen Worten starb er.

Undine. Welch ein Geschick!

Peter. Bald kamen wir ins klare. Der Mann war ein alter Jäger aus dem Gefolge des Herzogs, der das Gnadenbrot bezog und in einem Häuschen lebte, wo er Rüden und Weidhunde des Herzogs zu füttern hatte. Als man ihn tot heimtrug (und ich war ja dabei) fand ich, denkt Euch nur, in seiner Stube das Kreuzlein hängen, das unser Mariechen, als sie uns verlassen, am Halse trug.

Undine. Ein sicheres Kennzeichen also für Euch.

Peter. Wohl, aber wie werde ich dazu gelangen, daß man meinen Aussagen glaubt.

Undine. Seid ruhig! Euer wiedergefunden Kind, freilich jetzt des Herzogs Tochter, wird gewiß gerne und Gott dankbar in die Arme ihrer Eltern fallen. Rechnet auf mich. Bleibt bei mir. Auch Mutter Martha soll kommen. Der Herzog und des Herzogs Tochter werden bei uns hier verweilen. Bald wird sich dann das Rätsel lösen, denn ich zähle auf des edlen Herzogs Gerechtigkeit und Wahrheitsliebe. – Kommt mit mir. Ihr sollt Euch durch Speis und Trank stärken. Ihr seid ja so weit hergegangen.

(Beide ab. – Es ist dunkler geworden. Abendrot. Kühleborn steigt ans dem Ziehbrunnen.)

Kühleborn. Gut, daß die Wasser unterirdisch wogen,
Verbunden durch der Erde reiche Adern,
Die sich in künstlicher Verzweigung einen.
So springt auch hier der kühle Lebensquell,
Zu dem mich ferneher der Fluß getragen,
In tiefem Schacht, ich bin Undinen nah'.
Denn nimmer kann ich's lassen, ihr zu folgen,
Weil ihrem Elemente, unserm Reiche
Ich wieder sie gewinnen will. So lau'r ich
Dort unten, in des Brunnens dunkler Tiefe. –
Das holde Kind der Fluten – uns gehört es!
Zu uns zurück verlangt's der Nixen Chor!

(Steigt nieder in den Brunnen. Wassergeister schweben nebelhaft um den Brunnen.)

Chor. Undine, höre unsre Klagelieder!
Oh, komm zu uns, tauch in die Wellen wieder!
Undine, holdes Kind der blauen Wogen,
Oh, wärst du deiner Heimat nie entflogen!
Undine, kehr' zurück ins Flutenleben,
In Sang und Tanz mit uns dahinzuschweben.
        Undine! Undine!       (Verhallend.)

(Der Vorhang fällt langsam).

 
Vierter Aufzug

Burghof, wie vorher.

Herzog Heinrich seitwärts auf einem erhabenen Sitze. Neben ihm Bertalda. Huldbrand, Undine. Einige Ritter, Frauen und Volk. Peter und Martha. Ein Trompeter.

(Herzog vom Sitze aufstehend. Trompeter stößt ins Horn.)

Herzog. Ihr wißt es alle, wie ich es durch meinen Herold habe verkünden lassen, daß heute der Tag ist, welchen ich auf der Burg meines getreuen Vasallen, Huldbrand zu Ringstetten, angesetzt habe, um die Gaugehörigen zu vernehmen, um Recht zu sprechen und etwan zu schlichten, was Ungehöriges vorgefallen.

Huldbrand. Mir zur hohen Ehre habt Ihr, edler Herzog und Lehensherr, meine Burg als den Ort auserlesen zu Pflege und Rechtspruch, und ich rufe sonach infolge Eures Willens jedermanniglich auf, mit Beschwerde oder Klage sich zu melden, damit ihm recht werde. (Pause. Trompeter bläst wieder.) Niemand, scheint es, ist hier, der etwa Klage vorbringen möchte.

Undine. Verzeiht, wenn ich jenen alten Mann dort (auf Peter zeigend.) Euch, Herzog, vorstelle, der nicht den Mut hat, seine Angelegenheiten vorzubringen.

Herzog. Wer ist der Mann? Er trete vor; denn jedermanniglich hat das Recht, mir seine Beschwerde zu sagen.

Undine (zu Peter). So komm! Nun hast du selbst vernommen, daß der Herzog jedem gnädig Gehör gewährt.

Peter (wirft sich vor dem Herzog nieder). Gnädigster Herzog! Verzeiht einem armen Manne, der Gerechtigkeit begehrt.

Herzog. Steht auf! Sprich frei und offen: Was ist dir unrecht geschehen?

Peter. Man hat mir mein Kind geraubt. Ich verlang' es zurück. (allgemeine Bewegung.)

Herzog. Sprich, bekunde deine Klage!

Peter. Vierzehn Jahre sind's freilich schon her, daß mein Töchterlein Marie sich in den Finsterwald verlaufen, damals ein dreijährig Kindlein. Wir glaubten sie von wilden Tieren zerrissen; aber vor kurzem ward mir durch den Eid aus dem Munde eines Sterbenden die Nachricht, daß das Mägdlein geraubt wurde.

Herzog (für sich). Gnädiger Gott! Das ist Bertalda! (Zu Peter.) Wer hat dir das gesagt?

Peter. Der jüngst in meinen Armen gestorbene Weidknecht Wolfram, Euer alter Diener, und Ihr, Herr Herzog – ich muß es sagen, weil es so ist – Ihr habt mein Kind entführt –

Undine. Und dieses Kind ist Eure Tochter Bertalda.

Bertalda. Nein, nimmermehr! Es kann nicht sein.

Martha (tritt hervor). Ja, ja, Ihr, Fräulein, seid der armen Fischerleute Kind! Und hier stehen wir, Eure Eltern!

Bertalda. Nicht möglich! und ich will's auch nicht, daß es so sei.

Herzog. Schweigt alle und hört! – Ich bin des Gaues Herzog; aber vor Gott bin ich nicht besser als ihr alle. Wahrheit und Gerechtigkeit müssen sein, und da ist kein Unterschied auf Erden. Es ist wahr, daß ich beiläufig vor so viel Jahren ein armes Kindlein im Finsterwalde, wo ich jagend ritt, verlassen fand und zu mir nahm, aus Mitleiden und weil mir das Mägdlein gefiel. Und niemand war bei mir als Wolfram, damals mein Weidmannsknappe.

Bertalda. Und wenn auch! Wo ist der Beweis, daß ich die Tochter dieser schlechten Leute sein soll?

Undine. Ihr seid ja die einzig angenommene Tochter des Herzogs.

Herzog. Bei Gott, ich kann es nicht leugnen. Es ist also.

Martha. Ich bitte Euch, betrachtet Eure linke Schulter, darauf muß ein Muttermal sein, wie ein Kreuzlein.

Herzog. Seht, seht! Es ist so, wie das Weib sagt!

Bertalda. Und wenn alles so wäre und wenn alles so ist. Ich will nicht armer Fischerleute Kind sein, denn ich bin des Herzogs Heinrich Tochter, als welche er mich angenommen und längst bestätigt hat.

Undine. Wie ist es möglich, Bertalda? Ihr seid nicht glücklich, Eure Eltern gefunden zu haben.

Huldbrand. Ihr stoßt sie von Euch zurück?

Bertalda. Was tue ich mit solchen Eltern? Der Herzog soll sie mit Gold entschädigen, dies wird ihnen genug sein.

(Allgemeine Entrüstung und Gemurmel.)

Herzog. Ist es denn wirklich so, Bertalda? Oh, sprich anders! Umarme deine Mutter und deinen Vater. Du bleibst ja doch bei mir!

Bertalda (weist Peter und Martha zurück, die sich ihr nähern wollen). Nie und nimmermehr! Fort von mir!

Herzog. Weh mir! So hab' ich eine Schlange im Walde gefunden und habe sie an meiner Brust genährt und aufgezogen! – Hierher bin ich gekommen, um rechtzusprechen, um Gutes zu lohnen und Böses zu strafen. So hört denn alle, die Ihr hier seid: Ich verstoße Bertalda, denn sie ist unwert des Herzogs Pflegetochter zu sein. Solcher Stolz, solche Hoffart, solche Bosheit sollen nicht mit mir wohnen! Fort von mir, du Ungeheuer! Du bist nicht mehr des Herzogs Heinrich Tochter! (Stürzt hinaus.)

(Es donnert, die Szene verdunkelt sich.)

Undine. Armselige! Vernimm es, wie auch der Himmel dein Urteil spricht.

(Ab mit allen übrigen. Bertalda stürzt besinnungslos zu Boden. Allmählich erwacht Bertalda aus ihrer Ohnmacht.)

Bertalda. Was ist's mit mir? Hatt' ich einen bösen Traum? (Blickt um sich.) O nein, nein, es ist so! Verstoßen, verlassen, ich, eines Herzogs Tochter! – Das Kind armer Fischer! – Nein, nein! Ein goldner Faden an eine schlechte Spindel geknüpft! Schande, Schmach! Ich ertrage es nicht. (In sich versenkt, eine Weile lang auf und ab gehend.) Das wäre kein Leben. Wohin sollte ich? Aus eines Herzogs Palast gestoßen – in eines armen Fischers Hütte! Pfui der Schande! Fort, fort! – (Verzweifelnd.) Ha, was seh' ich dort? Ein Brunnen – tief und kalt. Ein Augenblick, ein rascher Entschluß und ich bin der Schmach entronnen! – Ja, da hinunter – dann ist alles aus! (Eilt dem Brunnen zu. als ob sie sich hinabstürzen wollte.)

Kühleborn (erscheint aus der Tiefe). Halt ein!

Bertalda. Mein Gott, was ist's?

Kühleborn. Halt ein! Du kannst noch leben!

Bertalda. Wer bist du? Was willst du von mir? Bist du ein Gespenst, das mich schrecken will?

Kühleborn. Ich will dir gut, denn ich kann dich gebrauchen.

Bertalda. Du – mich gebrauchen? Bleib' in deinem unterirdischen Reiche und laß mich!

Kühleborn. Höre: Das Weib des Ritters, der dich verschmähte, das Weib, das du wohl hassest – Undine –, die uns da unten angehört, ist eine Wassernixe. Huldbrand weiß es wohl, aber die Minne hat ihn betört. Wenn aber das Geheimnis zutage kommt – so versinkt sie in die Tiefe, vielleicht nicht allein, sondern mit ihm.

Bertalda. Furchtbares Gespenst! Furchtbar, was du mir geoffenbart! – – –

Kühleborn. Nun weißt du genug! Tue, was du mußt, räche dich an ihr und an ihm. (Versinkt in den Brunnen.)

Bertalda (allein). »Tue, was du mußt, räche dich an ihm und ihr!« Wohlan, seist du ein guter oder ein böser Geist – der Rat ist gut – es sei!

(Schnell ab. Die Bühne wird wieder hell.)

Kasperl (tritt auf mit Laterne und Schlüsselbund, etwas angetrunken). Jetzt komm' ich grad aus'm Keller heraus, wo ich mich mit Versteinerungen beschäftigt habe, z. B. mit dem Nierensteiner, mit dem Hörsteiner und anderen dergleichen Gewächsen. Alles in Ordnung befunden. Mein Herr Ritter ist ein ganz gescheiter Kavalier. Gleich nach seiner Verheirasplung hat er mir die Kellerschlüssel übergeben und hat gesagt: »Hier ist die Klavikatur des Kellers; denn du bist eine treue Seele und ein Mann des Vertrauens.« Und mein Herr hat ganz recht gehabt und er ist in seinem Vertrauen nicht getäuscht worden; denn ich mische nie Wasser in den Wein. Ich trinke ihn immer pur und unverfälscht. Ueberhaupt bin ich ein Foind des Wassers und kann's gar nicht begreifen, wie's Leut' gibt, die soviel Wasser trinken wie z. B. die Gemahlin meines Herrn Ritters; die hat eine wahre Passion aufs Wasser. Entweder trinkt's ein's oder sie pritschelt damit; und wann gerad niemand da ist, so geht's zu dem großen Ziehbrunnen und schaut alleweil nunter. Pfui Teufel, – das Wasser!

Lied.
        Das Wasser ist ein Element,
Das ein gescheiter Mensch nicht kennt;
Zum Waschen laß ich's noch passieren,
Zum Trinken muß man's ignorieren.

Das Wasser ist sehr ungesund,
Drum bring' ich's niemals in den Schlund
Wozu läg' denn das Bier in Fässern,
Um sich die Gurgel nur zu wässern!

Und warum gäb' es wohl den Wein?
Da müßt' man doch ein Esel sein,
Sich noch mit Wasser abzugeben,
Wenn ringsum blüh'n die schönsten Reben.

Darum geschätztes Publikum,
Hoff' ich, daß Sie nicht sind so dumm,
Mit purem Wasser sich zu laben,
Wenn Bier und Wein Sie können haben.

(Kasperl geht gegen den Brunnen, bleibt etwas vor ihm stehen, mit Verachtung hinuntersehend.)

Pfui Teufel! Von dem Keller will ich nichts wissen. Von Ihnen brauch' ich keinen Tropfen! Miserables, geistloses Fluidum!

(Musik. Zwei Wassergeister springen aus dem Brunnen und prügeln Kasperl durch. – Geschrei. – Kasperl läuft fort. Alle ab. – Herzog, Huldbrand, Undine treten ein, später Bertalda.)

Herzog. Von Schmerz gebeugt und von Wehmut tief ergriffen, mein teurer Ritter, werde ich Euch nicht mehr lange auf Eurer Burg zur Last fallen.

Huldbrand. Warum, edler Herzog, wolltet Ihr mich deshalb verlassen? Wohl war es ein trübes Ereignis, das Euch hier betraf, allein vielleicht hätte sich Bertalda noch eines Bessern besonnen.

Undine. Es war ja nur der erste Augenblick, der das stolze Fräulein überrascht hatte.

Herzog. In solchen Fällen kann man auch im ersten Augenblicke zeigen, wie man ist und wie man denkt. Aber wenn ich Bertalda auch immer hochmütigen Sinnes gekannt, hätte ich ihr doch solch eine Herzlosigkeit nicht zugetraut und deshalb verstieß ich sie. Des Menschen Herz und Gefühl geben sich allsogleich zu erkennen. Bei mir kann ein Wesen der Art nicht leben.

Huldbrand. Und dennoch, hoher Herr, hättet Ihr vielleicht ein gelinderes Urteil fällen können. Nun ist das arme Fräulein ganz und gar der Verzweiflung preisgegeben.

Herzog. Das will ich auch nicht. Es soll ihr nicht an Mitteln fehlen, sich aufzuhalten, wo es ihr belieben mag. Ihrem Stande gemäß, denn sie ist und bleibt meine Ziehtochter, soll sie leben; aber fern von mir. Und dieses, werter Ritter, mögt Ihr derselben in meinem Auftrage kundgeben. Mein Säckelmeister wird von mir den Befehl erhalten, ihr das Nötige zu verabreichen. Damit habe ich, glaube ich, genug getan. Gott möge ihr die Schmach, mit der sie ihre lieben Eltern verstieß, verzeihen.

(Bertalda eilt herbei und wirft sich dem Herzog zu Füssen.)

Bertalda. Es bedarf keines Mittlers, mein gnädiger Herzog. Eure letzten Worte, die Ihr zu meinen Gunsten soeben spracht, habe ich im Eintreten vernommen. Nehmt meinen Dank für diese Gnade und für alles, was Ihr mir von Kindheit an erwiesen habt.

Herzog. Steh auf, Bertalda. Entferne dich aus meiner Nähe; gehe in dich und mache gut, was du versündigt, wenn du es vermagst. Leb wohl. (Er will fort.)

Bertalda. Nur noch ein Wort wollet vernehmen. Ich beschwöre Euch; es ist nicht unwichtig.

Herzog. Sprich, aber dann fliehe!

Bertalda. Mag es unrecht gewesen sein, daß ich meiner Abkunft mich geschämt, so war es um so törichter von mir, da sie, wenn auch niedrig, doch ehrlich ist; allein, es ist Euch ja bekannt, daß des edlen Ritter Huldbrands schöner Gemahlin Herkommen Euch ganz geheim gehalten worden. Warum verschwieg man es Euch gegenüber, der Ihr doch Huldbrands Lehensherr seid? (Huldbrand und Undine in Bewegung.)

Herzog. Ich fragte nicht danach, wohl wissend, daß der Ritter nur ein edles Weib heimzuführen befähigt sei.

Bertalda (zu Undine höhnisch). Nun, so zeigt Euern Stammbaum, wenn er nicht etwa in den Brunnen dort gefallen ist.

Huldbrand. Euch, Fräulein, geziemen nicht dergleichen Fragen. Nur dem Herzog wäre ich schuldig, Rede zu stehen, wenn er solches erheischte.

Bertalda. Und wenn er Euch aber fragte, Ihr bliebt ihm wohl alle Antwort schuldig.

Herzog. Vielwerter Ritter, beschämt doch die ungebührliche Fragerin und macht sie durch Eure Erklärung schweigen. (Nach einer Pause.) Nun, Ihr redet nicht? – Da muß ich wohl fragen: »Von wannen ist die holde Undine, Euer Gemahl?«

Bertalda. Nun, keine Antwort? – So will ich Euch sagen, welch wässerigen Adels die schöne Frau ist. – Undine ist freilich absonderlichen Herkommens. – Sie ist eine Wassernixe, die den Herrn Ritter bezaubert hat! (Undine stürzt zusammen.)

Huldbrand. Herr des Himmels!

Herzog. Bertalda, was sagst du? Weh dir!

Bertalda. Nicht mir! – Weh ihr – der Wasserfee! Nun wißt Ihr's – jetzt mag geschehen, was solchem Ehebunde ziemt! (Lacht) Hahaha! (Stürzt hinaus.)

Herzog. Bei allen Heiligen, Ritter Huldbrand, sprecht, sprecht, was soll ich glauben?

Huldbrand (In großer Bestürzung). Hoher Herr! –

Herzog. Ihr vermögt es nicht, Euch zu rechtfertigen? Nie hätte ich an derlei Mären geglaubt, wenn ich auch oft davon gehört und gelesen! – Ich beschwöre Euch: Rechtfertigt Euch; sagt: Bertalda habe schändlich gelogen, und ich will mich zufriedengeben; sagt, wer ist Eure Gemahlin?

Huldbrand. Vermag ich's denn? – – –

Undine (erwachend). Oh, sag' es! – sag' es! Ich bin ja doch verloren!

Huldbrand. Nimmermehr, nimmermehr!

Herzog. Fluch Euch, Huldbrand, wenn es so ist. In Acht und Bann stoß' ich Euch! Flieht weit, weit! Ihr seid vogelfrei!

Huldbrand. O weh, weh! Ich bin verloren!

Herzog. Weh Euch, die Ihr eine Fey geminnt! Verstoßen hat Euch die Christenheit! Fluch dem, der Euch nahe bleibt! (Geht rasch ab.)

Huldbrand (umarmt Undine). Wenn alles mich verläßt, mein Weib, dir bleib' ich eigen! Dir bleib' ich getreu!

Undine. Oh, du herrlicher Mann! (Wasserrauschen im Brunnen, der nach und nach aufquillt.) Hörst du, sie rufen mich. Wir müssen scheiden.

Huldbrand. Nie und nimmermehr! Mein bist du und dein bin ich! Was wollt' ich noch auf Erden ohne dich!

Undine. Nun, so sei es! (Umarmt ihn.)

(Donner. Kühleborn erhebt sich aus dem Brunnen. Die Bühne hüllt sich in Wolkennebel.)

Unterirdischer Chor.

Undine, die Stunde ist da!
Wir sind dir wieder so nah, so nah!
Es kommen die Wellen und Wogen,
Die dich mit Gewalt angezogen!
        Undine, Undine! – –

Verwandlung und Schlußtableau

(Kristallpalast, magisch blau erleuchtet. Undine und Huldbrand. Kühleborn in ihrer Mitte.)

(Unter Musik fällt langsam der Vorhang.)

Ende.


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