Franz Graf Pocci
Lustiges Komödienbüchlein
Franz Graf Pocci

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Die Zaubergeige

Märchendrama in vier Aufzügen
mit Gesang und Tanz

(1868)

Personen

       

Cuprus, Berggeist des Kupfergebirges

Kasperl Larifari

Gretl

Herzog Richard

Prinzessin Amalie, seine Tochter

Fräulein von Nelke, Hofdame

Baron Trüffel, Hofmarschall

Der Stoffelbauer

Mauschl, ein Jude

Justizmaier, Stadtrichter

Pfiffikus, Gerichtsschreiber

Philipp, Kellner im Gasthof »Zum goldenen Stern«

Fangauf,
Schnapper,

}
}

Räuber

Trabanten, Hoflakaien

Das Stück spielt um die Mitte eines Jahrhunderts

 

Erster Aufzug

Bauernstube.

(Kasperl, Gretl.)

Kasperl. Es bleibt dabei! Mir wird's zu arg!

Gretl. Mein Kasperl – aber – –

Kasperl. Was Haber oder Stroh und Heu,
Ich sag's amal, es bleibt dabei!

Gretl. Also willst du mich wirklich verlassen? Das ist abscheulich!

Kasperl. Ohne dich zu hassen, werd' ich dich verlassen,
und ist es nicht abscheulich, so ist's auch nicht greulich.

Gretl. Ja, abscheulich und greulich!

Kasperl. Das Schicksal ruft. Ich sag' dem Bauern auf und geh'.

Gretl (weinend). Aber Kasperl! – Mein geliebter Schatz!

Kasperl. Ja, du geliebte Katz! Tröst' dich nur! Mein Herz bleibt bei dir und beim Heiraten bleibt's auch, wenn wir wieder zusammenkommen, und wenn ich noch mag. Aber die Schikanederien von dem Bauernlümmel ertrag' ich nimmer. Schlechte Kost und nix als Schmalznudel und nix zu trinken dazu, als den ein' Tag Wasser und den andern saure Milch – das ist nix für meine Natur. Wenn ich mich in der Früh um sechs Uhr im Bett umkehr' und um neun Uhr aufsteh', nachher sagt der Bauer, ich sei a fauler Kerl! Das ist infam! Wenn ich nachmittags a bißl ins Wirtshaus nüberschau und etwas wacklig nach Haus komm', nachher heißt's wieder: ich bin a versoffener Lump! – Leg' ich mich abends um a sechs Uhr aufs Heu und lass' Ochsen und Küh' allein fressen, bin ich schon wieder a Faulenzer, a Strolch!

Gretl. Aber schau, Kasperl, eigentlich hat der Bauer nit Unrecht; denn du möchtst den ganzen Tag nur essen, trinken und schlafen.

Kasperl (pathetisch). Ha! Ich bin halt zu was anderm geboren als zum Bauernknecht. In mir steckt ein Kavalier von unten bis oben! Ich bin ganz zum vornehmen Herrn g'schaffen, zum Privatier, Rentier, Bankier oder so was G'schert's.

Gretl. Da hast aber noch weit hin, mein Kasperl.

Kasperl. Schweig, Teure, das verstehst du net. Geh' lieber in den Ochsenstall naus, melk' deine Küh' und hol' mir zum rührenden Abschied a paar Maß Bier oder auch drei, und sechs Paar Bratwürstl zum Eintunken. – Ah, da trappt grad der Bauer rein!

Gretl. Wenn du aus'n Haus gehst, nachher bleib' ich auch nimmer und reis' dir nach oder ich leb nimmer lang! (Weinend ab.)

Kasperl (allein). Jetzt Kuraschi, Kasperl! Entwickle deine ganze Herzhaftigkeit und sag' dem Bauern einige Grobheiten, damit du mit dem Bewußtsein des Respektes von deinem Herrn scheiden kannst.

Stoffelbauer (tritt ein). Auch schon auf, Monsieur Kasperl? Stehst wieder da wie der Schragen, auf dem a Bierbanzen liegt.

Kasperl. Jedenfalls auf meine zwei Füß', und ich verbitte mir solche Anspielungen und Spötteleien.

Stoffelbauer. Du bist und bleibst von früh bis abends a fauler Schlingel, und wenn's möglich wär', so wärst zum Schlafen auch noch zu kommod', aber das geht freilich leichter vonstatten als d' Arbeit. Ich hab' bald gnug an dir, wennst so fortmachst.

Kasperl. Und wer bei Ihnen ist im Dienst, Herr von Bauer, der hat's auch bald g'nug.

Stoffelbauer. Ich halt' niemanden auf. Wem's bei mir net g'fallt, der kann geh'n.

Kasperl (vornehm und höhnisch). Und wissen Sie? Ich lass' mich auch nicht aufhalten. Merkst was, Bauer?

Stoffelbauer. Ich merk's schon, und mir ist's recht.

Kasperl. Also pack' ich z'samm und bitt' um meinen wohlverdienten Lohn.

Stoffelbauer. Gut; den kannst gleich haben. Dein rückständiger Lohn macht grad drei Kupferkreuzer. Das übrige hast du dir mit deiner Faulheit verdient; also sa ma quitt! B'hüt Gott! Ich hoff' du findst an bessern Herrn und ich an bessern Knecht. (Ab.)

Kasperl. Juhe! Drei Kupferkreuzer! Wenn ich noch ein' Sechser drauf gib, nacher bin ich a gemachter Mann! Jetzt bin ich Freiherr, also werd' ich mich von nun an »Baron« titulieren.

Gretl (tritt ein und fällt ihm schluchzend um den Hals). Also bleibt's dabei? Du gehst?

Kasperl. Es bloibt dabei, ich göhe! Und es ist so, die Stunde schlagt!

Duett.

Kasperl. Die Stunde schlagt, leb wohl geliebte Gretl!

Gretl. O weh! Ich bin ein unglückseligs Mädl!

Kasperl. Verzage nicht, ich bleibe dir ja treu;
Gedenke mein, liegst du auf deinem Heu.

Gretl. Wer weiß, was g'schieht, es ist dir nicht zu trauen.
Auf deine Treue ist wohl nicht zu bauen.

Kasperl. O nein, o nein, das kann nicht sein,
Ich bleibe dein, und du bist mein!

Gretl. O nein, o nein, das kann nicht sein,
Du bleibst mein, und ich bin dein!

Beide (a due).

O nein, o nein,
O nein, o nein,
Nein, nein, nein, nein!
Nein, nein, nein, nein!
(Beide ab.)

Verwandlung

Waldiges Felsental, von Gebirge umgeben.

(Schnapper, Fangauf. Von zwei Seiten sich begegnend.)

Schnapper. Woher?

Fangauf. Wohin?

Schnapper. Fangauf, was hast du gefangen?

Fangauf. Nichts! Schnapper, was hast du erschnappt?

Schnapper. Nichts!

Fangauf. Schlechte Zeiten! Nichts auf Weg und Steg!

Schnapper. Und in der Stadt gute Polizei. Der Teufel hol's! Wir müssen gar noch ein ehrlich' Gewerb' treiben.

Fangauf. Ist unser Gewerb' etwa nicht ehrlich?

Schnapper. Jedenfalls wird solche Ehrlichkeit, wenn man sie erwischt hat, an den Galgen gehängt.

Fangauf. Falsche Ansichten der Welt! Mißverständnis! Die großen Potentaten rauben ebenso wie wir.

Schnapper. Die werden aber nicht gehenkt, denn sie »erobern«.

Fangauf. Also kommt's nur auf den Maßstab an! Groß oder klein! Ergo sind wir nicht minder ehrlich als die großen Herren; denn wir sind Eroberer im kleinen.

Schnapper. Hast recht! Unser Herrgott kann uns grundehrliche Leute nicht verhungern lassen; denn wir sind ebenso ehrenhafte Kavaliere wie die Raubritter.

Fangauf. So ist's. Aber was schwatzen und faseln wir da? Mein leerer Magen sucht einen vollen Beutel, um klingende Münze gegen Naturprodukte umzutauschen. Seit zwei Tagen habe ich nichts gefressen, als traurig' Brot und stinkenden Käs'.

Schnapper. Und meine Gurgel empfindet seit gestern eine gewisse Sehnsucht nach stärkender Erfrischung; das reine Quellwasser ist ein gar fader Trunk.

Fangauf. Nun, so versuchen wir's heut wieder einmal, uns zusammen auf die Lauer zu legen. Eine halbe Stunde von hier kreuzt sich der Weg zur Stadt. Es wird uns doch eine arme Seele kommen, der wir den Gefallen tun können, ihre Taschen leichter zu machen!

Schnapper. Beim heiligen Merkurius! Zu zweien geht's vielleicht besser. Komm' laß uns gehen. Auf dem Kreuzweg hinters Gebüsch in den Graben! (Beide ab.)

(Kasperl tritt von der andern Seite ein.)

Kasperl. So, also jetzt bin ich frei wie die Spatzen auf'm Dach, aber 's Futter fehlt. Ich stehe sozusagen auf meine eigenen Füß', aber ich verspür', daß diese eigenen Geboine, von seite des nahrungs- und kraftstoffbietenden edelsten Körperteiles vernachlässigt, ihren Dienst zu versagen anfangen. Die vor kurzem genossenen einhalbpfündigen Bauernknödel sind bereits in den konservierenden Reproduktionsstoff verwandelt, und meine drei Kupferkreuzer haben mir noch nicht Gelegenheit gegeben, mich zu restaurieren; denn von drei Kupferkreuzer ist noch kein irdisches Wesen satt geworden, da sie hart verdaulich sind. Pfui Teufel! Das ist ein miserables Leben, der Freiherrnstand. Aber was fang' ich jetzt an? Müd und matt bin ich, hungrig bin ich, Durst hab' ich; da kann ich mich nur durch den Schlaf retten. Im Schlaf kommt vielleicht der Traum und bringt mir ein Kalbsbratl, nachher erwach' ich gesättigt; denn das Leben ist ja doch eigentlich nur ein Traum, wie ich bereits einmal in der Komödie g'sehn hab'. – Aber, was kommt da für eine elende Figur daher?

(Cuprus, der Berggeist in Gestalt eines alten Bettlers, wankt auf einen Stock gestützt herein.)

Cuprus. Sei mir gegrüßt, guter Mann!

Kasperl. Ebenfalls, guter alter Kraxler!

Cuprus. Ach! Ich bin so arm, so elend, daß ich mir gar nicht zu helfen weiß.

Kasperl. So? Also bist du der Greis, der sich nicht zu helfen weiß?

Cuprus. Ja, ich bin's, bin's, bin's! O schenke mir etwas, ich bitte dich, damit ich mir ein Stück trocken Brot kaufen kann. Ich bin dem Verhungern nahe; denn ich vermag mir nichts mehr zu verdienen, weil ich ein alter schwacher Mann bin.

Kasperl. Ich bin zwar kein alter schwacher Mann, sondern ein junger, starker, schöner Mann, aber ich befinde mich in einer ähnlichen Verlegenheit, was den Hunger anlangt, wie du, ehrwürdiges Möbel des grauen Altertums. Nichts hab' ich mehr als drei Kupferkreuzer (gerührt) – sie sind mein alles, wenn ich meine Gretl nit dazurech'n'.

Cuprus. O, schenke mir diese drei Kupferkreuzer! Sei barmherzig!

Kasperl. Oho! Willst du dir deine Zähn' dran ausbeißen?

Cuprus. Ich habe keine Zähne mehr! Der letzte plombierte ist mir vorgestern auch ausgefallen. Aber gib mir die Kreuzer, sie sind ohnedies mein Eigentum.

Kasperl. Was? Dein Eigentum? Das ist aber ein kurioser Einfall. Die letzten drei Kreuzer, die ich mir durch meinen außerordentlichen Fleiß verdient hab'?

Cuprus. Sei barmherzig! Gib sie mir, und dann werde ich dir beweisen, daß sie von Anbeginn an mein eigen waren.

Kasperl. Diese Andeutung versteh' ich zwar nicht, aber ich bin ein guter weichgesottener Kerl. Altes, armes ehrwürdiges, sich nicht zu helfen wissendes, zahnloses Individuum – (großartig in Positur) hier hast du die drei Kupferkreuzer!

(Donner und Blitz. Kasperl fällt auf den Bauch. Cuprus verwandelt sich in seine wahre Gestalt als Berggeist in rotglänzendem Kupfergewande.)

Cuprus. Steh' auf und fürchte dich nicht! Wisse, ich bin König Cuprus, Beherrscher dieser Gebirge, aus denen die Menschen Kupfer holen. Auch diese drei Geldstücke sind von dem Metalle, das mein Bergschacht in sich birgt. Aber es ärgert mich, und ich bin ergrimmt über die Menschheit, die mir mein edles Metall raubt, und deshalb hab' ich den Schwur getan –

Kasperl (zitternd). Einen Schwur?!

Cuprus. Ja, den Schwur, daß, wer in diesem Tal dem Kupferberge naht, das Kupfergeld, das er etwa bei sich trägt, mir geben muß, und wer es nicht tut, den in einen Kupferblock zu verwandeln.

Kasperl. Warum net gar in en kupfernen Kessel? Da könnten Sie gleich Bratwurst oder Zwetschgen drin sieden.

Cuprus. Einerlei. Dein gutes Herz hat dich gerettet und du sollst für deine edle Tat belohnt werden.

Kasperl. Belohnt? Nun ich hoff', daß ich aber einen besseren Lohn krieg' als beim Stoffelbauer.

Cuprus. Wenn du einen Wunsch hast, so soll er durch die Zaubergewalt, die wir Geister haben, in Erfüllung gehen.

Kasperl. Ein Wunsch? Ja, eigentlich hätte ich deren möhrererererere. Aber – wenn ich jetzt grad a paar Maß Bier und zwölf Paar Bratwürst haben könnt', so wär's nicht übel.

Cuprus. Besinne dich, wähle besseres; denn, wenn das Bier getrunken und die Würste gegessen – so hast du wieder nichts mehr.

Kasperl. Da haben Sie wieder recht, edler Kupfergreis. Lassen's mich a bißl nachdenken. (Er geht nachdenkend in großen Schritten auf und ab, wobei er sich an den Kulissen bisweilen die Nase anstößt usw.) Jetzt hab' ich's! Ich möchte eine Geigen haben, nach der alles tanzen und springen muß, so lang ich will.

Cuprus. Der Wunsch soll erfüllt werden, und dabei sollst du auch der größte Meister werden und durch dein Saitenspiel alles bezaubern. Und wenn du zu deiner Geige sagst: »Den Hupfauf!« – so wird alles tanzen müssen, so lang du die Weise spielst.

Kasperl. Aber mit Erlaubnis – ich hab' halt 's Geigen nicht gelernt; das wird a schöne Musik werden.

Cuprus. Dein Instrument, sobald du den Bogen in die Hand nimmst und die Saiten berührst, macht dich zum Meister der Kunst.

Kasperl. Juhe! das lass' ich mir g'fallen. Jetzt muß also alles nach meiner Geigen tanzen.

Cuprus. So ist es; aber mißbrauche deine Macht nicht; dann würde die Strafe deines Uebermutes unausbleiblich sein! Sieh, schon schwebt die Zaubergeige aus dem Gebirgsnebel zu dir herab.

(Musik und Geisterchor, während eine Geige in rosigen Nebelwolken herabschwebt.)

Chor (hinter der Szene).

Wundergeige, senk' dich nieder,
Zauberschrein der schönsten Lieder;
Wer vernimmt die mächt'gen Weisen,
Muß im Wirbeltanze kreisen,
Bis der Klang der Saiten schweigt.
Wundergeige, singe, singe!
Saitenspiel, erklinge, klinge!
Tönet Zaubermelodien:
Keiner soll der Macht entfliehen,
Der sein Ohr den Tönen neigt.

Kasperl (hat sich unterdessen niedergekniet).

Cuprus (hält die Hand segnend über ihn).

(Der Vorhang fällt.)

 
Zweiter Aufzug

Waldgegend.

(Jude Mauschl, der eine rotlederne Feldtasche umgehängt hat, tritt, eine Kuh am Stricke führend, ein.)

Mauschl. Is das doch a dumm's Volk, die Bauern; bin ich gewest beim Stoffelbauer in Kerchberg und hab'n gesogt: Was hab' ich ihm gesogt? – Hab' ihm gesogt: Stoffelbauer, willst du nit kaufen e Kuh in dein Stall; hab zu verkaufen e Prachtstück von einer Kuh, und die wird der geben, wird der geben alle Tag achtzehn Maß Milch, so wahr ich en ehrlicher Jüd bin. Und da hat der Stoffelbauer gesogt: Was hat der Bauer gesogt? – Hat er gesogt: Mauschl, wenn du mer bringst e solche Kuh, will ich der geben e guts Stück Geld davor. Und da hab' ich ihm gebracht die Kuh, die ich da am Strick hab', und er hat se gekaft um sechzig Gilden und hat se gestellt in den Stall zu seine andre Küh. Aber heut' in der Nacht, da's dunkel war wie in Aegypten bei der graußen Finsternis, da hab' ich mich geschlichen ans Haus, bin ich geschloffen durch das Hundsloch und hab' aufgemacht still und heimlich de Tür von inne raus im Stall und hab' mir wieder genommen mei' Kuh.

Kasperl (hat sich herbeigeschlichen und alles gehört).

Mauschl. Und jetzt will ich gehn in die Stadt und will verkofen die Kuh an en Schlächter, bevor se mich erwischen; aber ich will zählen mein Geld, was ich noch heut profetiert hab' zu de sechzig Gilden vom Stoffelbauern.

Kasperl (tut, als wenn er eben käme, laut). Ei, da is ja der Mauschl mit einer Kuh! Du hast gewiß wieder en guten Handel gemacht und en Bauern betrogen.

Mauschl (erschrocken). Ei, der Herr Kasperl! Beinahe wär' ich verschrocken. Was er aber gesogt, das muß ich mer verbitten, daß ich könnt' betrigen. Bin ich noch immer gewest en ehrlicher Jüd und hab gekaft die Kuh do vor mein guts Geld.

Kasperl. So, so! Das ist aber e schöne Kuh! Die sollst mei'm vorigen Herrn bringen, dem Stoffelbauer; der wird dir's gewiß gleich abkaufen und auch gut bezahlen.

Mauschl. Ei, was der Herr Kasperl sogt, das will ich auch probieren; bin grad auf'm Weg zum Stoffelbauer in Kerchberg und will'n fragen, ob er tut will haben das schöne Stuck Vieh.

Kasperl. No, da kannst mei'm vorigen Herrn an schönen Gruß von mir ausrichten.

Mauschl. Das will ich tun, so wahr mer Gott helf. Aber was hat denn der Herr Kasperl da vor e Strument? Hab' ich doch net gewußt, daß der Herr kann spielen auf der Vikolin?

Kasperl. Schau, Jud, du weißt halt gar viel net. Sollst aber gleich e schöns Stückl hören.

Mauschl. Werd mer machen e grauß Pläsier, und wenn er's kann, so spiel er mir was, das hat kaumpeniert der grauße Musikus der Majer-Bär, so ist gwest ach Ener von unsere Leut.

Kasperl. Na, da sollst du gleich den neuesten Bärentanz hören, den der Bär gemacht hat. (Er fängt an zu geigen).

Mauschl. Das is a grausig schöne Musik! Fährt's mir doch durch alle Glieder! O, graußer Majer-Bär! Was bist du für e Mann. Ist mir doch, als ob ich tanzen müßt und springen wie König David vor der Bundeslade. (Er fängt zu tanzen an.)

Kasperl. Wart' nur, Jud, es kommt immer schöner.

Mauschl (immer mehr springend). O, wunderschön! Wunderschön! O, Majer-Bär! O, David! – –

Kasperl. Jetzt kommt erst der Hupfauf! »Hupfauf!«

Mauschl. Gottes Wunder! Ist das en Entzücken. Aber ich kann bald nimmer; 's geht mer aus der Atem. – Auweih, auweih – ist das en Entzücken! (Er springt wie toll.)

Kasperl. So tanz' und spring' nur, miserabler Jud'! Warum hast du die Kuh wieder gestohlen, du Erzschelm, du Judas?

Mauschl. Auweih geschrie'n! Hören Sie doch auf mit der Vikolin! Ich mag ni–ni–nimmer ta–ta–tanzen. (atemlos.) Auweih! Ich geh kapores, kapo–po–po– pores!

Die Kuh (vom Strick losgelassen, läuft fort).

Mauschl. Auweih, meine Ku–Ku–Ku–Kuh! Muß ich mich tanzen zu Tod! (Er tanzt fanatisch.) Auweih, ich stirb, ich stirb! Ich fall' in die Ohnmacht! Aufhören! Aufhören! (Er fällt besinnungslos hin.)

Kasperl. So ist's recht. Vivat König Cuprus und die Geigen! (Er läuft hinaus.)

(Nach einiger Zeit schleichen Fangauf und Schnapper herein.)

Schnapper. Du, da liegt einer.

Fangauf. Der schlaft.

Schnapper. Nur ruhig! Vielleicht laßt sich was kripsen. Sieh' da, die Geldtasche wäre nicht übel.

Fangauf. Frisch dran! Aber vorsichtig. Wenn er sich rührt, dreh' ich ihm's Messer in den Leib. (Sie nähern sich Mauschl.)

Schnapper (nimmt ihm die Feldtasche).

Fangauf. Gut gemacht. Er schlaft wie ein Sack; das Leben schenken wir ihm!

Schnapper. Fort! Fort! Die Tasche ist höllisch schwer. Das war ein guter Fang. (Beide ab.)

Mauschl (rührt sich nach einigem Schnarchen und Seufzen). Wo bin ich? Waß ich nichts, als daß ich mich getanzt hab' zu Tod. Verfluchter Musikant, wo bist du hin? Kann ich nit rühren meine Bein'. Und wo ist mein' Kuh? Und (um sich greifend) und – und wo ist mein Geld! Find' ich nit mein Geld: Auweih! Ich bin e verlorner Mann. Hat mir der Halunk gestohlen mein' Tasch', und ist gewesen die Tasch' voll Geld. Auweih geschrieen! Ich bin kapores. Will ich laufen zum Richter in die Stadt, Gerechtigkeit, Gerechtigkeit will ich schrei'n! Gerechtigkeit! Mein' Tasch', mein' Kuh, mein Geld, mein Geld, mein' Tasch'! Gerechtigkeit, Gerechtigkeit! (Schwankt hinaus.)

Verwandlung

Gemach im Schlosse des Herzogs Richard.

(Herzog Richard tritt mit Hofmarschall Baron von Trüffel im Gespräch begriffen, ein.)

Herzog. Ja, mein lieber Hofmarschall, das Diner war heute vortrefflich. Ich bin, was meine Küche anlangt, sehr zufrieden mit Ihnen.

Trüffel. O, allzugnädig, Durchlaucht. Höchstdero Gewogenheit ist mir der schönste Lohn für meinen Eifer, Euer Durchlaucht zufrieden zu stellen. Ein Wort der Geneigtheit von Ihren Lippen macht mich glücklich.

Herzog. Gut, gut, lieber Baron. Nur sorgen Sie, daß die Sauce zum Ragout künftig noch pikanter sei.

Trüffel. Eine kleine Zugabe von Poivre Indien.

Herzog. Ja, Poivre Indien, Poivre Indien. Der reizt den Gaumen, und dann schmeckt erst der Champagner vortrefflich.

Trüffel. Darf ich untertänigst fragen, wie Euer Durchlaucht die neue Mehlspeise geschmeckt – der Reisauflauf à la Chinoise?

Herzog. Nicht übel, nicht übel; aber ein andermal ein bißchen mehr Konfitüre. Was ich sagen wollte? – Ja! Was haben wir heute für ein Theater?

Trüffel. Die neue Oper von dem alten Spontini.

Herzog. Ah ja, ich entsinne mich. Wir wollen wenigstens den ersten zwei Akten anwohnen, dann mit Prinzessin Amalie im blauen Kabinett soupieren.

Trüffel. Wie Euer Durchlaucht befehlen. Bei dieser Gelegenheit erlaube ich mir eine interessante Neuigkeit zu berichten.

Herzog. Nun, was gibt es Neues?

Trüffel. Sollte es nicht zu den allerhöchsten Ohren gekommen sein, wovon die ganze Stadt voll ist?

Herzog. Eh bien! – Sie machen mich neugierig.

Trüffel. Ein eminenter Virtuose auf der Violine befindet sich seit ein paar Tagen hier. Die ihn gehört haben, sind enchantiert, enthusiasmiert. Er wirkt Wunder auf seinem Instrumente.

Herzog. Was Sie mir sagen! Sehr interessant. Wie heißt der Künstler? Woher kommt er? An welchen Höfen hat er schon gespielt?

Trüffel. Er heißt Spagatini und erschien wie vom Himmel gefallen. Niemand weiß, woher er kam. Er behauptet, bisher nur als Privatmann gelebt zu haben, wird sich aber hier öffentlich hören lassen; möchte nur die Ehre haben, sich am Hofe produzieren zu können.

Herzog. Bravo, bravo! Das gibt eine hübsche Kammersoiree. Arrangieren Sie die Sache für morgen abend. Sie wissen, daß Musik meine Passion ist. Aber kommen Sie in mein Kabinett, wo ich Kaffee nehmen will. Da läßt sich noch darüber sprechen. (Beide ab.)

Verwandlung

Zimmer im Gasthof »Zum goldenen Stern.«

(Kasperl tritt aus einer Seitentüre ein, einen schwarzen Frack über seiner roten Jacke, überhaupt lächerlich kostümiert, seine Violine in der Hand, singt.)

Kasperl.

Jetzt bin ich ein gemachter Mann,
Wie einer nur gemacht sein kann,
Mit dieser Zauberviolin'
Reiß ich nur alles so grad hin.
Kaum lass' ich einen Ton erschallen,
Muß jeder in Entzücken fallen;
Die Zeitungen sind voll von mir
Und bin erst achtzehn Stunden hier.
Man spricht nur von dem Spagatini,
Und weiß nicht, daß der Kasperl bin i:
Bewundert von der ganzen Welt,
Füll' ich den Beutel mir mit Geld.
Die Damen fallen mir zu Füßen,
Billetten regnet's nur mit Küssen,
Und jede möchte mich zum Mann,
Weil ich halt so schön geigen kann!

Ja, ich bin ein gemachter Mann. Da sieht man, was man mit lumpige drei Kreuzer werden kann, wenn man's nur g'scheit anfangt. Die paar Mal, die ich in Wirtshäusern aufg'spielt hab', das hat mich schon berühmt gemacht. Eine Deputation von Ton- und andern Künstlern hat mir schon Aufwartung gemacht; heut' Abend will mir die Bürgerliedertafelsängerzunft ein Ständchen bringen, und die freiwillige Feuerwehr mich mit Eau de Cologne von unten herauf anspritzen; durchs Vorzimmer da draußen kann ich schon beinah nimmer durch vor lauter Visiten und Leut', die den berühmten Spagatini sehen wollen; in meinem Schlafkabinett liegen schon zwei Zentner Visitkarten und Billette Dux! (doux) – Alles wegen die drei Kupferkreuzer. Großer Kupferschmied – Kupfergeist wollt' ich sagen – Dank dir, du hast mein Glück gemacht. Und essen und trinken, grad nur was in mich hinein und wieder hinaus geht. Das ist e Leben! So bin ich auf die wohlfeilste Art ein Künstlergenie geworden. Deswegen hab ich auch meinen alten Namen abgelegt und mich von nun an Signore Spagatini genannt, weil der Paganini, der ein so großer Geigist war, Paganini geheißen hat. (Kellner stürzt durch die Mitteltüre mit einem Briefe herein.)

Kasperl. Was gibt's? Was will er?

Kellner. Großer, unsterblicher Spagatini! Das Publikum läßt sich nicht mehr halten, die ganze Stadt wird ungeduldig. Man will, – man muß Sie hören. Eine Deputation der Repräsentanten der verschiedenen Stände und Behörden ist draußen im Vorzimmer und bittet um Entschluß, ob Sie heute oder morgen Ihr Concert spirituel zu geben geneigt sind.

Kasperl. Sagen Sie der Streputation mit den Präsenten, daß ich von der Reise noch strapaziert bin und die Herren nicht empfangen kann. Nach meinem Frühstück werde ich Antwort sagen. Jetzt bring Er mir nur gleich zwei Maß Kaffee, drei Halbe Bier, eine Bouteille Wein, vier gebratene Hühner und ein Spanferkel.

Rufe (draußen). Spagatini lebe hoch! Vivat!

Kellner. Hören Dieselben, wie man im Vorzimmer Ihr Hoch ausbringt und Vivat ruft?

Kasperl (öffnet die Mitteltüre etwas und ruft hinaus). Ich danke. meine Herren, danke gehorsamst!

Stimmen (von außen) Hoch! Hoch! Hören lassen! Sehen lassen! Konzert geben! Bald! Bald!

Kasperl. Morgen abend, mein Konzert im Hoftheater!

Stimmen. Bravo! Bravo! Vivat Spagatini!

(Ein Riesenbukett wird mit andern ins Zimmer geworfen, das dem Kellner an den Kopf fliegt und ihn umwirft.)

Kasperl. Danke ergebenst, meine Herrn; gehen Sie jetzt nur ruhig nach Hause.

(Bravo und Gemurre draußen, der Lärm verliert sich.)

Kellner (aufstehend). Diesmal hat die Beifallsbezeugung mich getroffen. Hier aber öffnen Sie gefälligst das Billett, das ich Ihnen zu überreichen habe.

Kasperl. Ein Buillett? Lese Er mir vor; meine Augen sind von dem vielen Notenspielen etwas schwachmatt geworden.

Kellner (liest).

»Großer, göttlicher Spagatini!«
»Ihr Ruf ging Ihnen voraus – –

Kasperl. Was? – Wer ist mir vorausgegangen? Der Ruf? Den kenn ich gar nit.

Kellner. Ihr »Ruf«, – sozusagen ihr Renommee.

Kasperl. Renommee. – Les' Er weiter.

Kellner. »Aber als ich Sie sah, da war ich hingerissen –«

Kasperl. Wer? Sie? (Auf den Kellner deutend.)

Kellner. Nein, Sie oder Die, Diejenige.

Kasperl. Ah so!

Kellner. Ich fahre fort –

Kasperl. Was nit gar fortfahren; er muß mir ja das Buillett auslesen.

Kellner. Also: »war ich hingerissen, und mein Herz war verloren.«

Kasperl. Aber nein? Das muß man halt wieder suchen oder im Blatte ausschreiben.

Kellner. »Ich beschwöre Sie, schicken Sie mir eine Locke von Ihrem genialen Haupte!«

Kasperl. Oho! a Glocken soll ich ihr schicken! Ah – ich trag' ja keine Glocken auf'm Schädel.

Kellner. Eine Locke!

Kasperl. So? Eine Locke! No – auf en Büschel Haar kommt's mir nit an.

Kellner. Das Billett ist unterzeichnet –

Kasperl. Also eine Zeichnung ist auch dabei?

Kellner. Das heißt unterschrieben:

»Ihre Sie anbetende Karoline.«

Kasperl (begeistert pathetisch). Ha! Karoline! Violine! Krinoline? Das reimt sich; (gerührt) und wo ist denn diese Karoline? Ist sie sauber? Ha! Karoline! Violine! Violine! Karoline! – Hörns auf – bringen's mir mein Fruhstuck, aber auch ein' Salat mit zwölf harte Eier dazu.

Kellner. Sollen sogleich bedient werden.

Kasperl. Und wenn diese Karoline kommen sollte, so bringen Sie sie auch gleich mit. (Kellner ab.) Karoline, Violine. Karoline! Karolililine! Karolilinenelilililili . . . (Ab durch die Seitentüre.)

(Der Vorhang fällt.)

Dritter Aufzug

Saal im herzoglichen Schlosse bei Kerzenbeleuchtung.

Zwei Hoflakaien.

(Man hört aus dem Nebenzimmer Violinspiel. Beifallklatschen. Ungeheure Schlußkadenz. Wieder Beifall; »Bravo, Bravo!« Lärm und Stuhlrücken.)

Erster Lakai. Das Konzert ist aus.

Zweiter Lakai. Die Herrschaften sind alle wie toll.

Erster Lakai. Ich versteh' nichts davon, aber der Kerl kratzt wie närrisch auf seiner Geige.

Zweiter Lakai. Und das nennen sie »die Zukunftsmusik«. Weiß der Teufel, was das heißen soll.

Erster Lakai. Jetzt ist schon das zweite Hofkonzert. Die Prinzessin Amalie ist auch wie närrisch, als wär' sie in den Geiger verliebt; und er sieht doch wie ein Hanswurst aus, und sein Benehmen ist läppisch und täppisch. Mir scheint, daß er kein vernünftiges Wort reden kann. Holla, sie kommen! (Öffnet die Flügeltüren. Lakaien gehen ab.)

Es treten ein: Herzog Richard, Prinzessin Amalie, Hofdame von Nelke, Hofmarschall von Trüffel und Kasperl.

Herzog. Göttlich! Himmlisch! Herr Spagatini! Sie bezaubern wirklich.

Prinzessin. Welch ein Entzücken! Das sind Sphärenmelodien! Töne aus einer andern Welt!

Kasperl (ungeheuer vornehm). O! Sehr! Ja! Sehr!

Trüffel. Es sind wieder sechs Damen aus der Gesellschaft ohnmächtig hinausgetragen worden.

Hofdame. Ach! Wie wäre es anders möglich? Ihr Zauberspiel, Herr Spagatini, greift die Nerven fürchterlich an.

Kasperl. O, ich bitte; ich habe niemanden angegriffen.

Herzog. Aber wie Sie in die Saiten mit Ihrem Bogen greifen! Es ist unglaublich!

Prinzessin (höchst ergriffen, beiseite zu Kasperl). Göttlicher Mann! Wie hast du mein Innerstes bewegt!

Hofdame (von der andern Seite). Edler Spagatini, Sie wissen die Herzen zu fesseln!

Kasperl (vornehm). O, Fesseln! Ja! Ha!

Herzog. Aber lieber Spagatini; man hat Sie auch mit Beifall überschüttet, wie noch keinen.

Kasperl. Ich habe nichts gespürt von einer Ueberschüttung.

Herzog. Wie kann ich Ihnen meine Bewunderung dartun? Jedenfalls ernenne ich Sie zu meinem Ehrenkapellmeister und verleihe Ihnen den Orden der »Goldenen Leier«, den ich zur Belohnung an große Tonkünstler gestiftet habe. Ja, Spagatini, Sie sind von heute an herzoglicher Kapellmeister und Ritter von der goldenen Leier erster Klasse. Hundert Dukaten soll Ihnen mein Hofmarschall einhändigen für das Vergnügen, das Sie mir durch Ihre Kunst gewährt haben.

Kasperl. Die hundert Dukaten sind das G'scheiteste – (sich zusammennehmend) das heißt, wollt' ich sagen: die goldene Leier ist auch nicht von Holz, wenn das Gold echt ist.

Prinzessin. Schalkhafter Humorist!

Kasperl. Ich hab' immer an guten Humor, besonders wenn ich hundert Dukaten krieg'.

Hofdame. Auch Apollo hält eine goldene Leier im Arme, Sie sind ja so ein Apollo!

Kasperl. Mein Fräulein bulieben zu scherzen.

Hofdame (glühend). O, ich scherze nicht.

Prinzessin (beiseite zu Kasperl). Erhabener Zukunftskünstler! Nie hat noch ein Mann einen solchen Eindruck auf mich gemacht!

Kasperl. Wie? Eindruck? Druck? – O, ich verstehe! (Für sich.) Mir scheint, – mir scheint! Ihre Blicke! Ihre Augen! Ha! – Wenn das meine Gretl wüßte, ich krieget gwiß a paar Ohrfeigen. (Laut.) Durchlauchtigster Herzog! Meine Rührung, mein Dank verstummt! Die Gnade! die Leier! Der Kappelmeistertitel! Die hundert Dukaten! Wonne! Sonne! O – o – o!

Prinzessin (für sich). Wie groß steht er da!

Herzog. Meister! Was ich getan – ist nur billig und gerecht. Solche Kunst kann nicht mit Irdischem belohnt werden. Der Name Spagatini ist mit goldenen Lettern im Tempel des Parnasses eingeschrieben.

Kasperl. Was? Für die Nässen bedank ich mich. Naß will ich nit werden.

Herzog. Doch nun ist es Zeit, daß wir uns zurückziehen. Adieu! Gute Nacht, mein Kapellmeister und Ritter von Spagatini. Sie müssen wissen, daß mit Verleihung des Ordens auch der Hofadel verliehen ist. Morgen kommen Sie zum Diner. Ich lasse alle Kunstnotabilitäten zur Tafel laden. – Liebe Amalie, gute Nacht! Geh bald zu Bette; du wirst wohl auch aufgeregt sein von der göttlichen Musik. Bon soir, baronne de Nelke! Bon soir, Trüffel! (Durch die Seitentür ab.)

Kasperl (macht ungeheure Reverenzen).

Prinzessin (mit Betonung). Gute Nacht Spagatini! Gute, gute Nacht!

Hofdame (seufzend). O, daß ich noch einen Zauberton von Ihnen vernehmen könnte!

Beide Damen (ab mit zärtlichen Bewegungen und Blicken gegen Kasperl).

Kasperl. Ich habe die Ehre – (sich tief verneigend).

Trüffel. Schlafen Sie wohl, Herr von Spagatini! Ich kann Sie versichern, daß an unserem Hofe noch nie ein Künstler so ausgezeichnet wurde wie Sie. – Die Hofequipage steht bereit, Sie in den Gasthof zurückzufahren. (Ab.)

Kasperl (allein; geht heftig auf und ab; bleibt bisweilen stehen). Potztausendschlipperment, was ist das? Ich bin ganz konfus! Die Prinzessin? Die Hofdame? Sollte ich mich toischen? Die eine hat was vom Eindruck gesagt, die andere hat mich an Pollo genannt. Ha! (Hochdramatisch.) Sollte, sollte ich beide Herzen – – Ha! Furchtbar und vielleicht doch wahr? Zwoi Herzen auf einmal! Wahnsinniger Gedanke! Und diese hundert Dukaten! Diese goldene Leier! – Was werde ich heute im »Goldenen Stern« alles zu mir nehmen? – (In gewöhnlichem Tone.) Jetzt möcht' ich doch gleich einen Magen haben, wie'n Stoffelbauer sein Branntweinkessel oder wie die große Treberbutten! O Gretl! – Gretl! Vergib mir diese Stunde der Schwäche! – Aber einem Genie und besonders einem Zukunftsmusikgenie – wie man mich nennt – ist mehr erlaubt, als dem gewöhnlichen Individuumdum. Ha! Ich will die Stunde benützen. Im Hofgarten, vor dem Balkon – bei uns zu Haus »Laben« genannt – vor dem Balkon der Prinzessin, wo unten auch die Hofdame logiert, will ich diese Nacht noch meine Zaubergeigen im Mondschein ertönen lassen! Das gibt a Mordsgaudi! Ja, ich will schwärmen! Schwärmen und geigen, daß die Aepfel von die Bäum' fallen müssen und die Stern' vom Himmel. Jetzt erst weiß ich, was Liebe ist! Ha! Jetzt ist mir meine Zaubergeige nicht um Millionen feil. Jetzt erst steig' ich in die Tiefe des Abgrundes der Höhe des menschlichen Herzens. Jetzt erst bade ich mich im Herzblut der begeisterten Natur, und wenn die Mondscheibe zittert, seid umschlungen Millionen! Diesen Kuß der ganzen Welt! (Stürzt ab.)

Verwandlung

Garten am herzoglichen Schlosse.

Links ein Teil des Schlosses mit einem Balkon im ersten Stock. Darunter Eingangstüre, ein Fenster daneben. Nacht mit Vollmond.

Einige herzogliche Trabanten mit Hellebarden marschieren auf und singen die Runde machend mit Trommelbegleitung pianissimo den

Chor. Rumpedibum, rumpedibum,
Der Tag ist um, der Tag ist um,
Wir machen die Runde
In nächtlicher Stunde.
Habet acht, habet acht
Auf der Wacht, auf der Wacht!
Pum, pum, pum!

Rumpedibum, rumpedibum,
Bei der Trommel Gepum, bei der Trommel Gepum;
Wir sind die Trabanten,
Die stets vigilanten,
Gar mannhaft bewehrt
Mit Spieß und mit Schwert.
Pum, pum, pum!

(Ziehen vorüber.)

Prinzessin (erscheint auf dem Balkon, sie singt).
Holder Mond, du blickst so traurig
Auf mich nieder, und wie schaurig
Bebt mein Herz bei deinem Schimmer,
Sitz' allein ich in dem Zimmer.

Hofdame (erscheint unten am Fenster und singt).
Holder Mond, laß dich begrüßen,
Doch in Schmerz möcht' ich zerfließen;
Einsam, ach, in meiner Kammer
Fühl' ich tiefen Herzensjammer.

Beide (singen im Duett).
In dem blassen Mondenscheine
Steh' ich hier und weine, weine,
Und ich muß aus Langweil gähnen
Bei dem Rinnen meiner Tränen.

Prinzessin. Hör' ich nicht Schritte?

Hofdame. In des Waldes Mitte?

Prinzessin. Er ist's! Beim Sternenlicht!

Hofdame. Ist er's oder ist er's nicht?

Prinzessin. Ich hör' der Tritte Rauschen.

Hofdame. O könnt' ich mit ihm plauschen!

Beide (ziehen sich zurück).

Kasperl (in einen weißen Mantel gehüllt, tritt vorsichtig ein).

Jetzt will ich es probieren
Und etwas musizieren.
Beim Tone meiner Geigen
Wird sich wohl eine zeigen.
(phantasiert auf der Violine.)
Ich seh' schon Licht im ersten Stock,
Vielleicht kommt sie im Unterrock!
Zu eb'ner Erd' wird's auch schon hell,
Erscheinet wohl die Hofmamsell?

Ja, ich sehe Licht. Holder Mond, verdunkle dich!

(Eine Wolke verdeckt die Mondscheibe.)

Schlipperdibix! Jetzt seh' ich aber gar nix mehr und weiß nit, was unten oder oben ist. (Zieht sich etwas zurück.)

Herzog (im Schlafrock und Zipfelmütze tritt leise von der andern Seite ein). Was muß ich hören? Mein Kapellmeister wagt es, unter den Fenstern meiner Tochter ein Ständchen zu bringen? Verwegener, wie kann er es wagen? Ich werde meine Leibtrabanten holen, daß sie den Frevler arretieren. (Geht wieder hinein.)

Kasperl (tritt hervor). Holdselige Gestalt, neige dich herab! Beglücke mich durch deine Gegenwart! (Phantasiert wieder auf der Geige.)

Herzog (tritt rasch, von zwei Trabanten begleitet, heraus). Ha, verwegener, unverschämter Frevler! Packt ihn, Trabanten!

(Indem diese näher treten, geigt Kasperl stärker.)

Kasperl. Was, ihr wollt mich fangen? Warts nur a bißl; ich spiel' euch den »Hupfauf«.

(Der Mond tritt aus der Wolke.)

Herzog und die Trabanten (fangen zu tanzen an).

Herzog. Verfluchter Geiger! Trabanten packt ihn, packt ihn! Nehmt ihm die Geige! Holla, he!

Trabanten. Wir können es nicht, es dreht uns im Wirbel! Heraus! Heraus!

Trommelwirbel hinter der Szene. Es kommen andere Trabanten und Lakaien. Prinzessin Amalie und die Hofdame hüpfen aus dem Hause heraus. Alles tanzt wie besessen. Allgemeines Geschrei. Konfusion.

Kasperl (immer heftiger geigend).
So tanzt nur und springt!
Gute Nacht, gute Nacht!

Läuft fort. Allmählich fallen alle ermattet zu Boden. Die Töne der Geige verhallen, der Mond verschwindet.

(Der Vorhang fällt.)

 
Vierter Aufzug

Gerichtsstube.

Justizmaier, Stadtrichter, Pfiffikus, Gerichtsschreiber.

Justizmaier (blättert in Akten). Aber Herr Gerichtsschreiber, warum das Protokoll nicht aufgenommen, Ruhestörung im Hofgarten Seiner Durchlaucht des Herzogs gestern abend betreffend!

Pfiffikus. War noch niemand da von den Tumultuanten.

Justizmaier. Warum haben Sie noch niemand zitiert?

Pfiffikus. Es liegt nur eine Meldung vom Nachtwächter vor, der durchs Torgitter in den Hofgarten g'schaut hat.

Justizmaier. Recherchieren, recherchieren! – Das wäre Ihre Sache gewesen.

Pfiffikus. Der Nachtwächter hat sich den Fuß überstaucht und kann nicht aufs Gericht kommen.

Justizmaier. Fiat Kommission extra muros, in loco Protokoll aufnehmen und so weiter.

Lärm draußen; man hört Kasperls Stimme, der schreit und schimpft.

Justizmaier. Was ist das für ein unanständiger Lärm? Sehen Sie nach, Pfiffikus.

Pfiffikus (ab).

Justizmaier (allein). Dieser Pfiffikus ist doch ein rechter Esel; ich kann ihn beinahe nicht brauchen. Wenn er nicht eine so schöne unorthographische Schrift hätte, so hätt' ich ihn längst entlassen. Er schreibt aber so deutlich, daß man's kaum lesen kann.

Pfiffikus (wieder eintretend). Zwei herzogliche Trabanten bringen den Kerl, der gestern nachts den Spektakel im Schloßgarten angefangen hat, damit ihn Herr Stadtrichter vernehmen und abstrafen kann.

Justizmaier. Brav! Herein damit, das ist ein interessanter Fall. Ich hoffe, daß ein Reat von Majestätsbeleidigung dabei ist.

Pfiffikus (öffnet die Türe). Herein mit dem Arrestanten!

Kasperl (höchst ungebärdig und unbändig, wird von zwei Trabanten hereingeführt). Schlapperment! Das ist keine Manier, mich in aller Fruh aus'm Schlaf zu reißen und zu arretieren. Das laß' ich mir nit g'fallen. Ich bin der große Virtuos Spagatini. Das ist keine Behandlung für einen Künstler; Mordelement! (Schlägt furchtbar um sich.)

Justizmaier. Ruhig, mein Herr! Benehmen Sie sich anständig vor der Behörde. Sie sind in einem Amtslokale.

Kasperl. Ja, verdammts Lokale! Ich wär' lieber im Wirtshaus. – Wo ist meine Violin? Meine Violin will ich haben!

Justizmaier. Lassen Sie die Violine beiseite. Wir haben andere Dinge zu verhandeln.

Kasperl. Die Violin ist schon besaitet. Halten Sie 's Maul.

Justizmaier. Wenn Sie sich nicht anständig und ruhig betragen, so werde ich Sie an diese Bank binden lassen.

Kasperl. Was anbinden! Von solchen Verbindlichkeiten will ich nichts wissen. Ich bin schon ruhig und unanständig.

Justizmaier. Gut also. Die Herren Trabanten können abtreten, bleiben aber draußen vor der Türe stehen, für den Fall, daß wir ihrer bedürfen.

Trabanten (ab).

Justizmaier (zu Pfiffikus). Setzen! Protokollkopf: Praesentes. –

Kasperl. Wenn ich ein Präsent krieg', werd ich mich ganz besonders ruhig verhalten.

Justizmaier (zu Pfiffikus, der am Tische zu schreiben angefangen). Haben Sie?

Pfiffikus. Also! Ad Personalia! (Zu Kasperl.) Name?

Kasperl. Also! (Ihn nachäffend). Namen! Das heißt: wie ich heiß'?

Justizmaier. Nun ja! Name, Stand, Geburt, woher, wohin und so weiter?

Kasperl. Ich heiße Casperlino Berlicco Berlocco Violino Spagatini, Virtuosotaliano, Capellmeisterio, Ritter von der goldenen alten Leier, bin Kavalier und Baron auf Kunstreisen – –

Justizmaier. Halt! Diktieren Sie dies dem Herrn Gerichtsschreiber langsam in die Feder.

Kasperl. In die Feder sprizzieren? Das kann ich nicht.

Justizmaier. Ich verbitte mir alle Scherze. Sie sind ein Unruhestifter, ein Tumultuant nach Meldung des Nachtwächters.

Kasperl. Was? Ich hab' noch keine Stiftung gemacht und bin auch kein Skrupulant.

Justizmaier (zu Pfiffikus). Haben Sie das Bisherige zu Protokoll genommen? – Fertig? –

Pfiffikus. J–a!

Kasperl. Haben Sie denn ein' Esel zum Schreiber, weil der immer I–a, I–a sagt?

Pfiffikus (springt auf). Das verbitt ich mir! Das ist Amtsehrenbeleidigung.

Justizmaier. Ruhig, meine Herren! Nehmen Sie 's nur ins Protokoll auf, Herr Gerichtsschreiber.

Lärm draußen. Man hört den Juden Mauschl schreien: »Gerechtigkeit! Gerechtigkeit!«

Justizmaier. Was gibt's da wieder? Heute ist doch der Teufel los!

Mauschl (stürzt durch die Tür herein). Gerechtigkeit! Gerechtigkeit, Herr Richter! Ich bin a ruinierter Mann! Gerechtigkeit! Ist mer geraubt worden all' mein Geld und mein Tasch' von rotem Leder! Hab' ich verloren mein' Kuh! Gerechtigkeit! Gerechtigkeit!

Justizmaier. Verdammter Inzidenzfall! – Ei, das ist ja der Handelsjude Mauschl!

Mauschl (Kasperl erblickend). Gottes Wunder! Herr Richter, da ist auch der Dieb, da ist der Rauber, der Mörder! Da ist er. Gerechtigkeit des Himmels, du bist grauß und wunderbar!

Justizmaier. Wie? Was? – Ich kenne mich gar nicht aus in der Sache. Pfiffikus, legen Sie ein zweites Protokoll an. Mauschl, erzähl' er seinen Vorgang. (Für sich.) Die Sache wird kompliziert.

Mauschl. Will ich verzählen die Wahrheit, so mir Gott helf' – die reinste Wahrheit, was mir geschehen. Bin ich gegangen vorgestern auf der Straße nach Kerchberg, ist mir begegnet der Vikolinist do, hab' ich gehabt e Kuh am Strick, und hat mer gespielt der Vikolinist e Stück vom graußen Majer-Bär, und hat gespielt so schön und so lang, daß ich hab' tanzen und springen müssen, bis ich gefallen bin in die Ohnmacht.

Justizmaier (zu Pfiffikus). Haben Sie – »Ohnmacht«.

Pfiffikus. »Ohnmacht« – J–a!

Kasperl (nachäffend). I–a!

Justizmaier. Ruhig, Herr Malefikant! (Zu Mauschl.) Weiter!

Mauschl. Und wie ich wieder erwacht bin geworden aus der Ohnmacht, da war weg meine schöne Kuh samt'n Strick, und war weg meine rote Tasch' und all' die schönen Toler und Gilden, die ich gehabt hab' in der Tasch' und des muß mer alles genommen haben der boshafte Vikolinist – denn er ist gewesen fort.

Kasperl. Das ist alles verlogen. Der Jud' hat dem Stoffelbauer die Kuh g'stohlen, und da hab' ich ihm nur den »Hupfauf« aufg'spielt. Weiter weiß ich nix und hab' nix und will nix wissen.

Justizmaier. Der Sache muß man auf den Grund kommen. Jedenfalls liegen Verdachtsgründe vor. Herr Gerichtsschreiber, lassen Sie den Inquisiten abführen und in Verwahrung bringen; der Jude kann, bis ich ihn wieder vorrufen lasse, einstweilen ins Wirtshaus gehen.

Pfiffikus. J–a, sogleich.

Kasperl. Warum lassen Sie nicht dem Juden zum Abführen eingeben und nicht mich ins Wirtshaus gehen?

Justizmaier. Sie haben keine Bemerkungen zu machen. Fort!

Pfiffikus (führt beide ab).

Kasperl (mit drohenden Gebärden gegen den Juden).

Justizmaier. Jetzt ist's Zeit, daß ich zum Frühschoppen gehe; meine Kollegen werden schon lange beisammen sein. Es ist erschrecklich, ein Beamter hat doch kaum einen freien Augenblick zur Erholung! (Ab.)

Verwandlung

Gemach im herzoglichen Schlosse. Herzog Richard tritt mit Hofmarschall Trüffel ein.

Herzog. Also Spagatini ist vernommen worden und in Verwahrung gebracht?

Trüffel. Allerdings, Euer Durchlaucht. Mittlerweile ist er noch als Dieb verdächtigt, einen Juden auf der Landstraße beraubt zu haben.

Herzog. Schändlich! Solch ein musikalisches Genie und so schlechte Streiche.

Trüffel. Das kommt bei Musikern bisweilen vor.

Herzog. Gerne wollt' ich ihm die Extravaganzen von gestern abends verzeihen. So ein Phantasiegenie kann sich leicht begeistern; aber wenn sich der Raubanfall bestätigen sollte – kann ich freilich keine Begnadigung eintreten lassen. Jedenfalls werde ich, wenn die Akten geschlossen sind, meinen Staatsrat darüber vernehmen und will Spagatini selbst noch sprechen.

Trüffel. Wenn der Vorfall sich bestätigt, wird Spagatini ohne Zweifel zum Tode verurteilt.

Herzog (bewegt). Armer Spagatini! – Ach, warum bin ich nicht darauf eingegangen, als die Kammer mir die Aufhebung der Todesstrafe vorgeschlagen?

Trüffel. Solch ein Akt der Humanität wäre des edlen Herzens meines allergnädigsten Fürsten ganz und gar würdig gewesen.

Herzog. Habe ich doch die Prügelstrafe in meiner Armee abgeschafft. – Und noch nicht genug!

Trüffel. Der Grund lag vor, weil sich die Soldaten ohnedies schon genug im Wirtshause prügeln; warum noch eine Prügelstrafe dazu beibehalten?

Herzog. Dies war auch das Motiv zur Genehmigung. Genug davon. Apropos! Was macht Prinzessin Amalie?

Trüffel. Sie schlummert noch. Ihre Nerven scheinen beruhigt.

Herzog. Sobald sie erwacht, soll sie sich auf mein Jagdschlößchen im Sauparke begeben und einige Tage dort zubringen. Die Waldluft wird ihre Nerven stärken. Besorgen Sie dies, lieber Baron. – Und Fräulein von Nelke? Was macht sie?

Trüffel. Sie liegt fortwährend in Krämpfen und ist kaum zu beruhigen.

Herzog. Das arme Kind! Ich hoffe, mein Leibarzt hat sie in Behandlung. Der wird schon helfen. Adieu! (Ab.)

Hofmarschall Trüffel (allein, singt eine Arie).

(Melodie: »In diesen heiligen Hallen« aus der »Zauberflöte«.)

       

Wie ist der Fürst so weise,
So edel und so gut,
In seines Hofes Kreise
Ein jeder glücklich ruht.
Gerecht und weise mit Verstand
Regieret er das ganze Land.

Und alle Untertanen
Verehren, lieben ihn,
Wie sie geliebt die Ahnen,
Weil Segen sie verlieh'n.
Wen solch' ein Herrscher nicht beglückt,
Der wird durch gar nichts mehr entzückt.

(Ab.)

Verwandlung

Platz in der Stadt.

Stadtmauer, über welcher der Galgen sichtbar, der vor der Stadt errichtet ist.

Fangauf, Schnapper, die rote Tasche des Juden umgehängt.

Fangauf. Siehst du da draußen? Da steht er.

Schnapper. Wer?

Fangauf. Nu, mach' die Augen auf. Der Galgen.

Schnapper. Hui, mich gruselt's!

Fangauf. Ei was, gruseln! – Der Geiger wird gehenkt.

Schnapper. Armer Teufel! Jetzt sag' mir einmal, wo die Gerechtigkeit auf Erden ist? Er wird gehenkt und wir haben den Juden bestohlen.

Fangauf. Ende gut – alles gut! Wie oft hat nicht die Unschuld schon ins Gras beißen müssen für den Schuldigen.

Schnapper. Das gehört zu den Geheimnissen des Weltganges. Darüber ziemt uns nicht zu grübeln.

Fangauf. Nun ist nur die Frage, ob wir denn nicht schließlich auch baumeln müssen?

Schnapper. Wenn's an der Zeit wäre! – Still! Da kommen Leute. Wenn der Spektakel losgeht, besuchen wir den Richtplatz; da lauft der Plebs zusammen, und unsre Finger können im Gedränge was zu tun kriegen.

Fangauf. Recht so. Einstweilen hocken wir in die Kneipe da drüben und stärken uns mit einem Labetrunk.

Schnapper. Können vielleicht auch was mitspazieren lassen. Der Wirt hat silberne Löffel.

Beide (gehen ab).

Justizmaier, Pfiffikus, Kasperl, von zwei Trabanten geführt, treten ein.

Justizmaier. Nun, Monsieur Spagatini, jetzt hat Er ausgegeigt. Das Urteil hat Er vernommen. Es geht an den Galgen. Schon ist das Volk auf der Richtstätte versammelt.

Kasperl (der immer zittert und bebt und vor Angst stottert). Ich bin u–u–u–unschuldig. Machen S' keine Spa–spa–spaß mit mir.

Justizmaier. Die Justiz macht nie Spaß.

Kasperl. Aber, aber, aber, aber – das ist wirklich kein Spaß – der Spaß.

Justizmaier. Voller Ernst. Gerechtigkeit muß sein. Er hat den Juden beraubt – ergo muß er hängen nach Paragraph einhundertvierundachtzig.

Kasperl. Ich weiß von kei'm Pararrakrapfen was.

Pfiffikus. Ruhig! Still! –Soeben kommen Seine Durchlaucht selbst, um den Malefikanten noch zu besichtigen.

Kasperl. Der Spalefikant braucht keine Beschwichtigung.

Herzog Richard tritt auf, begleitet von Trüffel.

Herzog. Wo ist der Verbrecher?

Kasperl (fällt ihm zu Füßen). Zu deinen Füßen!

Herzog (erhaben und gerührt). Spagatini! Spagatini! – Nie hätte ich solches von Ihnen erwartet. O wie konnten Sie sich so vergessen? Sie – dem die Götter solch einen Genius eingehaucht.

Kasperl. O ich bin nicht versessen und habe den Fuß nicht überstaucht. Gnade! Gnade!

Herzog. Wie? Ich sollte einen Verbrecher begnadigen? – Nimmermehr! Es bricht mir zwar das Herz, aber –

Kasperl. O! es braucht Ihnen nichts zu brechen, aber eine Gnade können S'mir noch gewähren. (Für sich) Wenn er mir's Geigen erlaubt – rettet mich mein »Hupfauf«.

Herzog. Und welche Gnade verlangen Sie?

Kasperl (ungeheuer pathetisch). Wenn ich denn meinem verbröcherischen Ende entgögen gehen muß, – obgloich unschuldig – ha! – so wendet sich der Künstler an die Großmut der Gnade oder an die Gnade der Großmut! Noch einmal, vor ich störben muß, lassen Sie mich in die Saiten greifen!

Herzog (geht nachdenkend auf und ab, um sich zu besinnen). Was dem Verbrecher nicht gestattet ist – das sei dem scheidenden Künstler erlaubt. Es sei! Spielen Sie Ihren Schwanengesang.

Kasperl. Ha! ha! – Komme denn, Freundin! Traute, Holde, die du moin Löben versüßt hast!

Nach einer kurzen Kadenz spielt er den »Hupfauf«. Alle fangen an zu tanzen und singen »Trallala, trallala, trallala!« Nach und nach füllt sich die Bühne, indem die Prinzessin, die Hofdame, Mauschl, Stoffelbauer, die beiden Räuber aus den Kulissen heraustanzen. Alles singt »Trallala«. Ungeheueres Durcheinander. Donnerschlag. Die Bühne wird ganz dunkel, währenddem alle Personen bis auf Kasperl von der Bühne verschwinden; plötzlich von rotem Schimmer beleuchtet und in Wolken gehüllt erscheint Cuprus mit Gretl. Kasperl ist umgefallen.

Cuprus. Das Stück dauert mir schon zu lang. Ich habe längst auf die letzte Szene gewartet. Ich bin der Deus ex machina. Kasperl! Kasperl! Kasperl! Ich habe dich für deine drei Kupferkreuzer belohnt nach deinem eigenen Wunsche, dessen Erfüllung ich versprochen hatte. Aber die Uhr deines Künstlerlebens ist abgelaufen. Die Zaubervioline ist in deinen ordinären Händen zur gewöhnlichen Geige geworden. Falle zurück aus dem idealen Kunsthimmel auf die materielle Erde! Hier nimm deine Margareta.

Kasperl (auf die Knie fallend). Also werd' ich nicht gehenkt?

Cuprus. Nein! Umarmt euch und seid glücklich!

Gretl. Mein Kasperl, nun bist du mein!

Kasperl. Ja, Gretl, jetzt bin ich dein!

Cuprus (bei leisem Donner, höchst erhaben).

»Alles Vergängliche
Ist nur ein Gleichnis.
Das Unzulängliche,
Hier wird's Ereignis;
Das Unbeschreibliche,
Hier ist's getan!
Das Ewigweibliche
Zieht uns hinan!«

Verklärung.

(Der Vorhang fällt langsam.)


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