Franz Graf Pocci
Lustiges Komödienbüchlein
Franz Graf Pocci

 << zurück weiter >> 

Anzeige. Gutenberg Edition 16. Alle Werke aus dem Projekt Gutenberg-DE. Mit zusätzlichen E-Books. Eine einmalige Bibliothek. +++ Information und Bestellung in unserem Shop +++

Der Zaubergarten

Intermezzo in einem Aufzuge

(November 1872)

Personen

    Pomologus, Gartenbesitzer

Apfelsina, dessen Tochter

Professor Kräutlmayer, Botanikus

(Garten, reich an Blumen und fruchttragenden Obstbäumen. Springbrunnen.)

(Pomologus, einen Spritzkrug in der Hand. Apfelsina.)

Pomologus. Siehst du, liebe Tochter, wie das alles unter unserer Pflege gedeiht! Wie diese Fritiallaria herrlich blüht! (Ein großer Schmetterling. gelber Zitronenvogel, fliegt auf.) Unverschämter Bursche! Hast dich wieder satt gefressen? Hast du doch die Rosen gut aufgebunden, Kind? Die Teerose dort wird prachtvoll.

Apfelsina. Ich versäume nichts, lieber Vater. Du weißt ja, wie ich die Blumen liebe.

Pomologus. Bleibe nur bei den Blumen; von den Männern – das weißt du – halte dich ferne. Mir soll keiner an dich kommen. Du bist meine Tochter, du sollst bei mir bleiben; ich will nichts von einer Heirat wissen. Du mußt mich pflegen, wenn ich einmal gebrechlich werde. Ich bin zwar nicht mehr jung – denn 70 Jahre sind ein passables Alter – allein der Duft der Blumen erhält mich und stärkt mich; und wenn ich einmal sterben muß, so legt mich unter die Zentifolia; bei ihr will ich meine Seele aushauchen.

Apfelsina. Du sollst und wirst noch lange leben, teurer Papa.

Pomologus. Hat mein Prognostikon nicht gelogen, so werde ich wohl an die 100 Jahre erreichen.

Apfelsina. O gewiß, gewiß sollst du so alt werden.

Pomologus. Nun will ich noch die Rhododendren gießen, dann komme ich zum Frühstück hinein. Geh, und streich mir gute Butterbrötchen.

Apfelsina. Gleich, gleich, Vater. (Ab ins Haus.)

Pomologus. Wunderbares Blumenleben, mit dem ich innig verwachsen bin! Ach! lebte doch mein liebes Weib, die Zentifolia, noch! Der rauhe Sturm des Lebens hat sie so früh geknickt. In meinen Armen hat sie ihren Duft verhaucht. All ihre Blätter sanken auf mich und bedeckten mein Herz. Seit ich sie nicht mehr habe, bin ich selbst wie ein zerknickter Stamm und wenn ich meine Tochter Apfelsina nicht hätte, so würde ich bald verdorren. Darum soll sie auch bei mir bleiben. (Man hört am Hause schellen.) Wer schellt? Vermutlich ist es wieder jemand, der meinen Garten besichtigen will. Glaub's gern. Meine geheime magische Kraft macht freilich die Blumen blühen wie nirgend; aber die Lohnbedienten mit den Touristen fangen an, mir lästig zu werden. Ich werde mir künftig alle Besuche verbieten.

(Kasperl tritt unter Komplimenten ein. [Große grüne Botanisierbüchse umgehängt.])

Kasperl. Hab' ich die Oehre den berühmten Hortologen und Apfelhändler?

Pomologus. Wenn sie den Pomologus meinen, so sind Sie am rechten Orte.

Kasperl. Ganz gehorsamer Diener, Herr Dromologus.

Pomologus. Pomologus!

Kasperl. Allerdings, ohne weiteres.

Pomologus. Und wen habe ich das Vergnügen bei mir zu sehen? Sind Sie vielleicht Freund der Botanik? Naturkundiger?

Kasperl. O ja. Ich durchforsche sehr die Natur; in jeder Hinsicht und bin Naturspundiger, weil ich's Bier immer am liebsten hab', wenn frisch angezapft wird.

Pomologus. Dies ist mir nicht ganz verständlich.

Kasperl. Das kann sein, denn Sie werden auch nicht die Weisheit mit Löffeln g'fressen haben. O ja, sehr ja.

Pomologus (für sich). Der Bursche scheint mir nicht bei Trost. (Zu Kasperl.) Also – womit kann ich dienen?

Kasperl. Kurz und lang oder lang und kurz – ich bin Fumulus bei dem berühmten Topanikus Professor Kräutlmayer, der mich vorausgeschickt hat, um seine Fusite bei Ihnen anzumelden.

Pomologus. Ich kenne den Herrn Professor dem Namen nach; soll mich sehr freuen, seine persönliche Bekanntschaft zu machen. (Für sich.) Wieder so ein Quälgeist!

Kasperl. Wenn Herr Spromoligus erlauben, so werd' ich den Herrn Professor hereinholen. (Unter Komplimenten ab.)

Pomologus. Nun schnell zuvor noch zu Apfelsina, ihr zu sagen, daß sie sich nicht blicken lassen soll, während der Professor bei mir ist. (Ab.)

(Kräutlmayer, lächerliche pedantische Person, tritt ein, spricht berlinerisch.)

Kräutlmayer. Dies also nun der berühmte Jarten! Nich übel! Ist mir aber so ziemlich Nebensache. Es liegt mir vor allem dran, das hübsche Blümchen Apfelsine, des Alten Töchterchen zu sehen. Das wäre nu so'n Partiechen für mich. Ich muß nur den Papa 'n bißchen kirre machen, damit er in die Falle jeht. Die Tochter will ich schon rumkriegen, wenn ich alle meine Reize aufbiete. Er kommt!

Pomologus. Herr Professor Kräutlmayer!

Kräutlmayer. Allerdings! fühle mich außerordentlich beglückt, Herrn Doktor Pomologus von Anjesicht zu Anjesicht die Ehre haben, kennen zu lernen.

Pomologus. Bitte sehr! Mir hingegen sehr interessant, Sie bei mir zu sehen.

Kräutlmayer. Schon beim Eintritte in diesen bezaubernden Jarten war ich unjeheuer erjriffen. Sie haben ein Paradies jeschaffen! In der Tat 'n Paradies.

Pomologus. Was sie sehen und gutheißen, ist nur das Resultat sorgsamer Pflege. Ich habe Zeit dazu. Ich möchte Ihnen vor allem meine Serie der Rosen empfehlen.

Kräutlmayer. Oh, janz scharmant! Welch eine Reihe der schönsten Exemplare! Ich schmeichle mir, in meinem Jarten eine janz passable Auswahl zu besitzen, allein mit Ihnen kann sich wohl niemand messen?

Pomologus. Darf ich Sie einladen, mit mir einen kleinen Rundgang zu machen?

Kräutlmayer. Oh, vortrefflich, vortrefflich! (Beide ab.)

Kasperl (tritt ein). Das ist wirklich ein prachtvoller Garten. Die schönen Zwiefel! Und die Petersili zu die sauern Erdäpfel! Und einen Rettig, Radi genannt, hab' ich mir heimlich in' Sack gesteckt für heut abend zum Bier. Ach, das wird ein Genuß! – Potztausend! die herrlichen Aepfel- und Birnbäume! So hab' ich's aber noch nirgends g'sehen. Da mitten drinnen steht gar ein schöner! Was steht denn auf dem Taferl! (An einem mit großen Äpfeln behangenen Baum ist eine Tafel angebracht, auf welcher geschrieben: »Vor dem Genusse dieser Früchte wird gewarnt.«)

Kasperl (tritt an den Baum). Wär' nit übel? Was steht denn da für eine Dummheit? Oho! das ist nur eine Schikanederie. Da wird man lang fragen! Die Gemeinheit! Alles voller Aepfel – und nix davon essen? – Ich hab' einen infamen Durst. Man hat mir nicht einen Tropfen in diesem Hause opferiert, also einfach darauf angewiesen, friß Vogel, wo du kannst! Die Spatzen fragen auch nicht lang und ich bin doch besser als ein Spatz. (Reißt ein paar Aepfel herunter, tritt zugleich hinter Blumenbuschwerk, aus welchem er mit ungeheuern Eselsohren hervorkommt.) Solche Aepfel hab' ich in meinem Leben nicht verschnaboliert! so süß! so saftig! Jetzt muß ich nur schau'n, daß ich noch ein Stückl Brot dazu bekomm'; das wird mir doch einer von der Dienerschaft spendieren können. (Ab.)

Kräutlmayer (tritt entrüstet ein). Ne! Das ist denn doch jottlos! Kaum hatte ich 'n bißchen anjefangen, auf den Busch zu klopfen wegen der Tochter, ist der Alte wie'n Krebs rot jeworden, hat mir Jrobheiten jemacht und wir sind so an'nander jeraten, daß ich ganz echauffiert beiseite jetreten bin, bis sich der Alte kalmiert haben dürfte. Aber det muß ich jestehen: der Jarten ist reizend. Nich nur die Flora, auch das Obst ist janz scharmant. Da muß ich doch nu jleich von den Aepfeln dort 'n bißchen versuchen. Det is 'ne Jattung, die mir noch nich vorjekommen. (Geht an den Apfelbaum, tritt aus dem Gebüsche ebenfalls mit großen Eselsohren hervor.) 'ne janz neue Gattung! Sehr schmackhaft! Wenn sich der Alte 'n bißchen ausjetobt, werd' ich 'n ersuchen, mir 'n Zweigableger zum Pfropfen abzulassen. Nu ist's aber so heiß jeworden, daß ich mich 'n wenig da in den Schatten setzen möchte, um zu ruhen. (Setzt sich auf eine Gartenbank.) Ja, sehr – gute – Früchte das. (Allmählich einschlafend.)

(Apfelsina zeigt sich lauschend hinter den Blumenbüschen.)

Apfelsina. Er schläft. Wie ich merke, hat er von den verbotenen Aepfeln gegessen. Das macht mir immer Spaß, wenn ich es beobachten kann, wie die meisten der Versuchung nicht widerstehen. Nimmt sich gut aus, der Herr Botanikus! (Lacht laut.)

Kräutlmayer (erwachend). Was war das? Wer hat jelacht? (Erblickt Apfelsina, springt auf sie zu und hält sie fest.) Ah, da ist ja das schöne, schöne Blümchen! Nu laß ich Sie nicht mehr los.

Apfelsina. Lassen Sie mich.

Kräutlmayer. Ich habe mir vorjenommen, mir aus Ihres Vaters Jarten die schönste Blume zu holen.

Apfelsina. Ich will nichts von Ihnen wissen. Nur fort, oder ich mache Lärm! (Läuft schnell hinaus.)

Kräutlmayer. Halt, halt, mein Fräulein!

(Zugleich tritt Kasperl mit Eselsohren ein, lacht ungeheuer, wie er Kräutlmayer mit den Eselsohren erblickt.)

Kasperl. Aber, Herr Professor! Wo haben Sie die Ohren her?

Kräutlmayer. Was, was Ohren? – Ha, ha, ha! Ums Himmelswillen, was hast du denn anjefangen? Du bist ja 'n Esel jeworden.

Kasperl. Wollen Sie sich gefälligst an ihr Oberhaupt langen.

Kräutlmayer (greift nach seinen Ohren). Ne! Was ist denn das für 'ne Hexerei! Infam! (Läuft an den Springbrunnen und sieht in den Wasserspiegel.) Furchtbar! jräulich! Das ist 'ne Zauberei!

Kasperl. Sie nehmen sich aber außerordentlich hübsch aus.

Kräutlmayer. Und du, Bursche? Juck 'nmal dort in den Wasserspiegel.

Kasperl (sieht in das Wasser). Schlipperment! Die Teufelei! – No, wenigstens kann man sagen: Wie der Herr, so der Diener. Ich kann doch diese fatale Verlängerung unter meiner Zipfelkappen neinstecken, aber bei Ihnen geht das schon schwerer und Sie werden auf dem Löhrstuhle eine schöne Figur machen. Wissen's was, Herr Professor! da nehmen's Ihre große Papierscheere und schneiden's Ihnen den Kopfschmuck ab.

Kräutlmayer. Ich weiß jar nicht, was das für 'ne fatale Jeschichte ist; ich globe, 's ist nur 'ne optische Täuschung.

(Kasperl packt ihn an den Ohren und schüttelt ihn.)

Kräutlmayer. Impertinenter Bursche! Au, au!

Kasperl. Das scheint doch keine optische Täuschung zu sein.

Kräutlmayer. Schmählich! schmählich! Was fange ich nun an? Ich bin kompromittiert.

Kasperl. Ich bin auch komplimentiert.

Kräutlmayer. Verwünscht sei der Jarten und die janze Wirtschaft! Ich muß mich eben an Professor Nußbaum wenden, daß er mich operiere.

Kasperl. Das wird das gescheiteste sein. Aber achtgeben muß er, daß er Ihnen nicht auch eine Portion vom Hirnkasten abschneid't.

Kräutlmayer. Komm, laß uns fliehen!

Pomologus (hinter den Büschen hervortretend). Oh, bleiben Sie nur! Wo wollten Sie mit Ihrem Kopfschmuck hin, ohne verlacht oder verhöhnt zu werden? Verzeih'n Sie den kleinen Scherz. Jener Apfelbaum, der schon manchen Besucher meines Gartens angelockt hat, ist ein kostbares Exemplar, welches ich von meinen Reisen aus Indien gebracht habe. Wer von seinen Früchten genießt, hat die unangenehme Folge der Ohrenverlängerung zu erfahren. Allein – da läßt sich helfen. Versprechen Sie mir, Herr Professor, meine Tochter und mich mit Ihren Anträgen nicht mehr zu belästigen und Sie werden geheilt.

Kräutlmayer. Was will ich machen? Ich verspreche, was Sie wollen.

Pomologus. Gut. Begeben Sie sich gefälligst zu dem Springbrunnen und waschen Sie sich.

Kräutlmayer (tut's. Die Eselsohren verschwinden). Danke! danke!

Kasperl (geht pathetisch an den Brunnen). Unnatürliches Gewächs! (Steckt den Kopf unter das Wasser). Verlasse meine edle Physionomie! – Es ist jammerschad', daß nicht überall so a Zauberbrunnen steht. Da könnten gar viele Leut' ihre Köpf' waschen!

(Der Vorhang fällt.)

Ende des Intermezzos.


 << zurück weiter >>