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Frau Maria Luise

Im dämmrigen Raume, dem mächtig kühlen,
zwischen hochstirnig verbuckelten Stühlen
der Innsbrucker Kirche zum heiligen Franz
steht längslang ein seltsamer Totentanz.
Fürsten, Gelehrte und tapfere Helden,
von denen Sage und Chronika melden,
um die sich der Ruhm ihrer Taten geschildet,
stehn hier aus Eisen und Kupfer gebildet:
Der König Artus, der Dietrich von Bern
und viele der alten tirolischen Herrn:
Kaiser, Könige, weise Gelehrte,
mit Tugenden und Lastern beschwerte,
sodann noch etliche edle Frauen
sind hier unter heiligen Bildern zu schauen
und träumen hier bei braunen Kutten
und herunterlächelnden, süßen Putten
von schöneren Tagen, vergessenen Dingen,
von denen die Mönche nicht beten und singen.
Würden die nicht beim Danken und Flehn
vor Gott ihre Ohren mit Demut verstopfen,
sie hörten gewiß beim Vorübergehn
die ehernen Herzen der Statuen klopfen.
Ich gehe durch die Reihen hin,
versinke in moderndes Kämpfen und Lieben,
da les ich die Worte, in Eisen getrieben:
Frau Maria Luise, Königin.
Ich schaue zur Mutter Gottes empor,
die lächelt aus ihrem Strahlentor,
die heilige Agnes beim Seitenaltar,
Sankt Christophor mit dem struppigen Haar,
alle Engelsköpfe und Heiligenmienen
sind von unirdischem Glanze beschienen.
Und – – o strahlendes, wirkliches Wunder:
von seinem Kreuze steigt Christus herunter,
geht langsam auf die Statue zu
und küßt der ehernen Frau die Schuh.
Orgelklang braust durch die Kirche hin:
Frau Maria Luise, Königin!


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