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Häuser im Abend

Zusammengeschoben von des Abends Hand
lehnen die Häuser an der dämmernden Wand
des Himmels und lauschen mit steinernem Ohr,
was aus der werdenden Nacht tönt hervor.

Denn zu Beginn
des Gesanges der Sterne
bekommen die Mauern Gefühl und Sinn.
Und die Häuser, deren geduldige Quadern
den Menschenlärm tagsüber ertragen,
in ihren Traversenrillen und Adern
fühlen sie Wellen der Sehnsucht schlagen,
der Sehnsucht nach der Ferne.

Sie streben aus fesselndem Mörtelgefüge,
und sie erinnern sich der Zeit,
da sie, noch ferne der Stadt und der Lüge,
lebten in Wahrhaftigkeit.
Das Holz besinnt sich auf seinen rauschenden Wald,
der Pfeiler tragende Granit und Asphalt,
das Eisen, der Stahl und alle
zur Zier verwandelten Metalle
spüren in sich der Urwelt wilde Kraft,
brausen auf und stemmen sich gegen die menschliche Haft.
Alles ahnt es, alles weiß es,
daß dort im Dunkel des dämmernden Kreises,
im Schutze der Nacht, die Freiheit wohnt
und nichts in darbender Härte front.

Ein geheimes Regen beginnt
in den Häusern zu wachsen wie sturmnaher Wind,
knittert, ächzt auf, verdonnert, zerbricht ...
Da schleicht sich ein Menschlein zum Hebelstahl
der elektrischen Leitung, auf einmal
steht alles in Licht.
Und in der bleichen, grausamen Flut
verzischt der Häuser sehnsüchtig Blut.

Wieder stehen sie stumm und kalt ...
fern rauscht ein Strom ... fern singt ein Wald ...


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