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Als Angela über die Schwelle ihres Hauses trat, kam ihr wieder Alles anders und besser vor, und sie sah nun auch in der Hoffnung, diese Veränderung überall zu entdecken, auf jeden Gegenstand hin.

Nees war nicht im Zimmer und Angela eilte nach dem Lusthof, wo sie die Mutter wußte. Der Mittag war herangekommen; Brigitta saß unter der duftenden Linde und war in der warmen Luft und unter dem Summen der Bienen sanft eingeschlafen.

Nees saß vor ihr und hatte den Kopf in beide Hände gestützt – er sah fürchterlich entstellt aus und war auffallend blaß. Angela betrachtete einen Augenblick Beide – eine Stimme sagte ihr, ohne daß sie wußte, woher sie kam: dies ist nun wieder dein Lebenskreis – das sind die Menschen, denen du dich widmen sollst mit Allem, was an dir ist.

Still und freundlich ging sie auf Nees zu, und als er erschreckt in die Höhe fuhr, sagte sie sanft: »Nees, ich gehe nun nicht von dir – ich bleibe bei dir – und wenn du die Hand nicht an meine Seele legst, ist kein Grund, daß ich dich verlasse. Alle haben sich geirrt,« fuhr sie fort, als Nees sie schon weinend umschlungen hatte – , »das einfache Wort Gottes war ihnen und uns nicht gegenwärtig – aber Gott hat mich vor dem Falle bewahrt, ehe es zu spät war – wir müssen uns nun bemühen, recht gottesfürchrig zu werden.«

»Alles – Alles will ich werden!« rief Nees im kläglichen Ton – »Alles, was du willst, Angela – auch gottesfürchtig, obwohl ich ja bis jetzt nichts versäumte an meinem Kirchgange und der österlichen Zeit – aber wenn's noch was mehr giebt, auch das will ich noch thun – Alles – Alles, was du willst, wenn du nur bleibst, wenn ich nur nicht allein zurückbleibe!«

»Ich bleibe nun gewiß,« sagte Angela und richtete die Augen zum Himmel. – In Jakobs Antwort hatte sie Vieles verletzt – schwer war es doch, was ihr vorlag – ihre Erkenntniß hatte sie nicht glücklicher gemacht. Sie machte sich sanft von Rees los und kniete vor ihre Mutter hin und küßte ihre Hände und legte ihr Gesicht hinein – und betete.

Im selben Augenblicke ließ sich lautes Pochen an der Hausthür hören und Angela, die sogleich ahnte, wer käme, blieb ruhig liegen, und ihr Gebet war ein Flehen um Kraft; sie ließ mit aller Ruhe das Fernere kommen, sie hinderte Nees nicht, den sie aufspringen hörte und nach der Hausthür stürzen – eine wunderbar träumerische Ruhe fesselte ihr Gesicht in die Hände der schlafenden Mutter.

Der Hof füllte sich hinter ihr mit mehreren Personen – sie bewegte sich nicht. Erst als sie eine warme Hand auf ihrem Nacken fühlte, war der Zauber zerstört und sie blickte auf.

»So finde ich dich, Angela,« sagte Urica, die hinter ihr stand – »so hast du mich vergeblich auf den höchst wichtigen Bescheid warten lassen und weißt, daß wir abreisen und nur wenige Zeit bleibt zu so Vielem.«

»Es ist besser, daß ihr gekommen seid und die vornehme alte Dame dort auch,« sagte Angela ohne aufzustehen – »ihr findet mich auf der Stelle, wo ich bleiben werde und wir haben nur wenig noch zu besprechen.

»Wie?« rief die Gräfin von Casambort – »das ist deine Antwort? – deine Tante mit ihren Blutsrechten stößt du von dir und wählst freiwillig diesen Mann – freiwillig,« setzte sie zornig hinzu – »Erniedrigung?«

»Müßt ihr es so nennen?« sagte Angela und stand von ihren Knien auf, indem ihr Blick Nees suchte, der mit jämmerlicher Armersünder-Miene neben Herrn von Marseeven stand – »Tante,« sagte sie dann und trat mit einer Art neugieriger Besorgniß ihr unter die Augen – »Tante, seid ihr auch wohl recht gottesfürchtig?«

»Angela!« rief Urica erschrocken und erschüttert – »Angela, wie kommst du zu dieser dreisten Frage?«

»Ach,« sagte Angela – »daß doch Keinem von uns eingefallen ist, daß Gott zu entscheiden hatte bei dem, was wir vorhatten.« Ihre Augen streiften Herrn von Marseeven – ohne Vorwurf – und der feine, edle Mann glitt doch mit seinem gespannten Blick von Angela's ruhigem Auge ab.

»Was meinst du, Angela?« rief Urica – »ich bin nicht hier, um deine träumerischen unverständlichen Reden zu entwirren. Sprich offen – du siehst, deine Mutter ist erwacht – sie könnte unruhig werden.«

»Ach, meine Mutter!« rief Angela und kniete vor der Lächelnden auf's Neue nieder – du sollst deine Linde behalten, unter der du so sanft schläfst – du sollst wieder lachen, wenn deine Angela ihre Blumen pflegt. – Nein, nein, Tante,« sagte sie plötzlich, indem sie lebhaft aufstand – »sagt nicht wieder von erniedrigen – Gott läßt Keinen erniedrigen, der seine Gebote befolgen will. Aber vornehm wie ihr und die Gräfin und die liebe Frau von Marseeven, das werde ich nun nimmermehr, und unsere Wege gehen künftig weit ab.«

»Wie? wie?« rief Urica zürnend – »das soll nach all' der Liebe, die ich dir bewiesen, nach all' den Zugeständnissen, die ich dir ohne Rücksicht gemacht – mein Bescheid sein – damit sollen wir von einander getrennt sein – und dies hat Alles dein Mann in so kurzer Zeit bewirkt, als wir getrennt waren diesen Morgen?«

»Nein,« sagte Angela traurig – »das konnte der arme Nees leider nicht bewirken, und es gereicht mir wohl zum großen Vorwurf, das seine Verzweiflung mich so kalt ließ – aber er brachte mich doch durch Gottes Beistand auf den Gedanken, zu dem guten Pastor Harsens zu gehn, und als ich ihn hörte, da fiel mir alles Dunkel von den Augen, und ich sah es deutlich ein, daß ich mich nicht von Nees scheiden darf, da meine Seele nicht in Gefahr bei ihm ist und Hoffnung, daß ich ihn zum Guten führe.«

»Das ist ein Kerl!« schrie Nees in ungeschickter Freude laut auf und schlug sich knallend an die Beine.

Urica wendete sich verächtlich von ihm – er zog sich auch sogleich noch mehr zurück, denn er erboste sich, daß er sich so vergessen hatte.

»Das soll ich anerkennen?« rief Urica noch immer in gleicher Erregung – »das – was in dem Kopf dieses Pastors entstand, der von den Verhältnissen der Großen und der Welt nichts weiß, in seiner kleinen jämmerlichen Existenz.«

»Tante!« rief Angela – »er weiß aber, was drüber geht – er braucht ja nicht von den Vornehmen zu wissen – er weiß von Christus – was wollt ihr denn machen, was anders ist – macht ihr es recht und gut – wegen eures schönen veredelten Blutes und eurer hohen Verhältnisse, dann muß es erst recht nach Christus ähneln – und da der Pastor das eben so gut weiß – so weiß er Alles, denn in das Eine ist das Andere alles eingeschlossen.«

»Angela, was ist aus dir für eine hochmüthige Moralistin geworden!« rief Urica – »denkst du, deine Tante sei keine Christin? War das unchristlich, daß ich von Kindheit an um euch trauerte, Reichthümer sammelte, um einst euer Schicksal mit dem meinigen zu vereinigen? Verdiene ich deine Vorwürfe, weil ich nicht kalten Herzens aufgeben kann, was das Ziel und der Zweck meines ganzen Lebens war? Bin ich darum keine Christin?«

»Ach nein, liebe gute Tante!« sagte Angela – »Aber ihr habt jetzt auch nur genannt, weshalb ihr zu loben seid – weshalb euch der Pastor selbst gelobt – auch hat er euch um das, wo ihr fehltet, gar nicht getadelt. Ich habe nur aus seinen Worten, die das christliche Leben schilderten, erkannt, wo ihr und wir Alle nicht Christen waren – wo es sich um das Scheiden von meinem angetrauten Manne handelte, und da ich daraus und ihr Alle, wenn ihr ihn gehört, erkannt hättet, daß ich es nicht darf, so wurden alle andere Fragen auch zu nichts, denn ich muß auf der Stelle bleiben, wo Nees ist, und Gott wird mir helfen, sollte ich auch nicht recht glücklich mehr hier sein können, da so viel Erfahrung darüber weggegangen ist.« – Angela hatte diese letzten Worte mit wankender Stimme gesprochen – sie fühlte sich jetzt umfaßt, und Frau von Marseeven zog sie tiefgerührt an ihre Brust.

»Muhme Urica,« sagte sie – »dies einfache Herz hat richtig entschieden! Hüten wir uns, sie zu stören. – Gewiß werden wir grade um dieser Gesinnung willen Angela künftig mit Freuden als unsere Verwandte anerkennen dürfen – und es fürder für unmöglich halten, daß diese edelgesinnte Verwandtin in der Erniedrigung wäre, wenn wir sie auch nicht zu den äußeren Verhältnissen hinaufziehen können, zu welchen ihre Geburtsrechte sie bestimmten.«

»Kommt her, Urica,« fuhr Frau von Marseeven fort – als sie bemerkte, wie schwer es derselben wurde, ihrem zürnenden Herzen zu gebieten – »kommt her, Urica – nehmt Abschied von Angela – trennen müßt ihr euch jetzt, aber mit versöhntem Herzen und mit der Hoffnung, daß ihr aus der Ferne noch Gelegenheit haben werdet, wohlthuend auf dies edle Wesen einzuwirken.«

Urica stand mit verschränkten niederhängenden Armen, mit glühendem Angesicht die Augen auf den Boden geheftet, und die Strafe der Verwöhnung bedrängte jetzt ihr Herz, denn sie konnte gegen Liebe und Mitleiden dennoch ihren Eigensinn nicht überwinden.

Da stieß Angela plötzlich einen Schrei aus und Aller Augen folgten den ihrigen. Die arme Wahnsinnige hatte sich mit großer Anstrengung ein wenig erhoben und angelte wie ein Kind lächelnd mit ihren Armen nach der glänzenden Erscheinung Urica's – sie sank sogleich, unfähig sich zu erhalten, in ihren Sitz zurück – aber Urica's Trotz war damit gebrochen. Sie stürzte vor Brigitta nieder, umschlang sie mit beiden Armen und über ihr wunderschönes, nur noch Schmerz ausdrückendes Gesicht, was sie zu der Schwester aufgehoben hielt, stürzten Bäche von Thränen.

Die arme Wahnsinnige verstand Thränen so gut wie Lachen und hatte die richtige Empfindung dafür – zärtlich und geschäftig zog sie Urica's Schleier hervor und trocknete ihre Wangen und sah sie dann an, als wolle sie ihr den Kummer weglächeln. Aber Urica weinte fort, und die Arme küßte endlich ihre Stirn und blickte umher, als wolle sie Hülfe suchen.

Kein Auge blieb trocken bei dieser Scene und Angela kniete hinter ihrer Tante und streckte ihrer Mutter die Hände entgegen. Da wendete sich Urica, riß mit dem Ungestüm des hervorbrechenden Gefühls Angela an ihre Brust und kniete nun mit ihr vor der Mutter.

»Segne uns, segne uns, Heilige!« rief sie mit von Thränen halb erstickter Stimme – »segne uns! Angela, meine theure Nichte, bleibe hier – hier in dem Tempel, wo ihr Engelgeist thront – bleib! Der Dienst für diese Heilige kann keine Erniedrigung sein – ich werde dich vielleicht – zurückkehrend in die Welt, wohin ich mich gewöhnt – darum beneiden.«

Eine lange Umarmung versiegelte die Versöhnung beider Frauen. »Angela,« rief die Gräfin dann – »ich gebe dich frei deinen Pflichten zurück, ich scheide versöhnt und voll Achtung für dich – aber du behältst in mir einen Schutz, den ich ausüben will, auf welchem Punkt der Erde ich auch leben könnte. Wehe denen,« rief sie feierlich aufstehend – »wehe denen, die eine gewaltthätige Hand nach dir oder meiner Schwester ausstrecken könnten – meine Züchtigung wird sie erreichen. – Und euch, Muhme Marseeven, die ihr so tief und richtig hier den Werth unserer Verwandtin fühlt, und euch, Herr Oberschulze – euch mache ich zu meinen Stellvertretern an diesem Ort – in eure Hände werde ich Rechte und Mittel niederlegen, diese wehrlosen Frauen zu schützen gegen jede Unbill. Ihr – o ihr, Muhme Marseeven, ihr werdet zuweilen diesen kleinen Hof betreten – und dies Lächeln sehn – und diese treue Tochter ehren.« Laut weinend sank sie an den Busen der so feierlich Angeredeten.

»Ich werde, Urica – ich werde« – erwiderte Frau von Marseeven dann – »und mein Gatte wird thun, wie ich – wir werden beide euer Vermächtnis, ehren.«

»Angela, leb wohl!« rief nun Urica, sie mit dem zärtlichsten Ungestüm umarmend – »leb wohl – und Gott, der so mächtig in dir wirkt, sei dir gnädig.« Dann stürzte sie noch einmal vor Brigitta hin, küßte sie zärtlich und enteilte, ohne umzublicken, dem Hofe – aber in dem Augenblicke, als sie die Schwelle überschreiten wollte, fühlte sie sich gehalten. Angela war es; sie sah schüchtern flehend zu ihr auf – »und Nees,« stammelte sie leise – »und wollt ihr ohne Versöhnung fort von Nees, der mein angetrauter Gatte ist?«

»Angela, was forderst du?« rief Urica fast entsetzt zurückweichend – »wie soll ich ihm vergeben können?«

»Tante,« sagte Angela – »solltet ihr nicht jetzt eben ihm vergeben können, jetzt, wo ihr ganz mit Gott vereinigt seid? – denkt, daß es mein Gatte ist.«

»Thut es,« sagte Frau von Marseeven – »überwindet euch – reicht ihm die Hand zur Versöhnung.« Rasch wendete sich Urica – aber Nees war von der armseligen Rolle, die er in der ganzen vorangegangenen Scene gespielt hatte, so tief zurück in seine eigenste Natur niedergedrückt worden, daß seine tiefe Gemeinheit mehr wie je in seinem Aeußern ausgeprägt lag.

Er war nachgeschlichen, er grinste widerlich und trat von einem Fuß auf den andern, indem er mit den Händen auf seinen sammtnen Beinkleidern auf und niederstrich. Es war nicht möglich, gemeiner auszusehen, und obwohl Urica sich mit dem Entschluß umgewendet hatte, auch dies letzte Opfer zu bringen, hätte sie doch, als sie ihn vor sich sah, lieber das Leben gegeben, als ihren kleinen Finger in Neesens Hand gelegt. »Nein, nein!« rief sie fast entsetzt weiter eilend – »keine Gemeinschaft mit ihm – ich kann nicht! Ich kann nicht, Angela,« rief sie – »vergieb mir – ich will ihm verzeihen – aber erst laß Raum zwischen uns liegen. O, sieh nicht so traurig – ich will – ich will ihm vergeben, aber laß mich erst fort sein.«

Gefolgt von Allen, die sie hierher begleitet, enteilte sie nun dem Hause, wo sie Alles zurücklassen mußte, was sie mit so leidenschaftlichem Bestreben, sich zu gewinnen, gesucht hatte, mit der Ueberzeugung, darinnen den glücklichen Wahn der Unwissenheit gegen den angeregten Kampf mit Leiden vertauscht zu haben, die seine unschuldige Bewohnerin erst durch sie bestimmt war, kennen zu lernen.

Angela blieb mit Liebe und Zärtlichkeit im Herzen an dem Bilde der Enteilenden hängen, bis die letzte Spitze ihres Schleiers verschwand, und fühlte kaum, daß alle Andern sich achtungsvoll von ihr verabschiedeten, und das Herz that ihr weher, als sie es für möglich gehalten hatte, weil eine Sehnsucht darin einzog, die sie nicht zu nennen wußte.

Langsam ließ sie die schweren eichenen Thüren zufallen; ihr war es, als könnten sie sich nie wieder öffnen, als trennten sie sie von der ganzen Welt.

Voll Entsetzen aber fuhr sie zurück, als Nees jetzt angerannt kam und mit großem Geräusch die Thüren zuschloß, die Querbalken vorschlug und dann mit einem rohen Ausbruch von Freude in die Luft sprang. »Nun sind wir die ganze Sippschaft los,« schrie er, sich krümmend vor Lachen und Bosheit – »Nun komm, du gutes, altes Weib, nun sind wir wieder die Alten, nun wollen wir das Pack vergessen und auf unsere Hand lustig sein. Du bist ein pfiffig Weib, hast geredt wie der Priester auf der Kanzel – dachte ich doch, ich sollte ersticken vor Lachen, als die hochmüthige Frau Tante von deinen erbaulichen Reden so windelweich wurde, daß sie heulen mußte wie besessen. Das hattest du dir gut ausgedacht – wolltest du einmal gern bei mir bleiben, da gings nicht anders, du mußtest den Pastor drein mengen und schwatzen wie er selber von der Kanzel. Sieh, daß du so pfiffig warst, hätte ich dir nicht zugetraut – na, laß gut sein – brauchst dich nicht zu schämen,« fuhr er fort, da Angela wie in den Boden gewurzelt vor ihm stehen blieb und die tiefe Beschämung über die gemeinen Reden ihres Gatten sie fast bewältigte und das Blut nach dem blassen Gesicht trieb. »Sieh Schatz, eben wollte ich vortreten und wollte der Frau Tante meine Meinung sagen auf eine Weise, wo ihr zum Heulen noch das Zahnklappen gekommen wäre, denn natürlich kenne ich mein Recht und konnte die Sache besser einsehen, wie du; aber da hörte ich, wie du, kleine Schlange, deine Sache ganz gut machtest, und da war es meiner Würde passender, der hochmütigen Frau Tante gar keine Aufmerksamkeit zu schenken. Die Närrin,« schrie er nun, von der Erinnerung an ihren letzten Abschied gegeißelt, indem er wüthend umher zu hopsen begann – »bildet sich ein, ich werde ihr die Hand geben. Ich – ich! Nees hätte sie sich lieber abgehackt, als der Dame Hochmuth gegeben – solch ein Mann ist Nees nicht! Aha, mein Schatz,« schrie er immer heftiger – »siehst du die Balken vor der Thür? Das heißt: Hand ab. Hier kommt Keiner wieder herein, der seine gesunden Glieder lieb hat – Nees ist Herr im Hause – Nees hat jetzt die Erbin, das Geld und das Haus.« Er schlug ein lautes Gelächter auf, vor dem Angela zusammenfuhr.

Aber plötzlich sammelte sie ihren Muth – sie trat vor und faßte Nees stark am Arm – »Halt ein, Nees,« sagte sie kräftig – »stelle deinen Wahnsinn ein und entehre dich nicht selbst – ich dulde dein Geschrei nicht.«

So wie er Widerstand erfuhr, legte sich seine Wuth, denn seine Feigheit war noch stärker. »Nun – nun!« sagte er noch mit einem schwachen Versuch, grob zu werden – »Du thust ja sehr vornehm. – Hör', Angelchen, gewöhn' dir das nicht an! Siehst du – jetzt bin ich dein Freund und habe nichts dagegen, daß du bei mir bleibst – da du nun einmal die Liebe zu mir hast – aber nun betrage dich auch darnach, daß Nees zufrieden sein kann.«

»Ja,« sagte Angela – »ich will mich so betragen, daß Gott mit mir zufrieden sein kann – dann wirst du es doch auch sein.«

»Ach, laß das,« sagte er und faßte ihren Arm, nach dem Hofe zutrabend – »mit mir laß das Geschwätz, womit du die Frau Tante in die Flucht gejagt hast – bei mir machst du kein Glück damit, und ich werde böse, wenn du so altklug thust. Sei wieder das alte, lustige, rothbackige Weibchen wie sonst – bekümmere dich um Haus und Hof und lege Hand an die Arbeit, denn die Magd ist uns jetzt unnütz, wenn wir wieder für uns sind – da kommst du mit Allem wieder allein zurecht.«

Angela hatte kaum gehört, was er sprach. Sie war mit innerlichen, viel wichtigeren Entscheidungen beschäftigt – sie wollte nicht allein dulden – sie wußte jetzt, daß man eine Seele zu bewahren haben könne – und sie wollte die ihrige bewahren – sie wollte noch mehr: sie wollte auf Nees einwirken, daß er die seinige finden lernte, und sie hoffte eben einen Anfang gemacht zu haben, indem sie den Ausbruch seiner Wildheit hemmte – und empfand nun ein tiefes Bedürfniß nach Ruhe, um die ungewöhnliche Anstrengung von denken und sprechen, die sie an diesem Tage erfahren hatte, auszugleichen.

Nees aber beschloß zu tafeln – die arme Wahnsinnige äußerte auch ihre Neigung dazu, und so saßen sie bald Alle mit Susa in dem düstern Purmurandschen Saale vereinigt, und dem Beobachter hätte vielleicht nur bei Angela's stillem gedankenvollen Wesen einfallen können, daß es hier anders sei, als wenige Wochen früher – und doch konnte es nie wieder werden wie damals – doch war die Berührung mit dem Leben eine nachhaltige geblieben, und nur der konnte sie nicht zugleich für eine unglückliche halten, der die zufriedene Bewußtlosigkeit der Unwissenheit geringer hält, als die höhere Erkenntniß, die uns in den Kampf führt, der das Glück von dem geistigen Sieg in Gott abhängig macht.

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