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Moritz, Prinz von Nassau, hatte zwei völlig zu trennende Perioden in seinem einflußreichen Leben, und wenn die letztere nicht zu seinem Ruhme gereichte, dürfen wir doch dem Beginn seiner Laufbahn darum nicht minder unsere volle Bewunderung gönnen.

Prinz Moritz war der zweite Sohn Wilhelms I., des großen Befreiers der Niederlande, und verlor seinen Vater durch Meuchelmord, als derselbe 1584 eben nach Delft gegangen, um dort den Lohn seiner vieljährigen Mühen, die Statthalterwürde, zu empfangen. Von der katholischen Partei von Anfang bis zu Ende seiner großen Laufbahn verfolgt, waren die früheren Mordversuche, welche alle unter der Sanction der Geistlichkeit unternommen wurden, gescheitert, bis Balthasar Gerard, ein schwärmerischer Katholik, welcher von mehr als einem Priester zu dieser That die Absolution erhalten hatte, glücklicher als seine Vorgänger, die That vollbrachte.

Hier an der Leiche seines Vaters zeigte sich zuerst die edle Charaktergröße des Prinzen Moritz – er schwur: nicht Rache noch Haß gegen die Mörder desselben zu tragen, sondern treu und fromm dem ruhmvollen Beispiele seines Vaters zu folgen!

Der Mord Wilhelms I. war der vom Prinzen von Parma wohlüberlegte erste Schritt zu der nun mehr und mit der Hoffnung auf bessern Erfolg neu beginnenden spanischen Feindseligkeit gegen die vereinigten Provinzen. Seine erneuten Vorschläge zur Unterwerfung wurden mit Energie zurückgewiesen, und jetzt trat die Gewalt der spanischen Waffen an die Stelle der Unterhandlungen und die Provinzen hatten ihr kein Heer entgegen zu stellen.

Flandern unterlag zuerst! Bald erfolgte die Uebergabe von Ypern und Termonde; Gent ward durch Hunger bezwungen; Mecheln und endlich auch Brüssel, durch Widerstand erschöpft, folgten dem Beispiele der Unterwerfung. So hatte sich Spaniens Macht, ehe ein Jahr nach dem Tode des großen Wilhelm von Oranien verflossen war, über ganz Flandern und die das heutige Belgien ausmachenden Provinzen verbreitet, ohne daß diese unterjochten Länder von ihrer Schwäche und ihrem Mangel an Aufklärung größeren Vortheil gezogen, als die zum Widerstand und Untergang entschlossenen Nachbarprovinzen.

Diese stellten an die Spitze ihrer wohlgetroffenen Maaßregeln den jugendlichen Prinzen Moritz von Nassau, da der Prinz von Oranien, sein ältester Bruder, noch immer als Gefangener in Spanien zurückgehalten wurde. Ihm zur Seite ernannten sie den Grafen von Hohenlohe als General-Statthalter, fest entschlossen, eines Sinnes, die Macht des jungen Freistaates zu befestigen.

Aber ihr Heer von 5500 Mann stand der spanischen Armee von 80,000 Mann gegenüber und sie mußten daher auswärtige Hülfe suchen, die ihnen sowohl Heinrich IV. von Frankreich, als England unter Elisabeth mit seltener Schnelligkeit gewährten.

Auf den Rath Olden Barneveldts ernannten jetzt die Stände den Prinzen zum General-Statthalter, General-Capitain und Admiral von Holland und Seeland, und Barneveldt wurde zu der Stelle eines Pensionärs von Holland erhoben.

Unter den Mißhelligkeiten, welche die englischen Befehlshaber der Hülfstruppen und persönlich der Graf von Leicester veranlaßte, entwickelten sich die glänzenden Eigenschaften des Prinzen Moritz, die ihn in die ruhmvolle Laufbahn einführten, welche seinem Vaterlande die Unabhängigkeit und ihm selbst die höchste Stufe kriegerischen Ruhmes sicherte.

Er versuchte sich gegen die größten Feldherrn mit gleich großer Fähigkeit, und wenn ihn der Sieg nicht überall krönte, beeinträchtigte dies bald nicht mehr seinen Feldherrnruhm, welcher durch einen festen, rasch entschlossenen Charakter gestützt wurde, der selbst unter entschiedenen Widerwärtigkeiten, Niederlagen und allen Drangsalen des Krieges immer wieder Hülfsmittel fand, um das große Ziel nicht zu verlieren, nach welchem, mit ihm vereinigt, seine edlen Mitbürger rangen.

Und dies Ziel war die Freiheit und Unabhängigkeit des Vaterlandes – und als er es mit ihnen erreicht, wurde er der Feind seines eigenen Werkes und lehrte der Geschichte auf's Neue die traurige Wahrheit, daß die Umstände die glänzendsten Tugenden in die ihnen entgegengesetzten Laster umwandeln können, zwischen welchen beiden keine menschliche Weisheit eine entschiedene, unüberschreitbare Grenzlinie zu ziehen vermag.

Moritz – fast in allen seinen Handlungen gegenüber – stand Olden Barneveldt, einer der ächtesten Patrioten, die je oder irgendwo existirt haben und – mit Ausnahme Wilhelms, des großen Prinzen von Oranien – der ausgezeichnetste Bürger, der die Annalen der Niederlande ziert. Hundert Federn sind thätig gewesen, diesem Edlen zu huldigen. Jede That seines Lebens hat seiner Größe ein Denkmal errichtet und sein Tod war, obgleich auf andere Weise herbeigeführt, als der Wilhelms, dennoch, wie jener, ein Märtyrertod für die Freiheit seines Vaterlandes.

Wir dürfen uns nicht auf die ausführliche Erzählung von Thatsachen einlassen, welche im Verlauf mehrerer Jahre Moritz und Barneveldt in beständig feindliche Berührung zu einander brachten. Lange nach dem berühmten Abschluß des zwölfjährigen Waffenstillstandes, der so hauptsächlich den Bemühungen des Letzteren zu verdanken war, erschienen alle inneren Angelegenheiten der Republik unbedeutend gegen den Streit des Statthalters mit dem Großpensionär.

Wir haben schon erwähnt, daß die bewegteste Frage des Landes der heftige Streit zwischen den theologischen Professoren Gomarus und Arminius war, welcher eine Parteifrage geworden, hinter der sich die beiden mächtigen Widersacher verbargen, um die eignen Interessen gegen die des andern durchzuführen. Leider müssen wir hier bekennen, daß bei jedem dieser Streitpunkte das Unrecht auf Seiten des Prinzen war, jeder dem edlen Barneveldt zur Ehre gereichte.

Wir haben bereits das schauerliche Ende dieses Streites erwähnt, welches ein dunkler Punkt in der Geschichte der Menschheit bleibt und dem großen und berühmten Namen des Prinzen Moritz einen ewigen Makel zugegeben hat.

Nachdem der ehrwürdige Feind seiner Pläne nun gefallen war, trat er mit seinem Streben nach unumschränkter Alleinherrschaft öffentlich auf, und durch den Tod seines Bruders, der keine Kinder hinterlassen, Prinz von Oranien, benutzte er seine vergrößerte Macht einzig zur Verfolgung seiner ehrgeizigen Pläne. Mit Hülfe seiner Truppen bemächtigte er sich der Städte, setzte Obrigkeiten ab, trat alle von den Vorfahren vererbten Rechte der Provinzen mit Füßen und verkündigte laut seine Absicht, die Bundesverfassung über den Haufen zu werfen. Seine Vermessenheit schüchterte die Generalstaaten ein und sie willigten nicht allein in die Auflösung der Miliz, sondern statteten ihm dafür einen Dank ab.

Prinz Moritz hatte ohne Hindernisse die Früchte seiner ehrgeizigen Vermessenheit geerndtet. Seine Gewalt war unumschränkt, fand nirgends Widerstand, ward aber vom Volke gehaßt, nur die Furcht, vielleicht auch die bekannte Mäßigung der Arminianer oder Remonstranten, wie sie jetzt genannt wurden, hielt den Ausbruch der Privatrache zurück.

Doch bildete sich mitten in dieser anscheinenden Ruhe eine tiefgelegte Verschwörung gegen das Leben des Prinzen. Beweggrund, Leitung und Ausgang erregten sehr entgegengesetzte Gefühle.

Nicht wie früher wurden die Urheber verwünscht und ihre Bestrafung gebilligt, und in den schüchtern geäußerten Tadel mischte sich das Mitleid; denn die Anstifter dieses Complotts waren die Söhne Barneveldts – Wilhelm von Stoutenberg – Renier de Gröneveld – die den schmählichen Tod ihres Vaters rächen wollten.

Renier war ein ungestümerer Charakter als sein Bruder Wilhelm und der Thätigste in der Verschwörung. Statt ihren Haß zu mildern, hatte Moritz diesen Brüdern ihre Aemter genommen, so daß zu ihrem Haß die Erbitterung über die Zerstörung ihrer bürgerlichen Stellung hinzukam. Bei der allgemeinen Unzufriedenheit fanden sich bald Mithelfer; sieben bis acht entschlossene Männer vereinigten sich mit ihnen. Anfangs wollten sie den Angriff auf den Prinzen zu Rotterdam unternehmen; doch bald bestimmten sie für die That das unfern vom Haag gelegene Dorf Ryswick, und die Absichten der Verschwörer beschränkten sich nicht auf den Tod des Prinzen von Oranien allein. Während der Verwirrung, welche der Erfolg des ersten Streiches erzeugen mußte, wollten die Hauptverschworenen zu Leyden, Gouda und Rotterdam, in welcher letzteren Stadt die Remonstranten am zahlreichsten waren, gleichzeitige Aufstände erregen. Sie hielten sich fest überzeugt, daß dies in ganz Holland eine Revolution zuwege bringen und so das Land ihnen seine Freiheit zu danken haben würde.

Allein bei aller Umsicht und Ausdauer der Verschworenen sollte ihrem Plane kein besseres Schicksal, als das so vieler andern zu Theil werden. Die Helfer, die sie unter den geringeren Ständen suchen mußten, hatten kein Bewußtsein für den Endzweck ihrer Anführer. Vier Matrosen eilten am Abend vor der Ausführung nach dem alten Schlosse Ryswick, wo der Prinz sich befand, und entdeckten, unter der Bedingung höheren Lohnes, als ihnen von den Verschworenen versprochen war, das ganze Complott. Man ergriff augenblicklich die geeignetsten Maaßregeln zur Ergreifung der Mitschuldigen. Mehrere wurden gefangen; Gröneveld hatte in Fischerkleidern seine Ueberfahrt nach England fast bewirkt, als er auf der Insel Vlieland erkannt und festgenommen wurde. Funfzehn Menschen bluteten in Folge der Entdeckung dieser Verschwörung. Wenn es jemals einem Menschen geziemt hätte, Gnade zu üben, so ziemte es Moritz bei dieser Gelegenheit; aber er blieb unerweichlich wie ein Stein.

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