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Der Buddhismus und die indische Kunst

Der Buddhismus ist die Frucht eines Wachstums. Der Diamantenthron ältester Offenbarung ist in dem ihn heute umgebenden und von späteren Baumeistern errichteten Labyrinth gigantischer Pfeiler und weitläufiger Säulenhallen nur schwer auffindbar. Jeder hat dem Glaubensgebäude seinen Teil hinzugefügt. Keine Generation ist an ihm vorübergegangen, ohne von sich aus Steine und Ziegel zum Ausbau des gewaltigen Daches herbeizutragen, das, ständig wachsend wie der heilige Bodhi-Baum, der Menschheit immer breiteren Schutz gewährt. Wie in Buddhagayâ liegt auch hier das Symbol der Geburt Buddhas im Dunkel der Jahrhunderte verborgen. Blumengewinde der Liebe und Andacht haben sein Bild umwuchert, und Hochmut und frommer Betrug zahlreicher Sekten die Wasser des ihn umwogenden Ozeans nach eigenem Willen so gefärbt, daß es heute fast unmöglich ist, die einzelnen Rinnsale und Strömungen zu unterscheiden, die vordem alle in das große Meer mündeten. Und doch liegt gerade in ihrer Anpassungsfähigkeit und Dehnbarkeit die Größe dieser Organisation, die nicht nur ganz Ostasien umspannt, sondern bereits in alten Zeiten ihr Samenkorn bis zur syrischen Wüste trug und dort zum Blühen brachte, um dann später als Christentum die ganze Welt in den Duft der Liebe und Entsagung zu hüllen. Die vielerlei Gestalten, die des Meisters Gedanke, ähnlich den Regentropfen, die in den verschiedenen Klimaten die mannigfaltigsten Blütenformen zum Leben erwecken, bei seiner Berührung mit den Völkern und Jahrhunderten annahm, sind in ihrer richtigen Entwicklungsfolge schwer zu analysieren und zu beschreiben. Denn Asien ist groß, Indien allein schon größer als ganz Europa westlich der Weichsel; und die dreiundzwanzig indischen, dreizehn japanischen und zwölf chinesischen Schulen sind neben den zahllosen Unterabteilungen, in die neuere Gelehrte die verschiedenen Formen des Buddhismus einzuordnen belieben, eher räumlich als zeitlich miteinander verwandt. Schon die Unterscheidung »nördlicher« und »südlicher« Buddhismus deutet an, daß dies zum mindesten auf die zwei wichtigsten Formen der Lehre zutrifft.

Bei Religionen, die sich auf einen bestimmten Gründer zurückführen lassen, sind ohne weiteres zwei wesentliche Elemente zu unterscheiden, – einmal die überragende Gestalt des Meisters selbst, die, je länger die Jahrhunderte ihr Licht im Glanze seiner Persönlichkeit widerspiegeln, an Helligkeit gewinnt, und dann der historische oder nationale Hintergrund, aus dem heraus er in die allgemeine Vorstellung tritt. Suchen wir uns in die dem Individualitätsbewußtsein eigenen psychologischen Voraussetzungen zu vertiefen, so werden wir gar bald zwar nicht auf eine Antithese, wohl aber auf einen gewissen Gegensatz zwischen dem Lehrer und seiner Vergangenheit stoßen. Die nach ihm dem sozialen Bewußtsein fehlenden Elemente seiner Erkenntnis wird er am nachdrücklichsten verkünden; aber seine Botschaft wird nur insofern ihre volle Bedeutung erlangen, als sie sich auf eben dieses Bewußtsein stützt. Es ist darum auch durchaus möglich, daß sich eine Glaubenslehre, losgelöst von ihrem Gründer und ihrer natürlichen Umgebung, verständlich macht und bis zu einem bestimmten Grade auch weiterentwickelt, ohne dabei abwegig zu werden, wobei sie indes, äußerlich genommen, mit einer anderen Gedankenrichtung in Widerspruch geraten kann, die nicht nur ebenso authentisch ist, sondern dem ursprünglichen Gefühlskomplex sogar weit mehr entspricht. Jeder, der den Beziehungen des Heiligen zum indischen Volke nachgegangen ist, wird die Richtigkeit dieses Gesetzes erkennen. In Indien werden die erstaunlichsten Selbstverneinungen als natürliche Beweise der Selbstbefreiung hingenommen und üben eine ungeschwächte Wirkung auf das Volk aus, ohne dabei auch nur im geringsten die Stufen ruhiger Erfahrung zu erschüttern, deren Ergebnisse sie sind. Alle Inder wie Inderinnen sind bereit, dem ersten besten Pilger zu Füßen zu fallen, der eine Eingebung gehabt haben will und ihnen erzählt, daß Gott sich nicht versinnbildlichen lasse, und daß das Wort an sich schon eine Begrenzung sei; um nachher als natürliche Folge Wasser auf den Kopf des Çiva-Lingam zu gießen. Wenn es uns nicht gelingt, den Schlüssel zur Erkenntnis dieser beiden Gegensätze zu finden, werden wir auch die Beziehungen des nördlichen und südlichen Buddhismus zueinander niemals völlig verstehen lernen. Unmöglich kann man die eine oder die andere Richtung als die wahre bezeichnen. Einerseits hören wir im engeren Raume des südlichen Buddhismus das Echo der großen Stimme aus der Wüste tönen, die aus völliger Einsamkeit allen denen zuruft, so nichts wissen von ihrem Woher und Wohin; anderseits zeigt Buddha sich in der nördlichen Schule in seiner wahren Relativität als Krone der religiösen Erfahrungen seines Volkes. So gleicht denn der nördliche Buddhismus einer gewaltigen Bergschlucht, durch die alle Geistesströmungen Indiens ihren Lauf nehmen und sich über die Welt ergießen; und die Behauptung, Kaschmir sei der Hort der reinsten Lehre, ist, mag sie nun im gewollten Sinne zutreffen oder nicht, doch von einer eigenen, unerbittlichen und tiefer liegenden Wahrheit, als die Worte auf den ersten Blick erkennen lassen.

In beiden Auslegungen verkündet das Evangelium Buddhas vornehmlich die Freiheit der Seele, und die es vernahmen, waren die befreiten Kinder des Ganges, die in ihrem Mahâbhârata und ihren Upanishaden bereits in vollen Zügen von dem reinen Absoluten getrunken hatten. Allein erhabener noch als ihre Philosophie, hören wir die göttliche Stimme durch die Flucht der Jahrhunderte hindurch, wie in den Wiederholungen beider Schulen, von leidenschaftlichem Mitleid erzittern, das, aus der Mitte des individualistischsten Volkes der Welt heraus geboren, einzig dasteht und selbst das stumme Tier auf eine Stufe mit dem Menschen stellt. Über dem geistigen Feudalismus Der geistige Feudalismus. – Bezieht sich auf das Ideal der Brahmanenschaft, das in der Ausübung einer vollendeten, auf höchster Einfachheit des Lebens beruhenden Kultur besteht. Der brahmanische Dorfbewohner kann nicht nur ein Gelehrter im Sinne der europäischen Hochschulbildung sein, sondern auch ein Mann von vorurteilsfreiem Intellekt und Charakter. Dennoch wird er seinen Stolz dareinsetzen, stets der gleiche, selbstgenügsame Dörfler zu bleiben. In noch höherem Maße ist dies Ideal dem Sannyâsin eigen, von dem man verlangt, daß er sich der Armut ergibt wie der heilige Franziskus von Assisi. Man darf getrost behaupten, daß in Indien zahlreiche Vertreter der beiden obenerwähnten Kasten leben, auf die angewendet die im Texte enthaltene Behauptung keineswegs übertrieben ist., der mit Hilfe der Kaste auch den ärmsten Bauern zum Aristokraten macht, träumt der unendliche Erbarmer vom gemeinen Volke als von einem einzigen großen Herzen, sprengt die Ketten sozialer Knechtschaft und verkündet Gleichheit und Brüderlichkeit allen. Zumal dieses zweite, dem Gefühlsleben des konfuzianischen Chinas so verwandte Element trennt ihn von allen früheren Propheten vedischen Gedankenlebens und bewirkte, daß seine Lehre bald ganz Asien, wenn nicht gar die ganze Menschheit umfaßte.

Buddhas Geburtsort Kapilavastu liegt in Nepal und war zu seinen Lebzeiten sogar noch reiner turanisch als heute. Die Gelehrten sprechen ihm mitunter tatarischen Ursprung zu; denn die Çâkya können auch Çaka oder Skythen gewesen sein, und der unverkennbar mongolische Typ seiner frühesten Bildnisse, sowie die goldene oder gelbe Farbe seiner Haut, von der in den ältesten Sûtras Sûtra bedeutet auf Sanskrit »Faden« und bezeichnet gewisse uralte Texte, die aus Aphorismen oder Teil-Aphorismen bestehen und die, kraft ihrer Konzisität, dunkel sein müssen. Sie bilden einen Teil eines alten Memoriersystems und stellen in Wahrheit eine Reihe kurzer Stichworte dar, die ein ganzes Argument umfassen, in welchem jeder Satz bestimmte Folgerungsstufen ins Gedächtnis rufen soll. Das chinesische Wort dafür ist »Weberzettel«, das, auf dem gewebt werden soll. die Rede ist, sind ungewöhnlich starke Indizien. Die Taoisten gehen hierin sogar lächerlich weit und berichten im Lao-tse-Hua-hu-king (?), dem »Buch von der Bekehrung der Barbaren durch Lao-tse«, wie Lao-tse nach seinem geheimnisvollen Verschwinden bei Han-kuh-kuan nach Indien reiste und dort als Gautama reïnkarniert wurde.

Wie dem auch sei, ob nun tatarisches Blut in seinen Adern rollte oder nicht, das eine steht fest: er verkörpert in sich die philosophische Grundidee des tatarischen Volkes und wurde, indem er den indischen Idealismus in seiner höchsten Potenz zum Allgemeingut erhob, zum Weltmeer, in das die Wasser des Ganges und des Hoangho zusammenströmten.

Überdies trennt ihn die monastische Idee von der Schar der in den Wäldern predigenden Rishis und Sannyâsins, die sich in ihrem Freiheitsdrange zwar zu Sternen, nicht aber zu Sternbildern entwickelten. Die Tatsache einer buddhistischen Kirche, die zudem noch die Mutter aller übrigen Kirchen wurde, ist an sich allein schon ein Beweis für den dualistischen Charakter der buddhistischen Idee. Denn die Organisation der Sannyâsins hat eine Knechtschaft der Freien im Gefolge, und doch ist das Streben nach Erkenntnis vom Wesen der Freiheit, die uns von dem Leiden erlöst, das wir Leben nennen, der eigentliche Kern der Lehre. In Wahrheit werden Freiheit wie Knechtschaft nur zwei Lebensformen des großen Weisen gewesen sein. Die Vollkommenheit bedarf, um sich auszudrücken, zweier Gegensätze. Das Streben nach Einheit in der Vielheit und die echte Selbstbehauptung sowohl in der Allgemeinheit wie im Einzelnen stellen an sich schon die zwei Hauptforderungen und Hauptunterschiede der Glaubenslehre Buddhas dar.

Der Löwe der Çâkya schüttelt seine Mähne und streut den Staub der Mâyâ in alle Winde. Er sprengt die Ketten der Form und leugnet selbst ihre Existenz, indem er den Blick der Seele auf die ewige Einheit richtet. Auf diesen Grundsatz sind auch die atheistischen Formeln der späteren südlichen Schule aufgebaut. Gleichzeitig erzeugen Freude und Stolz über die Vereinigung mit dem Absoluten eine unendliche Liebe zur Schönheit und finden Genuß an der Ergründung des tieferen Sinnes, der den Einzelerscheinungen des Lebens innewohnt. So kommt es, daß die Buddhisten des Nordens und ihre Hindubrüder die ganze Welt mit ihren Götterbildern bevölkern. Wahrscheinlich wurde die Lehre Buddhas der Nachwelt in Gâthâs und in irgendeiner verwandten Übergangsform des ältesten, vorpalischen Sanskrits weitergetragen. Und doch befahl er seinen Jüngern, in den Mundarten des Volkes zu reden, als habe er mit eigenem Munde diese Form ablehnen wollen.

Die vielfachen Auslegungen einer einzigen Wahrheit, von gleich autoritativer Seite in so ganz verschiedene Formen gekleidet, mußten notgedrungen zu Streit und Schisma führen. Anfänglich bezog sich dieser vornehmlich auf die Disziplin oder Regeln, die wichtigste Einrichtung des großen geistigen Führers; später schloß er jedoch auch Streitigkeiten von grundlegender philosophischer Bedeutung ein, so daß der Buddhismus in zahllose Sekten zerfiel.

Die erste Spaltung scheint zwischen den Vertretern der höchsten Blüte indischer Philosophie, wie sie sich aus den Upanishaden Die Upanishaden wurden spätestens 2000-700 v. Chr. geschrieben. Sie bilden eine Ergänzung der Veden und stellen das große klassisch-religiöse Werk der Hindus dar. Sie handeln von der Verwirklichung des überpersönlichen Daseins. An Tiefe und Erhabenheit finden sie nicht ihresgleichen in der gesamten Weltliteratur. entwickelt hatte, entstanden zu sein und den Anhängern der volkstümlichen Auslegung der neuen Lehre und Disziplin.

Die erste Stufe des Buddhismus unmittelbar nach dem Nirvâna, das unserem Ermessen nach um die Mitte des sechsten Jahrhunderts vor Christi stattfand, stellt den Aufstieg der erstgenannten Gruppe dar. Ihre Führer, die ersten Kirchenpatriarchen, lehrten ein System des positiven Idealismus, während ihre Gegner sich mit Einzelheiten der mönchischen Disziplin und mit meist zu negativen Ergebnissen führenden Debatten über das Wirkliche und Unwirkliche befaßten.

Açoka, der große Kaiser, der ganz Indien unter sich vereinigte und seine Macht von Ceylon bis zu den Grenzen Syriens und Ägyptens ausdehnte, hat den Buddhismus als einigende Kraft ausdrücklich anerkannt und lieh das Gewicht seines persönlichen Einflusses den obenerwähnten Denkern, die mit denen der nördlichen Schule eng verwandt gewesen sein müssen. Das hinderte ihn aber nicht, mit echt asiatischer Toleranz auch ihre Gegner zu begünstigen und selbst der brahmanischen Religion seinen Schutz zu gewähren. Sein Bruder Mahendra bekehrte Ceylon zum Buddhismus und legte die Grundlagen zur nördlichen Schule, die sich selbst noch im siebenten Jahrhundert, als Genschô (Hüan-tsang) nach Indien kam, dort noch am Leben erhalten hatte. Schließlich schlug wenige Jahrhunderte später eine Welle der südlichen Lehre, deren Hauptsitz es bis auf den heutigen Tag geblieben ist, von Siam nach dort hinüber.

In Nordindien und Kaschmir, wo die Jünger Buddhas persönlich den Glauben predigten, waren die Buddhisten am rührigsten. In Kaschmir berief Kanishka, der König der Geten, der seine Macht von Mittelasien bis in das Pandschab hinein verbreitete, eine große buddhistische Versammlung, die den Buddhismus bis in das Innerste Asiens hineintrug. Dies alles hieß indes nur das Werk Açokas, des großen Nachkommen Chandraguptas, ausbauen, das im vierten Jahrhundert vor Christo begonnen worden war.

Nâgârjuna war ein indischer Mönch, dessen Name in China und Japan sehr bekannt ist. Im zweiten Jahrhundert n. Chr. folgte er den Spuren des ihm vorangegangenen, unter dem Namen Açvagosha Vasumitra bekannten Lehrers. Dieser war Vorsitzender der von Kanishka berufenen Versammlung gewesen. Nâgârjuna verlieh den ursprünglichen buddhistischen Lehrsätzen ihre dogmatische Form, indem er seine acht Verneinungen aufstellte und eine Erläuterung des stets zwischen zwei Extremen liegenden mittleren Pfades schrieb. Das Vorhandensein des unendlichen Ichs, der erhabenen Seele, des großen Lichtes, das das All durchdringt, erkannte er an; eine Lehre, die von dem Buddha der Pâli-Texte (südliche Schule) nicht bekämpft wird, wenn er auch das Nichtvorhandensein des endlichen Ichs lehrt. Die Tatsache, daß das Andenken Nâgârjunas mit Orissa und Südindien verknüpft ist, und daß sein unmittelbarer Nachfolger Deva aus Ceylon stammt, ist ein Beweis für die Größe des Gebietes, auf das sich der Einfluß dieser ersten Schule erstreckte.

Die Kunst dieser ältesten buddhistischen Epoche in Indien war eine natürliche Frucht des ihr vorangehenden epischen Zeitalters. Denn es wäre Torheit, die Existenz einer präbuddhistischen Kunst zu bestreiten und ihre plötzliche Geburt dem Einfluß Griechenlands zuzuschreiben, wie europäische Archäologen es zu tun pflegen. Das Mahâbhârata Das Mahâbhârata. – Das Epos »Groß-Indiens«, das den Krieg zwischen den Kuru und Pândava besingt. Dieser Krieg muß etwa im 10.-12. Jahrhundert vor Christo stattgefunden haben. Seine Geschichte stellt auch heute noch den heroischen Teil des Unterrichts für indische Knaben der oberen Kasten dar. Das Mahâbhârata enthält die Bhagavadgîtâ als Episode, und dieses knappe Evangelium umfaßt tatsächlich alle wichtigen Züge des nördlichen Buddhismus. und das Râmâyana Das Râmâyana, das zweite große indische Epos, handelt von der heroischen Liebe Râmas und der Sîtâ. enthalten bereits zahlreiche wichtige Anspielungen auf vielstöckige Türme, auf Gemäldegalerien und Malerkasten, von der goldenen Statue einer Heldin und den Schilderungen des prachtvollen Gewänderschmuckes ganz zu schweigen. Es ist auch in der Tat kaum anzunehmen, daß ein Zeitalter, in dem wandernde Sänger die Balladen vortrugen, aus denen dann später die großen Epen entstanden, keine Götterbilder gehabt haben soll, da Beschreibungen von Götterbildern in der Literatur stets als Hinweise auf gleichzeitige Versuche zur plastischen Verwirklichung gelten können. Dieser Gedanke findet in den Skulpturen der Geländer Açokas, auf denen Indras und Devas, den Bo-Baum anbetend, abgebildet sind, seine Bestätigung. Alle diese Tatsachen deuten darauf hin, daß zu dieser frühen Zeit Ton, Gips und anderes vergängliches Material hier wie in China bereits verwendet wurde. Spuren davon finden sich sogar noch in der Gupta-Periode wieder, und zwar pflegte man damals die Steinbasen der Statuen mit Kleister oder Gips zu überziehen. Wahrscheinlich waren die Geländer Açokas ursprünglich ebenso bedeckt. Spuren von griechischem Einfluß sind nirgends zu erkennen. Wenn Beziehungen zu einer fremden Kunst durchaus festgestellt werden sollen, so könnten es höchstens die zur archaischen Kunst Asiens sein, deren Überreste bei den Mesopotamiern, Chinesen und Persern zu finden sind; die letztgenannten sind überdies nur ein Zweigvolk der Inder.

Der hochstrebende Eisenpfeiler Açokas in Delhi – ein seltsames Wunderwerk der Eisengießerkunst, das Europa trotz seiner Wissenschaft und Technik bis auf den heutigen Tag nicht nachzuahmen vermag – beweist, ebenso wie die zwölf eisernen Kolossalstatuen von Açokas Zeitgenossen, dem Ts'in-Kaiser von China, eine Jahrhunderte alte Handfertigkeit und unerschöpfliche Mittel in der Kunst. Man hat sich bisher viel zu wenig bemüht, von dem Glanze und der Rührigkeit der damaligen Zeit, die der Nachwelt solche Trümmer hinterlassen konnte, ein Bild zu erhalten. Allein die verödeten Felder von Kurukshetra Kurukshetra oder Feld der Kuru. – Die große Ebene bei Delhi, wo die im Mahâbhârata geschilderte achttägige Schlacht stattfand. Hier wurde auch die Gîtâ verkündet. Heute ist sie nur noch eine Pilgerstätte. und die klagenden Halme von Râjagriha Râjagriha, – die uralte Hauptstadt Maghadas, ehe sie nach Patna in die jetzt als Behar bekannte indische Provinz verlegt wurde. halten noch die Erinnerung an die alte Pracht und Herrlichkeit fest, auf die sie sich heute neigen, um sie vor fremden Augen zu verbergen.

Bildnisse von Buddha selbst fehlen zwar auf den ältesten Stûpas ganz und sind auch auf den wenigen Überresten dieser frühen Periode für uns kaum erkennbar; sie werden jedoch höchstwahrscheinlich zu den ältesten Arbeiten seiner Jünger gehört haben, die sein Andenken sehr bald in die Jâtaka-Legenden kleiden lernten und seine wunderbare Persönlichkeit noch idealisierten.

In der Periode nach Açoka sehen wir den buddhistischen Kunstwillen Indiens sich aus den engen Grenzen primitiver Kunst zu immer freieren Formen durchringen und sich an entlegenere Stoffgebiete wagen. Dennoch läßt sich überall, sowohl in den Felsentempeln von Orissa und den Geländern von Sânchî, wie in den eleganten Formen von Amarâvatî, die den Höhepunkt der Schule des dritten Jahrhunderts bilden, eine streng gesetzliche Entwickelung der nationalen Kunstform feststellen.

Die Denkmäler von Mathurâ und Gandhâra lassen sich gleichfalls hier einreihen, da Kanishka und die Geten der indischen Kunst zwar mongolische Züge aufzwangen, damit aber nur erreichten, daß sie sich in den Schatten jenes ältesten, allen gemeinsamen Stiles begab. Aus eingehenden, weitgreifenden Studien der Werke von Gandhâra geht hervor, daß sie eher deutliche Anzeichen von chinesischem als von dem sogenannten griechischen Stil aufweisen. Das Baktrische Reich in Afghanistan ist stets nur eine kleine Insel inmitten einer starken tatarischen Bevölkerung gewesen und fand bereits im letzten Jahrhundert v. Chr. seinen Untergang. Die Eroberungszüge Alexanders hatten eher eine Erweiterung des persischen Einflusses als eine Verbreitung hellenischer Kultur im Gefolge.

Die zweite Stufe buddhistischer Aktivität – auf deren sino-japanische Entwickelung wir gelegentlich der Nara-Periode zurückkommen werden – beginnt im vierten Jahrhundert unter der Gupta-Dynastie, der es dank den ihr vorangehenden Andhra gelang, die dravidische Kultur des Südens mit der der Chola zu vermählen.

Um diese Zeit sehen wir Asanga und Vasubandhu die Grundlagen zu einer Schule objektiver wissenschaftlicher Forschung legen, eine Bewegung, deren poetischer Antrieb einen außerordentlich hohen wissenschaftlichen Ausdruck erreicht. Man darf dabei nicht vergessen, daß der Buddhismus, dank seiner Umschreibung des Begriffes Mâyâ, eine religiöse Idee verkörpert, der ein ungewöhnlich starker wissenschaftlicher Keim zugrunde liegt, eine Tatsache, die uns gerade in dieser Zeit deutlich vor Augen geführt wird. Es war das Zeitalter intellektualer Blüte, in dem Kâlidâsa seine Lieder sang und die Astronomie unter Varâhamihira ihren Höhepunkt erreichte, und dauerte bis in das siebente Jahrhundert, mit Nâlanda Nâlanda, – großes Kloster und buddhistische Universität in der Nähe von Râjagriha. als Hauptsitz der Wissenschaft. Die Kunst dieser zweiten buddhistischen Epoche kommt am besten in den Wandmalereien von Ajantâ und in den Skulpturen der Höhlen von Ellora zur Geltung. Diese stellen die wenigen Überreste der großen indischen Kunst dar, von der wir mit Bestimmtheit annehmen dürfen, daß sie, durch zahlreiche Wanderer nach China getragen, der T'ang-Kunst als Vorbild diente.

Die dritte Stufe des Buddhismus, das Zeitalter des konkreten Idealismus, beginnt im siebenten Jahrhundert den herrschenden Grundton des Glaubens anzuschlagen. Der buddhistische Einfluß dehnt sich bis nach Tibet aus und wird dort einerseits zum Lamaismus, anderseits zum Tantrikismus, um dann als die esoterische Lehre nach China und Japan zu gelangen und die Kunst der Heian-Periode zu erzeugen.

Nun drangen die Ideen der südbuddhistischen Schule, die bisher mit der ihr verschwisterten Bewegung des Nordens ständig Hand in Hand gearbeitet hatte, auch bis nach Birma und Siam durch. Sie wirkten dann auf Ceylon zurück, machten sich dort die wenigen Anhänger der nördlichen Schule untertan und schufen so eine neue Stufe indochinesischer Kunst, die stilistisch von der des Nordens sehr verschieden war.

Wiederum wird jene Form, in die der indische Geist den Buddhismus seit seinem ersten Auftauchen als geschlossene Glaubenslehre aufzulösen bemüht war, nämlich der sogenannte Hinduismus, als die allumfassende Lebensform des indischen Volkes anerkannt. Die große vedische Wiedererweckung von Çankarâchârya ist nichts als eine Anpassung des Buddhismus an das alte Indien und seine Auferstehung in einer neuen dynamischen Form. Und gerade in unseren Tagen übt das Mutterland der Philosophie trotz der trennenden Jahrhunderte eine stärkere Anziehungskraft denn je auf Japan aus.


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