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Der Konfuzianismus und Nordchina

Die erste Woge kontinentalen Einflusses, die vor dem Auftreten des Buddhismus im sechsten Jahrhundert über die primitive Kunst Japans hereinbrach, war die der Han-Kultur und der Sechs Dynastien Chinas.

Die Han-Kunst selbst war nur eine natürliche Frucht der uralten chinesischen Kultur, die unter der Chou-Dynastie (1122-221 v. Chr.) zu ihrer größten Höhe gelangt war. Ihr eigenster Gedanke kann im weitesten Sinne des Wortes nach dem großen Weisen, der den grundlegenden Geist Chinas verkörperte und in Worte faßte, als Konfuzianismus bezeichnet werden.

Die Chinesen, ackerbautreibende Tataren, wie die Tataren nomadisierende Chinesen sind, entwickelten bereits vor undenklichen Zeiten, als sie sich noch kaum in dem üppigen Tale des Hoangho festgesetzt hatten, ein großartiges kommunistisches System, das von der Zivilisation ihrer wandernden Brüder in den mongolischen Steppen restlos verschieden war. Und doch müssen schon zu dieser ganz frühen Zeit zweifellos gleichgesinnte Elemente in den Städten der Hochlandskönigtümer vorhanden gewesen sein, die von Natur dazu bestimmt waren, Keime der Entwickelung des Konfuzianismus zu werden. Wenn auch dieser Zeitpunkt in vorgeschichtlichem Dunkel liegt, so kann doch kein Zweifel darüber bestehen, daß von damals bis heute die Sendung der Hoangho-Völker ein und dieselbe war; nämlich von Zeit zu Zeit einen neuen Zuwachs von tatarischen Nomaden in sich aufzunehmen und sie einer ackerbautreibenden Lebensweise anzupassen.

Diese Entwickelung, die das Schwert des Nomaden allmählich zur Pflugschar des Bauern umformte, hatte indes zur Folge, daß die Widerstandskraft der neuen städtischen Bevölkerung nachließ, so daß sie schließlich hinter ihren Wällen dasselbe Schicksal erleiden mußte, das sie vordem über andere verhängt hatte. So ist denn die lange Reihe chinesischer Dynastien nichts weiter als eine Geschichte des Aufstieges immer neuer Stämme, die sich nacheinander an die Spitze des Staates stellen, um wieder vertrieben zu werden, sobald die alten Zustände wiederkehren.

Trotzdem hielten die chinesischen Tataren lange Jahrhunderte nach ihrer Niederlassung in der Ebene noch an dem Geist eines Hirtenregimentes fest. So wurden zum Beispiel die Gouverneure der neun Provinzen, in die das alte China zerfiel, muh d. h. »Hirten« genannt. Sie glaubten an einen patriarchalischen Gott, der durch den T'ien oder Himmel symbolisiert wurde und der in wohlwollender, mathematischer Folge Schicksale auf die Menschheit niederregnen ließ, eine Annahme um so wahrscheinlicher, als das chinesische Wort für Schicksal, ming, auch Befehl bedeutet und der Kernbegriff jenes Fatalismus ist, der, durch die Araber von den Tataren entlehnt, zum Mohammedanismus wurde. Sie behielten ihre Furcht vor den Wandergeistern des Unsichtbaren, ihre Idealisierung der Frau, aus der sich dann später das Zenana-Leben des Orients entwickelte; sie behielten ihr Wissen von den Sternen, das sie sich samt der dualistischen Mythologie der Turanier auf ihren Wanderungen durch das Steppengras der Hochebene angeeignet hatten. Vor allem die erhabene Vorstellung einer einigen brüderlichen Menschheit, die das untilgbare Erbe aller Hirtenvölker ist, die sich zwischen Amur und Donau umhertreiben. Die Tatsache, daß in China der Hirt älter als der Bauer ist, findet auch in der Mythologie ihren Ausdruck, wo es heißt, daß der erste Kaiser Fuh-hi der Lehrer des Weidens war, dem Shinnô (Shen-nung), der göttliche Landmann, folgte.

Allein die nur langsam wachsenden Bedürfnisse einer ackerbautreibenden Gemeinschaft, die sich durch zahllose Jahrhunderte ungestörten Friedens hindurch entwickelte, sollten in der Folge jenes großartige System ethisch-religiösen Denkens hervorbringen, das sich auf Land und Arbeit gründet und bis auf den heutigen Tag die unerschöpfliche Kraftquelle des chinesischen Volkes ist. Dank dieser treuen Anhänglichkeit an die altväterische Gesellschaftsordnung und in erhabener sozialer Selbstgenügsamkeit setzt es seinen wirtschaftlichen Siegeslauf in alle vier Weltgegenden fort.

Konfuzius (551-479 v. Chr.) fiel gegen Ende der Chou-Dynastie die Aufgabe zu, dieses großangelegte System synthetischer Arbeit, das das Studium aller modernen Soziologen verdiente, zusammenfassend zu erläutern. Er widmete sich der Gründung einer Religion der Ethik, er wollte den Menschen dem Menschen weihen. Für ihn ist die Menschheit Gott, die Harmonie des Lebens letztes Ziel. Der Konfuzianismus überläßt es der Seele Indiens, in höhere Regionen aufzusteigen und die eigene Unendlichkeit mit der des Himmels zu vermählen. Er stellt es dem empirischen Europa frei, die Geheimnisse von Welt und Materie zu ergründen, und läßt Christen wie Semiten getrost ihren Flug in ein Paradies höchst irdischer Träume nehmen. Ihm gilt es nichts, und doch wird er stets die großen Geister zu fesseln vermögen dank der Weite seiner intellektuellen Grundsätze und dem unerschöpflichen Mitgefühl für das Volk.

Das Yih-king oder »Buch der Wandlungen« Yih-king oder »Buch der Wandlungen«. – Dieses alte heilige Buch der Chinesen hat der Überlieferung nach durch Wen-wang, den Vater des ersten Chou-Königs, und seinen Sohn Chou-kung die jetzige Form erhalten. Diesem Grundtext ist ein siebenfacher Kommentar beigefügt, der von Konfuzius stammen soll und von dessen Anhängern als ein wesentlicher Bestandteil des Werkes angesehen wird. In diesem Kommentar spielt der Mensch eine wichtige Rolle, da er zwischen den widerstreitenden Kräften des Himmels und der Erde in der Mitte steht. So lautet die philosophische Lehre des Kommunismus. Die Taoisten hingegen sind in der Lage, sich über den Kommentar des Konfuzius hinwegzusetzen und deuten das Yih auf ihre eigene Art. Sie legen das Hauptgewicht auf den Text: »Erschließe den Stoff und schaffe Arbeit.« Diese uralten chinesischen Veden können nicht als eine Schöpfungsgeschichte, sondern viel eher als eine Art Naturphilosophie bezeichnet werden. Sie handeln von der Immanenz der Einheit in jedem Dualismus und von den Beziehungen der vier Jahreszeiten oder des Himmels zu den acht Elementen oder der Erde. Sie bestehen aus vier Büchern oder Abschnitten., die Veden Chinas, birgt zwar eine Fülle von Hinweisen auf das Hirtenleben, wird von dem Agnostiker Konfuzius aber, von dem das Wort stammt: »Nichts weiß ich vom Leben, wie sollt ich da vom Tode reden?« fast als verbotene Schrift angesehen. Und doch reicht er nur auf dem Umwege über dieses Buch an das Unergründliche heran. Nach der chinesischen Ethik ist die Familie die Einheit, um die herum sich die Gesellschaft aufbaut. Sie ist auf ein System abgestuften Gehorsams gegründet, in dem der einfache Bauer eine nicht minder hervorragende Rolle spielt als der Kaiser. Er ist ein väterlicher Autokrat, dessen Tugenden ihn ausschließlich nach Wahl und Willen der Allgemeinheit an die Spitze der großen brüderlichen Gemeinschaft stellen, in der nur die gegenseitige Pflicht herrscht.

Das oberste Gesetz ist die Selbstopferung des Individuums an die Allgemeinheit. Die Kunst gilt als wertvoll, weil sie den sittlichen Trieben der Gesellschaft dient. Die Musik steht, wohlgemerkt, an erster Stelle. Ihre besondere Aufgabe liegt darin, den Menschen mit seinen Mitmenschen, die Gemeinde mit ihren Schwestergemeinden in Harmonie zu bringen. Musik war daher die erste Kunst, die ein Jüngling aus guter Familie zur Chou-Zeit erlernen mußte.

Mancher wird sich verschiedener Gespräche des Konfuzius erinnern, in denen er liebevoll bei ihrer Schönheit verweilt, aber auch jene Geschichten nicht vergessen haben, die berichten, wie er lieber fastete, als darauf verzichtete, Musik zu hören; wie er einmal einem Kinde nachging, das auf einem irdenen Topf trommelte, um die Wirkung des Rhythmus auf das Volk zu beobachten; und wie er schließlich in dem Staate Ts'i (Provinz Schantung), wohin er gereist war, den alten Gesängen lauschte, die sich dort aus grauer Vorzeit her erhalten hatten.

Auch die Dichtkunst galt ganz ähnlich als ein Mittel zur Herbeiführung politischer Harmonie. So stand es einem Fürsten zum Beispiel nicht zu, Befehle zu erteilen, sondern nur Vorschläge zu machen; ebenso wie es das Ziel seiner Untertanen sein mußte, ihre Wünsche anzudeuten statt zu murren. Das anerkannte Mittel hierzu war die Poesie. Diese Auffassung deutet darauf hin, daß die Poesie in China zu dieser Zeit ähnlich wie im mittelalterlichen Europa ganz allgemein die Form von weltlichen Volksliedern angenommen hatte, deren Stoff Liebe und Arbeit und die Schönheit der Erde war: von Balladen, in denen der Lärm der Grenzscharmützel, das Geklirre von Waffen und das Stampfen wilder Rosse widerhallten; von unheimlichen Gesängen aus jener übernatürlichen Welt, an deren Schwelle Unwissenheit sich vor der Unendlichkeit beugt. Eine solche Lehre konnte auch nur in einer an derartigen Elementen so reichen Zeit entstehen und in einem Volke, das noch keine individuelle Poesie geboren hatte. Der große Weise sammelte diese alten Balladen als Beispiele für die Sitten und Gebräuche von Chinas goldenem Zeitalter, den drei Dynastien Hia, Yin und Chou, da diese Lieder der Prüfstein dafür waren, ob eine Provinz gut oder schlecht verwaltet wurde.

Selbst die Malerei wurde wegen ihrer Erziehung zur Tugend geachtet. Der große Weise erzählt in den »Familiengesprächen«, wie er die Ehrenhalle der Chou-Könige besichtigt und dort an der Wand das Bildnis Chou-kungs findet mit dem kleinen König Ch'eng-wang auf dem Arm. Er stellt dieses Bild in Gegensatz zu den Porträts Kiehs und Shous, zweier despotischer Tyrannen der Vergangenheit, die im Genuß und Wohlleben abgebildet sind, und verweilt dann in Betrachtung des Ruhmes und der Erbärmlichkeit, die in den Bildnissen abgemalt sind.

Von den Chou-Vasen und -Bronzen kann man getrost behaupten, daß sie, wenn auch nach anderen, feststehenden Regeln gebildet, in der Reinheit der Form den griechischen Vasen gleichkommen, ja sie womöglich noch übertreffen. In Wahrheit stellen diese beiden Richtungen zwei Gegensätze in der Welt der Kunstideale dar, die beiden Pole östlichen und westlichen dekorativen Kunsttriebes. Man kann die eine mit dem stillen, zartgetönten Nephrit, die andere mit dem blitzenden, individualistischen Diamanten vergleichen. Auch hier, unter den Bearbeitern von Metall und Nephrit, ist das gleiche leidenschaftliche Ringen um das Ideal der Harmonie zu erkennen, von dem Sänger und Maler dieser Periode erfüllt sind.

Die Macht der Chou-Dynastie hatte sich gefestigt und etwa fünfhundert Jahre gedauert, als sie durch den Aufstieg starker Adelsgeschlechter geschwächt wurde. Sie wieder wurden um das Jahr 221 v. Chr. besiegt, wie das von jeher das Los Chinas war, und von einem Grenzstamme aufgesogen, der während rund sechs Jahrhunderten ständig an Bedeutung zugenommen hatte und unter dem Namen Ts'in bekannt ist. Es waren mongolische Hirten, die unter den ersten Chou-Königen Pferdezüchter und Wagenlenker gewesen waren, und die nun als die zuletzt erschienenen Wüstenwanderer das herrschende Element wurden. Es heißt, daß der Name, unter dem das Reich des Himmels im Auslande bekannt ist, aus ihren Bezirken stammt, die an den Grenzen des alten Kaiserreiches lagen.

Die alten konfuzianischen Gelehrten schreiben diesen Tyrannen alle möglichen Greuel und Schandtaten zu. Trotzdem ist die Annahme berechtigt, daß sie einen wesentlichen Anteil an der Ausarbeitung des von den Chou entworfenen Regierungssystems hatten. Ihnen ist die Festigung des chinesischen Reiches zu verdanken. Sie bauten seine Landstraßen und gewaltig hohen Mauern, errichteten Provinzialregierungen, ähnlich den persischen Satrapien, und erfanden oder vielmehr erwählten eine nationale Chirographie. Sie waren es auch, die China offiziell entwaffneten und als erste den Rang und Titel von Kaisern annahmen. Vielleicht waren sie hierin aber nur den ganz gewöhnlichen Überlieferungen des Imperialismus treu, der ja für seine Zwecke jene Zentralisation schafft, die später zu seinem Sturz führt.

Selbst ihr Haß und ihre Verfolgung der Wissenschaft richten sich viel weniger gegen die konfuzianischen Gelehrten als gegen die politische Denkfreiheit, die in den feudalistischen Königreichen während der letzten Hälfte der Chou-Macht ein gefährliches Element geworden war. Zwar gab es staatliche Schulen, sie unterstanden aber sogenannten Poh-shi oder Lehrern, die von der Regierung ernannt waren.

Es war in der ganzen Welt das Zeitalter weitverbreiteten philosophischen Denkens. Der Buddhismus war im Begriff, ein Bestandteil des sozialen Bewußtseins zu werden. Athen war eine lebendige Kraft. Das Christentum sollte alsbald in Alexandrien der Menschheit tagen. Und das Zeitalter der Ts'in-Tyrannen östlich der großen Bergzüge war reich an Schulen. Zwar wurde eine Zensur geübt, die heute noch unter dem Namen des »Feuers der Ts'in« bekannt ist; nichtsdestoweniger ist der von der Nachwelt so sehr beklagte Untergang der Literatur möglicherweise weniger ihr zuzuschreiben, als dem Bürgerkrieg, der zwanzig Jahre lang, während des Sturzes ihres kurzlebigen Reiches, in China tobte.

Die auf die Ts'in folgende Han-Dynastie (202 v. Chr.-220 n. Chr.) hielt in der Hauptsache an der Politik ihrer Vorgänger fest, mit dem einzigen Unterschiede, daß sie von der Thronbesteigung des dritten Han-Kaisers an die Kenntnis des Konfuzianismus für den Staatsdienst obligatorisch machte, eine Regel, die sich bis auf den heutigen Tag erhalten hat. Sie trug sehr dazu bei, die besten Köpfe des Landes zum Staatsdienst heranzuziehen; dennoch wurden im Augenblick, wo eine solche Prüfung festgelegt war, Wachstum und Entwickelung des Konfuzianismus gehemmt, und die Lehre selbst lief Gefahr, in Starrheit zu verfallen.

Der Einfluß der konfuzianischen Philosophie war in der Tat so stark um diese Zeit, daß im ersten Jahrhundert christlicher Zeitrechnung ein Premierminister namens Wang Mang lediglich unter dem Zwange des Konfuzianismus den Drachenthron bestieg, in Übereinstimmung mit der Wahl der Weisesten seiner Zeit.

Dieser Mann war – und das ist bedeutsam – ein großes Genie. Er ist der eigentliche Begründer der Ts'in-Dynastie, und aus der Tatsache, daß während der vierzehn kurzen Jahre seiner Herrschaft die von ihm geprägten Münzen in alle Teile der damals bekannten Welt gelangten, wird mitunter der Schluß gezogen, daß zu dieser Zeit auch der Name China oder »Ts'in-Land« entstanden ist. Wahrscheinlich jedoch hat ihn Wang Mang nur verallgemeinert, da er schon früher in der indischen Literatur vorkommt. Ihm fällt der Ruhm zu, der erste Herrscher der Geschichte zu sein, der ein Edikt zur Abschaffung der Sklaverei erließ, und sein Sturz erfolgte auch erst dann, als er sich von seinen konfuzianischen Instinkten dazu verleiten ließ, eine Teilung des Grundes und Bodens unter das Volk zu verkünden und in die Tat umzusetzen. Hierauf schloß sich der Adel gegen ihn zusammen, und er wurde im Jahre 23 christlicher Zeitrechnung ermordet. Sein Tod ist ein herrliches Beispiel des Fatalismus, der dem konfuzianischen Denken eigen ist. Er saß in seinem Palast, den Stab aus Nephrit in der Hand, und sah zum Sternenhimmel auf, während draußen um seine Standarten die Schlacht tobte. »Ist es der Wille des Himmels, daß ich sterbe, so werde ich sterben; ist es sein Wille aber nicht, so kann nichts in der Welt mich töten«, sagte er voll Ruhe, und seine Mörder fielen über ihn her und töteten ihn auf seinem Stuhle, ohne daß er Widerstand leistete. Seinen Namen umschwebt auch heute noch der Duft ausgesuchter Höflichkeit, mit der er die auswärtigen Gesandten zu empfangen pflegte.

Die Kunst der Han, die das konfuzianische Ideal in der Welt verbreiteten, ähnlich wie die Römer die hellenische Kultur, war ihrer Form nach chouisch, wenn auch von dem satten Farben- und Phantasiereichtum, der einen wesentlichen Bestandteil des Han-Bewußtseins bildet, das sich durch ein monumentales Streben nach Einheit und üppigem Luxus auszeichnet. Bedeutsam für die Literatur ist, daß die Autoren ständig bemüht sind, eine sittliche Grundlage für den Prunk und das ungeheuere Wohlleben ihrer Zeit zu finden, und zwar zeugt ihr Standpunkt von einem außerordentlich hoch entwickelten sozialen Sinn. Jeder chinesische Gelehrte wird sich wohl der gereimten Prosa Sze-ma Siang-jus erinnern, wo die märchenhaften Jagdgesellschaften des Kaisers mit ihren schimmernden Karossen, Elefanten und Löwen aus fernen Ländern, Banketten und Tänzerinnen geschildert werden. Zum Schlusse heißt es aber: »Wir sind in Wahrheit glücklich zu preisen, daß die Zeiten so friedlich sind, denn nur dann sei es den Königen gestattet, solchen Luxus zu treiben.« An anderer Stelle werden die Sehenswürdigkeiten der verschiedenen Reichsstädte aufgezählt; zuletzt wird aber angedeutet, daß die wahre Schönheit einer Hauptstadt weniger in den Türmen und Ausschmückungen ihrer Gebäude als in den glücklichen Gesichtern ihrer Bewohner liege.

Die Baukunst dieser Zeit zeichnet sich durch gigantische Paläste mit karyatidengeschmückten Säulen und reichhaltigem Schnitzwerk aus, das vornehmlich die Moral des Zeitalters widerspiegelt. Ungeheure Türme und gewaltige Bauwerke aus Holz und Ziegel wurden von diesen in Wahrheit würdigen Nachfolgern der Ts'in errichtet. Es war das eigentliche Zeitalter der Festungswälle, und die Ts'in-Kaiser haben, ähnlich wie die späteren römischen Imperatoren, ein Denkmal ihrer Persönlichkeit in der Großen Mauer hinterlassen, die sich von Tunhuang bis zum Gelben Meer erstreckt. Man kann jedoch getrost behaupten, daß diese Leistung, die den Höhepunkt ihrer Macht kennzeichnet, zugleich auch den Anfang ihres Abstieges bedeutet, denn sie erschöpfte sowohl die Hilfsquellen der Regierung, wie sie deren Ansehen untergrub. Allein eine ganze Reihe nachfolgender Dynastien vollendete das Werk. Andere architektonische Erzeugnisse dieser Zeit, wie die Kolossalstatuen aus Bronze und Eisen, von denen in der Literatur so häufig die Rede ist, sind leider verloren gegangen, da die chinesischen Kaiser die Gewohnheit hatten, sich in den Stunden der Niederlage mit ihren Schätzen zu verbrennen. Zum Teil sind sie auch durch den Vandalismus dynastischer Umwälzungen zerstört worden.

Der malerische Stil der Han ist natürlich nicht rekonstruierbar, es sei denn, daß wir uns eine Vorstellung von seiner Pracht und Sattheit aus den rohbehauenen Steinen der Wu-Liang-shi in Schantung wiederzuerwecken suchen. Dies sind die Grabbauten einer Adelsfamilie der Provinz, die der letzten Hälfte der Han-Dynastie angehörten. Ihre Freskoskulpturen handeln von Ereignissen aus der chinesischen Mythologie und Geschichte und schildern das Leben und die Sitten Altchinas.

Um Exemplare des wundervollen Kunstgewerbes dieser Zeit zu finden, müssen wir uns nach Japan wenden und die kaiserlichen Sammlungen, wie die Schatzkammern der Shintô-Tempel, und den ans Tageslicht geförderten Inhalt der Dolmen studieren. Denn die Han-Kunst war aus China zu uns herübergedrungen, und wir waren sicherlich auch schon mit der chinesischen Literatur vertraut, lange ehe der koreanische Gelehrte, Wani der Poh-shi, uns seine konfuzianischen Texte erläuterte. Daß bereits vor dieser Zeit ein starker chinesischer Einfluß existiert haben muß, wird durch die zahlreichen chinesischen Inschriften bezeugt: ein Beweis für die rasche Verbreitung dieser Sprache in Japan. So war auch hier wie in China der Konfuzianismus der Boden, in den sich dann später der Keim des Buddhismus senken sollte.

Die große Mehrzahl chinesischer und koreanischer Einwanderer waren Künstler und Handwerker, die im Han-Stil arbeiteten, wie die Spiegel, Pferdegeschirre, Schwertverzierungen und wundervollen Gold- und Bronzewaffen, die sie hinterlassen haben, bezeugen.

So war denn die künstlerische Erziehung Japans schon fast beendet, als der Buddhismus der Asuka-Periode nach einer neuen, großartigen Ausdrucksform verlangte. Das Genie unseres großen Bildhauers Tori Busshi wurde nicht in einer einzigen Nacht erzeugt. Es war die Folge weit zurückliegender Ursachen. In ihm sehen wir nur die erste Frucht einer mächtigen Saat, die schon vor langer, langer Zeit in den Acker gesenkt war.

Und doch mußte das konfuzianische Ideal mit seinem aus dem Dualismus geborenen Gefühl für Symmetrie, mit seiner aus instinktiver Unterordnung aller Teile unter das Ganze erzwungenen Ruhe notwendig zu einer Beschränkung der Freiheit in der Kunst führen. Die an den Dienst der Ethik gefesselte Kunst muß allmählich zum Handwerk herabsinken. In der Tat hätte der chinesische Kunstwille von jeher dem Hang zum Dekorativen folgen müssen – das geht schon aus der außerordentlich hohen Entwickelung der Textilindustrie und der Keramik hervor –, hätte ihm nicht das taoistische Bewußtsein einen anmutigen Individualismus beigesellt und der Buddhismus ihn späterhin zum Ausdrucksmittel gebieterischer Ideale erhoben. Allein selbst wenn er beim Dekorativen stehengeblieben wäre, hätte er doch niemals auf ein bürgerliches Niveau herabsinken können, da die Kunst Asiens dank der Weite ihres von Weltgefühl und Überpersönlichem erfüllten Lebens auf ewig von der so entlegenen Gefahr eines Mangels an Sympathie bewahrt bleibt.


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